Beeindruckend
KaltblütigEin brutaler Mord, dem eine vierköpfige Familie zum Opfer fällt, scheinbar zufällig ausgewählt. Davon handelt „Kaltblütig„, Truman Capotes Tatsachenroman aus dem Jahr 1966, neu aufgelegt in einer Übersetzung ...
Ein brutaler Mord, dem eine vierköpfige Familie zum Opfer fällt, scheinbar zufällig ausgewählt. Davon handelt „Kaltblütig„, Truman Capotes Tatsachenroman aus dem Jahr 1966, neu aufgelegt in einer Übersetzung von Thomas Mohr. Truman Capotes 100. Geburtstag soll Anlass sein, das Buch neu zu lesen.
Truman Capote hat aus diesem Kriminalfalle einen Roman gemacht. Wie aber kann man, wie soll man über solch ein Verbrechen schreiben? Anklagend, erklärend, skandalisierend – all das wäre denkbar.
Capote tut nichts davon. Er hat daraus einen Roman gemacht, der viel über Menschen sagt, aber genauso viel auch offen lässt. Er sucht nicht nach Erklärungen, er beschreibt einfach, was ist. Was geschehen ist.
Dazu gehört auch, dass zunächst die ermordete Familie beschreiben wird. Capote räumt ihr viel Raum ein, beschreibt ihr Leben. Er beschreibt die Menschen, zeigt was ihr Leben ausmacht. Nur so kann der Verlust sichtbar werden. Erst dann geht er auf das Leben der beiden Mörder ein.
Capote erzählt unaufgeregt, nie wertend. Viele Dialoge helfen ihm dabei. Das Mitleid, Kopfschütteln, Haareraufen und Grauen: all das stellt sich beim Leser von selbst ein. Truman Capote gibt keine Deutung vor, keine psychologischen Muster oder Erklärungen aus der Kindheit. Aber er erzählt von der Kindheit von dem Mörder Perry, von seinem Verhältnis zu seinem Vater. Von seiner Zeit als Soldat. Capote hat dabei immer wieder Dokumente eingefügt, wie etwa den Brief eines Kameraden aus dem Militär. Sie geben einen anderen, weiteren Blick auf die beiden Mörder.
Mit gemischten Gefühlen bleibt man als Leser zurück, es geht gar nicht anders. Die eine, einzig gültige Erklärung gibt es nicht, ebenso wenig die einzig gültige Folgerung. Nicht nur die Frage, wie es zu einer so brutalen, sinnlosen Tat kommen kann, stellt sich der Leser, sondern auch die nach den Konsequenzen – also: welchen Einfluss können oder sollen psychologische Gutachten haben, und nicht zuletzt: macht die Todesstrafe Sinn?
Truman Capote gibt mit „Kaltblütig“ keine Antworten. Und das macht er beunruhigend gut.