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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.10.2024

Schwesternliebe

Blue Sisters
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Vier Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten. In der Kindheit so eng zusammen gewachsen und durch einen schrecklichen Schicksalsschlag auseinander gerissen. Wir lernen Avery, Bonnie und Lucky ...

Vier Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten. In der Kindheit so eng zusammen gewachsen und durch einen schrecklichen Schicksalsschlag auseinander gerissen. Wir lernen Avery, Bonnie und Lucky kennen, ein Jahr nachdem ihre Schwester Nicky gestorben ist. Was die vier damals verbunden hat, steht nun auf der Probe. Und wir werden in Coco Mellors Roman „Blue Sisters“ zu Zeug*innen, ob das einstige Band wieder zusammen wachsen kann.

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Schon nach wenigen Seiten war ich gecatched. Authentisch, nahbar, ungeschönt und echt - genauso wie ich Romane am liebsten mag - erzählen uns die Schwestern in wechselnder Perspektive von den besten und schlimmsten Zeiten ihres Lebens. Von der Gegenwart und der Vergangenheit, von Hass und Liebe, von Abgründen und Glücksmomenten.

Es waren die grandios verkörperten Emotionen, die mir an den „Blue Sisters“ am besten gefallen haben - und die offensichtlich auch durch eine ganz wundervolle Übersetzung den Weg in mein Herz gefunden haben.

Falls du über die an sich traurige Thematik des Romans grübelst, kann ich dir versprechen, dass der frische und lebendige Schreibstil für ein hoffnungsvolles und schönes Leseerlebnis sorgt. Als Einzelkind, das ganz ohne Geschwister aufwachsen musste, hatte ich im Leben schon häufig das Gefühl, das mir etwas fehlt. So ging es mir auch während der Lektüre immer wieder. Denn obwohl die Schwestern schwierige und hürdenreiche Wege zu gehen haben, strahlt die Schwesternliebe immer wieder so warm aus den Zeilen.

Eine große Leseempfehlung von mir für eine super kurzweiliges und sehr nahbares Buch, das das wahre Leben auf gelungene Weise abbildet.

Veröffentlicht am 19.09.2024

„Zustand vollkommener Wunschlosigkeit“

Mein drittes Leben
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Ohne den Klappentext zu lesen, habe ich mich auf die Leseprobe von „Mein drittes Leben“ gestürzt, nachdem „Die Liebe im Ernstfall“ von Daniela Krien vor ein paar Monaten meine persönliche Bücher-Hitliste ...

Ohne den Klappentext zu lesen, habe ich mich auf die Leseprobe von „Mein drittes Leben“ gestürzt, nachdem „Die Liebe im Ernstfall“ von Daniela Krien vor ein paar Monaten meine persönliche Bücher-Hitliste gestürmt hat. Nach der Leseprobe war klar, dass ich dieses Buch lesen MUSS, egal wie hart es wird.

Und es wurde hart. Es ist vermutlich die aufreibendste Lektüre, die ich bisher zu Ende gelesen habe. Doch es war wichtig und richtig. Und es war unfassbar lohnenswert.

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Im ersten Teil des Romans habe ich mich immer wieder gefragt, was ein Mensch aushalten und ertragen kann, obwohl die Grenze des Leidens jeden Tag aufs Neue erreicht und überschritten wird. Ungeschönt, nüchtern und authentisch erzählt die Autorin von Lindas (für mich zum Glück) unvorstellbaren Qualen - tagein tagaus - seit dem Tod ihrer Tochter.

Obwohl mir wirklich oft die Tränen kommen, lese ich weiter und bin fasziniert, wie es Daniela Krien gelingt, diesen Teil des Lebens in die richtigen Worte zu packen, wo uns allen doch meist die Worte ausgehen, wenn das Leid zu groß wird.

Im zweiten Teil des Romans lässt das (Mit-)Fühlen nicht nach, doch nun lerne ich, was Trauerbewältigung bedeutet. Und genau das ist es, was dieses Buch für mich aus- und vor allem einzigartig macht. Denn zusammen mit Linda gehen wir da durch - durch die schlimmsten Abgründe - solange bis wieder Licht kommt. Dieses Licht reißt mich mehr mit als all das Leid zuvor und es zeigt auf phänomenale Weise, wie perfekt winzige Momente des „Zustands vollkommener Wunschlosigkeit“ (S. 266) sein können.

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Ich bin froh, dass ich dieses Buch unvorbelastet lesen durfte - und dennoch war es harte Kost. Doch eines werde ich mitnehmen: Es lohnt sich, auf das Licht zu hoffen und an Wunder zu glauben, auch dann, wenn die Dunkelheit alles zu verschlingen droht.

Große Leseempfehlung für ein wirklich bewegendes Buch in wundervoller Sprache mit glaubwürdigen und tollen Charakteren. Das Buch lässt innehalten, muss verdaut werden und hallt nach - es kann sogar überlebenswichtig sein.

Veröffentlicht am 30.08.2024

Wie die Wale ein Menschenleben beeinflussen können

Die Reise der Wale
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Die Autorin Leigh Calvez ist Walforscherin und hat über ein Jahrzehnt ihres Lebens den Walen gewidmet. In ihrem Buch erzählt sie uns von ihren eigenen Begegnungen mit Buckelwalen, Blauwalen, Orcas und ...

Die Autorin Leigh Calvez ist Walforscherin und hat über ein Jahrzehnt ihres Lebens den Walen gewidmet. In ihrem Buch erzählt sie uns von ihren eigenen Begegnungen mit Buckelwalen, Blauwalen, Orcas und vielen weiteren Meeressäugern. Zusätzlich vermittelt sie uns Walwissen aus erster Quelle und liefert spannende Hintergrundinformationen zur Walforschung und auch zur Beziehung zwischen Mensch und Wal.



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Wenn ein Wal auf dem Cover ist, muss ich das Buch lesen - das war schon immer so. Doch seit es Sachbücher gibt, die von persönlichen Erlebnissen mit Walen erzählen, bin ich regelrecht verliebt in Walbücher.


Ein Aspekt hat mir bei „Die Reise der Wale“ besonders gut gefallen:


Die Autorin berichtet zwar schonungslos von all den schlimmen Dingen, die wir Menschen den Walen antun. Doch sie zeigt auf, dass es Lösungen gibt, dass sich der Kampf für die Wale lohnt, dass es bereits Fortschritte gibt, die sich in unseren Meeren zeigen. Häufig lese ich davon, dass wir Menschen die Welt der Wale zerstören. Das ist natürlich richtig, doch ich habe in diesem Buch erstmals gelesen, dass wir die Welt wirklich retten können - und dafür gibt es bereits handfeste Beweise.


Das hat mich tief bewegt und es motiviert ungemein dazu, weiterzumachen und niemals aufzugeben, eine „Hüterin“ zu sein. Der Begriff spielt auch in Leigh Calvez‘ Leben eine große Rolle. Manche mögen ihre Sichtweise als esoterisch ansehen. Doch ich finde es wunderbar, die Dinge auch mal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.


Zweifelsohne hat die Autorin so viel Positives für die Wale bewirkt und konnte so nah mit ihnen in Kontakt treten, wie kaum ein anderen Mensch, sodass wir ihren wunderschönen und nahezu magischen Wal-Momenten Gehör schenken sollten. 🐋

Eine große Empfehlung für alle, die Wale lieben. Ich habe wieder so viel Neues gelernt, was mich mein Leben lang begleiten wird. 🐋

Veröffentlicht am 24.08.2024

Die Vögel und der Mond

Wilde Geschöpfe
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Amy ist auf den schottischen Orkneyinseln aufgewachsen und reist eines Tages nach Berlin - um für unbestimmte Zeit zu bleiben. Sie ist trockene Alkoholikerin und ist auf der Suche nach einem neuen Leben, ...

Amy ist auf den schottischen Orkneyinseln aufgewachsen und reist eines Tages nach Berlin - um für unbestimmte Zeit zu bleiben. Sie ist trockene Alkoholikerin und ist auf der Suche nach einem neuen Leben, nach der Liebe, nach sich selbst. Dort verbringt sie ein Jahr mit Abenteuern, wechselnden Wohnungen, Deutschunterricht, neuen Freund*innen und wilden Geschöpfen.

🪶

Die Autorin ist 34 Jahre alt, als sie das Jahr in Berlin verbringt - genauso alt wie ich heute bin. Doch das ist nicht die einzige Gemeinsamkeit zwischen uns. Denn wie sie in der Großstadt die Natur findet, wie sie zwischen all den Gebäuden Vögel an ihrem Ruf erkennt, wie sie, besessen von der Idee, ein bestimmtes Tier zu finden, mitten in der Nacht durch die Straßen zieht und wie sie erstrahlt in einer unmessbaren Begeisterung für all die Lebewesen - das alles hat mich tief berührt, weil ich genauso bin.

Amy hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser und ist ständig auf der Suche nach einem Menschen, der ihr Leben auf die nächste Stufe hebt, der sie vervollständigt und der sie ankommen lässt. Wie unfassbar schwer das ist, und ob das in unserer heutigen Gesellschaft überhaupt noch möglich ist, erzählt sie uns in ihrem Buch.

Ein wahres Highlight ist dabei die Sprache, in der uns die Autorin mitnimmt durch ihre Zeit in Berlin. Dieses Buch ist ein perfekte Mischung aus kreativen Gedanken, aus einem direkten und ungeschönten Stil und aus zauberhafter Poesie.

Amy liebt die Vögel und den Mond, sie ist zerbrechlich und stark, mutig und schwach. Sie ist so nahbar und echt und sie findet schließlich etwas viel Wichtigeres, als das, wonach sie gesucht hat.

Für mich ist das Buch ein wahrer Glücksgriff. Es passt zu mir, ich fühle es und es bestärkt mich darin, loszulassen und zuzulassen. Auf den letzten Seiten muss ich weinen und das ist okay.

Veröffentlicht am 02.08.2024

Große Benjamin-Liebe 💜

Wesentliche Bedürfnisse
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„Wesentliche Bedürfnisse“ handelt von Benjamin Leiser, einem Kunsprofessor, der Vorlesungen hält und damit die Studierenden mitreißt und in seinen Bann zieht. Dieser Roman handelt aber auch von der Zeit ...

„Wesentliche Bedürfnisse“ handelt von Benjamin Leiser, einem Kunsprofessor, der Vorlesungen hält und damit die Studierenden mitreißt und in seinen Bann zieht. Dieser Roman handelt aber auch von der Zeit des Mauerfalls, vom Erwachsenwerden und vom Erwachsensein, von Wünschen und Plänen, die wieder verworfen werden (müssen), vom Selbstwertgefühl und vom Zweifeln, davon neu anzufangen und von der ewigen Suche nach der eigenen Definition von Glück.


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In so vielen Aspekten des Romans habe ich mich gut aufgehoben gefühlt, ich habe eigene Gedanken wiedererkannt, konnte so vieles nachempfinden und habe mich auch manchmal über Benjamins Verhalten geärgert - so als würde ich mich über meine eigenen kleinen Eigenarten ärgern. Auf wunderbare Weise zeigt Res Sigusch mit Benjamin als Hauptfigur, dass Geschlechter überhaupt keine Rolle spielen. Wir alle haben dieselben Sorgen, fühlen uns manchmal als Versager*innen, streben nach der ganz persönlichen Erfüllung und sind hin und wieder einsam, egal ob wir in Gesellschaft von Mitmenschen sind oder nicht.


Übrigens ist eine gewisse Melancholie Benjamins stetige Begleiterin, was der Geschichte eine wundervolle Schwere verleiht.


Ich hätte nie und nimmer für möglich gehalten, dass ich mich mit einem männlichen Protagonisten einmal so verbunden fühlen und mich so sehr mit ihm identifizieren könnte. Und gerade dieses Sprengen von Grenzen, dieses Durchbrechen von Altgedachtem habe ich an diesem Roman so geliebt.


Ein spannender anderer Aspekt des Romans ist die Definition von Kunst. Schließlich ist Benjamin Kunstprofessor und die Thematik spielt durchweg eine Rolle, wenn für mich auch nicht die Hauptrolle. Doch als Kunstinteressierte war dieser Punkt ein Mitgrund für die Entscheidung, das Buch zu lesen. Dass die Thematik auf diese rebellische, trotzige und unvoreingenommene Art durch Benjamin verkörpert wurde, hat mein Herz für die Kunst mehr als erfüllt.


Große Leseempfehlung für eine frische und gefühlvolle Geschichte, für die ich mir eine Fortsetzung wünsche.