Profilbild von Havers

Havers

Lesejury Star
offline

Havers ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Havers über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.11.2024

Drei Frauen auf Columbos Spuren

Der Mutter-Tochter-Mörder-Club
0

Wenn ihr auf der Suche nach neuem Lesestoff seid, schaut ihr euch auch manchmal die Empfehlungen von englischsprachigen Buchclubs an? Ich schon, weil ich immer auf der Suche nach Büchern bin, die noch ...

Wenn ihr auf der Suche nach neuem Lesestoff seid, schaut ihr euch auch manchmal die Empfehlungen von englischsprachigen Buchclubs an? Ich schon, weil ich immer auf der Suche nach Büchern bin, die noch nicht übersetzt sind.

Klassiker und anspruchsvolle Lektüre findet man in „The Queen’s Reading Room“, „Richard and Judy’s Book Club“ konzentriert sich auf Neuerscheinungen und stellt querbeet aktuelle Romane und Krimis/Thriller vor. Aber dann gibt es ja auch noch „Reese Witherspoon‘s Book Club“, in dem leichte Unterhaltung, nach der mir manchmal auch der Sinn steht, zu finden ist. Allerdings habe ich schon mehrfach die Erfahrung gemacht, dass die dortigen Empfehlungen mit Vorsicht zu genießen sind, da sie bei mir eher selten ins Schwarze treffen, was mich aber nicht daran hindert, dann doch zu dem einen oder anderen empfohlenen Buch zu greifen. Auch „Der Mutter-Tochter-Mörder-Club“ war ein solcher Fall, beworben als „Cosy Crime mit Witz und starken Frauen“. Leider sollten sich aber meine Erwartungen bestätigen.

Lana Rubicon ist eine erfolgreiche Unternehmerin aus L.A., hat nach der Trennung von Mann und Tochter ein Immobilienimperium aufgebaut. Der Kontakt zu ihrer Tochter Beth kocht seither auf Sparflamme, aber es gibt Situationen im Leben, in denen man vertraute Menschen um sich herum benötigt. In Lanas Fall ist das die Krebsdiagnose mit nachfolgender Chemotherapie. Und so lässt sie sich dazu überreden, zu Beth, ausgebildete Krankenschwester, und deren Tochter Jack in das verschlafene Küstenstädtchen zu ziehen. Langeweile pur für die rekonvaleszente Lana.

Doch das Blatt wendet sich, als ihre Enkelin Jack bei einer ihrer Bootstouren eine Leiche entdeckt. Bei der Obduktion stellt sich heraus, dass der Mann keines natürlichen Todes gestorben ist. Die Ermittler haben keine weiteren Anhaltspunkte, sind aber auch wenig engagiert, und so bleibt es nicht aus, dass plötzlich Jack zur Hauptverdächtigen wird. Diese Situation weckt den Columbo weckt in Lana und Beth, war das Anschauen dieser TV-Serie doch eine ihrer wenigen Gemeinsamkeiten während ihrer familiären Vergangenheit. Und ganz im Stil des verhuschten Detektivs machen sich die Frauen daran, Jacks Unschuld zu beweisen und den wahren Mörder dingfest zu machen.

Versprochen wurde ein Kriminalroman, aber leider trifft diese Genre-Zuordnung nur in Ansätzen zu, da eigentlich durchgängig die Spannung fehlt. Ursache dafür ist die Konzentration der Autorin auf die Beziehungen innerhalb der Familie, insbesondere auf die Spannungen, die innerhalb dieser Dreierkonstellation auftreten. Mutter-Tochter, im Doppelpack, da gibt’s natürlich einiges an ungelösten Konflikten aus der Vergangenheit. Dies wird auch immer wieder gerne speziell von Autorinnen thematisiert. Aber Nina Simon betrachtet auch die allmähliche Wiederannäherung von Lana und Beth durch die Sorge um Enkelin/Tochter. Der Krimihandlung hingegen kommt so nur eine Nebenrolle zu. Man könnte nun einwenden, dass es den einen oder anderen Plot-Twist gibt. Stimmt, aber erfahrene Krimileserinnen können die eingestreuten Hinweise entsprechend interpretieren, so dass Überraschungen weitestgehend ausbleiben.

Veröffentlicht am 06.11.2024

Freundschaften als Plädoyer für Europa?

Herrliche Zeiten - Die Himmelsstürmer
0

Peter Prange bleibt auch in „Herrliche Zeiten“, Auftaktband der Himmelsstürmer-Dilogie, dem Konzept treu, das wir von seinen früheren Romanen kennen. Historische Ereignisse bilden den Hintergrund der Handlung ...

Peter Prange bleibt auch in „Herrliche Zeiten“, Auftaktband der Himmelsstürmer-Dilogie, dem Konzept treu, das wir von seinen früheren Romanen kennen. Historische Ereignisse bilden den Hintergrund der Handlung und werden mit den individuellen Biografien bekannter oder fiktiver Persönlichkeiten verbunden, deren Leben und Handeln stellvertretend für den Zeitgeist der Epoche stehen.

1871, der Deutsch-Französische Krieg ist vorbei, man kann wieder nach vorne schauen. Es ist eine Zeit des Umbruchs, der Erneuerung. Aufbruchsstimmung macht sich in Europa breit, und in dem böhmischen Kurort Karlsbad treffen drei junge Leute aufeinander, die diese Veränderungen stellvertretend repräsentieren und ein Teil der neuen Zeit sind. Das Trio besteht aus (dem fiktiven) Paul Biermann, einem Bauingenieur aus Berlin (der maßgeblich am Bau des Kurfürstendamms beteiligt sein wird), dem Franzosen Auguste Escoffier, einem ambitionierten Nachwuchskoch (der nicht nur in Frankreich sondern auch in England seine Spuren hinterlassen und die Organisation der Profiküche revolutionieren wird), der als einer der ersten Kochbuch-Autoren und als Begründer der Haut-Cuisine gilt, und schließlich ist da noch Vicky, die siebzehnjährige Engländerin aus gutem Hause, die zwar kein besonderes Talent, dafür aber einen berühmten Verwandten vorzuweisen hat, nämlich Joseph Paxton, den Konstrukteur des Crystal Palace, der anlässlich der ersten Weltausstellung in London errichtet wurde.

In den folgenden dreißig Jahren begleiten wir ihre Lebenswege, die sich immer wieder, mal mehr, mal weniger intensiv, kreuzen und untrennbar mit der europäischen Geschichte verbunden sind. Allerdings wollte bei mir der Funke nicht wirklich überspringen. Zu beliebig und vorhersehbar sind die Berührungspunkte der drei Freunde. Sie haben sich mit ihrem Leben arrangiert. Natürlich gibt es das eine oder andere Drama, was bei dieser Konstellation zu erwarten ist. Genau, es ist zu erwarten, ergo sind Überraschungen Mangelware, hat man alles schon vielfach gelesen. Tja, und auch die zeitgeschichtlichen Referenzen fand ich über weite Strecken eher nichtssagend in dieser Story verarbeitet. Der Bau des Kurfürstendamms, um nur ein Thema zu erwähnen, das lang und breit behandelt wurde. Wen interessiert das? Mich jedenfalls nicht. Lediglich der Handlungsstrang, der sich mit Escoffier beschäftigte, hat bei mir Interesse geweckt. Aber um dieses Thema zu vertiefen, greife ich dann doch lieber zu einer Biografie, die diese erdachten privaten Verwicklungen ausspart.

Ein Roman über Freundschaft, über Völkerverständigung? Ein Plädoyer für Europa? Vielleicht war das die Intention des Autors, war aber leider nicht überzeugend. Herausgekommen ist eine trockene, vorhersehbare, oberflächliche Story, die zudem noch viel zu konventionell, langatmig und behäbig erzählt wird, woran auch die Kapitel aus wechselnder Sicht leider nichts ändern konnten. Die Fortsetzung werde ich mir ersparen.

Veröffentlicht am 28.10.2024

Der schwächste Band der Reihe

Die weiße Stunde
0

Wien 1923, die Zeit zwischen den Weltkriegen. Wien liegt am Boden, hat sich in einen Albtraum verwandelt. Die Wirtschaftslage ist katastrophal, die Inflation galoppiert, der Schwarzmarkt floriert, die ...

Wien 1923, die Zeit zwischen den Weltkriegen. Wien liegt am Boden, hat sich in einen Albtraum verwandelt. Die Wirtschaftslage ist katastrophal, die Inflation galoppiert, der Schwarzmarkt floriert, die Rattenfänger bekommen Zulauf. Hunger und Not bestimmen den Alltag, Angst und Verzweiflung greift um sich. Viele Menschen wissen nicht mehr aus noch ein, die Selbstmorde und ungeklärten Todesfälle häufen sich, die Opfer werden auf dem Friedhof der Namenlosen bestattet.

Aber nicht alle Toten sind ohne Namen. Als August Emmerich samt seines Assistenten Ferdinand Winter zu einem Tatort abkommandiert werden, stellen sie schnell fest, dass das Opfer sich in den höheren Kreisen bewegte und ihre Gunst recht freigiebig verteilte. Aber wer könnte ein Interesse daran haben, sie zu töten? Ein interessanter Hinweis kommt von Wertheim, einem pensionierten Inspektor, der sie auf eine ungelöste Mordserie hinweist, die zehn Jahre zurückliegt. Ist der damalige Täter etwa wieder aktiv?

Die Krimihandlung ist dünn, aber wie bereits in den fünf Vorgängern ist es auch in diesem Band vor allem den Kenntnissen der Archäologin Daniela Larcher aka Alex Beer zu verdanken, die sich redlich bemüht, die Atmosphäre in dieser schwierigen Zwischenzeit zu vermitteln. Leider konzentriert sie sich diesmal meiner Meinung nach zu sehr auf die gesellschaftlichen Aktivitäten der Wohlhabenden und die Beschreibung von historischen Gebäuden und deren Nutzung (siehe dazu auch das Nachwort), sodass für die problematischen Lebensumstände der „normalen“ Menschen in dieser Zeit wenig Raum bleibt. Sie werden zwar erwähnt, nehmen aber leider nur wenig Raum ein, und auch im zwischenmenschlichen Bereich fehlt der Charme der Vorgänger. So kommt „Das weiße Band“ leider über weite Strecken recht beliebig daher und ist somit für mich der schwächste Band der Reihe. Kann man lesen, muss man aber nicht.

Veröffentlicht am 07.10.2024

Dünne Story. langatmig erzählt

Blutbuße
0

Die Vorgänger habe ich gerne gelesen, aber „Blutbuße“, dritter Band der Åre-Krimis von Viveca Sten, konnte mich leider nicht überzeugen. Warum? Ganz einfach in vier Worten auf den Punkt gebracht: Dünne ...

Die Vorgänger habe ich gerne gelesen, aber „Blutbuße“, dritter Band der Åre-Krimis von Viveca Sten, konnte mich leider nicht überzeugen. Warum? Ganz einfach in vier Worten auf den Punkt gebracht: Dünne Story, langatmig erzählt.

Die Stockholmer Immobilienentwicklerin Charlotte Wretlind hat große Pläne. Sie möchte das verlassene Hochgebirgshotel in Storlien, mit dem sie schöne Kindheitserinnerungen verbindet, wiederauferstehen lassen. Aber da die vorhandene Bausubstanz miserabel ist, wird sie um einen Abriss nicht umhinkommen, um ihre Vorstellungen von einem großflächigen, luxuriösen Hotelkomplex in die Tat umzusetzen. Doch dazu soll es nicht kommen, fällt sie doch während ihres Aufenthaltes in den verschneiten Skiort Åre einem Mörder zum Opfer, der sie in unbändiger Wut mit einem Messer massakriert. Und sie wird nicht die Einzige bleiben. Ein neuer Fall für Hanna Ahlander, Daniel Lindskog und ihre Kollegen.

Aus den Vorgängern weiß man, dass sich die Autorin gerne Zeit lässt, um ihre Story aufzubauen. Ihr ist der persönliche Hintergrund der Protagonisten immens wichtig, aber diesmal hat sie es eindeutig übertrieben. Mittlerweile ist es doch hinreichend bekannt, dass Hanna ein Auge auf ihren Kollegen Daniel geworfen hat, der aber tabu für sie ist, da er Frau und Kind hat. Wir haben es verstand, und es gibt keinen Grund, uns wieder und wieder mit den ausführlichen Beschreibungen dieses Schmachtens zu langweilen.

Viel zu viele Nebenschauplätze, die überflüssig sind, weil sie nichts zum Fortgang der Handlung beitragen: Überflüssiges Privatgedöns der Protagonisten, der verschämte Polizeikollege mit dem problematischen Liebesleben, Gewalt gegen Frauen, eine unglückliche Kindheit. Alles schon viel zu oft gelesen.

Zwar kommt die Polizeiarbeit nicht zu kurz, wird aber auch sehr kleinteilig beschrieben, wenngleich dies durch die kurzen, alternierenden Kapitel noch am ehesten zu verschmerzen ist. Ein gewisses Maß an Spannung bringen glücklicherweise die kursiv gesetzten Erinnerungseinschübe einer jungen Kellnerin, die allmählich das Motiv des Täters offenbaren. Was zweifellos auf der Plusseite steht, sind die atmosphärischen Landschaftsbeschreibungen. Diese beherrscht die Autorin aus dem Effeff, aber von einem spannenden Kriminalroman erwarte ich dann doch etwas mehr.

Veröffentlicht am 01.09.2024

Thank you for your service

Die Frauen jenseits des Flusses
0

ie Vereinigten Staaten und der Vietnamkrieg, nichts, was in der amerikanischen Belletristik sonderlich präsent wäre. Nun hat sich also die Bestsellerautorin Kristin Hannah dieses Themas in ihrem neuen ...

ie Vereinigten Staaten und der Vietnamkrieg, nichts, was in der amerikanischen Belletristik sonderlich präsent wäre. Nun hat sich also die Bestsellerautorin Kristin Hannah dieses Themas in ihrem neuen Roman „Die Frauen jenseits des Flusses“ angenommen und beschreibt die Erfahrungen der jungen „Frankie“ Grace McGrath, die sich als Freiwillige an die Front gemeldet hat, um dort als Krankenschwester zu arbeiten. Und natürlich muss sie auch den Blick auf die Zeit nach dem Einsatz richten – was durchaus legitim ist –, wissen wir doch, dass Kriegsheimkehrer in der Regel mit traumatischen Belastungsstörungen zu kämpfen haben, weil sie das Gesehene und Erlebte nur schwerlich verkraften können. Was mir allerdings wesentlich wichtiger scheint ist die Frage danach, und die stellt auch Hannah, warum die USA quasi verleugnen, dass auch Frauen in diesem Krieg ihr Leben in die Waagschale geworfen haben und im Einsatz waren. An vorderster Front, aber auch dahinter. Aber dennoch keien offizielle Anerkennung, kein Dank, kein „Thank you for your service“.

Soweit alles im grünen Bereich, was mir aber zunehmend auf die Nerven ging, war die Menge an Klischees, die die Autorin hier verwurstet. Der Vater, der die Leistung seiner Tochter nicht anerkennt. Die Mutter, die offenbar nicht in der Lage ist, Liebe zu geben. Die verzweifelte Suche der Tochter nach Anerkennung. Dazu die sich wiederholenden Beschreibungen der unzumutbaren Zustände und Arbeitsbedingungen. Hallo? Das ist Krieg und kein antiseptischer OP-Raum. Und natürlich dürfen auch die Love Storys nicht fehlen, die alle nach dem Schema „Sie kam, wurde gesehen und Mann entbrannte in tiefer Liebe zu ihr“ ablaufen und natürlich nicht ohne die üblichen dramatischen Wendungen der Seifenopern, samt Wiederauferstehung, auskommen.

So bleibt am Ende ein eher schales Gefühl zurück, hat die Autorin doch die Chancen, die dieses Thema geboten hätte, nur unzureichend genutzt.