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Veröffentlicht am 05.09.2024

Spielarten der Liebe

Das Buch der Schwestern
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Als Nora und Florent sich kennenlernen, schlägt Amor buchstäblich zu, die beiden werden unzertrennlich, brauchen niemanden außer sich. Als ihre Tochter Tristane auf die Welt kommt, wird diese zwar geliebt, ...

Als Nora und Florent sich kennenlernen, schlägt Amor buchstäblich zu, die beiden werden unzertrennlich, brauchen niemanden außer sich. Als ihre Tochter Tristane auf die Welt kommt, wird diese zwar geliebt, aber nicht beachtet, lediglich versorgt. Ihr größter Wunsch ist ein Geschwisterchen, sodass ihre Eltern ihr eine Schwester schenken, bevor sie fünf Jahre alt ist. Tristane kümmert sich ab da um Laetitia, die Schwestern geben sich gegenseitig Wärme, Geborgenheit und Liebe. Diese Beziehung wird auf den Prüfstand gestellt, als Tristane nach Paris zieht, um zu studieren.

„So wurde Laetitia in die Fülle geboren, wohingegen Tristane sie mit viereinhalb erst kennenlernte. Laetitia wusste nicht, dass das Herz verhungern kann, Tristane konnte das nie vergessen. Gleichzeitig mit ihrer Liebe erwuchs eine Kluft zwischen ihnen: Laetitia würde nie Angst haben, nicht geliebt zu werden, Tristane für immer und ewig.“ (Seite 41)

Was für eine außergewöhnliche Geschichte über Familie, Freundschaft und vor allem die Liebe. Ein bisschen crazy, ein wenig ins phantasievolle rutschend, aber immer herzerwärmend, freundlich und klug. Die Beziehung der Schwestern zueinander, aber auch die zu ihrer Cousine sowie Tristanes Zuneigung zu deren Mutter, die ihre Tante war, war so besonders, dass es eine Freude war, dem beiwohnen zu dürfen. Viele schlaue Sätze gab es im Buch, kluge Worte und auch die ein oder andere gesellschaftliche Kritik. Ich hätte gerne mehr gelesen über die Schwestern, aber auch in der Kürze gab es Erlebnisse genug. Wunderbar!

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Veröffentlicht am 02.09.2024

Das Gedächtnis des Wassers

Am Himmel die Flüsse
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„Wir formen aus unseren Träumen größere oder kleinere Gegenstände. Gefühle, die wir zwar haben, aber nicht akzeptieren, versuchen wir durch Dinge auszudrücken, die wir erschaffen - darauf vertrauend, dass ...

„Wir formen aus unseren Träumen größere oder kleinere Gegenstände. Gefühle, die wir zwar haben, aber nicht akzeptieren, versuchen wir durch Dinge auszudrücken, die wir erschaffen - darauf vertrauend, dass sie uns überleben und etwas von uns durch die Schichten der Zeit transportieren, so wie Wasser den Fels durchsickert.“ (Seite 560)

Im Winter des Jahres 1840 kommt am Ufer der Themse ein Kind zur Welt, es ist Arthur, König der Abwasserkanäle und Elendsquartiere genannt. Er wird in Armut und Elend hineingeboren und besitzt eine besondere Gabe, die zugleich ein Fluch sein wird. Im Jahr 2014 spaziert die neunjährige Narin mit ihrer Großmutter am Ufer des Tigris entlang, wo sie, in ein weißes Kleid gekleidet, mit heiligem Wasser aus dem Lalis-Tal getauft werden soll, als die Bulldozer kommen, die sie und die restliche Taufgesellschaft vertreiben. Zaleekhah wiederum hat eine schmerzhafte Trennung hinter sich, mit ihren wenigen Habseligkeiten geht sie im Jahr 2018 am Ufer der Themse entlang zu dem von ihr gemieteten Hausboot. Diese drei Personen haben auf den ersten Blick nichts gemeinsam, aber doch verbindet sie eine Geschichte über viele Jahrhunderte hinweg.

Elif Shafak hat einen Roman geschrieben, zu dem sie von tatsächlichen Ereignissen und historischen Figuren inspiriert worden ist. Die Anmerkungen am Ende des Buches hierzu sind sehr interessant und die Quellenverweise hilfreich bei der Suche nach den wahren Geschehnissen, da diese natürlich zur Geschichte angepasst wurden und oft zeitlich anderweitig anzusiedeln sind. Ich ziehe den Hut vor der Leistung der Autorin, denn die Recherchen für das vorliegende Werk müssen gewaltig gewesen sein.

„Die Heimat ist dort, wo die geliebten Menschen sind, aber das gilt auch umgekehrt. Die, die du liebst, sind deine Zuflucht, dein Schutz, dein Land und, wenn es schlimm kommt, dein Exil. Du wirst ihnen folgen, wohin sie auch gehen.“ (Seite 322)

So viele Jahrhunderte und Jahre Arthur, Narin sowie Zaleekhah trennten, so viele Gemeinsamkeiten fanden sich im Laufe des in fünf Abschnitte aufgeteilten Buches zwischen den Zeilen und auch in den Sätzen wieder. Die Jahre mit Arthur versetzten mich in ein London, das laut, dreckig und mit Gerüchen angefüllt war, die ich aufgrund der bildlichen Schreibweise von Elif Shafak förmlich riechen konnte. Narins Großmutter wiederum schaffte es mit ihren Sagen, Märchen und Fabeln, die sie ihrer Enkelin zuflüsterte, dass ich mich in eine andere Welt, eine wie aus der Sammlung Tausendundeine Nacht, versetzt fühlte, obwohl beider Schicksal für mich mit dem Jahr 2014 begann. Die Wissenschaftlerin Zaleekhah brachte mir ihr Wissensgebiet näher, ich weiß nun unter anderem, dass Wasser vielleicht ein Gedächtnis hat, und dass wir Menschen viele Flüsse begraben haben, sodass diese heute in Vergessenheit geraten sind. Diese und viele andere, äußerst interessante und mir bis dato unbekannte Dinge saugte ich auf wie ein Schwamm während ich durch die Seiten fast geflogen bin.

Viele Themen fanden sich im Buch wieder, manche waren schwer zu ertragen, zum Beispiel als es um das Schicksal der Eziden ging. Die Passagen über den Ende des 19. Jahrhunderts am Tigris verübten Genozid waren die verstörendsten und emotionalsten im Buch. Aber natürlich gab es auch schöne Momente, Zeiten, die informativ sowie unterhaltsam waren, Dinge, die erstaunlich und herzerfrischend gewesen sind. Poetisch, mit einer bildhaften Sprache hat mich Elif Shafak entführt in eine andere Welt, hat mir Orte gezeigt, die phantastisch waren, mich auf Einzelheiten aufmerksam gemacht, die bisher für mich alltäglich waren und nun in einem neuen Licht erscheinen. Ich bin glücklich darüber, dass ich dabei gewesen bin. Wunderbar und lesenswert.

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Veröffentlicht am 28.08.2024

Spannend und nervenaufreibend

Stalker – Er will dein Leben.
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Der Schauspieler Eric Sanders hat es endlich geschafft; mit seiner Rolle in dem Münchner Tatort erlebt er den lange ersehnten Durchbruch. Über Nacht steigen die Followerzahlen auf seinen Social Media Kanälen ...

Der Schauspieler Eric Sanders hat es endlich geschafft; mit seiner Rolle in dem Münchner Tatort erlebt er den lange ersehnten Durchbruch. Über Nacht steigen die Followerzahlen auf seinen Social Media Kanälen beträchtlich, die überwiegende Meinung ist positiv und die Kritiker überschlagen sich, voll des Lobes über seine schauspielerische Leistung. Umso größer der Schreck, als sich jemand plötzlich in sein Leben drängt, seine Profile kopiert und auf Kommentare der Fans an seiner Stelle beleidigend und anzüglich antwortet. Als er denkt, schlimmer kann es nicht kommen, erhält er eine Nachricht, in der er aufgefordert wird, einen Mord zu gestehen, sonst werde seiner Familie Leid angetan.

„Auch beim zweiten Lesen verloren die Wörter nicht die Bedrohung, die von ihnen ausging. Dort stand, mit einem Computer in Großbuchstaben geschrieben und ausgedruckt: DU BIST EINE ERFUNDENE PERSON! ICH WERDE ES DIR BEWEISEN!“ (Seite 70)

Ich gestehe, dass ich ein bisschen skeptisch war, als ich den Klappentext des vorliegenden Buches gelesen hatte, denn sowohl Social Media wie auch Stalking in unterschiedlicher Form wurden in letzter Zeit in einigen Büchern ausführlich thematisiert. Meine anfängliche Skepsis wich aber bald großer Begeisterung, denn die Geschichte, die Arno Strobel sich hier ausgedacht hat, hätte nicht raffinierter und spannender sein können.

Von Anfang an war eine unterschwellige Gefahr zu spüren und auch wenn ich zu Beginn an manchen Stellen ein wenig amüsiert war, wie ich zugeben muss, wich dieses Gefühl bald einem leichten Entsetzen, je weiter die Bedrohung voranschritt. Lustig war dann gar nichts mehr, im Gegenteil fieberte ich zusammen mit Eric der Lösung hinter dem Geheimnis entgegen. Die Richtung, die das Buch dann einschlug, kam unerwartet, genauso wie die vielen überraschenden und genialen Wendungen, die perfekt platziert zur Spannung beigetragen haben. Ich konnte nicht anders, als den Einfallsreichtum zu bewundern, denn es kommt selten vor, dass meine Aufregung gedanklich solche Purzelbäume schlägt. Die Auflösung war schlüssig, ein weiteres Ereignis verstörte mich zutiefst und das Ende verdient ein extra Sternchen von mir. Ein Psychothriller, der diese Bezeichnung mehr als verdient. Lesenswert!

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Veröffentlicht am 26.08.2024

Einsame Zweisamkeit

Kaffee mit Milch
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Agneta fährt zu ihrer Tochter nach Stockholm, wo Tilda seit ein paar Jahren Jura studiert. Die Beziehung zwischen den Frauen ist schlecht, keine von ihnen war in den letzten Jahren zu einem Gespräch bereit, ...

Agneta fährt zu ihrer Tochter nach Stockholm, wo Tilda seit ein paar Jahren Jura studiert. Die Beziehung zwischen den Frauen ist schlecht, keine von ihnen war in den letzten Jahren zu einem Gespräch bereit, obwohl es genug zu klären gäbe. Nun aber gibt es etwas, was Agneta ihrer Tochter sagen muss, sie schiebt es seit Wochen vor sich her, ihr läuft die Zeit davon. An einem verlängerten Wochenende in Stockholm soll es soweit sein, aber als Agneta dort ankommt, stößt sie auf eine Mauer des Schweigens, die sie selbst auf einmal kaum noch überwinden kann und will.

„Irgendwas hatte sie wohl richtig gemacht bei ihrem Kind, dass Tilda so viel mehr Mut besaß und wegging. Sie redet es sich zumindest ein, dass es gut war . Diese Sanftheit in Tildas Stimme, die Verlegenheit. Agneta will diesen Moment in die Länge ziehen, während der weiche Ton ihren Gehörgängen schmeichelt und sie sich das Gehirn in Watte packen lässt.“ (Seite 130)

Kein leichtes Thema hat die Autorin sich da ausgesucht, die Beziehung zwischen Mutter und Tochter ist eine spezielle, viele Zwischentöne spielen eine Rolle, es ist ein ständiges auf und ab der Gefühle, die regelmäßig zutage kommen zu den unpassendsten Zeiten. Agneta hat einen Auftrag, sie hat ein Ziel, und scheitert immer wieder daran, dass sie kleine Augenblicke trauter Zweisamkeit nicht zerstören will. Die seit Jahren achtsam gepflegte Sprachlosigkeit zwischen den Frauen wird ihnen zum Verhängnis, keine kann aussprechen, was sie eigentlich möchte. Gefühle werden totgeschwiegen, Empfindungen kaschiert, dabei könnte alles so einfach sein. Eigentlich.

Ein wunderbarer Roman, der melancholisch und traurig, aber auch brutal realistisch gewesen ist. Ich habe förmlich mitgelitten, habe gebangt, suchte nach Worten, war gerührt und berührt, verlor letztendlich die Fassung und klappte das Buch mit einem Lächeln zu, denn es war schön, dass ich dabei gewesen bin. Lesenswert!

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Veröffentlicht am 23.08.2024

Literarisches Meisterstück

Seltsame Sally Diamond
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Sally Diamond verbrennt ihren toten Adoptivvater Tom Diamond in der Tonne zur Entsorgung des Mülls, schließlich hat er sie selbst darum gebeten, bevor er an einer Krankheit starb. Nie hätte Sally sich ...

Sally Diamond verbrennt ihren toten Adoptivvater Tom Diamond in der Tonne zur Entsorgung des Mülls, schließlich hat er sie selbst darum gebeten, bevor er an einer Krankheit starb. Nie hätte Sally sich träumen lassen, welche Konsequenzen diese Tat für sie haben würde, da sie jahrzehntelang zusammen mit Tom zurückgezogen gelebt hat, nachdem ihre Adoptivmutter verstorben ist. Sie fängt allmählich an, unter Menschen zu gehen, Freundschaften zu knüpfen und Vertrauen zu fassen, was ihr schwer fällt. Warum das so ist, hat sie nie hinterfragt, aber die Vergangenheit steht bereits vor der Tür und Sally wird lernen müssen, damit umzugehen.

„Ich begann, meine Gefühle und meine Eigenschaften zu erforschen. Ich stellte fest, dass ich wütend, nachtragend, verletzt und ängstlich war, aber auch dankbar, warmherzig, freundlich, rücksichtsvoll und einsam. Tina sagte, mangelndes Vertrauen sei mein größtes Problem, aber angesichts meiner Vergangenheit sei das vollkommen verständlich. Das gefiel mir. Ich war verständlich.“ (Seite 137)

Nach „Kleine Grausamkeiten“ sowie „Auf der Lauer liegen“ ist dies das dritte Buch der Autorin, das ich lesen durfte, und obwohl ich dachte, dass das zuerst genannte Buch nicht übertroffen werden könnte, wurde ich eines Besseren gelehrt. Man sollte sich von dem harmlosen Titel und dem fast schon unschuldigen Titelbild nicht täuschen lassen, denn auch wenn es fast insgesamt unblutig blieb, war die Geschichte reich an Gewalt und Perversität. Was Sally über ihre Kindheit erfuhr, zeigte mir die Richtung, in die es geht; Liz Nugent wäre aber nicht Liz Nugent, wenn sie nicht noch weitere Überraschungen in petto gehabt hätte.

Der erste Teil erklärte vergangene Ereignisse, im zweiten tauchte plötzlich ein weiterer Ich-Erzähler auf, der weit in die Vergangenheit zurück ging und Ungeheuerliches zu berichten hatte. Dies aber so raffiniert, dass ich eine lange Zeit nicht sicher war, was ich davon halten soll. War es gelogen oder steckte ein Fünkchen Wahrheit drin? Lange war mir dies überhaupt nicht klar. Die folgenden Enthüllungen entsetzten mich, wie grausam und perfide dies alles war! Als sich eine Kehrtwende abzeichnete, riss die Autorin das Ruder erneut herum und ich konnte nicht fassen, was dann geschah. Der dritte Teil, der Höhepunkt des Dramas in drei Akten, hat mir einiges abverlangt, denn natürlich stellte ich mir vor, wie es zu Ende gehen könnte. Letztendlich wurde ich auch da überrascht, denn nicht alles ist, wie es scheint und nichts bleibt, wie es immer war. Highlight!

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