Ein kurzes Leben
„...Jener Tag hatte einmal etwas besonderes in meinem Leben werden sollen, so wie im Leben jeder Frau, und doch hatte ich keine müden Füße, zertretenen Schuhe von den schwungvollen freudvollen Tänzen gehabt. ...
„...Jener Tag hatte einmal etwas besonderes in meinem Leben werden sollen, so wie im Leben jeder Frau, und doch hatte ich keine müden Füße, zertretenen Schuhe von den schwungvollen freudvollen Tänzen gehabt. Stattdessen ließ ich mich widerwillig von meinem Manne im Takt drehen...“
Prinzessin Caroline Elisabeth Ida zu Reuß ä. L. erblickt 1884 in Greiz das Licht der Welt. Die Mutter stirbt 1891 bei der Geburt der Tochter Ida. Der Vater hat nie wieder geheiratet. Zuvor hat schon ein anderer Schicksalsschlag die Familie getroffen. Heinrich, einziger Sohn und Nachfolger, ist behindert und wird das Haus Reuß nie führen können.
Nach dem Tode des Vaters regiert deshalb Heinrich XXVII. zu Reuß j. L. mit den Stammsitz in Gera und Schleiz. Die Vormundschaft für die Mädchen geht an Fürst Georg zu Schaumburg-Lippe.
Emma ist schon verlobt, für Caroline wird dringendst ein Bräutigam gesucht. Da kommt der Antrag von Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach gerade recht.
Die Autorin hat einen tiefgründigen Roman über das Leben der Großherzogin Caroline von ihrer Hochzeit bis zum Tod geschrieben.
Das Buch zeuigt von intensiven Quellenstudium der Autorin. Sie hat dem eigentlichen Geschehen die Lebensläufe der Protagonisten Caroline und Wilhelm Ernst vorangestellt, sie beiden selbst in den Mund legt. Schon hier werden die künftigen Probleme deutlich. Während das Geschlecht Reuß eher zu den kleineren gehört, hat der Weimarer Hof Beziehungen bis zum Kaiserhaus. Das zeigt sich auch bei der Erziehung der Kinder. Die war in Greiz relativ frei und kulturell orientiert. Kontakte zu den Untergebenen waren die Regel, nicht die Ausnahme. Großherzog Wilhelm Ernst dagegen wurde von den Prinzipien des preußischen Militärs geformt. Darauf gründet auch seine Jagdleidenschaft.
Der Schriftstil des Buches lässt sich gut lesen. Die Geschichte wird in Tagebuchform erzählt. Allerdings hat Caroline nie Tagebuch geführt. Hier wirkt die schriftstellerische Freiheit. Der Vorteil davon ist, dass die Erzählung sehr lebendig ist und die Gedanken der jungen Frau in die Handlung einfließen.
Caroline hätte am liebsten die Hochzeit abgesagt. Doch da selbst der Kaiser involviert war, war dies keine Option. Auch Wilhelm Ernst ist sich kurz vor der Hochzeit nicht mehr sicher, ob diese Ehe eine gute Idee ist. Zu verschieden sind die Vorstellungen der beiden. Wilhelm Ernst erwartet, dass sich Caroline dem strengen und steifen Regime des Weimarer Hofs beugt. Hinzu kommt, dass Caroline aus ihrem Elternhaus weder Missgunst, noch Intrigen der Bediensteten gewöhnt ist, damit in Weimar aber schnell konfrontiert wird. Die Etikette erlaubt ihr nicht einmal, an der Hochzeit ihrer Schwester Emma teilzunehmen, da sie unter Stand geheiratet hat. Allerdings ermöglicht Wilhelm Ernst häufig den Besuch der beiden anderen Schwestern.
Das Eingangszitat gibt Carolines Eindruck von ihrer Hochzeit mit bitteren Worten wieder.
Die Briefe, die zwischen den Geschwistern ausgetauscht werden, zeugen vom innigen Verhältnis. Sie zeigen aber auch, wie unterschiedlich die Schwestern charakterlich sind. So nimmt sich Hermine durchaus heraus, Caroline für ihr Verhalten gegenüber Wilhelm zu tadeln.
Gekonnt werden in das persönliche Geschehen die historischen Gegebenheiten eingeflochten.
Dem Buch sind viele Originalfotos beigefügt. Die Bilder veranschaulichen das Leben der Protagonisten und geben ihnen ein Gesicht.
Eine Bibliographie und ein Nachwort vervollständigen den biografischen Roman.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es zeigt, welchen Zwängen Frauen in der damaligen Zeit unterworfen waren.