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Veröffentlicht am 06.11.2024

Mord in Vimmerby

SchwedenMord (Schwedenkrimi)
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In einem Waldstück nahe der Kleinstadt Vimmerby wird eine unbekannte junge Frau tot aufgefunden. Als sich herausstellt, dass die Tote ermordet wurde, erhält Marten Henriksson, der kommissarische Polizeichef ...

In einem Waldstück nahe der Kleinstadt Vimmerby wird eine unbekannte junge Frau tot aufgefunden. Als sich herausstellt, dass die Tote ermordet wurde, erhält Marten Henriksson, der kommissarische Polizeichef Vimmerbys, Unterstützung von der Mordkommission Västervik zugewiesen. Ausgerechnet Lena Wallin, seine Exfrau, soll ihn bei der Lösung des Falls unterstützen.

Ermittlungen mit der Ex, da ist schon mal für Zündstoff gesorgt. Lena und Marten versuchen, sich auf die Tätersuche zu konzentrieren. Tatsächlich befasst sich ein zweiter Handlungsstrang mit der Vergangenheit des Polizistenpaares. Einst verstanden sie sich blendend, doch mittlerweile scheint sie nur noch ihre gemeinsame Tochter Tove zu verbinden. Während Marten mit den geltungssüchtigen Kleinstadthonoratioren und einem Maulwurf im Team zu kämpfen hat, macht Lena die Rückkehr nach Vimmerby schwer zu schaffen. Der Mordfall erweist sich als genauso schwierig, wie es Lenas Chef Björn prophezeit hat. Obwohl die Polizei die Identität der Leiche rasch feststellen kann, gehen die Ermittlungen nur zäh voran. Niemand scheint die Polizei bei ihrer Arbeit unterstützen zu wollen. Während Lena immer gereizter agiert als der Unternehmer Anders mehr und mehr in den Fokus der Fahnder gerät, muss Marten einen schweren Schlag einstecken als er die undichte Stelle seines Teams entlarven kann. Derweil rutscht die Stimmung der Bevölkerung in den Keller. Da geschieht ein zweiter Mord.

Schweden Mord ist mein zweiter Kriminalroman von Nele Bruun. Statt auf Baltrum wird dieses Mal in Südschweden, in Astrid Lindgrens Heimatort Vimmerby ermittelt. Darauf verweist auch das passende Cover. Es zeigt ein rotes Gebäude, ähnlich dem Haus von Astrid Lindgrens Eltern.

Auch dieses Mal ist es der Autorin gelungen, sowohl die Haupt- als auch die Nebencharaktere glaubwürdig und individuell zu zeichnen. Marten und Lena wirken so gegensätzlich wie zwei Seiten einer Medaille. Marten, nachdenklich, charmant, umgänglich, noch etwas unsicher in der ungewohnten Chefrolle, hat bis heute nicht verstanden, warum ihn seine Frau verließ. Lena, impulsiv, erfolgreich, tatkräftig, plagen Schuldgefühle, obwohl sie ihre Entscheidung nicht bereut. Nach einer unerwarteten, schmerzlichen Konfrontation mit ihrer Vergangenheit, gerät sie ins Grübeln. Martens Team ist angenehm divers und bodenständig, auch wenn die Menschenkenntnis des Chefs hier eine Niederlage einstecken muss. Die Honoratioren der Stadt, ob Martens Vater oder sein Intimfeind Thorbjörn, entsprechen in ihrer fordernden und selbstgerechten Art den Erwartungen.

Nele Bruuns Schreibstil überzeugt erneut. Die Perspektivenwechsel erlauben Einblicke in Lenas und Martens Gedankenwelt. Unerwartete Wendungen sorgen für Spannung. Die kurzen Kapitel halten das Tempo hoch. Obwohl hier die gemeinsame Vergangenheit des Ermittlerteams eine große Rolle spielt, kommt der Kriminalfall nicht zu kurz. Lena und Marten wachsen zu einem erfolgreichen Team zusammen, das sich auch menschlich wieder annähern. Täter und Tatmotiv liegen lange im Dunkeln. Aber die Auflösung hat mich überzeugt. Ein bisschen weniger Raum für die Beziehung hätte dem Krimi meiner Meinung nach gutgetan. Trotzdem wurde ich gut unterhalten.

Ich vergebe gute 4 von 5 Sternen und eine Empfehlung an alle Krimifans, die sich auch für den Menschen hinter dem Ermittler interessieren.

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Veröffentlicht am 15.10.2024

Nancys Entscheidung

Die Mitford Schwestern
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Marie Benedict widmet den 6. Band ihrer erfolgreichen Buchreihe „Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte“ den schillernden Mitford-Schwestern. Zwischen den beiden Weltkriegen waren die sechs exzentrischen ...

Marie Benedict widmet den 6. Band ihrer erfolgreichen Buchreihe „Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte“ den schillernden Mitford-Schwestern. Zwischen den beiden Weltkriegen waren die sechs exzentrischen Töchter von David Freeman-Mitford, dem 2. Lord Redesdale, das skandalöse Zentrum der britischen High Society. Verwandt oder bekannt mit fast allen einflussreichen Größen der damaligen Gesellschaft nahmen sie keinerlei Rücksicht auf Konventionen. Heute wären sie wohl It-Girls oder Influencer. Der Roman umfasst neun Jahre aus dem Leben der Schwester, von 1932 bis 1941.

Zunächst lernen wir die drei älteren Geschwister Nancy, Diana und Unity kennen, die auch das ansprechende Cover zieren. Alle drei befinden sich in einer Umbruchsituation. Diana trennt sich gerade vom millionenschweren Guinness-Erben Bryan, um ganz offiziell als Geliebte des verheirateten englischen Faschistenführers Oswald Mosley zu leben. Nancy wird von ihrem Langzeitverlobten Hamish verlassen, den Diana zu diesem Schritt gezwungen hat. Die Debütantin Unity entdeckt den Faschismus für sich, was dramatische Folgen nach sich ziehen wird. Sie übersiedelt nach Deutschland, um akribisch Hitlers Leben in München zu verfolgen. Mit Strategie und Beharrlichkeit gelingt es ihr nicht nur den Führer kennenzulernen, nein, sie steigt in seinen engsten Kreis auf. Ihre zunehmende Faszination für Hitler bis hin zur Besessenheit verursachte Gänsehaut bei mir. Ähnlich ging es mir mit Dianas Hörigkeit gegenüber Mosley. Eine schöne, selbstbewusste Frau, die alles hat, erträgt jede Erniedrigung, um sich die Gunst ihres Lovers zu bewahren. Sie nutzt Unity und deren Nazifreunde skrupellos aus, um Mosleys Macht in Englands faschistischer Partei zu festigen und ihn so an sich zu binden. Um dieses Ziel zu erreichen, schreckt sie vor nichts zurück. Nancy lebt zunächst ein für ihre Gesellschaftsschicht typisches Leben und hat erste Erfolge als Schriftstellerin. Fatal wird für sie ihr Pech mit Männern, das zeitlebens anhält. Mit zunehmender Sorge beobachtet sie das Treiben ihrer Schwestern, da sie ahnt, dass es zum Krieg kommen wird. Im Lauf der Zeit sympathisieren immer mehr Mitfords mit den deutschen Faschisten, außer ihrer Schwester Jessica. Winston Churchill, der mit Nancys Cousine verheiratet ist und Nancys Zweifel spürt, appelliert an ihre Vaterlandsliebe.
Mit Eintritt Englands in den Krieg eskaliert die Lage. Unity unternimmt einen Selbstmordversuch in München, auf den Diana eher verärgert als mitfühlend reagiert. Nancy überwindet ihre Skrupel und spioniert undercover für Churchill. Sie schätzt Diana inzwischen als echte Gefahr für ihr Land ein. 1940 wird Mosleys Partei BUF verboten, ein Jahr später werden Diana und er interniert.

Die Idee, die einzelnen Kapitel jeweils aus der Sicht einer der Schwestern zu schildern, erweist sich als genial. Durch den Perspektivenwechsel fällt es leichter in die Geschichte hineinzufinden. Dabei ist Nancy die Haupterzählerin. Nur ihre Kapitel sind aus der Ich-Perspektive geschrieben. Der anschauliche, gute Schreibstil und die kurzen Kapitel erlauben ungestörtes Lesen. Benedict gelingt es mühelos, ihre Leser zu fesseln. Sie zeigt glaubhaft, wie sich ihre Hauptcharaktere entwickeln.
Ich finde es faszinierend, wie unterschiedlich die Schwestern waren. Schade, dass die jüngeren selten erwähnt werden. Gerade Jessica, die sich als überzeugte Kommunistin politisch sehr von ihren Schwestern unterschied und in die USA auswanderte, hätte ich mehr Raum gewünscht. Die Haltung der Eltern war für mich nicht nachvollziehbar. Der Vater entwickelt sich vom „Hunnenhasser“ zum Fürsprecher für Hitler im House of Lords. Die Mutter wird zur glühenden Nazianhängerin. Für meinen Geschmack fällt das Nachwort zu knapp aus. Ich hätte gern mehr Informationen darüber gehabt, was an dem Roman fiktiv ist, gerade, weil schon die reale Geschichte so unglaublich anmutet.

Während des Lesens habe ich mich immer wieder gefragt, wie diese gutsituierten, wohlhabenden Frauen in den Bann derart radikaler politischen Ansichten geraten konnten. Können wir daraus Schlüsse für die aktuelle politische Situation ziehen? Nicht die Altnazis und Skinheads sind die größte Gefahr für unsere Demokratie. Eher die Dianas und Unitys unserer Zeit und ihre männlichen Pendants.

Ich empfinde diesen Band nicht als den besten der erfolgreichen Reihe. Trotzdem ist er, besonders für Geschichtsinteressierte, sehr lesenswert. Ich gebe gute 4 von 5 möglichen Sternen.

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  • Handlung
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Veröffentlicht am 05.09.2024

Aberwitz trifft Cosy Krimi

Heidabimbam!
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Wer schräge Regionalkrimis liebt, ist hier genau richtig! Aber von Beginn an …

Capitano Francesco Caruso und Museumskuratorin Angelica Fiorelli werden beauftragt, den zweitgrößten Smaragd der Welt sicher ...

Wer schräge Regionalkrimis liebt, ist hier genau richtig! Aber von Beginn an …

Capitano Francesco Caruso und Museumskuratorin Angelica Fiorelli werden beauftragt, den zweitgrößten Smaragd der Welt sicher von Rom nach Überlingen am Bodensee zu bringen. Schon als der italienische Polizist auf die seltsame Idee verfällt, den wertvollen Edelstein in einem bunten Eiswagen Marke Giovanni zu transportieren, schwant dem Leser nichts Gutes.
Gleichzeitig fordern ungewohnt viele Verbrechen den Polizeiposten im malerischen schwäbischen Muggenpfuhl heraus. In Abwesenheit ihres Chefs sollen die Polizisten Schmähle und Schmälzle – Klischee! - mehrere Überfälle der berüchtigten Schlumpfbande und einen mysteriösen Einbruch mit Todesfolge aufklären. Ein Anschlag auf den Edelsteintransport führt unsere Protagonisten zusammen. Caruso kehrt nach Muggenpfuhl zurück, um in der schwäbischen Kleinstadt den Smaragd sicher zu verstecken. Dieser Entschluss führt zu teilweise aberwitzigen Ereignissen und schrägen Personen. Ob das Muggenpfuhler Medium Gundel Sternklar, Caruso von einem Fluch befreit, der französische Topdieb Remy, die Schlange, jetzt in Überlingen als Friseur arbeitet, die Trattoriachefin Donna Elvira mit ihrem verstorbenen Mann eine flotte Sohle aufs Parkett legt oder eine Horde wild gewordener Schwaben auf Geisterjagd, ein Hotel zerlegt, für Abwechslung ist gesorgt. Aber was steckt dahinter?

Das Cover ist eher schlicht. Die kahle Krone eines Laubbaumes auf grünem Hintergrund. So unspektakulär, dass es den Leser überhaupt nicht auf den Krimi vorbereitet, den es ziert.

Autor Harald J. Marburger nimmt uns in „Heidabimbam!“ mit in eine schwäbische Provinz, die so nur im Klischee existiert. Obwohl uns seine Geschichte auch nach Italien und Kolumbien führt, liegt der Schwerpunkt doch nördlich des Bodensees. Seinen flotten Schreibstil garniert der Autor mit schwäbischen Schimpfworten und Ausdrücken, die für Nichtschwaben immerhin am Buchende übersetzt werden.

Seine Charaktere sind bewusst überzeichnet. Das beginnt bei der Namensgebung und endet nicht mit den Eigenheiten der Personen. Während Polizist Schmälzle keine fünf Minuten ohne Nahrungsaufnahme existieren kann, wandelt Schmähle fortwährend auf Freiersfüßen. Auch die übrigen Protagonisten sind nicht realistischer, aber sehr unterhaltsam. Allein mein Lieblingscharakter, das Medium Gundel Sternklar, der (Spoiler: er ist keine Frau) stets zwischen Spiritualität und Registrierkasse schwankt.

Da ich auf schräge Krimis stehe und zudem Schwäbin bin, fühlte ich mich gut unterhalten. Alle Klischees über Schwaben werden bedient, nur die Kehrwoche fehlt. Oder habe ich da etwas überlesen? Bis zum Ende war ich mir nicht klar darüber, ob der Autor Schwaben hasst oder liebt. Ich tippe wohlwollend auf die letztere Annahme. Ob sich die Lektüre auch für Hessen, Bayern, Sachsen, Saarländer oder andere Nichtschwaben eignet? Es hängt stark von deren Humor ab. Das angehängte Glossar wird dann dringend benötigt. Oder wissen Sie, was ein Busierschdengl ist?

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Veröffentlicht am 02.09.2024

Wie gefährlich ist es, ein Smartphone zu kaufen?

Das Smartphone
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Die Studentin Paula kauft ein gebrauchtes Smartphone, wie schon 19 Prozent der deutschen Bevölkerung vor ihr. Ein Kauf mit weitreichenden Konsequenzen. Der Verkäufer ihres Smartphones wird getötet und ...

Die Studentin Paula kauft ein gebrauchtes Smartphone, wie schon 19 Prozent der deutschen Bevölkerung vor ihr. Ein Kauf mit weitreichenden Konsequenzen. Der Verkäufer ihres Smartphones wird getötet und sie ist aus Sicht der Polizei eine Mordverdächtige. Doch Paulas Albtraum hat gerade erst begonnen.

82,2 Prozent der Deutschen nutzen ein Smartphone. Dieser Umstand inspirierte Marc Meller zu seinem neuen Thriller. Welche Möglichkeiten eröffnen sich demjenigen, der keine Skrupel hat und Gewinnmaximierung als einziges Ziel anerkennt? Hier ist es ein Versicherungskonzern, der mit Faktor X, einer KI-generierten Spyware, Smartphones bzw. deren Besitzer ausspioniert. Als dem Konzernchef die Sache zu heiß wird, für eine Versicherung ist ihr Ruf schließlich überlebenswichtig, soll Faktor X verschwinden. Dabei treten unerwartet Komplikationen auf, die ein Killerkommando auf den Plan rufen.
Ab sofort sterben Menschen. Paula, Studentin der Molekulargenetik, wird von der Polizei verdächtigt und gerät gleichzeitig ins Visier der Killer. Ab sofort kämpft sie um ihr Leben, im übertragenen wie im konkreten Sinn. Glücklicherweise trifft sie auf Mitstreiter, die sie unterstützen. Doch letztlich muss sie allein entscheiden, wem sie noch vertrauen kann.

Das Thema hat genau meinen Geschmack getroffen. KI und neue Medien liegen derzeit im Trend und ich bin eine leidenschaftliche Krimileserin. Ein neuer, überzeugender Plot kommt mir immer sehr entgegen. Im Nachwort bestätigte sich mein Eindruck, dass dem Autor das Thema Umgang mit neuen Technologien ein Anliegen ist. Dort weist er auch eindrücklich daraufhin, wie einschneidend die Folgen für viele wären, falls eine KI über die Vergabe von Versicherungen bestimmte.

Ich war bereits nach der Leseprobe tief in die Geschichte eingetaucht und wollte unbedingt wissen, wie es mit Paula weitergeht. Die Verknüpfung des Missbrauchs neuer Technologien mit dem Schicksal einer sympathischen Hauptfigur fand ich sehr gelungen. Schockierend fand ich, wie schnell das Leben eines Menschen aus den Fugen geraten kann, ganz ohne eigenes Zutun.
Vielleicht sollten wir in diesem Bereich alle vorsichtiger sein?

Meller schreibt flott und baut schnell Spannung auf. Der Autor hat sehr gut recherchiert, ob Nebensächliches, wie über Eichenfässer in denen Malt Whiskey reift, oder Wichtiges, wie die Fakten, die Informatik oder Epigenetik betreffen. Er gibt dem Leser das nötige Hintergrundwissen. Leider schießt er dabei gelegentlich über das Ziel hinaus, was den Lesefluss etwas behindert.

Paula als Hauptcharakter war mir sehr sympathisch. Ich fand ihre Handlungsweise bis auf einmal, als sie allein die Mafiabar betreten hat, sehr gut nachvollziehbar. Auch ihr Zusammenbruch, nach der Absage Kleimanns, war absolut glaubwürdig. Schließlich wurde ihr sozusagen der Boden unter den Füßen weggezogen. Auch ihre Überlegungen nach dem zweiten Besuch bei Prof. Kleimann und die Auszeit von ihrem Team fand ich logisch.
Ein widersprüchlicher Charakter war Emil für mich. Immer dann, wenn ich beschlossen hatte, ihm zu trauen, passierte etwas, das mich wieder an ihm zweifeln ließ. Wie sich die Folgen bipolarer Störungen äußern, weiß ich nur sehr oberflächlich. Sein selbstloses Handeln im Epilog hat mich aber mit ihm ausgesöhnt.
Eine weitere interessante Protagonistin war Gabriela für mich. Ohne sie entschuldigen zu wollen, kann ich mir ihre Schwierigkeiten beim Erklimmen der Karriereleiter in einem Weltkonzern gut vorstellen. Vermutlich färbt dies auf den Charakter ab. Trotzdem opferte sie täglich Zeit für ihre demente Mutter.
Die übrigen Charaktere blieben etwas blass.

Das Cover hat mir rundum gefallen. Die Farben, die erhabenen Buchstaben, das Frequenzdiagramm und der angedeutete Computercode. Alles schön anzusehen und perfekt zum Thema passend.

Selten ist mir eine Rezension so schwergefallen. Das Thema ist höchst aktuell, die Geschichte hat mich gepackt, sodass ich sie in kurzer Zeit gelesen habe. Die technischen und wissenschaftlichen Erklärungen fand ich durchweg höchst interessant und ich habe viel Neues erfahren. Der Autor hat sehr gut recherchiert, was mir ausgezeichnet gefällt. Paula ist ein sympathischer, authentischer Charakter, ich wollte stets wissen, wie es mit ihr weitergeht. Soweit alles gut.
Aber: Für einen Thriller gibt es zu viele technische und wissenschaftliche Erklärungen und Wiederholungen. Ich habe es nachgeprüft, das Thema Jailbreak bzw. Rooten, wird in der ersten Hälfte des Krimis sechsmal behandelt. Das behindert den Lesefluss unnötig. Viele Verdächtige musste ich einfach von der Liste streichen: Mateusz, Steffen, Ben, Paulas Vater. Welche spannenden Verwicklungen wurden da verschenkt?

Mein Fazit:

Wer sich für neue Technologien und Epigenetik interessiert, für den ist dieser Thriller ein absolutes Muss. Obwohl dies auf mich nur bedingt zutrifft, fand ich die Geschichte trotz einiger Kritikpunkte spannend und unterhaltsam. Besonders pfiffig fand ich die Wahl des Triggers.
Der Autor schöpft sein Potenzial noch nicht zur Gänze aus. Mehr Gewicht auf Charaktere, Logik und spannende Wendungen, ein bisschen weniger Technik, Wissenschaft und Erklärungen. Dann noch Verzicht auf unnötige Wiederholungen und wir haben den perfekten Thriller! Ich werde den Autor im Auge behalten.

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Veröffentlicht am 05.09.2024

Mord in Yorkshire

Mord im Yorkshire-Moor
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In „Mord im Yorkshire Moor“ ermitteln Detective Inspektor Malcolm Halloran und seine Freundin, die Bibliothekarin, Kitt Hartley bereits zum dritten Mal. Inzwischen hat ihre Beziehung weitere Fortschritte ...

In „Mord im Yorkshire Moor“ ermitteln Detective Inspektor Malcolm Halloran und seine Freundin, die Bibliothekarin, Kitt Hartley bereits zum dritten Mal. Inzwischen hat ihre Beziehung weitere Fortschritte gemacht, trotz der schrecklichen Geschehnisse in der Vergangenheit. Da droht ein neuer Mord, Halloran in tiefe Abgründe zu stürzen.

Eigentlich fühlt sich Malcolm Halloran so gut wie schon lange nicht mehr. Seine Beziehung zu Kitt Hartley bedeutet ihm sehr viel. Endlich ist sein Leben auch außerhalb seiner Arbeit wieder lebenswert. Um so härter trifft es ihn, dass er nach einer gemeinsamen Liebesnacht, über einen neuen Mordfall unterrichtet wird. Einen Mord, identisch mit dem, dem seine Frau Kamala vor fünf Jahren zum Opfer fiel. Obwohl Halloran den Täter damals überführt hatte, kommen Zweifel in ihm auf. Hat der Täter aus dem Gefängnis heraus erneut einen Mord zu verantworten? Wer sind seine Helfer? Längst überwunden geglaubte Gefühle drängen wieder in sein Bewusstsein und lassen Malcolm so ausrasten, dass seine Chefin ihn erst einmal suspendiert. Kitt möchte ihrem Freund helfen und ihre Beziehung retten. Deshalb fahren sie in Hallorans alte Heimat, damit er sich den alten Dämonen stellen und den Fall aufklären kann.

Die Geschichte nimmt sofort an Fahrt auf. Trotz seiner Suspendierung fährt der Inspektor unbeirrt zu dem Gefängnis, in dem der Mörder seiner Frau einsitzt. Er ist der festen Meinung, dass sein ehemaliger Kollege, der Serienmörder Kerr auch hinter dem neuen Mord steckt. Vom damaligen Täter erfährt er nichts Neues, sondern wird nur verspottet. Wie unter einem Zwang stehend, muss Malcolm weiter ermitteln. Kitt versteht seine psychische Situation und begleitet ihn nach Irendale, wo er früher lebte und die Mordserie vor fünf Jahren und auch der neue Mord stattfand. Der zuständige Detective Inspector Bailey, sein ehemaliger Constable, ist mit der Mitarbeit der beiden einverstanden, solange sie sich im Hintergrund halten.
Malcolm ist besessen von einer erneuten Täterschaft Kerrs oder seinem nahen Umfeld, was zu erneuten unangenehmen Ausrastern führt. Obwohl verschiedene Verdächtige ermittelt werden und es auch zu einer Verhaftung kommt, schafft es der ansonsten so besonnene Halloran nicht, objektiv zu sein. Erst als seine Freundin in eine lebensbedrohende Lage gerät, kommt er langsam zur Besinnung. Kitt ermittelt in eine völlig andere Richtung als die beiden Inspektoren und findet auch erste Hinweise. Doch erst als das Paar die Ermittlung gezwungenermaßen aufgibt und sich schon auf der Heimfahrt befindet, stößt Kitt auf das entscheidende Indiz.

Mir gefällt der Schreibstil von Helen Cox. Als Leser ist man von Beginn an mitten in der Geschichte drin. Sie schafft es, den Leser zu fesseln und den Spannungsbogen zu halten. Obwohl Malcolm den Täter von Beginn an zu kennen glaubt, gibt es zahlreiche Verdächtige mit unterschiedlichen Motiven. Die relativ kurzen Kapitel, der immer wieder aufblitzende Humor – Kater Jago sabotiert die Beziehung seines Frauchens - und die klare Sprache erlauben flüssiges Lesen. Die Geschichte ist nachvollziehbar und logisch. Wieder tauchen Runen auf, aber auch Zitate aus „Beowulf“, einem frühmittelalterlichen Heldengedicht, geben Rätsel auf. Das sorgt für zusätzliche Spannung, ohne zu dominieren. Lange wusste ich nicht, wer hinter dem Mord steckt, das hat mir besonders gut gefallen. Ein kleiner Kritikpunkt bezieht sich auf die wiederholt versteckten Hinweise auf die sexuellen Präferenzen von Malcolm und Kitt. Für den Fall völlig unerheblich. Fifty Shades of Grey? Na und?

Die meisten Charaktere sind mir inzwischen vertraut und ich habe sie gern wieder getroffen. Nur die schrille Ruby kam für meinen Geschmack dieses Mal etwas zu kurz. Auch die anderen Charaktere sind authentisch und glaubhaft, ob Mörder oder Kollege. Malcolm Halloran zeigt uns in diesem Band eine andere Seite seines Charakters. Umgab ihn schon immer auch etwas Dunkles, so verliert der sonst so britisch beherrschte Mann hier fast völlig seine Selbstkontrolle. Dabei beschreibt die Autorin glaubhaft das Trauma, unter dem er leidet und dessen Folgen lassen sich nun nicht länger verdrängen. Die intelligente, gebildete Kitt steht ihm loyal zur Seite, was nicht immer ganz einfach ist, da er sie u.a. mit Misstrauen konfrontiert, das sie nicht verdient. Sie wirkt inzwischen viel moderner und selbstbewusster als noch in Band 1. Auch nach dem Anschlag auf sie, fängt Kitt sich nach kurzem Schrecken wieder, und löst letztendlich den Fall.

Das Cover passt sehr gut zu einem Krimi, der in Yorkshire spielt. In kräftigen Farben, mit Cottage, Schaf und aufgeschichteter Steinmauer. Dieser Band fügt sich ausgezeichnet in die Reihe ein. Die Kapitelseiten sind mit einem hübschen Scherenschnitt geschmückt. Das passt alles hervorragend zusammen und wirkt sehr britisch.

Mir hat das Buch gut gefallen. Die Charaktere sind stimmig, wie gewohnt. Der Kriminalfall war spannender als in den vorigen Bänden. Der Humor kam nicht zu kurz und auch die Rätsel fehlten nicht. Das Beste? Dass Ende September 2024 der nächste Band herauskommt. Ich werde Kitt und Malcolm auch beim nächsten Fall begleiten.

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