Drei Jahrhunderte, ein mächtiges, friedliebendes Geschöpf und die Lebenswege der Menschen, die von ihm angezogen sind. Iida Turpeinen erzählt in »Das Wesen des Lebens« ausgehend von der ausgestorbenen Stellerschen Seekuh von obsessiven Sammlern und rastlosen Wissenschaftlern, von begeisterten Naturschützern und den Frauen, die an Naturerforschungen immer schon beteiligt waren. Sie zeigt, wie wir Menschen vom unbedingten Begehren nach Erkenntnis angetrieben werden – und wie wir dafür die unwiderrufliche Zerstörung der Natur in Kauf nehmen. Ob auf Großer Nordischer Expedition in der Beringsee im 18. Jahrhundert, 100 Jahre später in der russisch-amerikanischen Kompanie in Nowo-Archangelsk in Alaska oder Mitte des 20. Jahrhunderts auf den Vogelinseln vor Helsinki: Turpeinen lässt uns mit ihrer berührenden Erzählkunst unsere Welt und das Wunder des Lebens mit neuen Augen sehen und verstehen, wie alles mit allem verbunden ist.
»Dieses Buch werden Sie bewegt und mit angehaltenem Atem lesen.«
Helsingin Sanomat
Aus dem Finnischen übersetzt von Maximilian Murmann
Die Stellersche Seekuh, deren Geschichte sich durch die gesamte Handlung zieht, wurde erstmals 1741 vom deutschen Naturforscher Georg Wilhelm Steller entdeckt, als er mit Vitus Bering auf Entdeckungsfahrten ...
Die Stellersche Seekuh, deren Geschichte sich durch die gesamte Handlung zieht, wurde erstmals 1741 vom deutschen Naturforscher Georg Wilhelm Steller entdeckt, als er mit Vitus Bering auf Entdeckungsfahrten ging. Das entbehrungsreiche Leben der Seeleute auf See und der Überlebenskampf der Schiffbrüchigen wird eindrucksvoll geschildert und wie die zutraulichen Tiere, die erstmals auf Menschen trafen dort abgeschlachtet wurden. Teils war es zum Überleben der Seeleute notwendig, teils geschah es aus reiner Lust am Töten.
Zu späteren Zeiten, als Russland Alaska besiedelte, wurde die Seekuh erneut gesichtet und diesmal machten sich Forscher über dieses große, zutrauliche Tier her. Um sie zu studieren wurden sie getötet.
Heute gilt sie als ausgestorben.
Über Generationen hinweg wird erzählt, was mit den Zeichnungen und Skeletten dieses mächtigen Meeresbewohners geschah. Dabei werden die Menschen, die einen Bezug dazu hatten, mit ihrer Lebensgeschichte in die Handlung eingebunden.
Ein hochinteressantes wissenschaftliches Sachbuch in Romanform. Eine Pflichtlektüre für den Artenschutz.
„Das Wesen des Lebens“ war für mich eine unerwartet positive Überraschung - ich hätte nicht damit gerechnet, dass ich den Roman so sehr mag! Vom Stil erinnert es mich mit seiner poetischen Schreibart ein ...
„Das Wesen des Lebens“ war für mich eine unerwartet positive Überraschung - ich hätte nicht damit gerechnet, dass ich den Roman so sehr mag! Vom Stil erinnert es mich mit seiner poetischen Schreibart ein wenig an Florian Illies, den ich als Autor auch sehr mag. In diesem Buch geht es jedoch nicht um Kultur, sondern um die Geschichte der Naturwissenschaften und des Artensterbens am Beispiel des Skeletts der Stellerschen Seekuh.
Anhand des Skeletts der Stellerschen Seekuh entfaltet sich ein faszinierender und gleichzeitig melancholischer Erzählstrang, der die Zerstörungskraft der menschlichen Neugier, das Streben nach Erkenntnis und dessen oft tragische Konsequenzen für die Umwelt beleuchtet. Mit der Seekuh reist man von der Beringsee des 18. Jahrhunderts und den rauen Bedingungen der Großen Nordischen Expedition über die russisch-amerikanische Kompanie in Alaska im 19. Jahrhundert bis zu den Vogelinseln vor Helsinki Mitte des 20. Jahrhunderts und lernt durch die Verbindungen der Seekuh und ihrer Forscher:innen auch weitere ausgerottete Arten kennen. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich mich normalerweise nicht so sehr für die Geschichte der Naturwissenschaften interessiere. Turpeinen erzählt aber so schön und schafft es auch, einfühlsam Perspektiven für Hoffnung aufzuzeigen, dass ich zwischendurch vor Trauer und Rührung ein paar Tränchen verdrücken musste. Wer hätte das gedacht?
„Das Wesen des Lebens“ ist für mich eine richtige literarische Entdeckung gewesen - ein absolutes Muss für alle, die es auch gerne mal nachdenklich und etwas melancholisch mögen und definitiv nicht nur für Menschen, die sich für Artensterben und Naturwissenschaften interessieren!
„Erst muss man vorbei an dem Afrikanischen Elefanten und durch eine Tür […] dann haben die Besucher dieses Wesen vor sich, seine vollkommen andersartigen Glieder. […] Seine Größe fesselt die Aufmerksamkeit ...
„Erst muss man vorbei an dem Afrikanischen Elefanten und durch eine Tür […] dann haben die Besucher dieses Wesen vor sich, seine vollkommen andersartigen Glieder. […] Seine Größe fesselt die Aufmerksamkeit der Menschen. Kinder rennen herbei und rufen »Dinosaurier!«, denn diese erwarten sie am sehnsüchtigsten, doch die Eltern zögern. Sie haben den Museumsplan studiert und wissen, dass sich die prähistorischen Tiere im zweiten Stock befinden, nicht hier, weshalb sie sich nach vorne beugen und ihrem Nachwuchs das Namensschild vorlesen: Stellers Sehkuh.“
Schätzungen zufolge sterben täglich 130 bis 150 Arten aus. Jeden Tag verschwinden Lebewesen unwiederbringlich von der Erdoberfläche. Von vielen haben wir niemals etwas gehört, andere wiederum sind allseits bekannt. Und es gibt solche, die es quasi zur Weltbekanntheit gebracht, wie das Mammut oder der Dodo. Einen sehr berührenden Roman über eine ausgestorbene Art, den Riesenalk, habe ich bereits letztes Jahr gelesen und nun durfte ich wieder ein sehr berührendes Buch über ein weiteres sehr faszinierendes, ausgestorbenes Tier lesen und zwar über die Stellersche Sehkuh.
Vier Menschenschicksale, die in irgendeiner Form eng mit der Stellerschen Sehkuh verbunden sind, dürfen wir in Iida Turpeinens Roman „Das Wesen des Lebens“ mitbegleiten. Es fängt im Jahr 1741 an, als der Theologe und Naturforscher Georg Wilhelm Steller mit der russischen Besatzung auf dem Schiff Swjatoi Pjotr zu einer Forschungsreise aufbricht. Das Schiff strandet irgendwann an einer Insel, wo die zusammengeschrumpfte Mannschaft Wesen im Wasser erblickt, die wohl früher von Seereisenden als Meerjungfrauen in die Erzählung eingingen. Steller studiert das Verhalten der Tiere, lässt aber auch eins der von der Mannschaft erlegten Tiere zerlegen, er misst es und legt sein Skelett frei. Dieses kann er allerdings auf der Rückfahrt nicht mitnehmen, wieder in Russland angekommen stirbt er bereits fünf Jahren nach Antreten der Forschungsreise an einer Fieberkrankheit und hinterlässt nur seine Aufzeichnungen.
Etwas mehr als hundert Jahre später übernimmt der finnische Gouverneur Furuhjelm die Kolonie in Alaska. Nachdem alle Rohstoffe und Tiere, die ihres Pelzes wegen gejagt werden, von diesem Teil des amerikanischen Kontinents verschwunden sind, sucht Johan Hampus Furuhjelm krampfhaft nach einem plausiblen Grund für das Fortbestehen der Kolonie und seines Gouverneurspostens und lässt die Ureinwohner Alaskas nach dem Skelett der Stellerschen Sehkuh suchen. Die Inuit werden auf einer kleinen Insel fündig, Alaska wird dennoch kurz darauf von den Amerikanern gekauft. Hampus Furuhjelm vergisst aber nicht, dass er seinem Freund von Nordmann, der Professor für Zoologie an der Kaiserlichen Alexanders-Universität ist, das Skelett der Seekuh versprochen hat und so wird es von ihm zusammengebaut und von seiner Assistentin und begnadeten Zeichnerin Hilda Olson aufs Papier gebannt. An der Kaiserlichen Alexanders-Universität gehört von nun an die Stellersche Seekuh Professor Bonsdorffs Skelettsammlung an. Erst in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts dürfen die Knochen der Seekuh in das Tierkundemuseum umziehen, die von dem finnischen Konservator und Naturschützer John Grönvall liebevoll konserviert und neu zusammengesetzt werden. Das Skelett kann bis zum heutigen Tag im Naturhistorischem Museum in Helsinki besichtigt werden.
Iida Turpeinen hat mit „Das Wesen des Lebens“ ein wichtigen Roman geschaffen, der meiner Meinung nach von jedem gelesen werden sollte. Sie schafft es in jede ihrer Figuren, die historische Persönlichkeiten sind, Leben einzuhauchen, sodass man das Gefühl hat, alles leibhaft mitzuerleben. Mit dem Fortschreiten der Zeit im Buch zeigt sich auch immer mehr, dass sich die Einstellung der Menschen gegenüber der Lebewesen, die sie umgeben, sehr stark verändert. Während sie im 18. und 19. Jahrhundert als Gut angesehen werden, das ausgebeutet werden darf und dem menschlichen Zweck zu dienen hat, setzen sich Gelehrte und Forscher im 20. Jahrhundert für den Erhalt und Schutz bestimmter Tierarten ein. Sogar diese langsame Entwicklung gelingt es der Autorin wunderbar in ihrem Roman zu bannen. Mit ihrem feinfühligen Schreibstil gelingt es ihr, die grausamsten menschlichen Taten so darzustellen, dass man nicht vor Grauen in Ohmacht fällt und trotzdem den Schmerz und die Trauer empfindet, die die beschriebenen Szenen unweigerlich in einem auslösen.
„Einen Moment lang ist sie da, die alles verschlingende, zarte Trauer, wenn wir dieses Tier betrachten, groß und sanft, für immer fort.“
Das Wesen des Lebens – Iida Turpeinen
Die Stellersche Seekuh
Über drei Jahrhunderte folgt dieser Roman dem Skelett der mittlerweile ausgestorbenen Seekuh. Beginnend mit dem Naturforscher und Namensgeber ...
Das Wesen des Lebens – Iida Turpeinen
Die Stellersche Seekuh
Über drei Jahrhunderte folgt dieser Roman dem Skelett der mittlerweile ausgestorbenen Seekuh. Beginnend mit dem Naturforscher und Namensgeber Georg Wilhelm Steller im 18. Jahrhundert schlägt Turpeinen einen großen Bogen – von der abenteuerlichen Expeditionsfahrt ins Nordmeer, über die Kompanie in Nowo-Archangelsk in Alaska, bis zu den Vogelinseln nach Helsinki. Stets geht es um Forscher und Entdecker, Jäger und Sammler. Auch wenn es den Menschen meist nicht bewusst ist, die Leidtragenden sind immer die Tiere. Und so sammeln sich im Verlauf dieser Geschichte etliche Arten an, die mittlerweile unwiderruflich ausgestorben sind. Die Erkenntnis kommt, wenn überhaupt, für viele zu spät.
Es ist ein sehr wissenschaftlicher Ansatz den Turpeinen hier verfolgt. Teilweise liest es sich fast wie ein Sachbuch, obwohl es auch einige lesenswerte Menschenschicksale gibt, die ja untrennbar mit den Schicksalen der Tieren in diesem Roman verbunden sind. Irgendwie wird durch die sachlich fundierte Erzählweise schon deutlich, dass die Tiere der Autorin näher liegen als die Menschen. Das mag auch daran liegen, dass beispielsweise das Skelett der Stellerschen Seekuh über drei Jahrhunderte ein Thema bleibt, während die Menschen (logischerweise) und Orte wechseln.
Der Schreibstil mag literarisch nicht das Gelbe vom Ei sein, doch das muss er auch gar nicht. Dieser Roman überzeugt durch wissenschaftlich fundierte Hintergründe. Mich konnte diese Geschichte der Seekuh unheimlich fesseln und faszinieren. Die Autorin schafft es, zu informieren und zum Nachdenken anzuregen.
Sehr lesenswert. 5 Sterne.
Die Stellersche Seekuh ereilte ein Schicksal, das sie mit unzähligen anderen Tier- und Pflanzenarten teilt, sie ist ausgestorben und das zu einer Zeit, zu der es Menschen noch für undenkbar hielten daran ...
Die Stellersche Seekuh ereilte ein Schicksal, das sie mit unzähligen anderen Tier- und Pflanzenarten teilt, sie ist ausgestorben und das zu einer Zeit, zu der es Menschen noch für undenkbar hielten daran Anteil zu tragen.
Die finnische Autorin Iida Turpeinen widmet sich diesem sanftmütigen Geschöpf. Sie erzählt die zufällige, aber um so dramatischere Entdeckung der Tiere, wie ihre Existens teils in den Bereich der Mythen verortet wird und wie letztlich doch die Gier der Menschen siegt und die Tiere in nur wenigen Jahren ausgerottet werden, wobei die Arroganz der Menschen soweit geht jeglichen Einfluss auf das Verschwinden der Tiere von sich zu weisen. Eine wirkliche Erforschung konnte in dem erschreckend kurzen Zeitraum, den es bis zum einsamen Tod des letzten Exemplares brauchte, nicht wirklich stattfinden und so blieben den Forschern nur Spekulationen, bis zum Fund eines Skeletts. Auch dessen Weg nach Helsinki ins Naturhistorische Museum und die verschiedenen Personen, die ihn begleiteten, erzählt die Autorin, dabei schlägt sie einen weiten Bogen über mehrere Epochen hinweg.
Der Stil der Autorin hat mich von der ersten Seite gefesselt, ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen. Die wissenschaftlichen und historischen Fakten werden wie ein Roman erzählt, um bestehende Lücken zu füllen hat die Autorin ihre Phantasie bemüht. Das Ergebniss kann sich sehen lassen. Die Stellersche Seekuh, oder auch die zufällige Entdeckung der Beringinsel ist jetzt auf den ersten Blick nicht unbedingt ein spannendes Feld für die breite Masse, aber dieser Roman lässt das fast vergessen und eröffnet die Thematik einer breiten Leserschaft, denn sind wir doch mal ehrlich, Dinosaurier sind viel interessanter. Ich hätte mir in meiner Jugend mehr solcher Bücher gewünscht, anstelle des doch oft sehr drögen Schulstoffs.
Mit Blick auf das Schicksal der Stellerschen Seekuh widmet sich das Buch natürlich auch dem Anteil des Menschen an dieser Entwicklung. Wo man bei den Dinosauriern noch eine globale Katastrophe wie die Sinflut ins Feld führen könnte, lassen sich hier die Tatsachen nicht mehr verdrängen. Der Mensch trägt die Schuld am Verschwinden so vieler Arten, bewusst, oder unbewusst, anfangs aus Hunger und Not heraus, später durch fehlgeleiteten Forscherdrang, aus Profitgier, oder Prestigegründen, der Gedanke des Artenschutzes nur etwas für wenige Ideologen. Heute denkt man anders, auch diese Entwicklung spricht die Autorin an, ob allerdings das Klonen einer längst ausgestorbenen Wandertaube, oder des Wollmammuts der richtige Weg sind mag ich bezweifeln.
Sachlich, gefühlvoll und mit einem Auge für Details wird hier eine Geschichte erzählt, die mich als Leser traurig stimmt und etwas melancholisch zurück lässt. Allerdings hat sie mich auch zum Nachdenken angeregt, mehr als einmal habe ich das Buch beim Lesen zur Seite gelegt, um eine der erwähnten Personen, oder Tierarten zu googlen, da kommt noch Einiges an weiterführender Recherche zusammen.