Sh!t Bag ist ein Buch, bei dem schon wenige Menschen, denen ich begeistert von meinem currently read erzählt habe, schon beim Nennen des Titels verwirrt die Nase gerümpft haben. Ein großer Teil jedoch war spätestens, nachdem ich ihnen vom Inhalt berichtete, an dem Punkt, an dem man mit verzogenem Gesicht fragt: Warum liest du denn sowas?
Und die Antwort ist einfach: Genau wegen solcher Reaktionen. Darmerkrankungen sind immer noch ein Tabu-Thema, dabei betreffen sie so viele da draußen. Wenn jemand erkältet ist, ist schnell gefragt: Und, wie geht es dir? Als Antwort kommt häufig eine Liste der Symptome, Husten, Halsschmerzen, verstopfte Nase. Aber ich wette, wenn jemand mit einer Darmerkrankung anfängt, die Details der Verdauung aufzuzählen, hört für viele Zuhörende die Hilfsbereitschaft auf.
Freyas Geschichte ist schonungslos. Beim Erzählen wird nicht das kleinste Blatt vor den Mund genommen, man wird mit Details konfrontiert, aber man kann es (leider im Gegensatz zu Freya mit ihrem Stoma) problemlos verdauen, wenn man offen ist und der Story Verständnis entgegenbringt. Wenn sich man mit einer Portion Neugier und einer Portion Toleranz, die alle da draußen meiner Meinung nach an den Tag legen sollten, auf Freya, ihre freche, direkte Schnauze und all die Emotionen dahinter einlässt, dann wird man hier auf verhältnismäßig wenig Seiten eine echt dicke Lektion in Sachen Akzeptanz bekommen. Und das meine ich auf die positivste Weise.
Die Ich-Perspektive von Freya bindet einen sofort an die Protagonistin und ihr Schicksal. Durch Rückblicke erfährt man, wie es zu ihrer Darmerkrankung gekommen ist und man geht mit ihr Hand in Hand den Weg vom Schock über das Nicht-wahrhaben-wollen und den anschließenden Trotz bis hin zum Kampf um das Vorher. Jedes Wort sprüht vor Authentizität, ich habe Freya für ihre rotzige Art geliebt, aber auch für jeden Moment, in dem sie tiefere Gefühle zugelassen hat.
Im Camp, in dem sie lernen soll, mit ihrem Stoma-Beutel umzugehen, stapeln sich die faszinierenden Nebenfiguren nur so. Chris, der auch im Klappentext schon erwähnt wird, hat ein paar besonders wertvolle Lektionen für Freya parat, auch wenn sie sich zunächst mit Händen und Füßen gegen all das wehrt. Das Camp, die Hilfe, die Mitmenschen, alles. Und umso mehr Spaß hat Freyas Entwicklung gemacht, von der Kratzbürste zum Teamplayer.
Alle Menschen kacken. Das ist nun mal so und lässt sich auch nicht leugnen, egal wie sehr man es versucht. Also lasst uns doch bitte mehr Verständnis für diejenigen haben, die mit einer Darmerkrankung leben, lasst uns die Information und das Gespräch darüber normalisieren, anstatt es zu einem No-Go-Thema zu machen, über das sich niemand traut zu reden.
Mein Fazit:
Nie habe ich Liebe und Scheiße schöner in einer Geschichte vereint gelesen. Nie authentischer, offener, toleranter und schonungsloser. Eigentlich generell noch nie, und ich bin so froh, dass Xena Knox das geändert hat. Seid offen und gebt Freya und ihren Worten eine Chance, ihr werdet es nicht bereuen. Ich habe das Buch geliebt und zolle dem Arctis Verlag meinen höchsten Respekt dafür, dass sie diesen Tabu-Breaker zu ihrem Projekt gemacht haben. DANKE!