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Veröffentlicht am 14.09.2024

Das Unausgesprochene

Kleine Monster
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Als Pia und Jakob von der Klassenlehrerin in die Schule gebeten werden, können sie sich nicht vorstellen, was da passiert sein soll. Es habe einen Vorfall mit einem Mädchen gegeben, viel genauer drückt ...

Als Pia und Jakob von der Klassenlehrerin in die Schule gebeten werden, können sie sich nicht vorstellen, was da passiert sein soll. Es habe einen Vorfall mit einem Mädchen gegeben, viel genauer drückt sich die Lehrerin nicht aus. Die Eltern können sich nicht vorstellen, dass ihr siebenjähriger Sohn Luca überhaupt zu irgendetwas fähig wäre, was dieses Treffen notwendig machen würde. Die Eltern können die Situation nicht richtig einschätzen. Das Beste wird es sein, sie fragen Luca, wie er die Sache sieht. Doch der Junge schweigt oder gibt nur einsilbige Antworten. Dann bemerkt Pia, dass sie aus der Elternchatgruppe herausgeflogen sind.

Das Gedankenkarussell beginnt sich zu drehen. Was ist vorgefallen? Wieso sagt Luca nichts? Besonders Pis kann sich nicht gegen ihre Befürchtungen wehren. Was, wenn doch was war? Jakob vertraut seinem Sohn mehr und er versucht möglichst normal mit ihm umzugehen. Eher wundert er sich über das Misstrauen von Pia. Diese allerdings hat eines Tages beschlossen, nicht so viel über die Ereignisse aus ihrer Kindheit zu sprechen. Luca soll ein Einzelkind bleiben. Pia hat zwei Schwestern. Eine ist schon als kleines Kind gestorben, mit der anderen hat Pia keinen Kontakt mehr. Aus ihren Herzen sind die Beiden aber nicht verschwunden.

In diesem Roman wird vieles nicht ausgesprochen. Das beginnt mit Luca, der nicht preisgibt, was mit dem Mädchen vorgefallen ist beziehungsweise ob überhaupt etwas vorgefallen ist. Weiter geht es mit Pia, die über ihre Schwestern nicht groß redet, aber häufig an sie denkt. Gerade das Unausgesprochene führt zu immer bedrohlicheren Vorstellungen, die Pia fast dazu führen, ihr Heim in Gefahr zu bringen. Das zu lesen ist eine echte Tour de Force, ein Pfad, den man nicht verlassen kann, bis man ihn zu Ende gegangen ist. Immer mehr vermischen sich die äußeren Ereignisse mit den Erinnerungen. Man ist gefesselt und erschüttert. Nicht unbedingt nur von der eigentlichen Geschichte, sondern insbesondere von der subtilen Schilderung der Autorin, die es versteht, einen Schauer nach dem anderen zu erzeugen.

Die Bangigkeit und die Vermischung von Vergangenheit und Gegenwart wird durch das Cover hervorragend ausgedrückt. Das erschließt sich allerdings erst, wenn man die Erzählung kennt.

Der Roman ist für den österreichischen Buchpreis 2024 nominiert und das spricht dann auch für sich.

Veröffentlicht am 13.09.2024

Ankommen

Vaterländer
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Auf dem Bahnhof in Köln wartet Béla auf seine Frau und seine Kinder. Zwei Jahre ist es her, das der Geiger von einer Konzertreise nicht nach Rumänien zurückgekehrt ist. Das war 1985. Seine Frau fühlt sich ...

Auf dem Bahnhof in Köln wartet Béla auf seine Frau und seine Kinder. Zwei Jahre ist es her, das der Geiger von einer Konzertreise nicht nach Rumänien zurückgekehrt ist. Das war 1985. Seine Frau fühlt sich zunächst nicht wohl in dem fremden Land, sie musste Eltern und Freunde zurücklassen. Sie ist Musikerin wie ihr Mann. Auch die beiden Kinder, die ältere Alina und Sabin erhalten eine musikalische Bildung. Bèla hat in Deutschland eine Anstellung in einem Orchester, in dem er seine Frau auch gerne unterbringen möchte. Ihr wird jedoch von den Kollegen mit Ressentiments begegnet. Ein ethnischer Konflikt, der aus der Heimat herübergeschwappt ist.

Nicht nur von seinen eigenen Beobachtungen und Empfindungen erzählt der Autor Sabin Tambrea. Auch sein Großvater und sein Vater kommen zu Wort. Jede Erzählung für sich beleuchtet eine andere Ara. Der Großvater ist geprägt von seinen Erlebnissen kurz nach dem zweiten Weltkrieg als sich das Regime bildete auf Kosten des Volkes. Zu Bélas Zeit in den 1970ern war es nicht besser. Das Regime wirkte in die Familien hinein, presste ihnen beinahe eine unmögliche Arbeitsleistung ab, rationierte lebensnotwendige Leistungen. Die Staatspolizei hatte überall Zugriff. Das Alles zum Wohle des Regenten oder Diktators Ceauceșcu.

In einem Interview erzählte der eigentlich als Schauspieler bekannte Sabin Tambrea von seinem ersten schriftstellerischen Werk. Das klang so interessant, dass die Gelegenheit, das vom Autor selbst gelesene Hörbuch zu genießen, sofort ergriffen wurde. Mit feiner sanfter Stimme erzählt er von Ereignissen, die insbesondere dem Großvater widerfahren sind, welche alles andere als sanft zu nennen sind. Da geht es um Repressalien, gar Folter und keine Möglichkeit zur Flucht. Doch die Zeiten wandeln sich und Béla der Sohn findet den Mut, nach einer Konzertreise einfach in Deutschland zu bleiben. Doch auch die im Rahmen der Familienzusammenführung nachkommenden Frau und die zwei gemeinsamen Kinder, müssen feststellen, dass in Deutschland auch nicht alles einfach ist, auch wenn die Möglichkeiten größer sind und diese besonders den Kindern offensten. Es schaudert einen, wenn man hört, wie da Staaten mit den Mitgliedern ihre Volkes umgehen. Denkt man an die eigenen Vorfahren und dem Glück, dass diese eher zufällig (es waren schon welche da) in Westdeutschland gelandet sind. Man fragt sich nach der Lektüre, wie jemand auf die Idee kommen kann, ein totalitäres System sei zu bevorzugen. Da ist selbst die schlechte Politik derzeit noch besser als das, was zu erwarten wäre. Und doch geht es auch um eine tolle Familie, die durch ihren Zusammenhalt besticht und ihre wunderbare Musikalität. Ein lesens- und hörenswertes Buch.


Veröffentlicht am 06.09.2024

Eine Bewältigung

Knife
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Der Schriftsteller Salman Rushdie fällt während einer Lesung im Amphitheater in Chautauqua im August 2022 beinahe einem Messerattentat zum Opfer. Mit vielfachen Stichwunden kommt er schwerstverletzt ins ...

Der Schriftsteller Salman Rushdie fällt während einer Lesung im Amphitheater in Chautauqua im August 2022 beinahe einem Messerattentat zum Opfer. Mit vielfachen Stichwunden kommt er schwerstverletzt ins Krankenhaus. Seine Frau Eliza reist an sein Krankenlager. Ihr wurde gesagt, Es wäre nicht sicher, dass Salman es schafft. Doch nach der Notoperation ist Salman Rushdie noch da. Es folgt eine lange Zeit der Rekonvaleszenz, in der es bergauf geht, allerdings nicht immer stetig. Zum Glück hat er die Unterstützung seiner Familie. Nach und nach beginnt er, sich mit dem Attentat auseinanderzusetzen. Als es ihm möglich ist, fängt er an, die Erlebnisse und Gedanken in diesem Buch niederzuschreiben.

Leider kommt man heutzutage schneller an Messerattentate heran als in früheren Zeiten. Das muss leidvoll auch der Autor Salman Rushdie erfahren. Sei vielen Jahren lebt er wegen seines Romans „Die satanischen Verse“ unter einer Todesdrohung. Wegen eben dieser langen Zeit, in der nichts geschah, ist der Gedanke an einen Angriff nicht völlig aus dem Kopf, aber natürlich war mit einem Mordversuch auf offener Bühne nicht zu rechnen. Und dann passiert das Unsägliche. Mit viel Glück, eisernem Willen und hervorragender medizinischer Versorgung überlebt der Schriftsteller den Anschlag. Mit diesem Buch verarbeitet er die schockierenden Erlebnisse.

Natürlich kann man sich an die schrecklichen Bilder und Meldungen aus dem August 2022 und wie froh man war, dass der Autor sich nicht unterkriegen ließ. Mit diesem Buch legt er seine sehr persönlichen Gedanken und Gefühle zu dem Attentat vor. Das ist sehr beeindruckend zu lesen. Man fühlt mit, erlebt sein Unverständnis, seine Auseinandersetzung mit dem Attentäter und mit welcher Energie er sich sein Leben zurückerobert. Da möchte und muss man sich verneigen. Auch seine Einstellung zur Religion ist bemerkenswert, Sätze, die aus der Seele sprechen. Diese Gedanken nach einem Mordversuch fordern und regen zum Nachdenken an. Eine Lektüre, die gerne weiter empfohlen wird.

Veröffentlicht am 05.08.2024

Unheimlicher Fund

Der Retter
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An der englischen Küste finden Urlauber etwas, was zunächst eher wie eine Rettungsweste aussieht. Leider sind in ihr noch die sterblichen Überreste eines Menschen gefangen. Untersuchungen ergeben, dass ...

An der englischen Küste finden Urlauber etwas, was zunächst eher wie eine Rettungsweste aussieht. Leider sind in ihr noch die sterblichen Überreste eines Menschen gefangen. Untersuchungen ergeben, dass es sich möglicherweise um einen niederländischen Schiffsführer handelt, der bei einer Rettungsaktion vor über zwanzig Jahren verschwand. Da schon an dem ursprünglichen Rettungsversuch deutsche und niederländische Seenotretter beteiligt waren, ermitteln nun auch wieder Beamte aus beiden Ländern. Kommissar Liewe Cupido auf deutscher Seite bekommt seinen jungen Kollegen Xander Rimbach an die Seite gestellt. Gewohnt alleine zu arbeiten, ist Cupido nicht ganz glücklich darüber. Er überlässt Xander einen vermeintlich harmlosen Teil der Untersuchungen.

Nun zum dritten Mal soll Kommissar Liewe Cupido einen Fall lösen. Mit dem Kollegen Rimbach hat er in einem anderen Fall gut zusammengearbeitet. Der Gedanke an einen Partner stört ihn aber doch. Doch vielleicht sollten beide einfach auf die vorherigen Erfahrungen vertrauen. Einen so alten Fall neu aufzurollen, erweist sich als schwierig. Die Identifikation des Opfers ist dabei sogar eher weniger schwierig, schließlich gibt es die Rettungsweste mit dem Schiffsnamen darauf. Aber wie kann es sein, dass von fünfzehn Personen, die zu bergen waren, ausgerechnet einer, der Kapitän, es nicht schafft. In der Vergangenheit zu graben kann ganz schön vertrackt sein.

Die Reihe um Liewe Cupido hat was. Besonders wenn man die norddeutschen oder niederländischen Küsten mag. Die Beschreibungen der nautischen und seemännischen Gegebenheiten sind klasse und wohl nicht so schnell zu übertreffen. Ebenfalls ein Leckerbissen ist der alte Fall, den es zu lösen gilt. Gerade wenn es darum geht, nach so langer Zeit noch Neuigkeiten zu entdecken. Dass Cupido manchmal nicht so richtig bei der Sache ist, liegt an seinen Gedanken, an die letzte Fahrt seines Vaters, der nicht von See zurückgekommen ist. Hier liegt für Liewe ein Geheimnis, welches er noch nicht entschlüsselt hat. Doch wozu braucht er einen Partner? Rimbach, der sich bereits als sympathischer Ermittler erwiesen hat, bekommt seinen Wunsch erfüllt. Und er erweist sich als lernwilliger und gewiefter Ermittler. Mal schauen, was da noch zu erwarten ist. Ein toller Band dieser herausragenden Reihe, gerne mehr davon.

Veröffentlicht am 02.07.2024

Das Video

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Die 16jährige Lena Palmer ist verschwunden. Ein Fall, mit dem Kommissarin Yasira Saad vom Bundeskriminalamt normalerweise nichts zu tun bekäme. Doch kurz nach dem Verschwinden der jungen Frau taucht ein ...

Die 16jährige Lena Palmer ist verschwunden. Ein Fall, mit dem Kommissarin Yasira Saad vom Bundeskriminalamt normalerweise nichts zu tun bekäme. Doch kurz nach dem Verschwinden der jungen Frau taucht ein Video im Netz auf, das grausame Bilder zeigt. Leider kann der Film nicht so schnell gelöscht werden und die Reaktionen darauf sind heftig. Es spielen sich offensichtlich welche bessere Richter auf. Wegen des Bezugs zum Hintergrund der vermeintlichen Täter, wird Yasira dem Fall zugeteilt. Sie und ihr Team müssen zunächst feststellen, dass sich der Fall irgendwie ihren Ermittlungen entzieht. Und die Reaktionen der Öffentlichkeit werden immer schlimmer. Es scheint als würde sogar Yasira in Gefahr geraten.

Der Autor ist bisher eher von seinen humorvoll satirischen Büchern bekannt. Hier legt er seinen ersten Thriller vor. Kommissarin Yasira Saad muss in einem Fall ermitteln, bei dem die Täter einen Migrationshintergrund haben könnten. Wahrscheinlich meint ihr Chef, sie sei geeignet, weil ihre Eltern selbst eingewandert sind. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Michael versucht sie, näheres über Lena Palmer herauszufinden. Wo ist die junge Frau? Wer sind die Täter? Die ersten Ermittlungen ergeben nichts. Und durch die Berichterstattung ist es Yasira selbst, die in den Fokus gerät. Natürlich weiß sie, dass es in ihrem Job mal gefährlich werden kann, aber dass sie und ihre Tochter direkt bedroht werden könnten, hätte sie nie gedacht.

Wenn man noch nichts von dem Autor gelesen hat, kann man schon auf die Idee kommen, es mal mit diesem neuen Roman zu versuchen. Wenn dann auf dem Titelblatt steht, der Thriller enthalte sensible Inhalte, kann man darüber hinweglesen. Allerdings wird einem doch schnell bewusst, dass diese Warnung nicht ohne Grund gedruckt wurde. Man bekommt anstelle eines humorigen spannenden Buches einen bitterbösen Thriller, der einen Teil der Wirklichkeit wahrscheinlich besser beschreibt als einem lieb sein kann. Wieso unternehmen die Verantwortlichen nichts, fragt man sich. Muss es erst noch schlimmer werden? Jegliches Lachen bleibt einem hier im Halse stecken und dass man manches so oder so ähnlich schon mal in irgendeinem Zeitungsbericht gelesen hat, macht es auch nicht besser. Man folgt der Handlung mit Widerwillen und doch gespannt, weil man auf ein besseres Ende hofft, Das kommt aber nicht. Schließlich endet der Roman mit einer Überraschung. Teilweise meint man, es hätte lieber etwas früher aufhören sollen, teilweise denkt man, dies und das hätte man gerne noch gewusst.

Das Hörbuch wird vom Autor selbst manchmal auf recht trockene Art und manchmal so eindringlich vorgetragen, dass einem der Atem stockt. Das Buch/Hörbuch kann aufrütteln und zum Lesen empfohlen werden.