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Veröffentlicht am 04.11.2024

Über das Ankommen im Leben

Die Wildblütentochter (Die Blumentöchter 2)
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Wenn man spürt, dass eine Autorin ihre Protagonisten unglaublich mag und dann auch noch von der Landschaft, in der das Buch spielt, begeistert ist, ist großes Lesevergnügen vorprogrammiert. Und so ist ...

Wenn man spürt, dass eine Autorin ihre Protagonisten unglaublich mag und dann auch noch von der Landschaft, in der das Buch spielt, begeistert ist, ist großes Lesevergnügen vorprogrammiert. Und so ist es auch bei der „Wildblütentochter“. Aus jeder Zeile spricht mich die Begeisterung für (Is)Land und Leute an.
Die Orientierung am Anfang des Buches ist trotz des gezeichneten Stammbaums nicht einfach, wenn man Band 1 nicht gelesen hat. Viele Namen, viele familiäre Zusammenhänge gilt es zu verstehen. Einmal tief eingetaucht in die Familie, ergeben sich dann die Verbindungen aber recht schnell.
Wir begleiten zwei Frauenleben zu ganz unterschiedlichen Zeiten. Da ist Soley im hier und jetzt – mit einer schönen, beruhigend vorhersehbaren Geschichte über das Ankommen im Leben. Ach, da möchte man direkt mit auf dem Hof in Island sein und alles live verfolgen. Die andere Frau ist ihre Urgroßmutter, die während des Kriegs ihre große Liebe findet. Diese Teile sind mir ein bisschen zu viel und zu gleichartig geschrieben. Der Funke der großen Liebe springt bei mir nicht über, wenngleich das Schicksal der Urgroßmutter berührend ist. Ihr Leben wird in Rückblicken und in Tagebucheinträgen erzählt. Ich glaube, eine kürzere Darstellung - und zwar nur in Form der Tagebucheinträge - hätte mich mehr erreicht.
Am Ende des Buchs bin ich neugierig, wie es mit der Familie weiter geht. Dabei ist die Geschichte für den Moment absolut rund. Aber die führenden Figuren sind so interessant und haben irgendwie noch viel vor sich, da könnte glatt eine neue Geschichte draus werden – oder man lässt die eigene Fantasie spielen.
Das Buch ist wunderschön gestaltet. Der Farbschnitt ist eine Augenweise und lässt mich das Buch gerne in die Hand nehmen.

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Veröffentlicht am 20.10.2024

Realistische Zwischenwelten – ein spannendes Experiment

Nach uns der Himmel
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Ein extrem turbulenter Landeanflug mit einem Ferienflieger, schließlich Abbruch der Landung und Neustart. Was an sich schon wie Horror klingt (und auch genau so beschrieben wird)) ist aber nur der Anfang ...

Ein extrem turbulenter Landeanflug mit einem Ferienflieger, schließlich Abbruch der Landung und Neustart. Was an sich schon wie Horror klingt (und auch genau so beschrieben wird)) ist aber nur der Anfang einer Serie von seltsamen Ereignissen.
Acht Passagiere landen schließlich auf einer Ferieninsel. Alle tragen irgendwie ein Päckchen mit sich rum, glücklich ist keiner von ihnen. Doch nach einer Weile stellt sich eine gewisse Gleichmut ein und sie können sich plötzlich – wenngleich in neuen Konstellationen - aufeinander einlassen. Liegt es daran, dass die Welt um sie herum sich scheinbar gar nicht um sie kümmert? Sie werden nicht wahrgenommen, Dinge ums sie herum verändern sich, ihr Gedächtnis lässt sie im Stich… und trotzdem sind sie irgendwie zufriedener denn je. Simone Buchholz zeichnet interessante Menschen. Mit wenigen, aber sehr stimmigen Charakterzügen und sehr genauen Beobachtungen.
Anfangs ein bisschen verstörend, später immer mehr Raum einehmend, wirft ein zweiter Erzählstrang Fragen auf. Was sind das für Wesen, die immer wieder von außen auf die acht Gestrandeten schauen, von einem Fehler sprechen und meinen, dass sie etwas geraderücken müssen? Diese zweite Ebene wird in jedem Kapitel ein Stück mehr entwickelt. Ich schwanke beim Lesen zwischen Neugier und Unverständnis. Und am Ende wird’s für mich ein bisschen zu philosophisch.
Überhaupt lässt für mich gegen Ende die Faszination etwas nach. Vielleicht, weil die (absolut überraschende!) Geschichte bereits etwas früher auserzählt ist. Das Buch enthält ohnehin nur 219 Seiten. Möglicherweise sollte es nicht noch kürzer werden.
In der Hand halten wir ein haptisch und optisch sehr gelungenes Buch. Das Cover lässt den Blick aus dem Flugzeug aufs Meer zu, was auf mich sehr einladend wirkt. Der Schutzumschlag ist praktisch ins Hardcover integriert. Eine sehr schöne Lösung.
Ein optisch schönes Buch, ein kurzweiliges Lesevergnügen und ein leicht verstörender Blick in die Welt zwischen Leben und Tod.

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Veröffentlicht am 29.09.2024

Eine außergewöhnliche Sportlerkarriere

In einem Boot
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Ronald Rauhe hat ein Anliegen. Er möchte, dass der (Leistungs-)Sport wieder viel präsenter wird in unserer Gesellschaft. Er möchte, dass Kinder wieder lernen, mit Herausforderungen und Niederlagen umzugehen, ...


Ronald Rauhe hat ein Anliegen. Er möchte, dass der (Leistungs-)Sport wieder viel präsenter wird in unserer Gesellschaft. Er möchte, dass Kinder wieder lernen, mit Herausforderungen und Niederlagen umzugehen, dass sie Freude an der Bewegung haben und sich einem Wettkampf stellen. Diese Gedanken (oder besser Forderungen?) werden sowohl in einzelnen Kapiteln fokussiert als auch immer wieder in die eigenen Erlebnisse eingeflochten. Letzteres ist mir dann doch ein bisschen zu viel, da es auf mich zu plakativ ist und so die Wirkung etwas verpufft.
Rauhe schildert seine Erlebnisse hautnah. Insbesondere bei seinen Niederlagen gewährt er tiefe Einblicke in sein Seelenleben. Das berührt mich sehr. Sein Kampf um sein letztes Olympia lässt mich mitfiebern. Aus jeder Zeile des Buchs dringt seine Begeisterung für den Sport im Allgemeinen und den Kanusport im Besonderen. Er lässt uns teilhaben an Trainingsqualen, an der Unsicherheit durch Corona, an manch kleinen Ausbrüchen aus dem Leistungssport. Ich bin diesen Erlebnissen sehr gerne gefolgt und freue mich, einen Einblick in diese beeindruckende Sportlerkarriere gewonnen zu haben.
Leider sind im Buch viele Schreibfehler. Ich hätte mir zudem eine etwas andere innere Logik gewünscht. Einzelne Cliffhanger über die Kapitelgrenzen sind meiner Meinung nach nicht notwendig. Das Plädoyer für den Sport hätte ich mir etwas strukturierter in Unterscheidung zwischen Breiten- und Leistungssport gewünscht. Ich bin mir sicher, dass Ronald Rauhe das in seinen Vorträgen ganz klar ausgearbeitet hat.
Es bleibt aber dennoch ein absolut lesenswertes Buch über einen Ausnahmesportler.

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Veröffentlicht am 04.09.2024

Wenn Schweigen schlimmer ist als die Wahrheit

Der Morgen nach dem Regen
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Ein weiteres Buch darüber, wie schwierig die Beziehung zwischen Mutter und Tochter sein kann. Und leider eins, dass mich – je länger das Lesen zurück liegt – unzufrieden zurücklässt.

Der Grundkonflikt ...

Ein weiteres Buch darüber, wie schwierig die Beziehung zwischen Mutter und Tochter sein kann. Und leider eins, dass mich – je länger das Lesen zurück liegt – unzufrieden zurücklässt.

Der Grundkonflikt zwischen Mutter und Tochter ist hervorragend beschrieben. Tochter Elsa fühlt sich nicht wirklich geliebt und beachtet von ihrer Mutter Johanna. Diese war selten daheim, hat aus ihrer Sicht alles für die Familie getan, was möglich war. Und doch war da immer eine Blockade, sich vollständig auf die Familie einzulassen. Eine Distanz, die spürbar war. In Rückblenden und aufwühlenden Gesprächen arbeiten Johanna und Elsa die wahren Ursachen auf, klären Missverständnisse, Verletzungen, Enttäuschungen. Alles mündet in Johannnas Erkenntnis „Mein Schweigen hat so viel kaputt gemacht“.

Melanie Levensohn beschreibt den Konflikt zwischen Mutter und Tochter sehr lebendig. In den Dialogen spürt man den Schmerz und auch wie viel Kraft es kostet, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Mir gefällt, wie die Kapitel, die jeweils abwechselnd die Perspektive von Mutter und Tochter beleuchten, ineinandergreifen.

Als störend empfinde ich die zusätzliche Erzählebene. Mit Tante Toni wird eine Person eingeführt, die beiden Frauen viel bedeutet hat und die mahnend und weise aus dem Off zu Johanna spricht. Das wirkte auf mich zu platt. Ebenso hätte ich die Details der Auslandsarbeit der Mutter nicht gebraucht. Das war mir zu plakativ und würde – nimmt man es so ernst wie angedeutet - ein eigenes Buch verdienen. So wurde eine künstliche Dramatik geschaffen, die meines Erachtens den Mutter-Tochter-Konflikt überschattet hat.

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Veröffentlicht am 31.08.2024

Episoden einer Beziehung

Die vorletzte Frau
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In vielen einzelnen Episoden erzählt Katja Oskamp von einer (ihrer) großen Liebe. Die junge Studentin und der große Schriftsteller Tosch lernen sich an der Uni kennen und lieben. Beide stecken in unglücklichen ...

In vielen einzelnen Episoden erzählt Katja Oskamp von einer (ihrer) großen Liebe. Die junge Studentin und der große Schriftsteller Tosch lernen sich an der Uni kennen und lieben. Beide stecken in unglücklichen Beziehungen und entscheiden sich füreinander. Sie leben nicht miteinander, sondern ihre Beziehung nährt sich aus zwei Quellen „Erst später wurde mir bewusst, dass Leporello und Stehpult [zwei Geschenke] für die Gemengelage des Ursprungs [der Beziehung] standen: Sex und Text“. Als durch Toschs Krankheit der Sex wegbricht und durch zunehmende Pflege ersetzt wird, fehlt der Beziehung ein wesentlicher Teil. Wir erleben das langsame Entfremden, den Schmerz, die Einsamkeit.

Mit einer wunderbaren Sprache, die ganz klar und pointiert ist, arbeitet Katja Oskamp ihr Leben auf („Heute weiß ich es: So wie Tosch in seine Heimat zurückkehrte, kehrte auch ich in meine Heimat zurück. In das Land meiner Kindheit.“). Die kurzen Kapitel lassen Zeit zum Nachdenken, zum Reflektieren und zur Interpretation.

Der Anteil des Autobiografischen ist hoch, was sich mir aus dem Klappentext nicht erschloss. Vielleicht ist damit eine gewisse beobachtende Distanz verbunden, die es verhindert, dass ich mich mit der Protagonistin identifizieren kann. So blicke ich interessiert neugierig auf diese Beziehung, beobachte mit und lasse mich vom Philosophieren über das Leben anstecken.

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