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Veröffentlicht am 09.03.2020

Großmutters Schokoladenkuchen mit Zauberzucker

Drei Freundinnen im Wunderland: Die Zauberbäckerei
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Zunächst einmal – das kleine Büchlein ist wunderschön aufgemacht! Auf 108 zartrosa und freundlich illustrierten Seiten erfreut es kleine Mädchen, denn an die richtet es sich, mit einer weiteren Reise ins ...

Zunächst einmal – das kleine Büchlein ist wunderschön aufgemacht! Auf 108 zartrosa und freundlich illustrierten Seiten erfreut es kleine Mädchen, denn an die richtet es sich, mit einer weiteren Reise ins Wunderland, in dem König Frohgemut herrscht, der allerdings von seiner Schwester mit dem aussagekräftigen Namen Malfiesa aus Eifersucht mit einem Fluch belegt wurde, der ihn langsam aber sicher in eine Stinkkröte verwandelt. Die einzige Chance, ihn vor einem solchen Schicksal zu bewahren, liegt in einem besonderen Gegenmittel, das aus sechs ebenso besonderen, weil phantastischen Zutaten besteht. Und diese zu besorgen obliegt den drei Freundinnen Jasmin, Juli und Mia, die mit Hilfe eines Kästchens vom Schulflohmarkt ins Wunderland gezaubert worden waren, wo sie der Elfe Elfi begegnet sind, deren Tante Rosmarin das Zaubermittel herstellt. Nachdem die erste Zutat, die Blubberbienen-Honigwabe, bereits gefunden wurde, machen sich die Mädchen auf ihre nächste Reise, die sie dahin schickt, wo es, wie ein Gedicht sagt, „alles gibt, was eine Kuchenfreundin liebt“. Nicht schwer, denken sich die Freundinnen, das kann nur eine Bäckerei sein! Und in der Tat, die nächste Zauberzutat ist der Zauberzucker vom silbernen Zuckerbaum im Hof der Bäckerei, den es nur einmal im Jahr zu ernten gibt, nämlich zum Abschluss des jährlichen Zauberbäckerei-Backwettbewerbs.
Anfangs erscheint den Freundinnen der Auftrag leicht, denn sie werden von den Bäckermeistern, ihres Zeichens Elfen, die ihren König verehren, sehr freundlich begrüßt und erhalten das Versprechen, sich von dem magischen Zucker so viel nehmen zu dürfen, wie sie wollen. Doch niemand hat mit Malfiesa gerechnet, die ihre Augen und Ohren überall hat und die Bäckerelfen flugs ebenfalls mit einem Fluch belegt, der aus den fröhlichen Gesellen bösartige Grantler macht, von denen keine Hilfe mehr zu erwarten ist. Also beschließen Jasmin, Mia und Juli, selbst an dem Backwettbewerb teilzunehmen – mit einem besonderen Rezept, dem Schokoladenkuchen von Jasmins Großmutter! Aber ob der konkurrieren kann mit den phantastischen Kreationen der Meisterbäcker? Die Freundinnen haben große Zweifel – und als dann noch Malfiesas Spione, die abscheulichen Sturmbolde auftauchen, um ebenfalls am Wettbewerb teilzunehmen, in Wirklichkeit aber, um nach Herzenslust zu sabotieren und jede Menge Unfrieden zu stiften, wird’s brenzlig! Die Mädchen müssen mit Elfis Hilfe ihr Bestes geben, um an den Zauberzucker zu gelangen – und um zu verhindern, dass Frohgemuts Schicksal endgültig besiegelt ist...
Reisen in Zauberwelten haben Hochkonjunktur auf dem Kinderbuchmarkt! Ganze Buchreihen sind erschienen, die ihre jungen Leser mit Magie verführen und ihre Phantasie beflügeln, die sie Zeitreisen unternehmen lassen mit Helden ihres eigenen Alters, die nicht selten zu Identifikationsfiguren werden. Daran ist nichts auszusetzen, denn die jungen Protagonisten von Serien wie „Sternenschweif“, „Das magische Baumhaus“ oder „Die Zeitdetektive“, um nur einige der herausragenderen Reihen zu nennen, haben allesamt noch ein „normales“ Leben, sind eingebettet im Hier und Jetzt, gehen zur Schule, haben die üblichen Probleme mit ihren Familien und sind auf den ersten Blick nichts Besonderes, durchschnittliche Kinder eben – die freilich mit Phantasie und Empathie gesegnet sind und in kleinen Dingen das Große sehen können, die unsichtbare Welten hinter den sichtbaren erahnen und sie als selbstverständlich hinnehmen.
Die drei Mädchen Jasmin, Juli und Mia bilden da keine Ausnahme! Sie sind nette Kinder, haben ihre alltäglichen Pflichten, die sie nicht hinterfragen, weil es ja doch nichts ändert; ihre magische Nische finden und ihre Begegnung mit der anderen Welt, dem Wunderland, nutzen sie, um zu helfen, um ihren Beitrag zu deren Bewahrung zu leisten.
Nichts aufregend Neues ist die Reihe um die „Drei Freundinnen im Wunderland“, aber sie hat Herz, denn sie zeigt keine abgeklärten, handysüchtigen, obercoolen Kids, um im passenden Jargon zu bleiben, die bereits frühzeitig blasiert durch ihr nichtssagendes Leben staksen, sondern freundliche und hilfsbereite Kinder, die nicht dauerhaft nur mit sich selbst beschäftigt sind, die niemanden brauchen, der ihre Freizeit straff durchorganisiert, die nicht ständig bespaßt werden müssen – und für die Märchen ein ganz realer Teil des Lebens sind, denn sie wissen ganz instinktiv um deren Macht, das Leben bunter und fröhlicher zu gestalten!

Veröffentlicht am 17.02.2020

Von den dunklen Seiten der Mangas in die Untiefen des World Wide Web

Inspektor Takeda und der lächelnde Mörder
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Auch in seinem dritten Kriminalroman, in dessen Mittelpunkt wieder der japanische Inspektor Kenjiro Takeda und seine Kollegin Claudia Harms von der Hamburger Mordkommission stehen, packt der Autor Henrik ...

Auch in seinem dritten Kriminalroman, in dessen Mittelpunkt wieder der japanische Inspektor Kenjiro Takeda und seine Kollegin Claudia Harms von der Hamburger Mordkommission stehen, packt der Autor Henrik Siebold heiße Eisen an. Und weil er seine Handlung diesmal, im Gegensatz zu den beiden Vorgängerbänden, in denen er viel zu viele und daher unüberschaubare Handlungsstränge miteinander verwirrt hat, angenehm gestrafft hat und sich linear entwickeln lässt, ohne immer wieder auszuscheren, betrachte ich den vorliegenden Krimi als den bisher besten der Reihe, von der man hoffen darf, dass sie fortgesetzt wird. Nicht ins Unendliche, denn auch ungewöhnliche Ermittler, deren Persönlichkeitsstruktur nicht ganz leicht zu durchschauen ist, deren Handlungsweisen fremd anmuten, können sich abnutzen. Anklänge findet man bereits in diesem dritten Band, denn das, was sowohl den eleganten Japaner und passionierten Jazzmusiker mit der tiefgründigen Seele, verwurzelt in den uralten Traditionen seines Heimatlandes, auf die der Leser immer wieder einen faszinierenden Blick werfen darf, als auch seine kantige und allzu leicht aufbrausende Kollegin Claudia in den ersten beiden Krimis ausgemacht hat, unterliegt einem Prozess der Weichzeichnung. Takeda nimmt beinahe westliche Züge an, was nach vier Monaten Deutschland bei einem Mittvierziger eher unwahrscheinlich ist, während die spröde Hamburgerin in genau der gleichen Zeitspanne ihre Ruppigkeit fast ganz aufgegeben hat, wie übrigens auch ihre Gewohnheiten der häufigen und heftigen One-Night-Stands. Nun könnte man argumentieren, dass, wie ich bereits in meiner Besprechung zu Band Zwei der Reihe lobend angemerkt habe, der Autor seinen Protagonisten Raum zur Entwicklung gibt – doch kann dies zu einer Gratwanderung werden, denn logisch und glaubhaft nachvollziehbar sollten diese Entwicklungen schon sein! Weiter könnte man einwenden, dass der enge und von großer gegenseitiger Sympathie geprägte Kontakt der beiden Polizisten ihre jeweilige Entwicklung beeinflusst haben mag, was ich auch nicht ausschließen möchte, denn Claudia stellt zu ihrer eigenen, nicht geringen, Verblüffung fest, dass sie sich immer stärker zu ihrem höflichen japanischen Kollegen hingezogen fühlt, so dass sie erstmals daran denkt, ihrem Leben eine Richtung zu geben, anstatt ziellos durch selbiges zu trudeln. Und der immer noch von seinen Dämonen geplagte und gar oft zerrissene und selbstzweiflerische Japaner? So recht schlau wird man nicht, was sein Gefühlsleben anbelangt – also bleibt abzuwarten, was der Autor mit ihm und natürlich auch mit Claudia vorhat!
Doch nun möchte ich ein wenig näher auf die Kriminalhandlung des zu besprechenden Buches eingehen! Der Fall, mit dem das Ermittlerpaar betraut wird, ist zweifellos spannend und führt, wie bereits gewohnt, zunächst und eigentlich bis fast zum Schluss, von einer frustrierenden Sackgasse in die nächste. Und in die laufen sie aufgrund vorschneller Verdächtigungen ganz alleine. Zudem sind sich Ken Takeda und Claudia Harms ungewohnt uneinig, was die zentrale Figur des Falles betrifft, den siebzehnjährigen Einzelgänger Simon Kallweit, auf brutale Art und Weise von seinen Mitschülern gemobbt und ganz in der nicht weniger brutalen und unheimlich surrealistischen Welt der japanischen Mangas lebend.
Ja, es geht recht japanisch zu in der Geschichte – und erneut darf sich der auf den Inselstaat im Pazifik neugierige Leser über eine ganze Menge Informationen freuen, die neu und für die Bewohner westlicher Länder, sofern sie sich nicht selbst tief in den unüberschaubaren Welten der Animes und Mangas bewegen, sehr fremdartig sind. Nicht nur das, sie lösen Beklemmungen aus, die bis zu regelrechter Angst führen, zumal man den traumwandlerisch durch den Roman geisternden und zu seinem eigenen Unglück hochintelligenten Simon vor Augen hat, der zombieartig seinen Vorbildern nacheifert. Doch wie weit geht die Identifikation mit den Figuren mit den großen Augen? Bis zum Mord? Und nicht nur eines Menschen sondern derer gar vier? War er es wirklich, der die zufällig an ihm vorbeilaufende Frau in der U-Bahn Station vor den Zug gestoßen hat? Erdrosselte er den Mann im Kino, Zufallsopfer wie die Mutter zweier Kinder, die zur falschen Zeit am falschen Ort war? Zündete er danach auch noch einen Obdachlosen an? Seine Aussagen sind widersprüchlich; obgleich er bei seiner Festnahme zugibt, der Täter zu sein, stellen Claudia und Takeda fest, dass die Überwachungsvideos seine vermeintliche Tat nicht nachweisen können, zumal der Junge sein Geständnis inzwischen widerrufen hat, nachdem ihm sein einflussreicher Vater, seines Zeichens Justizsenator der Hansestadt, einen wieder einmal besonders unsympathischen und mit allen trüben Wassern gewaschenen Anwalt zur Seite gestellt hat. Ja, die Anwälte kommen nicht gut weg bei Henrik Siebold, ebenso wenig wie die Politiker und die mächtigen Wirtschaftsbosse. Ein Spiegel der Zeit? Traurige Realität? Lässt man diesen Gedanken zu, könnte man durchaus verzweifeln....
Doch es kommt noch schlimmer! Das Szenarium, das sich der Autor ausgedacht hat für seinen dritten Inspektor Takeda-Krimi erschließt sich immer deutlicher, verdichtet sich und führt nicht nur in die virtuelle Welt des Internets, in dem scheinbar alles möglich ist, sondern auch in seine bodenlosen Tiefen, in die man nur mit Widerwillen schauen möchte. Dort nämlich liegt die Wurzel alles Bitterbösen, das uns hier dargeboten wird und das mit dem letzten Mord, dem an der jungen Rebecca Breuer, offenbar wird, die sich, und damit hatte sie ihr eigenes Todesurteil gefällt, in eben jene Tiefen begeben und sich zum Spielball gemacht hat für all die üblen Typen, die sich im Dark Net tummeln und buchstäblich vor nichts zurückschrecken, um sich all die Einsamen, die Unverstandenen, die Leichtgläubigen gefügig zu machen und danach auf eine Weise zu manipulieren, für die einem die Worte fehlen! Nur Fiktion? Wenn man die Geschichte liest und dabei Vergleiche zieht zu dem, was immer wieder in den Medien herumgeistert und vielleicht selbst ansatzweise schon beobachtet hat, ist nicht davon auszugehen!
Fazit: erneut ein spannender, ungewöhnlicher Krimi mit ebensolchen Hauptfiguren, über dessen kleinere Schönheitsfehler, wie gewisse unglaubwürdige Wendungen, die sich hier vor allem auf den unter Mordverdacht stehenden Simon und seine eigenartige Interaktion mit dem japanischen Ermittler beziehen, man aber insgesamt, des hervorragenden Plots wegen, hinwegsehen kann!

Veröffentlicht am 29.01.2020

Sind Wölfe nur im Märchen böse?

Albwolf
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Vor zwanzig Jahren kehrten die Wölfe nach Deutschland zurück und breiten sich seitdem aus. Derzeit gibt es bundesweit 105 Wolfsrudel, sagt das Bundesamt für Naturschutz, was etwa 275 bis 301 erwachsene ...

Vor zwanzig Jahren kehrten die Wölfe nach Deutschland zurück und breiten sich seitdem aus. Derzeit gibt es bundesweit 105 Wolfsrudel, sagt das Bundesamt für Naturschutz, was etwa 275 bis 301 erwachsene Tiere ausmacht, die durchaus auch Einzelgänger sein können. In der gesamten EU sind die Wölfe streng geschützt und dürfen nur dann geschossen werden, wenn es keine Alternative gibt, jedoch vorbeugend, wenn sie, wie es vermehrt geschieht, Nutztiere bedrohen, wie ein im Dezember des vergangenen Jahres vom Bundestag verabschiedetes Gesetz beschlossen hat. Das Risiko, dass Menschen von einem Wolf angefallen werden, ist äußerst gering, so wird behauptet, zumal seit der Wiederkehr der Wölfe in Deutschland noch kein Zwischenfall dokumentiert wurde, in dem sich eines der Tiere einem Menschen gegenüber aggressiv gezeigt hätte.

Soweit die Fakten, die der Autor Jochen Bender zum Hintergrund seines Schwabenkrimis „Albwolf“ gewählt hat. Dass der Wolf zudem das zur Zeit wohl politischste Tier in der Bundesrepublik ist, um dessentwillen sich Politiker aller Parteien gerne mal streiten, wie man im vergangenen Herbst bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg, den Bundesländern mit der höchsten Wolfspopulation, mit Verwunderung und auch einer Spur Belustigung verfolgen konnte, wurde im vorliegenden Krimi ebenso thematisiert – auch hier zur nicht geringen Verblüffung des Lesers, zu der sich alsbald Abscheu gesellte gegenüber den politischen Ränkespielen, die dem Machterhalt und der möglichst aufsteigenden Karriere so mancher Staatsvertreter dienen, denen man nur von ganzem Herzen wünscht, dass ihre üblen Machenschaften von dem fähigen Ermittlerteam, das freilich immer wieder „von oben“ ausgebremst wurde, aufgedeckt werden mögen.

Aber worum geht es eigentlich in der Geschichte, deren Handlung komplex und – diese Gefahr besteht bei einer solchen immer – mitunter reichlich verwirrend ist, wozu die Tatsache beiträgt, dass besagte Handlung eben nicht linear verläuft, sondern gespeist wird von einigen Nebensträngen, die sich zwar nach und nach mit dem Hauptstrang verbinden, am Ende aber dennoch nicht zu einem homogenen Ganzen verschmelzen sondern, dieses Bild gewinnt man während des Lesens immer wieder, irgendwie ausgefranst im Nichts hängenbleiben?

Ein Exemplar der extrem scheuen Spezies Wolf scheint doch tatsächlich seinen Weg auch ins Ländle, in die Schwäbische Alb, gefunden und dort einem Wanderer den Garaus gemacht zu haben! Alle Spuren deuten darauf hin – und bringen sogleich die Umweltschützer auf den Plan, diejenigen also, die im Wolf, dem sagenumwobenen und seit Urzeiten gefürchteten Raubtier, das idealisierte, das zu verehrende heilige Tier sehen, das keiner Menschenseele etwas zu Leide tun kann und zu Unrecht verteufelt wurde und wird. Hier kochen die Emotionen über – und zwar nicht nur bei den erklärten Wolfsschützern, sondern auch bei denen, für die der Wolf besagter Sündenbock ist und ausgerottet gehört. Sie rücken zu Scharen an und verwüsten den Tatort, was, und das ist sehr bildhaft geschrieben, die Ermittlungen der aus Stuttgart angeforderten Kommissare Jens Hurlebaus und seiner Kollegin Bianca Walter, deren verantwortlicher Staatsanwalt ihnen von Anfang an, zunächst unerklärlicherweise, Steine in den Weg legt, zusätzlich erschwert.

Der eigenwillige und, wie im Verlauf der Geschichte immer klarer wird, sehr aufrechte und gewiss nicht katzbuckelnde Kommissar mit dem ungewöhnlichen Namen, von dem man nicht so recht weiß, auf welcher Silbe er zu betonen ist, lässt sich jedoch nicht abschrecken, obwohl er ahnt, dass von ganz oben die unmissverständliche Anweisung gekommen ist, den Fall möglichst rasch ad acta zu legen und keinesfalls weiterzubohren. Gemeinsam mit seiner Partnerin versucht er, wie das ordentliche Polizeiarbeit verlangt, den Tathergang zu rekonstruieren – und stößt bei seinen Nachforschungen im Umfeld des vermeintlich von Wölfen gerissenen Opfers, einem introvertierten Einzelgänger ohne nennenswerte Sozialkontakte, auf einige Ungereimtheiten, die auf Mord hindeuten. Mord, der durch einen Wolfsangriff kaschiert werden soll? Dient das verehrt-gehasste Tier gar als Instrument, als Mittel zum Zweck? Während der zähen, nicht leicht zu lesenden, mit vielen Dialogen, die man oft ein zweites oder drittes Mal lesen muss, um zu wissen, wer da eigentlich spricht, durchsetzten Recherchen verdichtet sich Hurlebaus zunächst vager Verdacht zur Gewissheit. Er deckt immer wieder Neues auf, marschiert dabei von einer, freilich nicht ihm selbst anzulastenden, Sackgasse in die nächste – und scheint sich doch im Kreise zu drehen, was den Lesefluss weiterhin erschwert, so wie es die undurchsichtigen Geschäfte der abstoßend gierigen und gewiss unmoralischen Reichen und Mächtigen tun, die ihre Pfründe auf ungesetzlichen Wegen zu erhalten und vermehren suchen, die er nur mit sehr unorthodoxen Mitteln, die ihm durchaus den Job kosten können, beweisen und zur Strafverfolgung bringen kann.

Aber werden die nimmersatten und manipulativen, an den Schalthebeln der Macht sitzenden Staatsdiener, die, dieser Verdacht drängt sich geradezu auf, die eigentlichen Wölfe aus dem Märchen sind, schließlich tatsächlich ihrer gerechten Strafe zugeführt? So genau weiß man's nicht, mag es aber mit Fug und Recht bezweifeln, denn irgendwie gewinnt man den Eindruck, dass „die da oben“ immer Mittel und Wege finden, sich auch aus dem größten, selbst produzierten, Dreck herauszulavieren und sträflich ungeschoren davonkommen, was ja auch der Erfahrung entspricht und dem, was man oft genug in den Zeitungen lesen kann!

Fazit: ein nicht alltäglicher, nicht nebenbei lesbarer Regionalkrimi mit brisant-aktuellen Themen, mit denen er allerdings ein wenig überfrachtet ist. Manchmal könnte weniger halt doch mehr sein! Doch die Mankos werden allemal wettgemacht durch die Protagonisten, das unerschrockene Ermittlerpaar, das so gar nicht zueinander zu passen scheint und, trotz gelegentlicher Meinungsverschiedenheiten, die den unterschiedlichen Charakteren geschuldet sind, wunderbar harmoniert und – meistens – an einem Strang zieht. Vor allem der als unbequem verschriene Kommissar Hurlebaus hat Potential, er ist so menschlich wie vielschichtig und interessant, überzeugt durch seine Anständigkeit wie auch durch seine immer wieder zutage tretenden Schwächen – und ist ganz gewiss jemand, der sich dem Leser einprägt und von dem man gerne, sehr gerne, mehr lesen möchte!

Veröffentlicht am 12.01.2020

Ein japanischer Kommissar bringt frischen Wind in die deutsche Krimiszene

Inspektor Takeda und die Toten von Altona
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Die recht eigenwillige und leicht erregbare Hamburger Kommissarin Claudia Harms ist wieder einmal sauer! Da hat man doch ausgerechnet ihr den Auftrag erteilt, sich um den Kollegen Ken Takeda aus Tokio ...

Die recht eigenwillige und leicht erregbare Hamburger Kommissarin Claudia Harms ist wieder einmal sauer! Da hat man doch ausgerechnet ihr den Auftrag erteilt, sich um den Kollegen Ken Takeda aus Tokio zu kümmern, der im Rahmen eines wenig beliebten, verächtlich belächelten Austauschprogramms für zwei Jahre nach Deutschland geschickt wird, um hier Erfahrungen zu sammeln und die hiesige Vorgehensweise bei der Verbrechensbekämpfung zu studieren, wobei er voll eingebunden sein soll in alle anfallenden Ermittlungen. Claudia aber weiß es besser! Als Kaltstellen ihrer Person betrachtet sie ihre unliebsame Aufgabe, weiß sie doch, dass sie, die einzige Hauptkommissarin der Mordkommission, nicht nur ihren ausschließlich männlichen Kollegen sondern vor allem ihrem Chef, der sie liebend gerne loswerden möchte, ein Dorn im Auge ist, ein Ärgernis, der man jede Gelegenheit verwehren sollte, ihr unanzweifelbares Können bei der Lösung auch der kompliziertesten Fälle unter Beweis zu stellen.
Doch die Vorbehalte, die Claudia dem Japaner gegenüber hat, zerstreuen sich schnell, denn dieser ist, so stellt sich rasch heraus, ein außerordentlich sympathischer und höflicher Mann, der nicht nur ein begabter Saxophonspieler und Karaoke-Sänger ist, sondern darüber hinaus auch noch mit einem besonderen Gespür für Kriminalfälle gesegnet ist – und einer enormen Neugierde auf Deutschland, das Land, das ihm sein Vater, ein Verehrer der deutschen Kultur und überhaupt alles Deutschen, in den leuchtendsten Farben geschildert hat.
Dass der erste Einsatz, zu der der Chef die mürrische und besserwisserische Claudia und den eleganten Japaner mit der Vorliebe für teure Anzüge abordnet und der als unwichtige und von Anfang an als bereits gelöst betrachtete Angelegenheit angesehen wird, sich als ziemlich verzwickt herausstellen würde, war nun wirklich nicht geplant! Dem ungleichen Ermittlerpaar wird nämlich schnell klar, dass der als Selbstmord eingestufte Tod eines Buchhändlerpaares im Hamburger Stadtteil Altona in Wirklichkeit ein geschickt getarnter und mit großer Sorgfalt ausgeführter Mord ist! Der Täter scheint bald festzustehen, doch ist er so offensichtlich, dass den inzwischen gut zusammenarbeitenden west-östlichen Ermittlern berechtigte Zweifel kommen. Gegen alle Widerstände beginnen sie, in einem Sumpf von Verrat, rücksichtsloser Bauspekulationen, grassierendem Ausländerhass und unkontrollierbarer Aggressionen zu stochern – und geraten alsbald immer tiefer in immer gefährlicher werdende Situationen, bis sie schließlich, als es für beide schon beinahe zu spät ist, die ganze trübe, traurige und zutiefst abstoßende Wahrheit erkennen....
Der Japankenner Henrik Siebold hat mit dem ersten Band um die beiden Kommissare Ken Takeda und Claudia Harms einen trotz der düsteren Szenerie erfrischend neuen, einen jedenfalls nicht alltäglichen Kriminalroman geschrieben, der sich angenehm von der den längst unüberschaubar gewordenen Krimimarkt überflutenden Massenware mitsamt ihrem auf die Nerven gehenden Lokalkolorit unterscheidet.
Dabei ist der Mordfall, um den es in vorliegendem Roman geht, zwar nicht leicht zu durchschauen, aber auch nicht sonderlich spektakulär, der Hintergrund, vor dem die beiden Hauptfiguren ermitteln, ist, wenn auch traurige Wirklichkeit, nichts, worüber man unbedingt Bescheid wissen möchte und schon gar nichts, was als Stoff für einen wirklich guten Krimi vorstellbar wäre. Und auch das ungleiche Polizistenpaar hat man ganz ähnlich schon in zahlreichen anderen Kriminalgeschichten angetroffen. Was vielmehr den Reiz der hier zu besprechenden Geschichte ausmacht, ist die Art und Weise, wie der Autor die aus anderen Romanen dieses Genres hinlänglich bekannten Ingredienzien miteinander mischt und verschmelzen lässt, wie er Schritt für Schritt eine Reihe von unannehmbaren Zuständen wie auch Machenschaften vor der Kulisse der bei so vielen Menschen angesagten und ach so attraktiven und lebenswerten Stadt Hamburg aufdeckt, durchaus auch vorsichtig anprangert, die umso erschütternder sind als sie, man kann es nicht mehr leugnen, der Realität entsprechen und, möchte man Prognosen wagen, eskalieren werden, wenn keine Lösungen gefunden werden.
Der eigentliche Glückstreffer des Kriminalromans allerdings, die Figur, mit der alles steht und fällt und ohne die die Geschichte doch wieder in die Durchschnittlichkeit zurückfallen würde, ist Kenjiro Takeda, der in den uralten Traditionen seines Heimatlandes verwurzelte Japaner, der dennoch offen allem Neuen und für ihn unendlich Fremden gegenübersteht, dessen ausgesuchte Höflichkeit so wohltuend ist und durch dessen Augen der Leser einen Blick wirft auf das eigene Heimatland – und damit auch auf sich selbst. Gleichzeitig nähert er sich dem Land, aus dem Inspektor Takeda stammt, erfährt nicht wenig über eine ganze Reihe japanischer Gepflogenheiten, über für Westliche sehr fremdartig anmutende Denk- und Verhaltensweisen, die aber trotzdem, oder gerade deshalb, eine eigenartige Faszination ausüben.
Auch Takedas Zusammenspiel mit der kantigen, oft grob unhöflichen, insgesamt wenig sympathisch erscheinenden, doch außerordentlich fähigen Kollegin Claudia Harms hat seinen Reiz. Beide finden trotz entgegengesetzter Ansichten und Lebensphilosophien eine tragfähige gemeinsame Basis, finden zu einem tiefen gegenseitigen Verständnis, das eher auf Instinkt als auf Ratio beruht und das, so meine ich, von dem Autor dem Leser sehr glaubhaft vermittelt wird, authentisch geradezu, in keiner Weise konstruiert oder an den Haaren herbeigezogen wirkend, wie man das des öfteren in ähnlichen Roman-Konstellationen bereits erleben und erleiden durfte.
Und dieses wunderbare west-östliche Paar, dessen Zusammenarbeit sich – bisher! - ausschließlich aufs Berufliche bezieht, lässt denn auch – fast – gewisse Mankos vergessen, die vor allem in der sich doch etwas zu sehr hinziehenden, sich auf zu vielen Schlachtfeldern abspielenden und damit unnötig verwirrenden und auch überfrachteten Handlung zu finden sind. Hier wäre etwas weniger gewiss mehr gewesen.... Doch sei's drum – der Krimi ist in jedem Falle empfehlenswert und macht neugierig auf ein Wiedersehen mit dem anziehenden Japaner in den inzwischen erschienenen drei Folgebänden!

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Veröffentlicht am 06.09.2024

Die Wiederauferstehung des Bösen

Harry Potter und der Feuerkelch (Harry Potter 4)
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War der direkte Vorgängerband „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“ (engl. Originaltitel „Harry Potter and the Prisoner of Azkaban“) zwar schon deutlich unheimlicher als die ersten beiden Bücher ...

War der direkte Vorgängerband „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“ (engl. Originaltitel „Harry Potter and the Prisoner of Azkaban“) zwar schon deutlich unheimlicher als die ersten beiden Bücher aus der Harry Potter Serie, so stellte er doch so etwas wie die Ruhe vor dem Sturm dar. Was die jungen Leser und überhaupt die gesamte Fangemeinde des Jungen mit der gezackten Narbe auf der Stirn in vorliegendem, im Jahre 2000 erschienenen Roman „Harry Potter und der Feuerkelch“ (engl. Originaltitel „Harry Potter and the Goblet of Fire“) zu lesen bekommen, kann einem schon den Atem stocken lassen denn es lässt das Böse in Gestalt des grässlichen Lord Voldemort alias Tom Riddle, dem Mörder von Harrys Eltern und unzähligen anderen Zauberern und Nicht-Zauberern, die in der magischen Welt der Joanne K. Rowling 'Muggle' heißen, dauerhaft präsent sein, bis der 'Dunkle Lord' schließlich in einem thrillerhaften Finale endgültig wieder aufersteht.
Ja, zweifellos ist dieses Finale der grausige Höhepunkt dieses vierten Bandes und leitet darüberhinaus die wahrhaft dunklen Zeiten ein, die über die Zaubererwelt hereinbrechen und auch die der Muggle nicht verschonen werden. Aber auch davor ist von der trotz aller Gefahren, die Harry und seine Freunde Ron und Hermine bestehen mussten, heimeligen Atmosphäre, die über dem Internat Hogwarts schwebte, nurmehr ein Hauch übriggeblieben, denn bereits bevor Harry und die anderen sich nach mehr als 160 Seiten endlich mit dem Hogwarts Express auf den Weg zur imposanten Schule für Zauberei, irgendwo verborgen im schottischen Hochland, machen, bekommen sie eine Ahnung von dem, was da im Anzug ist, hätten sich, genau wie die Leser, aber wohl nicht träumen lassen, dass die Ereignisse, die ihrer harren, ihr Leben – und das der gesamten Welt der Hexen und Zauberer – entscheidend verändern würden. Nicht nur beginnt Harrys Narbe in den Sommerferien, die er, daran führte nun einmal kein Weg vorbei, erneut bei den ignoranten, verhassten Dursleys zu verbringen hat, aufs Heftigste an zu schmerzen - die Verbindungen zu dem Superbösen, der sie ihm vor inzwischen 13 Jahren beigebracht hatte, werden immer offensichtlicher -, sondern während der mit Spannung erwarteten Quidditch-Weltmeisterschaft, zu der Harry zu seiner Riesenfreude und dem Entsetzen seiner Anverwandten von den Weasleys lange vor Ferienende abgeholt wird, geschieht etwas, das denen, die Augen, Ohren und ein funktionierendes Gehirn haben, zukünftiges Unheil verkündet.
Und dabei sollte Harrys viertes Jahr in Hogwarts doch etwas ganz Besonderes werden, etwas, von dem man noch lange erzählen würde, denn nach Jahrhunderten hat man sich entschlossen, das Trimagische Turnier wieder stattfinden zu lassen, bei dem ausgewählte Schüler aus Hogwarts und den beiden anderen Zaubererschulen Durmstrang und Beaubatons in drei so schwierigen wie gefährlichen Aufgaben gegeneinander antreten würden – auf dass der Beste in einem fairen Turnier den Trimagischen Pokal zur Ehre seiner Schule gewinnen möge! Die Vorfreude ist groß, obschon wegen des Turniers die vielgeliebten Quidditch-Wettkämpfe ausgesetzt werden würden, was vor allem Harry, der Star seiner Mannschaft, bedauert. Doch sollte er im Verlauf der Ereignisse keine Zeit haben, seinem Lieblingssport nachzutrauern, denn der Feuerkelch, in dem die Namen aller über 17 Jahre alten Bewerber für das Turnier gesammelt waren, spuckt bei der Endausscheidung nicht nur ordnungsgemäß die Namen der drei Champions aus, sondern, als man diese schon feiern wollte, zur Verblüffung und leider auch Wut aller – auch Harrys Namen! Harry, der sich nie beworben hatte, der am liebsten davongerannt wäre oder sich doch wenigstens in einem Mauseloch versteckt hätte, ist also der völlig unvorhergesehene vierte Champion. Und was das Schlimmste ist – es gibt kein Entrinnen, denn der Kelch hatte ja gesprochen!
Nun beginnt, man kennt das ja von ihm, dem Jungen, der überlebte, den alle kennen, aber deshalb noch lange nicht lieben, dem so viel Neid und Gehässigkeit entgegengebracht worden war, seitdem er den Dursleys entflohen war und in Hogwarts aufgenommen wurde, eine weitere schwere, einsame Zeit an dem Ort, der Harry doch der liebste ist, der Platz, an dem er zu Hause ist. Offene Abneigung schlägt ihm entgegen, niemand glaubt ihm, dass er völlig ohne eigenes Zutun Kandidat des Trimagischen Turniers geworden ist, man meidet ihn, verhöhnt ihn – doch den Spott der gesamten Schule hätte er irgendwie ertragen können, seinen Widersachern hätte er trotzen können mit den beiden besten Freunden, die man haben kann an seiner Seite: Ron und Hermine. Und ja, auf die treue Hermine mit dem klugen Kopf auf den Schultern ist Verlass, wie man sich auf sie immer hat verlassen können, aber ausgerechnet Ron, der Mensch, dem sich Harry am nächsten fühlt, für den er in jeder Lebenslage die Hände ins Feuer gelegt hätte, kündigt ihm die Freundschaft. Aus Enttäuschung, denn er glaubt Harry nicht, aber auch, wie Hermine gut erkannt hat, aus brennender Eifersucht! Er, der jüngste Bruder der zahlreichen Weasley-Geschwister, der sich nie durch irgendetwas ausgezeichnet hat, der immer im Schatten des berühmten Freundes gestanden hat, kann es nicht länger ertragen und seine schlimmen Gefühle brechen sich heftig Bahn. Sehr menschlich ist das, sehr verständlich – wenn es nicht ausgerechnet Ron gewesen wäre, Harrys Stütze, sein Mitstreiter, derjenige, der bisher alles mit ihm getragen hat. Im Vorfeld des Trimagischen Turniers ist Harry so unglücklich, so einsam wie nie zuvor in seinem geliebten Hogwarts. Noch dazu ist da die Angst vor der ersten Aufgabe, seine Befürchtung, dass er das Turnier niemals lebendig überstehen kann, gepaart mit der sorgenvollen Frage, welcher mächtige Zauberer und warum um Himmels Willen den Kessel überlistet und seinen Namen ins Spiel gebracht hat, im Klartext, wer ihm schaden oder vielleicht sogar tot sehen möchte....
Kein Zweifel, auch der vierte Band der Harry Potter Reihe hält, was seine Vorgänger versprochen haben! An Spannung hatte es gewiss keinem der drei ersten Bänden gefehlt, genausowenig wie an kreativen und ausgefallenen Ideen, die bei der Autorin Joanne K. Rowling offensichtlich aus einer nie erschöpfenden Quelle sprudeln. Für jede Menge Abwechslung sorgt sie zudem, immer die wahre Welt im Blick habend, angelehnt an Trends, die in derselben auftauchen, gerade en vogue sind und dann auch wieder verschwinden – in der Zaubererwelt halte ich sie nicht für nötig, vor allem nicht, wenn die Britin ihre Hermine penetrant und irgendwie fehlgeleitet für die Freiheit der Elfen kämpfen lässt, die diese gar nicht wünschen, weil sie nicht ihrem Naturell entspricht. Auf die unsäglichen B.E.L.F.E.R.-Einschübe hätte ich gut verzichten können, erinnern sie mich doch an die Woke-Bewegung, die sich der Behebung von Missständen verschrieben hat und dabei nicht selten über das Ziel hinausschießt.
Besonderes Vergnügen scheint Harrys geistiger Mutter aber auch an der Erschaffung ausgesprochen widerwärtiger Figuren zu haben, die einzig zu dem Zwecke da sind, der vielgeprüften und -geplagten Hauptfigur das ohnehin nicht leichte Leben noch schwerer, geradezu unerträglich zu machen. Niemand leidet so stark unter den Gehässigkeiten des Lehrers für Zaubertränke, dem schmierigen, sadistischen, undurchsichtigen Snape, ehemaliger 'Todesser', also Anhänger des Lord Voldemort, dessen Namen man nicht über die Lippen bringt. Niemand sonst wird so malträtiert von dem widerwärtigen Draco Malfoy und seinen tumben Kumpanen wie er, Harry. Und als wäre es noch nicht genug, den zornigen, aufbrausenden Jungen einer Sache auszusetzen, die ihn in tödliche Gefahr bringen kann und soll und wird, wie wir lesen werden – jetzt taucht auch noch eine Kreatur wie die abscheuliche Rita Kimmkorn auf, ihres Zeichens aufdringliche und verlogene Reporterin der Zaubererzeitung 'The Daily Prophet', und sorgt für großes Ungemach mit ihren Sensationsgeschichten, die von vorne bis hinten erstunken und erlogen sind – und das meiste davon zu Harrys Nachteil! Nein, Mrs. Rowling, hier haben Sie meines Erachtens über die Stränge geschlagen, was Sie, wie wir im 5. Band sehen werden, noch zu übertrumpfen versuchen. Alles Leid auf Harry zu konzentrieren ist nicht gut, ist weder der Figur noch der Geschichte bekömmlich, deren erste drei Bände ich ohne Einschränkung so genial wie witzig, spannend, anrührend und fesselnd empfunden habe. Dass Harry ein ganz spezielles Kind ist, weiß man schon lange, sonst hätte er die seelischen Misshandlungen der Familie Dursley nicht heil oder doch wenigstens, soweit ich das beurteilen kann, ohne größeren Schaden überstanden. Das tut er schließlich auch während der immer gefährlicher werdenden Prüfungen in Hogwarts, die ihn allerdings seine Liebenswürdigkeit, seine Lebensfreude verlieren lassen, peu a peu, bis wir ihn im Abschlussband als bitteren, verbitterten, freudlosen und zutiefst unglücklichen jungen Mann erleben.
Ja, auch im 'Feuerkelch' darf der Junge schöne, wenn auch viel zu kurze Stunden der Unbefangenheit erleben – aber kann letztere nach dem, was am Ende auf ihn wartet, überhaupt wiederkehren? Ist sie nicht tot für alle Zeiten? Schon beim Vorgängerband hätte ich gezögert, ihn einem Leser unter 10 Jahren in die Hand zu geben, jetzt aber hört die Harry Potter Serie auf, ein Buch für junge Leser zu sein, zu viele grausame Szenen, zu viel Düsternis beherrschen die Handlung. Vielleicht ganz gut, dass schon zehn- bis zwölfjährige deutsche Leser, der englischen Sprache nur rudimentär mächtig, voller Eifer gerade die Originale lesen, die sie nur zu einem geringen Prozentsatz verstehen können. Beruhigend! Denn das meiste wird ihnen dabei zu ihrem Glück entgehen....