Profilbild von reni74

reni74

Lesejury Star
offline

reni74 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit reni74 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.09.2024

Vater, Ehemann, Killer

Der Profi
0

Kabuto ist ein eher unscheinbarer, ruhiger Vertreter für Schreibwaren und stets bemüht seiner Ehefrau so wenig wie möglich zur Last zu fallen. Doch Kabuto hat noch eine andere Seite, eine Seite von der ...

Kabuto ist ein eher unscheinbarer, ruhiger Vertreter für Schreibwaren und stets bemüht seiner Ehefrau so wenig wie möglich zur Last zu fallen. Doch Kabuto hat noch eine andere Seite, eine Seite von der seine Familie nichts ahnt, er ist Auftragskiller und zwar ein ziemlich guter.

Der Profi ist das vierte auf deutsch erschienene Buch des erfolgreichen japanischen Autors, das dritte, das ich bisher von ihm gelesen habe. Ich bin durch Bullet Train auf den Autor aufmerksam geworden und war direkt von seinem Stil fasziniert. Wie alle Figuren in Kotaro Isakas Büchern ist auch die von Kabuto ziemlich besonders, oder besser speziell. Auf der einen Seite der stille, fast duckmäuserische Ehemann und Vater, der nach einem Mitternachtssnack sucht, der möglichst keine Geräusche beim essen verursacht, damit die schlafende Ehefrau nicht geweckt wird. Auf der anderen Seite der analytisch und brutal vorgehende Killer, der im Auftrag des "Arztes" besonders schwierige "Operationen" durchführt. Dadurch das er selbst Familie hat macht er sich immer öfter Gedanken über seine Opfer, die ja auch irgendjemandes Kind, Ehepartner, Elternteil sind und letztlich will er aussteigen und seinen Job aufgeben.

Das Buch erzählt Kabutos Geschichte vor und nach seinem Tod. Während im ersten Teil Kabuto selbst zu Wort kommt, der Leser quasi seinem eigenen inneren Monolog lauscht und Szenen seiner Ehe und seiner Arbeit mitverfolgt, tritt im zweiten Teil mehr sein Sohn, mittlerweile selbst Vater eines kleinen Sohnes, in den Fokus.

Gerade im ersten Teil hatte ich Schwierigkeiten ins Buch zu finden, die Geschichte konnte mich nicht richtig packen, weil ihr der Witz und die Leichtigkeit fehlt, den ich aus den anderen Büchern kenne. Kabuto ist so ein ganz anderer Held als beispielsweise Lemon und Tangerine, aber wie er dann sein Gewissen entdeckt und mehr und mehr mit seiner "Arbeit" hadert, wird er dem Leser sympatisch. Tatsächlich habe ich meine Meinung über ihn im Verlauf des Buches geändert.

Für mich kann das Buch nicht ganz mit seinen Vorgängern mithalten, natürlich findet man stellenweise gut dosierten Humor, aber im Großen und Ganzen ist das Buch eher nachdenklich und melancholisch, durchzogen mit einigen blutigen Szenen. Mir persönlich haben die eingestreuten Hinweise auf Figuren und Ereignisse der anderen Bücher sehr gefallen, die Welt der Profikiller ist eben klein. Hier wurde eindeutig an die treue Leserschaft des Autors gedacht, es ist aber trotzdem nicht zwingend nötig die anderen Bücher zu kennen.

Mit der Bewertung habe ich etwas gehadert, anfangs schienen mir vier Sterne zu viel, drei allerdings wieder zu wenig, so würde ich letztlich wohl gute 3,5 vergeben, wenn das möglich wäre.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.07.2024

Viele Verdächtige

Das Sterben in Wychwood
0

Ex Polizist Luke Fitzwilliam möchte auf dem Bahnsteig nur kurz nach den Rennergebnissen in der Zeitung schauen und schon ist sein Zug weg. Muss er halt den Nächsten nehmen und in dem trifft er auf eine ...

Ex Polizist Luke Fitzwilliam möchte auf dem Bahnsteig nur kurz nach den Rennergebnissen in der Zeitung schauen und schon ist sein Zug weg. Muss er halt den Nächsten nehmen und in dem trifft er auf eine recht redselige alte Dame, die ihn sehr an seine unzähligen Tanten erinnert. Sie erzählt ihm eine etwas hahnebüchene Geschichte über mehrere Morde in ihrem beschaulichen Städtchen und das sie nun auf dem weg zu Scotland Yard ist. Kurz darauf liest Luke von ihrem Unfalltod in der Zeitung, ebenso von dem einer der Personen, von denen sie während der Zugfahrt erzählt hat.

Der Krimi bietet wieder ein typisches AC Setting, direkt zu Beginn werden wichtige Personen dem Leser vorgestellt und schon gibt es den ersten Todesfall innerhalb einer Dorfgemeinschaft. Die Hauptfigur wird eher zufällig in das Geschehen hineingezogen und beginnt die Ermittlungen. Hier kommt mal keine von ACˋs bewährten Ermittlerfiguren zum Zug, nur Inspector Battle hat ganz am Ende einen kleinen Gastauftritt.

Verdächtige gibt es in dieser Geschichte wie Sand am Meer, was das Mitkriminalisieren für den Leser nicht leichter macht. Da sich die Zeugin Miss Pinkerton vor ihrem Tod recht vage und geheimnisvoll ausgedrückt hat, kann man über Motiv und Täter lange nur spekulieren. Die Autorin schafft es wieder auf ihre ganz spezielle Weise falsche Spuren zu legen und irgendwie jede der Figuren an einem gewissen Punkt der Geschichte verdächtig erscheinen zu lassen, ohne das man konkrete Anhaltspunkte nennen könnte.

Absolut typisch kommt die Auflösung klassisch, als Geständnis des Täters, zum Schluss und man muss einmal mehr den Hut ziehen angesichts dieser Auflösung, die ebenso überraschend, wie schlüssig ist. Immer wieder frage ich mich an diesem Punkt, ob AC direkt zu Beginn des Buches schon genau dieses Ende im Sinn hat und einfach Alles passend "hinbiegt", oder, ob sich die Geschichte im Verlauf verändert und der Täter/die Täterin für die Autorin genauso überraschend kommt wie für den Leser.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.07.2024

Schneeballsystem

Ein gefährliches Talent
0

Nachdem Rebeccas Mutter die Diagnose beginnende Demenz bekommen hat, kehrt Rebecca nach Jahren in den USA nach Hause zurück. Die Rückkehr ist eine Flucht, den Rebecca steht vor den Scherben ihrer Ehe und ...

Nachdem Rebeccas Mutter die Diagnose beginnende Demenz bekommen hat, kehrt Rebecca nach Jahren in den USA nach Hause zurück. Die Rückkehr ist eine Flucht, den Rebecca steht vor den Scherben ihrer Ehe und auch beruflich hängt die Psychologin gerade in der Luft. Wieder in ihr altes Kinderzimmer zu ziehen, zurück in das gehasste Umfeld ihrer Kindheit, zurück zu ihren Eltern, deren Ansprüche sie nie erfüllen konnte ist vielleicht nicht die beste Idee, aber mit Blick auf ihre Finanzen hat Rebecca keine andere Wahl. Als Rebeccas Jugendliebe ermordet wird, beginnt sie auf eigene Faust Fragen zu stellen und wird dadurch Teil einer ganz neuen Gemeinschaft.

Autorin Camilla Sten liefert hier einen eher unaufgeregten Schweden-Thriller, der stark auf die emoptionale Schiene geht. Der Leser folgt Hauptfigur Rebecca durch ihre aktuelle Stimmungslage und begleitet sie bei ihren eigenmächtigen Ermittlungen. In Rückblenden lernt man Mordopfer Louise kennen und bekommt so Einblicke in die Vorgänge, die zu ihrem Tod geführt haben. Rebeccas Handeln ist dabei nicht immer unbedingt logisch, ihre Figur versucht das Leben der ehemaligen Freundin quasi im Alleingang aufzurollen, wobei sie manchmal recht unsensibel vorgeht. Sie glaubt durch ihre frühere Arbeit als Vernehmungsspezialistin prädestiniert dafür zu sein den Fall zu lösen, macht sich aber mit ihrer Art manchmal etwas unbeliebt beim Leser und bringt sich letztlich selbst in Gefahr.

Die Geschichte um Louise geht sehr auf die psychologische Ebene. Der Leser betritt eine Scheinwelt, in der mit einer unkomplizierten Geschäftsidee das große Geld versprochen wird. Im konkreten Fall das Modell des Direktmarketings von Kosmetik. Frauen werden mit Erfolg und tollen Verdienstmöglichkeiten in eine fast sektenartig anmutende Gemeinschaft gelockt und erkennen oft viel zu spät, dass mit diesem Schneeballprinzip nur Wenige wirklich das große Geld verdienen.

Neben dem gutgängigen Mordmotiv Geld baut die Autorin hier auch noch verschmähte Liebe, Rache und Eifersucht ein. Der Leser hat recht schnell einen Verdächtigen, obwohl durch den Aufbau der Story auch noch eine andere Möglichkeit denkbar scheint. Die Auflösung ist letztlich aber dann doch eine kleine Überraschung.

Wer eher auf hintergründige Spannung steht, bei der es um den Blick hinter die Fassade, um das Aufdecken eines Geheimnisses geht und weniger um Rasanz und Blutvergießen, wird hier sicher gut unterhalten. Die Thematik rund um die erfolgversprechende Social Media Welt, um Leichtgläubigkeit, Manipulation und den Drang Teil einer Gemeinschaft zu sein tut ihr Übriges.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.06.2024

Siegeszug einer Schöhnheit

Die Königin
0

Als sie 1912 bei Ausgrabungen in Tell el-Armana 1912 entdeckt wird, ist nicht abzusehen, wie berühmt sie einmal sein sollte, die Büste von Nofretete, Königin im alten Ägypten, Ehefrau von Echnaton, einem ...

Als sie 1912 bei Ausgrabungen in Tell el-Armana 1912 entdeckt wird, ist nicht abzusehen, wie berühmt sie einmal sein sollte, die Büste von Nofretete, Königin im alten Ägypten, Ehefrau von Echnaton, einem Pharao, dessen Existenz beinahe aus den Geschichtsbüchern getilgt worden wäre. Es folgen zwölf Jahre im Geheimen, auf dem Schreibtisch ihres Besitzers, fast wäre die Welt nie in den Genuss ihres Anblicks gekommen, doch 1924 hat sie endlich ihren großen Auftritt und wird der Öffentlichkeit Berlins und der Welt präsentiert. A Star is born trifft es hier wohl am ehesten, denn ein Star, ein Weltstar ist Nofretet heute unbestreitbar.

Jeder kennt die berühmte Siluette der ägyptischen Königin, selbst Menschen wie ich, die sie noch nie live in ihrer Residenz auf der Berliner Museeumsinsel besucht haben sind von ihr über Jahrzehnte hinweg fasziniert. Ihr Bild ist unverwechselbar, von keinem historischen Fund gibt es so viele Kopien, so viel publiziertes Bildmaterial wie von ihr. Vergleichbar ist dieser Status wohl noch am ehesten mit Mickey Mouse, oder dem Coca Cola Logo, das unabhängig von der Sprache auf der ganzen Welt erkannt wird.

Historiker Sebastian Conrad ergründet in seinem Buch die Gründe für ihre Popularität, erzählt von der Geschichte ihrer Entdeckung, von ihrer Reise ins ferne Deutschland und davon, wie sie eine Ikone für Generationen von Frauen, Inspiration für Künstler, aber auch ein Instrument für Politik, Kommerz und Ideologie werden konnte, wie das Konterfei der berühmten Königin nicht nur Schönheitsideale prägte, sondern auch für immer wiederkehrende Diskussionen um die Besitzansprüche sorgt und so letzlich sogar zum Spekulationsobjekt zwischen Staaten wurde.

Das Buch betrachtet weit mehr als den rein archäologischen Aspekt der Büste, ihren Wert als Kulturgut, als Botschafterin einer untergegangenen Zivilisation. Der Autor hat unglaublich umfangreiche Recherchearbeit geleistet und teilt seine Erkenntnisse gut verständlich mit dem Leser. Vieles von dem was man hier liest war mir vollkommen neu, wie bei den Meisten beschränkte sich mein Wissen über Nofretete auf die wenigen bekannten Details aus ihrem Leben, Dinge, die man in idealisierter Form aus Büchern, oder Filmen kennt. Ihr Leben vor mehr als drei Jahrtausenden ist nur ein kleines Stück ihrer Existenz, der wahre Mythos beginnt eigentlich erst richtig nach dem Fund ihres Abbildes.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.06.2024

Ein Giftmörder und ein verschollener Schatz

Das Dorf der acht Gräber
0

Tatsuya führt ein recht unscheinbares Leben in der Stadt bis er eines Tages in das Büro eines Anwalts eingeladen wird. Ein Tag, der sein ganzes Leben auf den Kopf stellen soll, erfährt er doch, dass die ...

Tatsuya führt ein recht unscheinbares Leben in der Stadt bis er eines Tages in das Büro eines Anwalts eingeladen wird. Ein Tag, der sein ganzes Leben auf den Kopf stellen soll, erfährt er doch, dass die Familie seines leiblichen Vaters nach ihm sucht und ihn kennenlernen möchte. Sein Großvater reist eigens aus einem kleinen Dorf in den Bergen an, um Tatsuya nach hause zu holen, doch direkt beim ersten Treffen in der Kanzlei des Anwalts verstirbt der alte Mann auf mysteriöse Weise.

Seishi Yokomizo ist ein 1981 verstorbener japanischer Krimiautor, von dem in den letzten Jahren schon zwei Bücher ins Deutsche übersetzt worden sind. Ich hatte die Bücher, mit den im Retro Design gestalteten Covern, schon mehrfach bemerkt, aber bisher noch Keines gelesen. Hier hat mich letztlich der Auszug einer Besprechung in der FAZ überzeugt, der auf der Rückseite des Buches abgedruckt ist und den Autor in eine Reihe mit Jon Dickson Carr, Sir Athur Conan Doyle und Agatha Christie stellt. Für mich als absoluter Agatha Christie Fan und großer Liebhaber klassischer Kriminalgeschichten, war das natürlich ein Argument, welches es zu überprüfen galt.

Natürlich hat auch das Setting des Krimis, rund um die blutige Legende zur Entstehung des Namens des kleinen Bergdorfes "Dorf der acht Gräber" meine Neugier geweckt und direkt im Prolog wird diese Legende erzählt und von dem "Fluch" berichtet, der seither auf einer Familie des Dorfes lastet. Die Geschichte wird für einen Prolog recht ausführlich erzählt, wofür der Autor sich auch am Ende beim Leser entschuldigt. Im weiteren Verlauf tritt Tatsuya als Ich-Erzähler in Erscheinung und auch er entschuldigt sich, ist er doch kein Schriftsteller und kann so nur mit eher nüchternen Tatsachen aufwarten und nicht mit blumigen Umschreibungen.

Da man alle Figuren des Buches nur aus Tatsuyas Sicht kennenlernt, bleiben sie etwas eindimensional. Um sich in unter seiner Familie und den Dorfbewohnern zurechtzufinden ist zu beginn des Buches ein Personenregister angelegt. Da das Buch aus dem japanischen stammt, sind die Namen anfangs ein bisschen verwirrend und ich weiß nicht, ob ich sie richtig aussprechen würde.

In Anlehnung an Agatha Christie gibt es hier natürlich eine verschrobene Ermittlerfigur, hier das Pendant zu Hercule Poirot, Kosuke Kindaichi. Er ist es letztlich, der den Fall in allen Einzelheiten aufklärt, wobei er allerdings eher wenig in Erscheinung tritt. Wie es mit seiner Anwesenheit in den anderen Büchern ist kann ich nicht sagen. Der Leser reimt sich die Geschichte schon während der Lektüre selbst zusammen, etwas, das mir bei Agatha Christie eher weniger gut gelingt. Stilecht wird am Ende der ganze Fall nocheinmal mit allen Beteiligten aufgerollt.

Die Kriminalgeschichte wird in klassischer Manier erzählt, Liebhaber von oben genannten Autorenkollegen werden sich gut unterhalten fühlen und über ein paar Längen im Mittelteil hinwegsehen, die wohl auch dem Alter der Geschichte geschuldet sind. Der Schauplatz Japan mit seinen Traditionen wird gut dargestellt, bietet einen interessanten Hintergrund für den eigentlichen Fall und macht die Bücher natürlich auch unverwechselbar.

Nicht zuletzt durch "Bullet Train" sind Gangstergeschichten aus Asien derzeit stark im Fokus. Mit solchen Storys ist dieses Buch allerdings nicht zu vergleichen. Das Retro Design des Covers ist ein genaues Abbild des Krimis, der den Leser zwischen den Buchdeckeln erwartet, klassisch und voll dem damaligen Zeitgeist folgend, spannend, ohne viel Drumherum, muss man natürlich mögen. Ich tue es und habe jetzt richtig Lust auf die anderen Bücher des Autors.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere