Ben Oppenheim balanciert zwischen Ex-Frau, zwei Kindern und seiner Liebe zu Julia. Er hat Rückenschmerzen und Geldsorgen, aber was ihn wirklich ängstigt, ist der Krieg in Osteuropa. Getrieben vom jüdischen Fluchtinstinkt steigt er eines Morgens kurzerhand in ein Flugzeug nach Brasilien. Mitsamt Ex-Frau und Kindern, aber ohne Julia. Im Krisenmodus läuft Ben zur Hochform auf. Nur der Atomkrieg lässt auf sich warten. Ben dämmert, dass er sich ändern muss, wenn sich etwas ändern soll.
Wir landen zunächst in Zürich und glauben „nur“ Schaulustige in einer zerrütteten Beziehung zu sein. Zaungast bei Ben und Marina Oppenheimer, die mit dem Nestprinzip ihren gemeinsamen Kindern die bestmögliche ...
Wir landen zunächst in Zürich und glauben „nur“ Schaulustige in einer zerrütteten Beziehung zu sein. Zaungast bei Ben und Marina Oppenheimer, die mit dem Nestprinzip ihren gemeinsamen Kindern die bestmögliche Weiterführung ihres bekannten Lebens geben wollen. Aber weit gefehlt. Dies ist nicht nur ein Roman mit einem Protagonisten in der Züricher Bio-Intellektuellen-Bubble sondern auch ein Roman eines generationsübergreifend geprägten Schweizer Juden, der nun mit Kriegsängsten sich seiner Prägung tief im Inneren stellt.
„Er war Kind, Enkel und Urenkel von erfolgreich Geflüchteten.“ wie es auf Seite 87 so treffend heißt.
Hinzu kommt seine Unfähigkeit sich was anderem zu widmen als sich selbst und sich auch sonst in so mancher Situation als Lebensunfähig herausstellt. Ein Mann über den man viel lachen kann und zugleich seufzen.
Also, diese beiden im Jahr 2022 (wenn ich mich hier nicht irre). Getrennt im Nestprinzip und er wieder verbandelt mit einer jüngeren Frau namens Julia. Beides starke Frauen, denen Ben mit schwächelndem Selbstwertgefühl nicht gewachsen ist.
Und nun passiert es, oder Ben und Marina glauben es zu wissen: Der Krieg in der Ukraine droht in einem dritten Weltkrieg zu eskalieren, da Nato-Territorium getroffen wurde. Flucht statt Angriff ist hier der jüdische Instinkt und so, trotz Trennung fliehen Marina & Ben gemeinsam mit den Kindern nach Brasilien.
Ben, von Beruf Drehbuchschreiber ohne Pacht auf die Sonnenseite des Erfolgs, würde gerne einen Film über Stefan Zweig verkaufen, der auch seinerzeit nach Brasilien ins Exil ging. Daher auch viele humorig reflektierte Stellen, wenn Ben sich mit Zweig vergleicht. Spoiler alert: Es ist weitaus weniger romantisch als Ben es sich ausmalte.
Ein Roman voller schwarzem Humor, der mich sehr begeistern konnte. Wenn es da heißt: „Sie wirkte erleichtert, und Ben schöpfte wieder Hoffnung. Noch war Polen nicht verloren. Zum Glück gab es diesen Krieg.“ auf Seite 71. Galgenhumor, der eigenen wahnsinnigen Situation entfliehend.
Dieses Buch gehört gelesen! Mir fallen auch nur wirklich wenige Menschen ein in meiner Bubble, denen ich dieses Buch nicht empfehlen könnte.
Klappentext.
Ben Oppenheim balanciert zwischen Ex-Frau, zwei Kindern und seiner Liebe zu Julia. Er hat Rückenschmerzen und Geldsorgen, aber was ihn wirklich ängstigt, ist der Krieg in Osteuropa. Getrieben ...
Klappentext.
Ben Oppenheim balanciert zwischen Ex-Frau, zwei Kindern und seiner Liebe zu Julia. Er hat Rückenschmerzen und Geldsorgen, aber was ihn wirklich ängstigt, ist der Krieg in Osteuropa. Getrieben vom jüdischen Fluchtinstinkt steigt er eines Morgens kurzerhand in ein Flugzeug nach Brasilien. Mitsamt Ex-Frau und Kindern, aber ohne Julia. Im Krisenmodus läuft Ben zur Hochform auf. Nur der Atomkrieg lässt auf sich warten. Ben dämmert, dass er sich ändern muss, wenn sich etwas ändern soll.
„Sobald wir angekommen sind“ ist der Debütroman von Micha Lewinsky.
Der Autor hat schon einige Drehbücher und ein Kinderbuch geschrieben.
Ben Oppenheim ist ein bemerkenswerter Charakter der im Laufe der Geschichte eine große Entwicklung durchlebt.
Im Berufsleben wie auch im Privatleben läuft es zurzeit nicht gut. Von seiner Frau lebt er getrennt. Da es finanziell nicht gut um das Paar bestellt ist, können sie sich keine 2. Wohnung leisten. So ist Ben Montag und Dienstag bei den Kindern und schläft in der gemeinsamen Wohnung, Marina, seine Ex-Frau ist Mittwoch und Donnerstag dran. Die Wochenenden wechseln sie sich ab. Marina hat ein WG Zimmer und Ben hat sein Atelier.
Die Weltsituation und der Krieg in Osteuropa bedrücken Ben sehr. Mit seiner Ex-Frau beschließt, wenn es ernst wird nach Brasilien zu flüchten. Brasilien ist das Land in das Stefan Zweig, sein liebster Autor und sein Vorbild einst geflüchtet ist.
Als der Krieg im Osten eskaliert reisen Ben, Marina und die 2 Kinder nach Brasilien. Seine Freundin lässt Ben in der Schweiz zurück.
In Brasilien erlebt die Familie unbeschwerte Tage. Ben der erst von einem drohenden Atomkrieg überzeugt ist, zweifelt immer mehr, ob die Flucht so sinnvoll war.
Micha Lewinsky erzählt die Geschichte sehr anschaulich. Ich hatte schnell Bilder im Kopf.
Auch die Charaktere sind gut gezeichnet. Ben ist Jude, seine Vorfahren haben einst flüchten müssen. In diesem Roman kann man spüren wie die Angst auch noch in der nachfolgenden Generation steckt. Ein Trauma der Eltern und Großeltern manifestiert sich meist auch in der nächsten Generation. Ben hat die Flucht zwar nicht miterlebt aber immer gespürt was die Ängste aus den Eltern und Großeltern gemacht haben. So ist seine Flucht nach Brasilien vielleicht etwas überstürzt und unüberlegt aber für seine Kinder nimmt er jede Strapaze in Kauf.
Der Schreibstil von Micha Lewinsky ist flüssig und gut verständlich, manchmal fast philosophisch. Mit Humor lockert er die Geschichte immer wieder auf.
Das Thema das, das Buch begleitet ist sehr aktuell. Über Flucht und Migration hört man fast täglich.
„Sobald wir angekommen sind“ ist eine interessante Geschichte mit Humor an den richtigen Stellen. Ich habe das Buch mit Freude gelesen.
Es handelt sich um einen sarkastisch geschriebenen Roman mit einem tragikomischen Protagonisten. Dieser ist dermaßen von Ängsten getrieben, die er auf seine jüdische Herkunft zurückführt, dass er angesichts ...
Es handelt sich um einen sarkastisch geschriebenen Roman mit einem tragikomischen Protagonisten. Dieser ist dermaßen von Ängsten getrieben, die er auf seine jüdische Herkunft zurückführt, dass er angesichts eines vermeintlich bevorstehenden Atomkriegs in Europa die aberwitzige Flucht aus der Schweiz ins sichere Brasilien antritt, zusammen mit seiner Ex-Frau und den gemeinsamen Kindern und ganz in der Tradition des jüdischen Volkes, das sich vor drohenden Gefahren stets durch Flucht gerettet hat. Der Aufenthalt in Recife gestaltet sich zugleich als Exil, Arbeitsaufenthalt und Wandeln auf den Spuren seines Autorenkollegen Stefan Zweig. Aus der Sicht der Hauptfigur Ben erzählt, erfahren wir als Leser immer mehr über seine Neurosen, Paranoia, fehlende Entscheidungsfreude, seinem Bedürfnis nach Anerkennung, seine selbst auferlegte Opferrolle, sein ewiges Selbstmitleid. Alles mutet oft komisch an. Lehrreich sind die Passagen über das Judentum und Stefan Zweig.
Das Lesen dieses Romans hat mir viel Freude bereitet.
Zweitausend Jahre Anfeindung, Hass, Verfolgung und Pogrome hinterlassen deutliche Spuren in einem Volk. Überlegen wir mal, was allein ein Bürgerkrieg in der Seele eines Volkes für Schaden anrichtet, bis ...
Zweitausend Jahre Anfeindung, Hass, Verfolgung und Pogrome hinterlassen deutliche Spuren in einem Volk. Überlegen wir mal, was allein ein Bürgerkrieg in der Seele eines Volkes für Schaden anrichtet, bis das Volk wieder zusammenfindet und das Trauma überwindet. Sei es der Sezessionskrieg in den USA, der Krieg zwischen Bolschewiki und Weißgardisten in Russland, General Francos Krieg gegen seine Landsleute, Pinochets Krieg in Chile gegen Salvador Allende, oder vor ein paar Jahren der syrische Bürgerkrieg, der bis heute andauert. Die Zäsuren die da entstehen sind gewaltig und schwer zu überwinden.
Aber wenn ein ganzes Volk fast zweitausend Jahre unausgesetzt dem Hass der Mitmenschen ausgesetzt ist, wie kann der einzelne Angehörige dieses Volkes das verkraften? Dieses Volk durfte nie sesshaft werden, es musste ständig bereit sein zu fliehen, oft mit dem nackten Leben nur davonkommen. Ende des 13 Jahrhundert wurden die Juden aus England vertrieben, 1492 wurden sie aus Spanien expulsiert, In anderen Ländern durften sie zwar bleiben, waren aber ständig Pogromen, ausgesetzt und mussten sehr hohe Steuern und Abgaben zahlen, um bleiben zu dürfen, so in den deutschen Ländern, Portugal, Russland, Polen, Frankreich, usw. In den meisten Städten durften sie nur in eigenen Vierteln leben, die bei Nacht abgesperrt wurden und die Juden durften sie bei Todesstrafe nicht verlassen, die Ghettos gehen auf diese Viertel zurück. Sie durften nur einige wenige Berufe ausüben, die meisten der Handwerkstätigkeiten waren ihnen untersagt. ,
Und dann kam das 20. Jahrhundert. Hitlers Schergen starteten eine noch nie dagewesene Kampagne der Judenverfolgung und Deportierung. Zu Millionen wurden sie aus ganz Europa zusammen gekarrt und in Viehwaggons in die KZs und Todesfabriken gebracht.
Die Überlebenden und ihre Kindeskinder haben das bis heute noch nicht überwunden. Leider ist das Thema der Judenverfolgung wieder - oder noch immer - so aktuell wie zur Zeit der ersten Pogrome in Nürnberg 1298 oder in Köln 1349.
Ich wiederhole meine Frage: wie kann ein gesamtes Volk, und jeder einzelne Angehörige dieses Volkes das überwinden?
Micha Lewinsky setzt uns mit Benjamin Oppenheim einen einzelnen Vertreter des jüdischen Volkes vor. Der aktuelle Krieg in Europa beunruhigt ihn, lässt ihn nicht zur Ruhe kommen. Aus einem Impuls heraus und als Folge von zwei Kriegsnachrichten flieht er mit Martina und den Kindern nach Brasilien. Ben Oppenheim ist labil, ängstlich, immer bereit zur Flucht, unentschlossen, ich-zentriert, ständig zaudernd und überlegend, voller Angst, das Falsche zu sagen, um dann doch kein Fettnäpfchen auszulassen. So will er seiner Frau Marina mal eine persönliche Frage stellen, nicht weil er wirklich neugierig wäre, sondern um ihr das Gefühl zu geben, gesehen zu werden. Und nach langen Überlegungen, während Martina darauf wartet, ‘Ben beschloss, aufs Ganze zu gehen. Er musste die Frage stellen, die ihm wirklich auf dem Herzen lag: “Wie findest du meine Drehbuchidee?” ‘ (S. 179). Er schafft es einfach nicht, sich auf andere Menschen wirklich einzustellen, sei es Martina, sei es seine Geliebte Julia oder seine Eltern. Er betrachtet alles nur von seiner Sicht aus und welchen Impakt die Taten und Meinungen der anderen auf ihn haben. Manchmal hätte ich ihn schütteln und ihm zurufen können, er solle mit der Nabelschau aufhören und wirklich auf andere Menschen zugehen, die Nähe zulassen. Er will mit seiner Geliebten Julia Schluss machen, aber als sie einwilligt und keine Einwände hat, sondern lapidar sagt: “Dann machen wir halt Schluss” (S. 209) und auflegt, ist er beleidigt. und schreibt ihr eine lange E-mail, “Julia, ich bin traurig und enttäuscht…” (S. 210), weil sie ihn als Trostpflaster instrumentalisiert hatte.
Ben ist ewig auf der Flucht, vor politischen Regressionen, dabei lebt er in der Schweiz, eines der sichersten Länder Europas und vor seinen Mitmenschen. Er steht sich selbst im Weg, kann einen einmal gefassten Entschluss nicht halten, überlegt, verwirft, ändert, tritt die Flucht nach vorn oder nach hinten an. Aber er kann nicht auf der Stelle bleiben.
Sein Sohn Moritz hat nächtliche Alpträume mit Monstern, obwohl er nie welche gesehen hat oder je in bedrohliche Situationen geraten war. Ich frage mich, was von den vielen Phobien des Vaters da auf den Sohn vererbt wurde? Bens Verhalten verstört Moritz: ’ “Ich habe Angst", sagte Moritz. Ben strich ihm übers Haar. “Du hattest doch immer schon Angst.” “Aber nur vor Monstern”, sagte Moritz. “Jetzt habe ich auch Angst vor Menschen.” ‘ (S. 262).
Als der Atomkrieg ausbleibt, beenden Ben und Martina mit den Kindern das brasilianische Abenteuer und kehren in die Schweiz zurück.
Bens Faszination für Stefan Zweig, über den er ein Drehbuch schreiben wollte, findet in Petropolis, in Zweigs Haus sein Ende: “Was suchte er hier eigentlich” (S. 276)
Salcia Landmann hat ein unübertroffenes Buch über den jüdischen Humor geschrieben und darin auch erklärt, wie und welche tiefen Wurzeln dieser besondere Humor hat. Lewinsky wirft ab und zu Pointen und Bemerkungen ins Buch, die Paradebeispiele des jüdischen Witzes sind: ‘Ein Museumswärter kam auf Ben zu. Er schien etwas sagen zu wollen. Vielleicht eine Botschaft des Hausherren? Ein letztes Geheimnis? Er sagte: “É proibido fumar!” ‘ (S. 276)
Um die Familie in Sicherheit zu bringen und bevor es womöglich zu spät ist, fliehen Ben Oppenheim, seine Ex-Frau und 2 Kinder in einer Nacht und Nebelaktion nach Brasilien. Ein ernstes und vor allem aktuelles ...
Um die Familie in Sicherheit zu bringen und bevor es womöglich zu spät ist, fliehen Ben Oppenheim, seine Ex-Frau und 2 Kinder in einer Nacht und Nebelaktion nach Brasilien. Ein ernstes und vor allem aktuelles Thema. Wie sicher sind wir hier? Wie werden sich die Krisen und Kriege entwickeln?
Der Roman ist dann jedoch für mich überraschend witzig geschrieben. Ob Ben nun ein typischer Jude ist (sicher kann auch nur ein jüdischer Autor ein solches Buch schreiben), oder vielleicht einfach typisch Mann und Mensch, wir erhalten Einblick in sein extrem ich-bezogenes Denken und Fühlen. Und von außen betrachtet ist er meist eher lächerlich als lustig und macht es seinem Umfeld nicht gerade leicht ihn zu lieben - was er sich doch so sehr wünscht.
Neben der persönlichen Geschichte von Ben, schneidet der Autor universelle Themen an, die unser Zusammenleben, unsere Beziehungen, aber auch Trauma und wie sich dieses auch auf die nachfolgenden Generationen auswirken kann, an.
Unterhaltsam und sehr lesenswert!