Cover-Bild Übertretung
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25,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Steidl Verlag
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: allgemein und literarisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 320
  • Ersterscheinung: 10.08.2023
  • ISBN: 9783969992593
Louise Kennedy

Übertretung

Claudia Glenewinkel (Übersetzer), Hans-Christian Oeser (Übersetzer)

Jeden Tag, während Cushla Lavery ihrer alkoholkranken Mutter das Frühstück macht, sich im Garten mit dem Nachbarn unterhält, ihre Grundschüler unterrichtet oder in der Bar ihrer Familie aushilft, werden die Toten und die Verletzten gezählt. Es ist 1975, und in Belfast eskaliert der Bürgerkrieg. Die katholischen Laverys betreiben ihren Pub in einer überwiegend protestantischen Vorstadt. Sie müssen vorsichtig sein – ein falsches Wort, schon findet man sich auf einer Todesliste wieder. In diesem »Höllenloch« gibt es vieles, was man besser nicht tut. Sich in einen verheirateten Mann verlieben, der nicht nur ein wohlhabender, angesehener Prozessanwalt ist, sondern auch noch Protestant. Sich einmischen, wenn ein Schüler schikaniert und sein Vater fast totgeprügelt wird. Gegen jede Vernunft beginnt Cushla eine leidenschaftliche Affäre mit dem deutlich älteren Michael Agnew, gegen jede Vernunft setzt sie sich für den kleinen Davy ein – und bezahlt einen hohen Preis.
Louise Kennedys international gefeierter Roman erzählt von einer tief gespaltenen Gesellschaft, von einem Konflikt, dessen Wunden bis heute nicht geheilt sind, von Menschen, die versuchen, inmitten täglich stattfindender Gewalt ein normales Leben zu führen. Ein herzzerreißendes, bittersüßes, unvergessliches Buch.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.09.2024

Leben im Nordirlandkonflikt: Bittersüß und unter die Haut gehend

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Meine Inhaltsangabe:
Cushla Lavery, Katholikin, Mitte zwanzig, arbeitet als Lehrerin, kümmert sich um ihre alkoholranke Mutter, bei der sie noch wohnt und hilft immer wieder auch im Familienpub aus, um ...

Meine Inhaltsangabe:
Cushla Lavery, Katholikin, Mitte zwanzig, arbeitet als Lehrerin, kümmert sich um ihre alkoholranke Mutter, bei der sie noch wohnt und hilft immer wieder auch im Familienpub aus, um ihren Bruder zu entlasten. Eines Tages lernt sie den viel älteren Michael Agnew kennen. Der ist ein bekannter Prozessanwalt und Protestant und zudem verheiratet. Die beiden müssen ihre Liebschaft geheim halten, da derartige Verbindungen einen schnell auf die Todesliste bringen. Jeden Tag gibt es weitere Todes- und Gewaltbotschaften, jeder muss aufpassen, was er sagt oder macht, was Cushla schnell erfahren muss, als sie sich für ihren Schüler Davy einsetzt, dessen Vater fast totgeprügelt wurde und dessen Familie einen sehr schweren Stand in dem Vorort hat. Gegen alle Vernunft geht sie diesen Weg weiter.

Mein Eindruck:
Keine leichte Kost, das kann ich euch sagen. Eigentlich ist es eine Geschichte über eine junge Frau, die einfach nur ihr Leben leben möchte ohne vor lauter Angst vor Verrat, Folter, Mord immer mit eingezogenem Kopf durch eben jenes Leben zu gehen. Frei sein in seinen Taten, Handlungen und Gedanken ist ihr Wunsch, der sich jedoch nicht erfüllen lässt.

»Hier geht es nicht darum, was man tut«, sagte er. »Es geht darum, was man ist«. (Seite 7o)

Also macht sie das Beste draus oder das, was sie für das Beste hält. Die Beziehung zwischen ihr und Michael ist einerseits zuckersüß, andererseits vergiftet und zum Scheitern verurteilt. Er ruft, sie springt. Liebe macht blind und manchmal auch dumm oder doch zumindest leichtsinnig. Zu Herzen geht der Strang, in dem es um den kleinen Davey und dessen Familie geht. Ach was, eigentlich geht das ganze Buch zu Herzen. Kennedys Schreibstil lässt mich diese düstere, drückende Stimmung, die zwischen Angst, Hoffnung und Verzweiflung schwankt, förmlich spüren und es fällt schwer, sich davon freizumachen und einfach wieder zum Tagesgeschehen überzugehen. Manche der Figuren lösen in mir eine sofortige Verachtung, ja, fast schon Hass aus, andere möchte ich gern in den Arm nehmen und beschützen und wieder andere hinterlassen mich einfach nur zweigespalten. Dabei schreibt sie total ruhig, fast schon zurückgenommen leise und poetisch. Vielleicht ist es genau das, weswegen die Geschichte irgendwie die Seele berührt. Ein Buch, das nachwirkt und wohl erst nach einigen Tagen sacken lassen seine volle Wirkung entfaltet. Bewegende 5/5 Sterne.

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Veröffentlicht am 29.01.2024

Besser kann man die irische Geschichte und Spaltung nicht erzählen.

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Cushla bereitet ihrer Mutter ein Tablett mit Toast und Tee. Während sie zwei Eier in die Pfanne schlägt, sieht sie den Verwaltungsangestellten, der in Wirklichkeit Gefängniswärter ist, von Gegenüber. Er ...

Cushla bereitet ihrer Mutter ein Tablett mit Toast und Tee. Während sie zwei Eier in die Pfanne schlägt, sieht sie den Verwaltungsangestellten, der in Wirklichkeit Gefängniswärter ist, von Gegenüber. Er tritt aus der Haustüre, lässt sich auf den Boden fallen, schaut unter sein Auto, findet keine Bombe. Neben seiner Haustüre hat sich jemand mit der Spraydose verewigt: Taigs raus!

Am Abend will Cushla ihrem Bruder im Pub helfen, aber als sie aus der Schule nach Hause kommt, liegt ihre Mutter bewusstlos vor der Toilettenschüssel. Es dauert, bis Cushla Gina wieder zu sich geholt, sie geduscht und zu Bett gebracht hat. Eamonn ist stinksauer.

Ihr Arbeitskollege Gerry, der die Parallelklasse unterrichtet, lädt Cushla ins Kino ein. Auf dem Weg werden sie von einer Streife angehalten. Während man Gerry den Gewehrkolben ins Kreuz stößt, stellt ein anderer Cushla aufdringliche Fragen: “Ach so, du willst deinen Freund hier scharf machen und ihn dann nicht ranlassen?”

Im Pub lernt die 24 jährige Cushla, den deutlich älteren Michael kennen, der ihr Avancen macht. Sie verliebt sich in ihn und trifft ihn heimlich, ohne zu ahnen, worauf sie sich einlässt.

Fazit: Zu der Zeit, als die IRA anfing Nordirland zu terrorisieren, war ich gerade sechs Jahre alt. Der Bürgerkrieg zwischen Katholiken und Protestanten ging bis Ende der Neunziger Jahre. Während ich mit dem Erwachsenwerden, dem kalten Krieg und unserer RAF beschäftigt war, ist die Tragik in Irland fast unbemerkt an mir vorbeigezogen. Auch deshalb bin ich sehr froh, dass der Steidl Verlag mich mit dem Cover und dem Klappentext so angesprochen hat, dass ich das Buch lesen wollte. Die Geschichte ist spannend und schnörkellos erzählt. Fast alle Protagonisten und Nebendarsteller haben Kummer und daher, ein mehr oder weniger großes Alkoholproblem. Willkür und Gewalt beherrschen jeden. Alle sind auf der Hut, um ja nicht zur Zielscheibe zu werden. Cushla muss sich von ihrem Bruder bevormunden lassen, weil sie ihr Leben integer lebt und ihre eigenen Entscheidungen trifft. Das wiederum führt zu Anfeindungen gegen Eamonn, Drohungen und Umsatzeinbußen. Jedes Verhalten will gut überlegt sein, jeder Schritt hat eine mögliche Konsequenz. Als Leserin ist mir zwischenzeitlich, wegen der Ungerechtigkeiten, die Galle hochgekommen. Louise Kennedy hat mich bewegt, hat mich mitfühlen lassen. Mich in eine Zeit versetzt, die ein Volk zunächst gespalten und dann traumatisiert hat. Eine klare Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 18.10.2023

Belfast im Jahr 1975

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Cushla lebt mit ihrer Mutter zusammen. Tagsüber arbeitet sie als Lehrerin einer Grundschule und abends hilft sie ihrem Bruder in seiner Bar. Das ist nicht immer angenehm. Oft sind es alkoholisierte Soldaten, ...

Cushla lebt mit ihrer Mutter zusammen. Tagsüber arbeitet sie als Lehrerin einer Grundschule und abends hilft sie ihrem Bruder in seiner Bar. Das ist nicht immer angenehm. Oft sind es alkoholisierte Soldaten, die sie mit dummen Sprüchen aus der Reserve locken wollen. Im Jahr 1975 weitet sich der Krieg in Irland aus. Der zwischen Katholiken und Protestanten. Cushla mischt sich immer wieder ein, wenn sie Ungerechtigkeit sieht. Das ist gefährlich. Nicht nur für sie.

Der Konflikt in Irland war für mich weit weg. Es gab kein Internet und Facebook war noch längst nicht erfunden. „Übertretung“ las ich daher auch voller Entsetzen und Ungläubigkeit. Die Autorin gibt Einblick in unterschiedliche Situationen. Wie die Kinder damals unter dem Leben in einem „Ghetto“ litten oder wie sie weinten, wenn ihre Väter schwer verletzt von der Arbeit nach Hause kamen. Das geschah, wenn sie zuvor ein falsches Wort fallen ließen, dabei gehört und denunziert wurden, um im Anschluss von der Gegenseite zusammengeschlagen zu werden.

Die Autorin wuchs in Belfast auf. Weiß also aus erster Hand, was damals vor sich ging. Dieses Erstlingswerk von ihr passt sehr gut in das Heute bei uns. Wie kommt es, dass ein Land gespalten ist und wie können wir Menschen damit umgehen? Wie kann die Spirale der Gewalt und des Hasses, wenn auch nicht ganz abgeschaltet, zumindest aber abgeschwächt werden? Viele Fragen der Situation in Deutschland finden auch in diesem Roman Raum. Dass es sich so flüssig lesen lässt, liegt an der hervorragenden Übersetzung von Claudia Glenewinkel und Hans-Christian Oeser.

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Veröffentlicht am 04.10.2023

Nordirland – über den Bürgerkrieg, Liebe & Verlust

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„Übertretung“ ist ein erschütternder Roman und das Debüt der irischen Autorin Louise Kennedy.

Die Ereignisse finden 1975 während des Bürgerkrieges in Belfast statt. Cushla ist Katholikin, Grundschullehrerin ...

„Übertretung“ ist ein erschütternder Roman und das Debüt der irischen Autorin Louise Kennedy.

Die Ereignisse finden 1975 während des Bürgerkrieges in Belfast statt. Cushla ist Katholikin, Grundschullehrerin und arbeitet nebenbei im Pub ihres Bruders Eamonn. Gleichzeitig versorgt sie ihre alkoholkranke Mutter und sorgt sich um Davy – einem ihrer Schüler. Im Pub lernt sie Michael kennen, einen protestantischen, verheirateten Rechtsanwalt. Die beiden beginnen eine Affäre.

Direkt mit den ersten Sätzen bin ich in die 1970er Jahre ein- und nach Irland abgetaucht. Die politischen und gesellschaftlichen Schwierigkeiten werden direkt greifbar.
Die Hoffnungslosigkeit, die Arbeitslosigkeit werden spürbar und der Alkoholdunst liegt regelrecht in der Luft.
Cushla ist im Gegensatz zu ihrer Mutter Gina eine liebenswerte Protagonistin, die in einer aussichtslosen Situation aufgewachsen ist und die durch ihr Verhältnis zu Michael noch schwieriger wird.
Die Probleme der irischen Bevölkerung sind erschreckend und gehen unter die Haut. Anhand des Lebens von Cushla werden die stetige Bedrohung durch die politischen Konflikte und die damit einhergehende Aggression und Resignation in der Bevölkerung deutlich.
Der historische Kontext wurde hier gut in der Geschichte verwoben und das Buch bietet ein berührendes und verstörendes Abbild einer schwierigen Zeit während des Bürgerkriegs in Nordirland.

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Veröffentlicht am 01.10.2023

Hervorragend

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1975 in Belfast. Cushla Lavery ist Lehrerin an einer katholischen Schule, lebt aber auf der Grenzlinie zwischen den verfeindeten Religionen. Ihre Mutter trinkt und versinkt in Selbstmitleid, ihr Bruder ...

1975 in Belfast. Cushla Lavery ist Lehrerin an einer katholischen Schule, lebt aber auf der Grenzlinie zwischen den verfeindeten Religionen. Ihre Mutter trinkt und versinkt in Selbstmitleid, ihr Bruder betreibt einen Pub, in dem auch englische Soldaten verkehren. Cushla hilft, wo sie nur kann, sorgt für ihre Mutter, kellnert im Pub und sorgt sich auch noch um die Sicherheit ihrer Schüler. Als sie im Pub dem protestantischen Anwalt Michael begegnet und sich in den verheirateten Mann verliebt, nehmen schreckliche Ereignisse ihren Lauf.

Das Buch ist sehr vielschichtig. Nicht nur die Liebesgeschichte zwischen Cushla und Michael spielt eine wichtige Rolle, sondern auch der Schrecken des Bürgerkriegs, die ständige Angst vor Anschlägen, die Schikanen durch die englischen Soldaten, die prekäre Situation der Familien mit der hohen Arbeitslosigkeit, die Aussichtslosigkeit und Hoffnungslosigkeit der Jugendlichen. Dadurch ist das Buch sehr realistisch und sehr politisch. Manchmal musste ich das Buch aus der Hand legen und konnte nicht weiterlesen, weil mir die geschilderten Ereignisse so unter die Haut gingen.

Es ist hilfreich, wenn man sich zumindest in groben Zügen mit der Geschichte Irlands und den "Troubles" von 1973 bis 1998 auskennt. Ich hatte vorher schon den Film "Belfast" gesehen, was mir persönlich beim Verständnis des Buches sehr geholfen hat.

Louise Kennedy schreibt zwar nüchtern, aber gerade dadurch wird das Buch sehr eindringlich und wirkt lange nach. Ich bin eigentlich bei solchen hochgelobten Büchern sehr misstrauisch, aber dieses Buch hat jedes Lob verdient. Unbedingt lesenswert! Für mich war es eines der besten Bücher des Jahres 2023.

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