Sprachlich herausragend geschriebene Dystopie
Diese ganzen belanglosen WunderDoch auch vom Handlungsverlauf her bemerkenswert. Hauptakteure sind ein Junge, eine noch nicht alte, erwachsene Frau und ein Seidenhuhn. Spielt in einer nicht allzu fernen, aber nicht konkret zeitlich ...
Doch auch vom Handlungsverlauf her bemerkenswert. Hauptakteure sind ein Junge, eine noch nicht alte, erwachsene Frau und ein Seidenhuhn. Spielt in einer nicht allzu fernen, aber nicht konkret zeitlich datierten Zukunft. Es entstehen Beziehungen und vergehen. Die Jahreszeiten kommen und gehen, sie werden extremer. Wir erleben sie meist in einer kargen Marschlandschaft an einem großen Fluss. Dort, wo das Haus steht. Die emotionale Kälte zwischen den Menschen ist größer geworden in der angrenzenden Stadt. Doch für ein Jahr erleben 5 und ein halber zufällig zueinander gefundener Menschen diese ganzen belanglosen Wunder ..
Kein Roman zum Verschlingen. Ein Buch, was Zeit benötigt und mit Bedacht gelesen werden möchte. Nicht einfach zu verstehen, aber mit mannigfaltigen Möglichkeiten, der Phantasie Flügel zu verleihen. Die Autorin mutet ihrer Leserschaft etwas zu, doch sie traut ihr auch etwas zu. Aus meiner Sicht ist vor allem der sprachliche Stile das ganz Besondere. Sätze, die fast über die ganze Seite reichen, verschachtelt und doch sich nicht verlierend.
Nach etwa dem ersten Drittel ein kleiner stilistischer Bruch. Wäre der Roman in gleicher Weise fortgeführt worden, hätte ich ihn in die Kategorie „Meisterwerk“ einsortiert. Doch die Sätze werden kürzer, die Handlungsebene klarer. Sie lösen einen Reigen ganz unterschiedlicher emotionaler Reaktionen bei mir aus. Ja, es sind vor allem melancholische und das ist auch gar nicht schlimm so.
Die Umgebung erinnerte mich sofort an die aus „Der Gesang der Flusskrebse“. Doch die Geschichte ist eindeutig dystopisch ausgerichtet und ich finde es gerade gut, dass offen gelassen wird, wo sich die Landschaft genau befindet. Nicht immer wird die gerade Zeitlinie verfolgt, aber auch das macht nichts. Der Roman geht seinen eigenen Weg, wirft die Regeln der Mainstream-Bestseller über den Haufen und begeisterte mich bis zum bitteren Ende.
Bin auf die Autorin durch einen Beitrag mit ihr in HR2-Radio aufmerksam geworden, der mich sehr neugierig auf ihr Buch hat werden lassen.
Fazit: ein breiter Strom für Entdeckungen und ein emotionaler Strudel – für mich das Highlight meines bisherigen Lesejahres