Elisabeth erzählt
Nur nachts ist es hellNur nachts ist es hell ein Roman von Judith W. Taschler (Zsolnay Verlag)
Einmal in der Eden Bar, wir waren betrunken, sagte mein Bruder Eugen zu mir:“Wenn du nicht meine Schwester wärst, würde ich dich ...
Nur nachts ist es hell ein Roman von Judith W. Taschler (Zsolnay Verlag)
Einmal in der Eden Bar, wir waren betrunken, sagte mein Bruder Eugen zu mir:“Wenn du nicht meine Schwester wärst, würde ich dich vom Fleck weg heiraten. Weißt du, es gibt dreierlei Frauen: die Geheimnisvollen, die Exzentrischen und die Nüchternen, das sind diejenigen,die in klarer Schärfe denken und bei denen man stets weiß, woran man ist. Du gehörst eindeutig zu Letzteren, und das liebe ich an dir.“
Ich küsste ihn auf die Wange und zog ihn auf die Tanzfläche. S.290
Elisabeth, die jüngste Schwester erzählt aus ihrem Leben zwischen und während der Weltkriege. Ihre Berichte ähneln Tagebucheinträgen, die Erinnerungen teils in Romanform geschrieben. Diese Mischung ist interessant und anspruchsvoll. Selbstverständlich kann man diesen Roman eigenständig lesen. Doch liest man ihn infolge der ersten Geschichte „Über Carl reden wir später“, hat mich diese Familiengeschichte der Bruggers nicht enttäuscht aber etwas unbefriedigt zurückgelassen. Manch schnelle Anekdoten fühlen sich an, als ob noch etwas Füllung fehlt. Die Schnellichkeit und Vielfalt hat mich beim Lesen das ein oder andere Mal überrollt. Gern hätte ich mir ein paar Seiten mehr, weniger theoretisch und in gedrosseltem Tempo gewünscht. „Über Carl reden wir morgen“ ist für mich um Längen eindrücklicher geschrieben.
Trotzdem steckt die Liebe im Detail und und man merkt, dass es ein Herzensbuch der Autorin ist. Ich lese immer wieder gern einen Judith W. Taschler und freue mich auf ihre Veröffentlichungen. Die Themen, die sie aufgreift gepaart mit den geschichtlichen Details sind interessant. Hier durchstreift ihre starke Protagonistin, die Medizin, die Frauenrechte, den Fortschritt, streift die Politik und die Geschichte im emotionalen Blickwinkel der Differenzen der Generationen, Familienkonstelationen und gesellschaftlichen Konventionen. Sie stellt ethische Fragen, beantwortet sie einleuchtend und lässt dabei Raum zum Nachdenken.
Fazit: Ich habe den Roman mit kleinen Abstrichen gern gelesen. Er ist ehrlich und direkt. Hilfreich fand ich den Stammbaum am Ende des Buches.