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Veröffentlicht am 23.08.2021

Familienporträt

Wellenflug
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Das Cover sprach mich sofort an und ich wurde nicht enttäuscht:

Constanze Neumann erzählt die bewegenden Geschichten zweier Frauen in deren Zeit. Dabei hat Constanze Neumann reale Figuren und historische ...

Das Cover sprach mich sofort an und ich wurde nicht enttäuscht:

Constanze Neumann erzählt die bewegenden Geschichten zweier Frauen in deren Zeit. Dabei hat Constanze Neumann reale Figuren und historische Ereignisse mit fiktiven Handlungen ausgeschmückt.

Im ersten Teil geht es um Anna Reichenheim, sie hat jüdische Wurzeln und ihr einziges Besterben ist es, sich gut zu verheiraten, den Wohlstand zu erhalten, viele Kinder zu gebären und diese zu selbständigen Erwachsenen zu erziehen, die selber Verantwortung übernehmen können.
Doch ihr Erstgeborener Heinrich, der 1881 das Licht der Welt erblickt, macht ihr da ein Strich durch die Rechnung: Ein liebenswerter Junge, der aber nie ernst ist und sich kaum auf wichtige Dinge, wie Schule und Lernen konzentrieren kann, wächst zu einem Lebemann, Draufgänger und Spieler heran...

Im zweiten Teil erzählt Marie ihre Geschichte:
Marie kommt aus armen Verhältnissen und hat nicht mal einen Schlafplatz für die Nacht, als sie den reichen, jetzt erwachsenen Heinrich Reichenheim kennenlernt. Vertrieben von dessen Familie, bauen sie ein neues Leben in Amerika auf. Marie kann Heinrich zwar von seiner Spielsucht abhalten, leidet jedoch darunter, dass sie von seiner Familie nicht anerkannt wird.
Das Leben in Amerika läuft nicht so, wie sie es sich wünschen: ...
Und dann bricht in Deutschland der erste Weltkrieg aus und Heinrich hat die Hoffnung von seiner Familie rehabilitiert zu werden, wenn er für das Vaterland in den Krieg zieht...

Mir hat das Buch unglaublich gut gefallen!
Eine grosse Leseempfehlung von mir.

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Veröffentlicht am 25.09.2024

Ein tiefgründiges Buch!

Sing, wilder Vogel, sing
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SING, WILDER VOGEL, SING
Jacqueline O’Mahony

Doolough, Irland 1849:
Honora war von Geburt an an das Gefühl des Ausgeschlossenseins gewöhnt. Ihr Leben begann unter einem düsteren Vorzeichen – ein Rotkehlchen ...

SING, WILDER VOGEL, SING
Jacqueline O’Mahony

Doolough, Irland 1849:
Honora war von Geburt an an das Gefühl des Ausgeschlossenseins gewöhnt. Ihr Leben begann unter einem düsteren Vorzeichen – ein Rotkehlchen flog in das Zimmer ihrer Mutter, ein Zeichen des Unglücks. Tragischerweise folgte das Unheil sogleich: Ihre Mutter verstarb bei ihrer Geburt. Von ihrem Vater abgelehnt, wuchs Honora in einer Welt auf, die sie nicht willkommen hieß, von den anderen Kindern übersehen und verachtet.

Später heiratete sie William, doch auch diese Verbindung stand unter keinem glücklichen Stern. Die Hütte, die sie bewohnten, mussten sie aufgeben. Zu dieser Zeit wurde Irland von England verwaltet, und wiederkehrende Missernten führten zu der schlimmsten Hungersnot, die Irland je erlebt hatte.

Ende März sollten britische Beamte in Louisburg mit den betroffenen Iren zusammentreffen, um Hilfe zu leisten. Doch die Bewohner von Honoras Dorf machten sich wegen des starken Regens zu spät auf den langen Weg dorthin. Für die Alten und die bereits ausgehungerten Kinder war die Reise, auf der es stürmte und schneite, unerträglich. Als sie schließlich in Louisburg ankamen, erfuhren sie, dass sich die Beamten bereits ins zehn Meilen entfernte Jagdschloss zurückgezogen hatten. Um die erhoffte Unterstützung zu erhalten, mussten die Dorfleute die beschwerliche Nachtwanderung antreten. Doch die ersehnte Hilfe blieb aus. Fast das gesamte Dorf – 400 Menschen – starb. Keiner von ihnen kehrte je zurück.

Honora überlebte als Einzige. Um vor dem Hungertod zu fliehen, beschloss sie auszuwandern und die gefährliche Reise nach Amerika anzutreten, in der Hoffnung, dort Nahrung und Freiheit zu finden. Doch auch in New York war das Schicksal ihr nicht gnädig. Als Dienstmädchen ausgebeutet und nicht bezahlt, träumte sie von einem Neuanfang im Westen, in der weiten Prärie. Ob sie jedoch den Fluch des Rotkehlchens abschütteln kann, müsst ihr selber herausfinden.

Eindrucksvoll und tiefgründig verwebt O'Mahony die historische Tragödie von Doolough mit der fiktiven, aber kraftvollen Figur der Honora. Ihre Darstellung des großen Hungers, der Irland in jener Zeit heimsuchte, ist erschütternd und authentisch. Besonders beeindruckend ist die Verbindung zur Geschichte der indigenen Völker Amerikas:

Ein Dialog zwischen Joseph, einem indigenen Amerikaner, und der irischen Honora:
„Warum habt ihr nichts zu essen in eurem Land?“„Es kamen fremde Menschen aus einem anderen Land, sie nahmen uns das gute Land weg, und der Rest war kein gutes Land. Es gab Missernten, es gab nichts zu essen, und dann hungerten wir.“ Die Dinge hörten sich so leicht an, wenn man sie in Worte fasste. Joseph wandte den Blick von ihr ab in die dunkle Nacht. „Diese Menschen behaupten, wir seien Tiere, Wilde, nicht einmal Menschen, fuhr sie fort. (S. 327)
Im letzten Drittel der Geschichte gab es für mich eine kleine Länge, und der Plot konnte mich nicht vollends überzeugen. Dennoch schmälert dies nicht die Bedeutung und Dringlichkeit der Erzählung. Die Tragödie von Doolough muss erzählt werden, alleine schon, weil die britischen Beamten für ihre Inkompetenz nie zur Verantwortung gezogen wurden.

Fazit:
Ein großartiges, tiefgründiges Buch, das ich euch gerne empfehlen möchte.
4/½ / 5

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Veröffentlicht am 09.09.2024

Ein herrliches Familienchaos

Eigentlich bin ich nicht so
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Kennt ihr das auch? Ihr wollt eigentlich nichts sagen, aber plötzlich platzt es einfach aus euch heraus? Oder ihr reagiert über, ohne wirklich einen Grund zu haben, und verletzt dabei ausgerechnet die ...

Kennt ihr das auch? Ihr wollt eigentlich nichts sagen, aber plötzlich platzt es einfach aus euch heraus? Oder ihr reagiert über, ohne wirklich einen Grund zu haben, und verletzt dabei ausgerechnet die Person, die euch am meisten bedeutet? Ihr sagt Nein, obwohl ihr eigentlich Ja sagen wolltet?

EIGENTLICH BIN ICH NICHT SO
Marie Aubert

Es ist das Wochenende, an dem Linnea in Norwegen ihre Konfirmation feiert. Die Eltern haben einen Catering-Service organisiert. Tischkarten wurden liebevoll gebastelt, Linnea hat eine neue Tracht bekommen, und die Kirschbäume stehen in voller Blüte.
Es könnte ein perfekter Tag werden, wenn nicht …

… Vater Bård nach Linneas Konfirmation die Familie verlassen wollte.
… Bårds Schwester Hanne, die extra mit ihrer Lebensgefährtin angereist ist, durch die vielen Erinnerungen an früher ihr altes Trauma wiedererlebt – damals wurde sie vom ganzen Dorf als „die Dicke“ gemobbt.
… Linnea sich nicht mit ihrer besten Freundin zerstritten hätte und jetzt fürchten müsste, dass diese während der Konfirmation, auf der sie bedient, all ihre anvertrauten Geheimnisse ausplaudern könnte.
… Mutter Ellen es zumindest schaffen würde, die schmutzige Wäsche vom Badezimmerboden zu räumen, damit die Gäste nicht darüber stolpern, wenn sie die Toilette benutzen.

Nur Großvater Nils scheint die Ruhe selbst zu sein. Doch seine gelassene Art treibt die Familie noch weiter auseinander.

Was für eine schöne Geschichte! Marie Aubert hat ein wundervolles Familienporträt des alltäglichen Chaos geschaffen. Ich bin nur so durch die Seiten geflogen, weil ich unbedingt wissen wollte, wie das Chaos endet.
Leider war das kleine, feine Buch mit nur 200 Seiten viel zu schnell vorbei. Gerne hätte ich noch länger am schön gedeckten Tisch gesessen, den Familienproblemen gelauscht und ein weiteres Stück der leckeren Torte genossen.

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Veröffentlicht am 02.09.2024

Eine eindrucksvolle und bewegende Erzählung

Mitternachtsschwimmer
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MITTERNACHTSSCHWIMMER
Roisin Maguire
Wundervoll gelesen von Brigitte Carlsen

Roisin Maguire erzählt in „Mitternachtsschwimmer“ die bewegende Geschichte von Evan, einem Mann, der nach einem schweren ...

MITTERNACHTSSCHWIMMER
Roisin Maguire
Wundervoll gelesen von Brigitte Carlsen

Roisin Maguire erzählt in „Mitternachtsschwimmer“ die bewegende Geschichte von Evan, einem Mann, der nach einem schweren Schicksalsschlag alles versucht, um seine zerbrechende Familie zu retten. Um seiner Frau Raum zu geben, zieht er sich in ein abgelegenes Cottage an der irischen Küste zurück. Doch aus den geplanten wenigen Tagen wird durch den plötzlichen Ausbruch des Coronavirus und den darauf folgenden Lockdown ein längerer Aufenthalt.
Evan, der zerbrechliche Großstädter, wird von den Einheimischen des kleinen Küstenortes Ballybrady zunächst mit Argwohn betrachtet. Auch er selbst hat Schwierigkeiten, sich in die Gemeinschaft einzufinden, und die kühle, unnahbare Art seiner Vermieterin Grace verstärkt sein Gefühl der Isolation. Doch als sein achtjähriger gehörloser Sohn Luca unerwartet vor seiner Tür steht, wird Evan mit der Herausforderung konfrontiert, sich erneut als Vater zu beweisen. Überrascht stellt er fest, dass ausgerechnet Grace, die ihm anfangs so fremd und verschlossen erschien, eine besondere Verbindung zu Luca aufbaut.

Evan steht im Zentrum dieses Romans, und seine Entwicklung ist berührend und tiefgehend. Seine innere Zerrissenheit und die langsame Annäherung an seinen Sohn und die Dorfbewohner werden von Maguire feinfühlig und mit großer atmosphärischer Dichte dargestellt. Die irische Küstenlandschaft, die Maguire so lebendig beschreibt, dient hingegen als Spiegel für Graces eigene innere Landschaft – rau, stürmisch, aber auch voller stiller Schönheit und Leben.
Ganz besonders gelungen waren die Charakterzeichnung und die einfühlsame Schilderung der kleinen, schönen Momente zwischen Evan, Luca und Grace.

Fazit:
Der „Mitternachtsschwimmer“ ist eine eindrucksvolle und bewegende Erzählung über Verlust, Heilung und die Suche nach einem Neuanfang, die ich sehr gerne abwechselnd gelesen und gehört habe.
4½/ 5

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Veröffentlicht am 26.08.2024

Regt zum Nachdenken an ...

Phytopia Plus
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PHYTOPIA PLUS
Zara Zerbe

Hamburg um 2040:
Extreme Hitze im Wechsel mit anhaltenden Trockenperioden haben Hamburg zugesetzt. Die Elbe hat die Umgebung verschlickt. Es gibt kaum noch frische Lebensmittel ...

PHYTOPIA PLUS
Zara Zerbe

Hamburg um 2040:
Extreme Hitze im Wechsel mit anhaltenden Trockenperioden haben Hamburg zugesetzt. Die Elbe hat die Umgebung verschlickt. Es gibt kaum noch frische Lebensmittel zu kaufen. Die Einzigen, denen es noch möglich ist Frischwaren zu kaufen, sind die Reichen, die in eingezäunten Wohnanlagen mit Bio-Märkten abgeschirmt in den Edelwohngebieten wohnen.

Phytopia Plus ist ein Verfahren, das ermöglicht, das menschliche Bewusstsein zu digitalisieren und in der DNA von Pflanzen zu speichern. Die Drosera AG hat dieses Verfahren entwickelt.
Hier arbeitet Aylin als Aushilfsgärtnerin. Es ist ihre Aufgabe, die Pflanzen mit dem gespeicherten Bewusstsein zu pflegen, Wasserstände zu erfassen und deren Überleben zu sichern.
Gerne hätte sie selbst einen solchen Speicherplatz für das Bewusstsein ihres Großvaters erworben. Doch die Summe von 350.000 Euro, die der Transponder kostet, der erst in die Hirnrinde des Patienten eingesetzt - und nach dem Tode wieder entnommen wird, mit dem Ziel, diese Informationen in die Pflanzen einzusetzen, kann sie nicht aufbringen.
Eines Tages entdeckt sie in einem Gewächshaus eine Veränderung an einer Pflanze: Die Blätter weisen kleine weiße Muster auf. Anstatt ihre Entdeckung zu melden, nimmt sie kurzerhand einen Trieb dieser Pflanze mit nach Hause und beginnt dort eine eigene kleine Pflanzenzucht.
Schnell bemerkt Aylin, dass die Ableger der Pflanze sich wunderbar für viel Geld im Internet verkaufen lassen.
Dass sie das Bewusstsein eines Menschen kopiert und in der ganzen Stadt verteilt, ist ihr zwar bewusst, tangiert sie aber eher peripher.
Ob die Drosera AG von Aylins neuem „Businessmodell“ begeistert ist, müsst ihr allerdings selber herausfinden.

Was für eine starke Geschichte!
Eine Dystopie, die in Hamburg spielt, gesellschaftskritisch ist und auf unsere Umweltprobleme weist, musste ich einfach lesen.
Leicht und locker liest sich das Buch und täuscht des Öfteren über ein erschreckendes Szenario hinweg - von dem ich befürchte, dass es in Hamburg zukünftig so aussehen könnte.
Zara Zerbes Geschichte regt zum Nachdenken an und deshalb möchte ich euch diesen Roman unbedingt empfehlen.
4½/ 5

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