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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.02.2022

Gut gelungene Alternativweltgeschichte

Der Medicus
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Es ist nicht unser 11. Jahrhundert, das hier auf fesselnde Weise lebendig wird, sondern ein Phantasiemittelalter, in dem insbesondere bei Namen, Städten, Reichen und in Teilbereichen der Mentalitätsgeschichte ...

Es ist nicht unser 11. Jahrhundert, das hier auf fesselnde Weise lebendig wird, sondern ein Phantasiemittelalter, in dem insbesondere bei Namen, Städten, Reichen und in Teilbereichen der Mentalitätsgeschichte Unterschiede auftauchen. Aus medizingeschichtlicher Sicht ist das Buch gut recherchiert, die handvoll künstlerischer Freiheiten werden den meisten Lesern vermutlich nicht auffallen. Meines Erachtens hätten einige der handlungsintensiveren Szenen umfangreicher ausfallen können, aber alles in allem findet Noah Gorden eine gute Balance zwischen statischeren Schilderungen und dynamischen Momenten der Handlung.

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Veröffentlicht am 22.11.2024

Wenn Wut Flügel verleiht

When Women were Dragons – Unterdrückt. Entfesselt. Wiedergeboren: Eine feurige, feministische Fabel für Fans von Die Unbändigen
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Amerika 1955: Landesweit verwandeln sich über eine halbe Million Frauen in Drachen. Die Protagonistin Alex erlebt dies als Kind mit und durch ihre Augen verfolgen wir, wie die Gesellschaft versucht, mit ...

Amerika 1955: Landesweit verwandeln sich über eine halbe Million Frauen in Drachen. Die Protagonistin Alex erlebt dies als Kind mit und durch ihre Augen verfolgen wir, wie die Gesellschaft versucht, mit diesem Phänomen umzugehen, indem sie es schlichtweg ignoriert. Angst, Ignoranz und Unterdrückung – und mittendrin ein Mädchen, dem viel zu früh zu viel Verantwortung aufgehalst wird.
Der Schreibstil ist mitreißend und ermöglicht ein schnelles, problemloses eintauchen in die Handlung und ein alternatives 20. Jahrhundert, in dem die Grenze zwischen Magie und Realität verschwimmt. Im Vordergrund steht die Situation der Frauen im Amerika der 1950er und 1960er. Vorbei ist der Krieg, in dem Frauen Männerrollen übernahmen. In der neuen Gegenwart sollen sie Mütter und Hausfrauen sein. Weibliche Wut durchzieht den gesamten Roman, doch der Feminismus bleibt sehr bürgerlich, oberflächlich. Kelly Barnhill beschreibt Alex‘ Gefühl der Einsamkeit, der Ausgegrenztheit von anderen Mädchen sehr anschaulich und berührend, ebenso wie sie negative, unterdrückende Verhaltensweise von ihrer Mutter übernimmt und selbst anwendet. Es ist interessant zu beobachten, wie sie mal den gesellschaftlichen Konventionen folgt und sich dann wieder gegen sie wendet. Alex ist durchaus eine sympathische Figur, doch ich persönlich hätte mir von ihr mehr Eigeninitiative gewünscht. Entweder, dass sie etwas mit ihrer Wut tut oder den Kreislauf ihres Verhaltens selbst durchbricht. Aber ihr Wendepunkt besteht nur darin, dass sie die Hilfe akzeptiert, die ihr wieder und wieder angeboten wurde. Und ja, viele ihrer Probleme wären geringer oder gelöst, wenn sie dies früher getan hätte. Der Zusammenhalt von Frauen ist die große Antwort des Romans und neben Wut befreit die Kernbotschaft, die überdeutlich vermittelt wird.
Viele spannende Aspekte wie die Knotenmagie oder wie genau die neuen, freien Leben der Drachinnen aussehen bleiben vage. Stattdessen bleiben die Drachinnen nach ihrer Wandlung relativ zahm, erst gegen Ende der Handlung wird Potenzial für gesellschaftliche Veränderung angedeutet. Einen seltsamen Beigeschmack hat bei mir der Umstand hinterlassen, dass die amerikanischen Drachinnen sich, ganz wie ihre menschlichen Landsleute, in die Politik anderer Nationen einmischen.
Das Ende kam für mich etwas zu schnell, war aber durchaus stimmig.
Alles in allem eine nette Fantasygeschichte mit leicht feministischem Anstrich, perfekt zum Unterhalten, aber ohne scharfe Zähne.

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Veröffentlicht am 11.09.2024

Solide Fortsetzung

Winterwölfe
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Auch im zweiten Band von Dan Jones Trilogie über Söldner während des Hundertjährigen Krieges befinden sich die Essex Dogs in finanzieller Notlage. Nach den Ereignissen des ersten Bandes, den man unbedingt ...

Auch im zweiten Band von Dan Jones Trilogie über Söldner während des Hundertjährigen Krieges befinden sich die Essex Dogs in finanzieller Notlage. Nach den Ereignissen des ersten Bandes, den man unbedingt gelesen haben muss, um an diesem Buch Freude zu haben, ist die Gruppe um Loveday deutlich kleiner geworden. Die erhoffte Heimkehr wird ihnen verwehrt, stattdessen macht das englische Heer sich auf, die Handelsstadt Calais zu erobern. Die Belagerung der reichen Hafenstadt steht im Mittelpunkt des Romans und der Alltag der Belagerer und Belagerten wird anschaulich beschrieben. Dadurch wird ein abwechslungsreicher Kontrast zum vorherigen Teil geschaffen, in dem es vor allem offene Schlachten gab. Zu den aus dem ersten Band bekannten Perspektiven wird nun gelegentlich auch aus der Sicht des Captains, dem der Leser so erstmals begegnet, berichtet. Leider werden öfters Ereignisse und Entwicklungen übersprungen bzw. nur zusammenfassend geschrieben, die ich gerne „miterlebt“ hätte. Die namenlose Frau erhält zwar einen Namen, doch fand ich ihren Plot irgendwie überflüssig, da er die Geschichte der Essex Dogs nur minimal beeinflusst. Im Gegensatz dazu werden die Essex Dogs und einige neue fiktive Personen auf hervorragende Weise mit kleineren historischen Begebenheiten in Verbindung gebracht, die von Dan Jones eigens im Nachwort erwähnt werden. Manche Figuren präsentieren ein neues Deutungsmuster für Ursachen und Ziele des Krieges. Im Laufe der Handlung sind gleichermaßen Fragen beantwortet wie neu aufgeworfen worden, Angelegenheiten mit alten Feinden wurden geregelt und neue Feinde geschaffen. Das klingt reichlich vage, doch ich möchte an dieser Stelle nicht zu viel verraten. Insgesamt hat der Roman zwar, wie für den Mittelband von Trilogien typisch, spannungsmäßige Tiefphasen, liefert aber auch viel Action und bereitet gut auf einen Abschluss vor.
Alles in allem, klare Empfehlung an alle, die den ersten Band gelesen haben, den ich wiederum allen Lesern von historischen Romanen empfehle, die sich nicht an einem raueren, blutigeren Geschehen stören.

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Veröffentlicht am 24.08.2024

Kurzweilig

Achtsam morden
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Auf humorvolle und kreative Weise setzt ein Anwalt Achtsamkeitsübungen und -ratschläge ein, um sein Leben zu verbessern. Nicht das, was ich normalerweise lese, ich war ehrlich überrascht, wie amüsant es ...

Auf humorvolle und kreative Weise setzt ein Anwalt Achtsamkeitsübungen und -ratschläge ein, um sein Leben zu verbessern. Nicht das, was ich normalerweise lese, ich war ehrlich überrascht, wie amüsant es war. Klar, Klischees kommen vor, doch der schräg-zynische Erzählstil war sehr erfrischend.

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Veröffentlicht am 30.04.2024

Historische Fantasy mit märchenhaften Zügen

Der Vertraute
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Spanien, Ende des 16. Jahrhunderts.
Als Resultat ihrer jüdischen Herkunft und ihres magischen Talentes ist Luzia es gewohnt zum Überleben möglichst unauffällig zu sein und keine Aufmerksamkeit auf sich ...

Spanien, Ende des 16. Jahrhunderts.
Als Resultat ihrer jüdischen Herkunft und ihres magischen Talentes ist Luzia es gewohnt zum Überleben möglichst unauffällig zu sein und keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Natürlich wird ihre Magie entdeckt und prompt steht sie im Mittelpunkt finanzieller und machtpolitischer Interessen diverser Parteien. In Konkurrenz mit anderen Wundertätigen darf kein Zweifel am gottgewollten, positiven Charakter ihrer Magie aufkommen, denn die Spanische Inquisition hat schon viel namenhaftere Personen wegen Ketzerei verurteilt und verbrannt…
Zunächst einmal, ich fand es sehr schön, dass es sich um ein Stand Alone handelt, davon scheint es in letzter Zeit immer weniger zu geben. Auch das Setting hebt sich von der Menge ab, indem es im Gegensatz zur Mehrheit der historischen Fantasyromane nicht vage im Mittelalter, Regency oder der späten viktorianischen Zeit spielt. Allerdings stehen historische Aspekte hier nicht im Vordergrund, neben ein paar künstlerischen Freiheiten mit historischen Details fließen lediglich Elemente der religiösen Verfolgung/Diskriminierung maßgeblich in die Handlung ein. Alles andere es nur vage als Teil der durchaus gelungenen Atmosphäre zu fassen, die bisweilen einen fast märchenhaften Charakter annimmt. Dazu trägt auch das Magiesystem bei, dessen genaue Grenzen und Möglichkeiten nicht erklärt werden. Trotz wechselnder Perspektiven verfügt man als Leser nur über Luzias rudimentäres Magie-Verständnis, was leider gerade gegen Ende der Handlung die Spannung dämpft. Generell ist der Roman im Vergleich mit Six of Crows langsamer im Spannungsaufbau und weniger actionreich, besonders im letzten Drittel jedoch stark. Manche der Perspektiven erschienen mir persönlich unnötig bzw. verhinderten mögliche Spannung (Santángel).
Luzia als Charakter verhält sich jünger als die 20-Jährige, die sie sein soll, besonders wenn sie in unpassenden Momenten trotz angeblich jahrelanger Selbstbeherrschung und Untertauchen die Fassung verliert. Die Romanze hat für mich nicht sonderlich funktioniert. Ja, viele der Momente waren romantisch, doch irgendwie hat es mich nicht überzeugt. Vielleicht liegt es an ein paar der derogativen Bemerkungen, die für mich jede Romanze sofort gekillt haben bzw. hätten, oder am Ende, in dem SPOILER quasi ein Meister für einen anderen ausgetauscht wurde und das Leben des Einen immer noch komplett in fremder Hand liegt.
Zum Schreibstil kann ich nur sagen, dass die Autorin ihr Handwerk beherrscht und seit ihren ersten Büchern weiterhin verbessert hat. Die Dialoge sind ein Highlight und sehr amüsant zu lesen. Kleine Details, Verbindungen und Anmerkungen, wie bspw. die Frau mit dem Fisch gegen Ende der Handlung, haben die Erzählung wunderbar angereichert. Wie gut die jüdische Perspektive umgesetzt wurde, kann ich nicht beurteilen, doch mir hat gefallen, dass die Thematik zwischen heimlicher Ausübung des Glaubens und Aufgabe zugunsten eigener Sicherheit von den Figuren differenziert umgesetzt wurde.
Alles in allem ein Fantasyroman, der durch eine schöne Atmosphäre und ein interessantes Magiesystem punktet.

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