Vom Ringen um kulturelle Eigenständigkeit - sehr lesenswert!
Schwestern im GeisteBei „Schwestern im Geiste“ handelt es sich um den zweiten Band der Reihe „Das Pensionat an der Mosel“. Die Handlung spielt in Diedenhofen, heute Thionville, in Lothringen im Jahr 1911. Seit 40 Jahren gehören ...
Bei „Schwestern im Geiste“ handelt es sich um den zweiten Band der Reihe „Das Pensionat an der Mosel“. Die Handlung spielt in Diedenhofen, heute Thionville, in Lothringen im Jahr 1911. Seit 40 Jahren gehören Elsass und Lothringen nach dem Krieg 1870 zum Deutschen Reich, aber die Herzen der Lothringer schlagen nach wie vor für Frankreich. So geht man denn subtil und manchmal auch weniger subtil gegen die deutschen Polizisten und Soldaten vor und diese haben mal mehr, mal weniger Verständnis für die Befindlichkeiten ihrer Untertanen.
Pauline Martin leitet ein Mädchenpensionat und versucht ihre Schützlinge aufs Leben vorzubereiten. Diese kommen aus allen möglichen Gesellschaftsschichten, was auch zu Schwierigkeiten führen kann. Eine neue Lehrerin aus Irland soll darüber hinaus Musik und englische Sprache unterrichten, aber auch sie entpuppt sich als geheimnisvoll.
Ein Hauptmann der preußischen Armee steht Pauline zur Seite. Sie hat ihn bereits in den Vorjahren kennen und schätzen gelernt und auch dieses Mal benötigt sie wieder seine Unterstützung. Beide fühlen sich stark zueinander hingezogen, aber für eine Lehrerin ist eine Beziehung undenkbar. Sie würde damit ihrer Arbeit nicht weiter nachgehen können.
Der zweite Band ist schon allein deshalb lesenswert, weil er die Geschichte einmal aus Sicht der Franzosen erzählt. Nachdem man im Elsass ja sowieso einen deutschen Dialekt spricht, hatte ich angenommen, dass es für die Menschen nicht so schwierig war, sich umzustellen. Offenbar war das in Lothringen ganz anders. Hier fühlte und dachte man französisch und die Ressentiments gegen die Deutschen saßen tief. Schon im Rheinland war es 1815 den Menschen schwergefallen, sich mit den Preußen abzufinden, schließlich waren sie nicht für besonderen Humor bekannt. In Lothringen war hingegen die Abneigung gegen die Besatzung noch ausgeprägter. Diese Haltung hat Marie Pierre sehr schön herausgearbeitet und in verschiedenen Szenen mit Leben gefüllt.
Ihr ist es sehr gut gelungen, Fiktion und tatsächliche Ereignisse miteinander zu verknüpfen und mit der irischen Lehrerin haben wir sogar noch einen Exkurs in die irische Geschichte machen können.
Die Charaktere der Handlung sind sehr gut gewählt, sie sind ganz unterschiedlich und decken so auch ganz verschiedene Themen ab. Mit Charlotte und ihrem Bruder spielt sogar schon sehr früh der Antisemitismus, den es auch schon vor dem 1. Weltkrieg gab, in die Handlung hinein.
Das Buch war stellenweise richtig spannend, hin und wieder fühlte ich mich in einen Krimi versetzt und zitterte mit Pauline mit. Zeitweise war ein gutes Verhältnis zu den Soldaten doch auch ganz hilfreich.
Ich kannte Band 1 nicht, habe ihn aber auch nur an ganz wenigen Stellen vermisst. Man kann das Buch ohne Vorkenntnisse wunderbar lesen und verstehen. Trotzdem werde ich mir Band 1 noch besorgen und kann dann nächstes Jahr die Reihe abschließen. Schließlich will man doch wissen, wie es in Diedenhofen weitergeht.