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Veröffentlicht am 16.09.2024

In Turin

Die Frau in Rot
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Der Po in Turin bringt mit seinem hohen Wasserstand eine Leiche mit, eine Frau im roten Kleid, die Frau eines stadtbekannten FIAT-Funktionärs. Als Alba, die Tochter der Toten, die Psychoanalytikerin Camilla ...

Der Po in Turin bringt mit seinem hohen Wasserstand eine Leiche mit, eine Frau im roten Kleid, die Frau eines stadtbekannten FIAT-Funktionärs. Als Alba, die Tochter der Toten, die Psychoanalytikerin Camilla di Salvo aufsucht, beginnt diese, Nachforschungen anzustellen, welche die Kriminalpolizei schon wieder beendet und den Fall als Selbstmord abgeschlossen hat.

In einer sehr angenehmen, fast sachlichen Schreibweise beleuchtet Giulia Conti diesen ungewöhnlichen Kriminalfall und versetzt den Leser zur Abwechslung in die interessante Stadt Turin, deren Einwohner als in sich gekehrt und wortkarg gelten. Mit Camilla schafft die Autorin eine unkonventionelle Figur, die einem ungeklärten Mord nachgeht und auf Okkultes ebenso stößt wie auf Spuren zu den bekannten Autoherstellern FIAT und BMW. Nicht zuletzt verschlägt es die zielstrebige junge Frau ins Aostatal, wo sie talentiert auf ihre Ski steigt. Sehr gut vorstellbare Charaktere, verzwickte Zusammenhänge und ein sympathischer Hund aus dem Tierheim lassen die Handlung kurzweilig dahingleiten, Schmankerl aus Italien und Bayern sorgen zwischendurch für den leiblichen Genuss. Die Spannung während des Lesens ergibt sich mitunter daraus, dass Camilla selbst an ihre Kindheit erinnert wird, sonst hätte sie wohl Alba an ihre Kollegin verwiesen und keine abenteuerlichen Fragen gestellt.

Ein erfrischender Kriminalfall, der wohltuend aus der Masse hervorsticht und Neugierde weckt auf weitere Episoden mit Psychoanalytikerin di Salvo.

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Veröffentlicht am 14.09.2024

Jössas na

Café Hawelka
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Wien, 1945: Der Krieg ist aus, Else wagt sich aus dem Luftschutzkeller und wird, da sie völlig allein ist, kurzerhand von Frau Hawelka und deren zwei Kindern mit nach Hause genommen. Aber wo steckt Fritzi ...

Wien, 1945: Der Krieg ist aus, Else wagt sich aus dem Luftschutzkeller und wird, da sie völlig allein ist, kurzerhand von Frau Hawelka und deren zwei Kindern mit nach Hause genommen. Aber wo steckt Fritzi nur, Elses kleine Schwester?

1968: Jusstudentin Jutta verbringt gerne ihre Nachmittage mit Lernunterlagen im Café Hawelka, das vielen zum „zweiten Wohnzimmer“ geworden ist. Warum ihre Mutter Else allerdings so gut mit Frau Hawelka befreundet ist, weiß sie nicht. Gibt es da irgendwelche Geheimnisse?

Ein herzzerreißender Prolog, dann ein Schwenk ins Jahre 1968 zu Jutta und dem legendären Café Leopold Hawelka, das ein kleines, feines Stück Wiener Kultur darstellt. Unter anderem hat man dort Georg Danzer, Friedensreich Hundertwasser, Friedrich Torberg oder Oskar Werner angetroffen. Frisch gebackener Apfelstrudel und flaumige Buchteln zum Kaffee duften verführerisch zwischen den Zeilen hervor, während das Wiener Flair in beiden Zeitebenen von Maria Wachter gekonnt eingefangen ist. Da geht es einerseits um die Jahre nach dem Krieg, ums Überleben und einen Neubeginn, den die Familie Hawelka mit ihrem gemütlichen, verrauchten Kaffeehaus gekonnt meistert und andererseits um eine energische junge Frau Ende der 1960er-Jahre, welche ihr starres Weltbild bezüglich der Judenverfolgung neu überdenkt.

Die entsprechende Atmosphäre in jeder einzelnen Szene ist spürbar dargestellt, schnell versinkt man ganz ins Wien längst vergangener Tage, erlebt mit Else die Phase der Besatzung und des Schwarzmarktes, spaziert mit Jutta in eine Zeit der Gleichberechtigung. Viele Details lassen die fiktive Geschichte lebendig werden. Authentische Ausdrücke wie das Zuckertazzerl zum Kaffee oder ein „Krewegerl“ (schwächliches Geschöpf), sowie das in Wien gebräuchliche „Jössas na“ (siehe auch Georg Danzer) runden die bildhafte Sprache von Maria Wachter gut ab und spiegeln das reale Leben ausgezeichnet wider.

Ausdrucksstarke Figuren, ein realer Hintergrund mit bestens recherchierten Einzelheiten und eine bewegende Romanhandlung ergeben dieses unterhaltsame und informative Portrait einer Familiengeschichte, welche eng verwoben ist mit dem legendären Wiener Kaffeehaus Hawelka. Ein beeindruckendes Buch, welches ich sehr gerne gelesen habe und daher ebenso gerne weiterempfehle! Fünf Sterne!

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Veröffentlicht am 09.09.2024

Amokfahrt

Deine größte Angst
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Gleich am 1. Dezember wird die besinnliche und zauberhafte Stimmung des festlich beleuchteten Weihnachtsmarktes in Konstanz jäh beendet und durch einen irren Amokfahrer in ein schreiendes und unfassbares ...

Gleich am 1. Dezember wird die besinnliche und zauberhafte Stimmung des festlich beleuchteten Weihnachtsmarktes in Konstanz jäh beendet und durch einen irren Amokfahrer in ein schreiendes und unfassbares Blutbad verwandelt. Etliche Todesopfer und Verletzte fordert dieses schreckliche Attentat, acht Traumatisierte werden in den folgenden Tagen durch den Fallanalytiker und Therapeuten Falk Hagedorn in einer Selbsthilfegruppe begleitet. Dabei gerät dieser selbst an seine Grenzen, hat er doch in seiner Vergangenheit schon mehr als genug verkraften müssen. Obwohl er seinen Freund, den Ersten Kriminalhauptkommissar Marius Bannert, in diesem Fall nicht unterstützen möchte, wird er doch sehr schnell in die Sache hineingezogen.

Mit schockierenden, aber dennoch überaus berührenden Szenen beginnt dieser vierte Band der Serie rund um Hagedorn. Mit vielen lebendigen Eindrücken zieht Matthias Bürgel seine Leser sofort in den Bann der Geschehnisse und lässt diese bis zur letzten Seite nicht mehr los. Bildhafte Vergleiche und detailliert beschriebene Momente beherrschen – wie auch schon in den spannenden ersten drei Teilen – die Handlung, welche nicht nur einen authentischen Kriminalfall beleuchtet, sondern auch tief hinter die Kulissen einzelner Persönlichkeiten blickt. Wer Hagedorn, Bannert und Adler bereits kennt, wird sich rasch wieder in deren Umfeld zurechtfinden, für Neueinsteiger gibt es aber genügend Informationen, um die sehr realistisch gezeichneten Charaktere einschätzen zu können. Besonders die Nähe zu den handelnden Figuren, welche Bürgel aufzubauen vermag, finde ich überaus gelungen, als Leser fühlt man sich somit stets mitten drinnen im Geschehen. Zwischen den aktuellen Verlauf der Handlung von Anfang Dezember bis Ende Februar fügt der Autor immer wieder Kapitel aus der Vergangenheit ein, welche das Tatmotiv erklären und verständlich werden lassen. Ohnehin ist die Suche nach dem Amokfahrer sehr aufregend, aber am Ende spitzt sich das Ganze nochmals so zu, dass man mit dem Buch in Händen den Atem anhält und mit gespannten Nerven der Auflösung harrt.

Da der Schriftsteller selbst in verschiedenen Bereichen der Kriminalpolizei tätig ist, fließt viel von seiner Erfahrung in diesen fiktiven Fall mit ein und führt zu größtmöglicher Authentizität. Die Themenvielfalt von Mobbing, Traumaverarbeitung über politische und polizeiliche Strukturen und Arbeitsweisen bis hin zum Datenschutz ist groß und führt dazu, dass auch dieser Fall überaus kurzweilig, interessant und fesselnd zu lesen ist. Während mir Hagedorn am Grabe seiner Tochter das Gefühl vermittelt, dass die Reihe noch nicht zu Ende ist, weist das Nachwort mit der Auszeit für den Fallanalytiker eher auf das Gegenteil hin. Dies fände ich sehr schade, sind mir die lebensnah charakterisierten Figuren doch über die Jahre sehr ans Herz gewachsen.

Ein lebendiger, mitnehmender Schreibstil, eine logisch durchdachte und nachvollziehbare Handlung – auch dieser neue Fall ist – ebenso wie die bisherigen – eine Leseempfehlung wert! Ich gebe gerne und voller Überzeugung fünf Sterne und hoffe auf weitere Kriminalromane oder Thriller aus der Feder Matthias Bürgels.

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Veröffentlicht am 02.09.2024

Jäger

Lupus
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An einem Hochstand wird ein Jäger tot aufgefunden, ein anderer ist verschwunden, zudem werden in den Wäldern Norddeutschlands Wölfe gesichtet. Haben die Tiere Menschen angefallen oder geht es um Mord? ...

An einem Hochstand wird ein Jäger tot aufgefunden, ein anderer ist verschwunden, zudem werden in den Wäldern Norddeutschlands Wölfe gesichtet. Haben die Tiere Menschen angefallen oder geht es um Mord? Die Staatsanwaltschaft geht mit Tierärztin Jenny Rausch auf Pirsch und verstrickt sich immer weiter in DDR-Machenschaften, Nazi-Geheimnisse und ein längst zurückliegendes Familiendrama.

Spannend geht es von Anfang an zu im neuen Thriller „Lupus“ von Tibor Rode. Ein verschollener Vater, ein Toter am Hochstand, ein moderner Zaun, der mittels Künstlicher Intelligenz Wölfe von der Bevölkerung abhalten soll, ja sogar einen Werwolf im System meldet. Eine fesselnde Schreibweise zieht den Leser schnell in den Bann, außergewöhnliche, fast unglaubliche Fakten fließen nach genauer Recherche in eine fiktive Handlung ein und rufen immer wieder Erstaunen hervor. Während der Leser Jenny begleitet, erfährt er zwischendurch immer wieder mittels Rückblenden, Protokollen und Gesprächen in kursiver Schrift, was sich teils Jahrzehnte zuvor zugetragen hat. Auf diese Art und Weise setzen sich langsam, aber doch, Puzzlesteine zusammen und ergeben schlussendlich ein klares Bild rund um das Wolfsdrama.

Dieser Thriller besticht durch stete Kurzweil trotz der knapp 500 Seiten, bringt Informatives zur Sprache und veranlasst den Leser zum Nachdenken, wie man mit Künstlicher Intelligenz oder dem Lebensraum von Mensch und Tier umgehen soll. Keineswegs erfolgt dies aber mit erhobenem Zeigefinger, ganz im Gegenteil, verquickt Rode die vielfältigen Themen mit faszinierender Fiktion, die einen in Atem hält.

Spannung mit realitätsnahen Inhalten und ein wenig Fantasie – beste Unterhaltung ist garantiert!



Veröffentlicht am 02.09.2024

Aufstieg

Eisfeld - Der Fall Katharina S.
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Ziemlich unerwartet erfolgt Mara Eisfelds Aufstieg zur Leiterin der 9. Mordkommission im Berliner LKA. Nicht, dass sie dies nicht herbeigesehnt oder nicht die nötige Kompetenz hätte, dennoch ist sie überrascht ...

Ziemlich unerwartet erfolgt Mara Eisfelds Aufstieg zur Leiterin der 9. Mordkommission im Berliner LKA. Nicht, dass sie dies nicht herbeigesehnt oder nicht die nötige Kompetenz hätte, dennoch ist sie überrascht und stolpert noch dazu gleich während der kurzen Willkommensfeier in einen schwierigen Fall, welcher sie recht persönlich berührt, geht es doch plötzlich auch um einen alten Vermisstenfall, bei dem sie selbst ganz kurz mitermittelt hat.

Humorvoll und stark vermischt mit persönlichen Lebenslagen und –krisen beginnt dieser fesselnde Serienauftakt. Lebhafte Charaktere, starke Reibflächen und Maras ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit – das sind die ersten Eindrücke, welche man auf der ersten Seiten dieses Krimis bekommt. Mara hat ganz klare Vorstellungen davon, wie Polizeiarbeit erledigt werden muss und dass sie ihre Ehe retten will. Ob das alle anderen Beteiligten auch so sehen? Das stellt sich erst im Laufe des Geschehens heraus, welches mich als Leserin sofort in den Bann zieht. Was mit einem harmlosen Einbruch beginnt, entwickelt sich rasch zu einem spannenden Ermittlungsfall, in welchem alle Kommissare gefordert sind, nicht zuletzt aufgrund der sehr hartnäckigen Journalistin Karlotta von Busse, die stets viel früher als eigentlich möglich überall dort auftaucht, wo Mara Spuren sucht.

Ein phantastisches Team voller Menschen wie im echten Leben, ein aufregender erster Fall für Mara Eisfeld, verfasst in lebendiger Sprache, welche einen nur mitnehmen kann auf eine turbulente Jagd nach dem Täter. Obwohl Mara nicht immer logisch und mit kühlem Kopf entscheidet, ist sie doch eine Sympathieträgerin und hat mich sofort davon überzeugt, dass ich ihr auch künftig beim Ermitteln über die Schulter sehen will.

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