Italien hat schon so manchen verzaubert – Eine Familiengeschichte
Marie Matisek hat ein Thema aufgegriffen, das nicht nur mich, sondern viele Leser sehr interessiert: woher komme ich, wer sind meine Vorfahren, welche Geheimnisse nahmen sie mit ins Grab?
Selina, aufgewachsen ...
Marie Matisek hat ein Thema aufgegriffen, das nicht nur mich, sondern viele Leser sehr interessiert: woher komme ich, wer sind meine Vorfahren, welche Geheimnisse nahmen sie mit ins Grab?
Selina, aufgewachsen in Wuppertal, Enkeltochter der lebenslustigen rheinländischen Marianne und des italienischen Eisdielenbesitzers Sergio, steht nach dem Tod ihres Großvaters plötzlich vor vielen Rätseln. Warum kam Sergio tatsächlich 1956 nach Deutschland und verließ sein geliebtes Dorf am Fuß des Vesuvs und seine Eltern? Nie wurden die Gründe in der Familie thematisiert, selbst Selinas Vater Marcello kennt sie nicht.
Selina beschließt, ihre „Auszeit“ zu nutzen und endlich ins Land ihrer Vorfahren zu reisen, um die Geheimnisse zu lüften. Wie ihr das gelingt und welche Schwierigkeiten zu überwinden sind, liest sich trotz der dahinter verborgenen Tragik leicht und angenehm. Einen Teil der Zeit in Italien verbringt sie sogar mit ihrem Bruder, der plötzlich als Überraschungsgast auftaucht. Mehr möchte ich zum Handlungsverlauf nicht verraten, ich empfand ihn als spannend und aufschlussreich.
Die ersten Kapitel fand ich nicht besonders aufregend und spielte schon mit dem Gedanken, das Lesen abzubrechen. Aber plötzlich, mit Beginn der Reise, gefiel mir das Buch dann doch von Seite zu Seite besser. Viel Platz wird der Liebesgeschichte von Sergio und Rosa vor seiner Auswanderung nach Deutschland gegeben. Aber das Kapitel 18 über Rosa und ihre Entscheidungen hat für mich den Spannungsverlauf unterbrochen, all das wäre besser am Ende der Spurensuche aufgehoben gewesen. Aber hier haben natürlich Autorin und Lektorat die Entscheidung getroffen. Als Leser muss man trotzdem den Spuren weiter folgen, die Selina und Bruder Fabio verfolgen, die beiden kennen ja das Kapitel 18 nicht.
Etwas irritiert hat mich der Ausdruck „Fremdarbeiter“, der für die Gastarbeiter der 1950er Jahre verwendet wird. Für mich ist diese Bezeichnung verbunden mit dem Nationalsozialismus und den aus vielen besetzten Ländern nach Deutschland zur Arbeit gebrachten Menschen, egal, ob aus Polen, der Ukraine oder Italien. Sie wurden alle mehr oder weniger gezwungen, für Hitlerdeutschland zu arbeiten. Die vielen insbesondere italienischen und türkischen Männer, die ab Mitte der 1950er Jahre zum Arbeiten nach Deutschland kamen, taten dies vor allem wegen der Not und Arbeitslosigkeit in ihren Heimatländern, in Deutschland waren sie in erster Linie willkommene, billige Hilfsarbeiter.
Sehr erfreut habe ich mich an den lebhaften Beschreibungen Italiens, kürzlich war ich in Neapel und auch auf halber Höhe des Vesuvs, an der Amalfiküste und in Neapels Umgebung. Die Autorin beschreibt alles sehr genau und liebevoll. Einfach traumhaft, dieses Italien! Dass Sergios Wohnort tatsächlich ein Fantasieort ist, lässt sie den Leser nicht merken.
Fazit: Ich bewundere die Autorin für ihren Einfallsreichtum und die Umsetzung in einen wirklich lesenswerten Roman. Danke für die gute Unterhaltung. Gute vier Sterne!