Seit ich Bücher lese, wollte ich noch nie so unbedingt eines lesen, wie in dem Moment, als ich mir das Cover und der Klappentext zu Animant Crumbs Staubchronik angesehen habe. Ja nicht einmal die Seitenzahl hat mich in diesem Moment abgeschreckt. Normalerweise bin ich gerade bei Geschichten um das 19. Jahrhundert immer besonders wählerisch, aber hier stimmte einfach von Anfang an alles.
Die 19 jährige Animant gehört zur oberen Schicht der Gesellschaft und lebt mit ihren Eltern in einem Haus auf dem Lande. Ihr fehlt es an nichts und dennoch will ihr Mutter sie endlich mit einem Mann verehelichen. Das Einzige was Ani allerdings interessiert, sind ihre Bücher, die sie über schicke Kleider und große Bälle stellt. Dadurch stößt sie nicht nur den potentiellen Zukünftigen, sondern auch ihrer Mutter vor dem Kopf.
Und so kommt es, dass sie sich gegen ihre Familie stellt und ihr Onkel ein Angebot macht, welches Animant nicht abschlagen kann. Sie geht mit ihm nach London und arbeitet dort als Assistentin in der Bibliothek. Den ganzen Tag in diesem riesigen Gebäude mit Büchern zu verbringen ist für Animant ein großer Traum. Leider hat sie die Rechnung ohne den griesgrämigen Bibliothekar gemacht.
Animant ist nicht das typische Mädchen aus der gehobenen Gesellschaft aus dem 19. Jahrhundert. Sie hat ihren eigenen Kopf und hat kein Interesse an Benimmregeln, Bällen oder eben schicken Kleidern. Sie fühlt sich in diesen Menschenmaschen schlichtweg unwohl. Lieber verbringt sie den ganzen Tag mit einem Buch in der Hand. Allein aus diesem Grund war mir Ani sofort sympatisch. Sie hat eine sehr gute Beobachtungsgabe und lässt sich nicht durch Äußerlichkeiten oder Warnungen von anderen an ihrem Vorhaben abschrecken. Sie macht sich nichts aus Geld oder Ruhm und geht lieber Arbeiten, anstatt sich auf dem Geld ihrer Eltern auszuruhen.
Allerdings gibt es an Animant viele Stellen, an denen sie arbeiten muss. Sie handelt oftmals völlig überstürzt und stößt damit vielen vor den Kopf. Des Weiteren weiß sie nicht, wie es ist richtige Freunde zu haben und wie sich die Liebe anfühlt. Ja sie glaubt sogar, keine empfinden zu können. Und dann kommt diese schlagfertige und oftmals griesgrämige Frau nach London, lernt mehr und mehr die Menschen der Stadt und vor allem die untere Bevölkerungsschicht kennen und blüht regelrecht auf. Sie macht viele Erfahrungen, durch die sie sich weiterentwickelt und bekommt nach und nach durch ihre Beobachtungsgabe einige Sympatiepunkte hinzu.
Auch die anderen Charaktere sind wunderbar ausgearbeitet. Jeder von ihnen hat seine eigene Geschichte zu erzählen und so kam es, dass auch ich mich beim Lesen ein kleines Stück in diesen mürrischen Mr Reed verliebt habe. Er hat viele Ähnlichkeiten im Charakter zu Animent, ist intelligent, direkt, scharfzüngig und treibt alle mit seiner verschrobenen, abweisenden Art in den Wahnsinn. Aber ein kleines verstecktes Lächeln reicht bereits aus und das Herz schmilzt einem beim Weiterlesen nur so dahin. Thomas Reed hat eine Ausstrahlung, die ihn besonders macht. Er ist vielleicht etwas eigensinnig, aber er ist auch sensibel und einfühlsam.
Durch ihren sehr angenehmen Schreibstil, ihrer lockeren Art, Botschaften und Humor in der Geschichte zu vermitteln, ist es Lin Rina gelungen, mich nach bereits ein paar Kapiteln vollends in ihrer Welt gefangen zu halten. Sie schreibt sehr bildgewaltig, sodass ich mir alles sehr gut vorstellen konnte. Gefühle, ob direkt oder unterschwellig erwähnt, sind eins zu eins bei mir angekommen, wodurch ich in jeder erdenklichen Situation mitfühlen und vor allem mitfiebern konnte. Beim Lesen wurde ich durchweg von einem Hochgefühl getragen, weswegen ich auch schnellstmöglich immer weiter vorankommen wollte. Die über 500 Seiten vergingen so im Flug. Ich hatte sehr viel Spaß, auch, wenn es vielleicht nicht so nervenaufreibend wie andere Bücher ist, so war diese süße, detailverliebte Story sehr unterhaltsam.
Im Endeffekt bleibt mir auch nichts weiter zu sagen, denn ich könnte noch ewig weiter die vielen kleinen Details aufzählen, die diese Geschichte zu einem meiner Highlights gemacht haben. Animant Crumbs Staubchronik bekommt von mir daher eine ganz besondere Leseempfehlung.