Leben wollen
Johann Meinert will kein Held (mehr) sein, er will nur noch (über)leben in den letzten Tagen des wahnsinnigen Tötens und Mordens des Zweiten Weltkrieges. Wie durch ein Wunder in den Fliegerhorst in Stade, ...
Johann Meinert will kein Held (mehr) sein, er will nur noch (über)leben in den letzten Tagen des wahnsinnigen Tötens und Mordens des Zweiten Weltkrieges. Wie durch ein Wunder in den Fliegerhorst in Stade, nahe seiner Heimat, versetzt, nutzt der junge Funker die Gelegenheit, sich mit seiner Fliegereinheit aus dem Staub zu machen. Er versteckt sich in einer Scheune seines Onkels und seiner Tante und wartet auf das Ende des Krieges. Immer in der Angst, entdeckt und verraten zu werden, die Gestalt annimmt in Person der sechzehnjährigen Frieda, einem aufgeweckten, klugen, neugierigen und unerschrockenen Mädchens vom Nachbarhof, deren Brüder nicht das Glück haben, sich in Sicherheit zu bringen und dem großen Sterben am Ende des Krieges zu entgehen.
Das zähe Warten auf Frieden, die Hoffnung, weiterleben zu dürfen, nach Hause zurückkehren zu können und der jungen Ehefrau und baldigen Mutter des gemeinsamen Kindes das Versprechen zu erfüllen, „und später für immer“ zu bleiben, und die Angst, das zum Greifen nahe Ziel nicht erreichen zu können, quälen den jungen Deserteur. Hat er doch nichts anderes zu tun, als zu warten, eingesperrt in der Scheune, die er nicht verlassen darf, zur Untätigkeit verdammt, um sich nicht zu verraten. In der täglichen Ungewissheit, ob sie kommen und ihn holen werden, um ihn am nächsten Baum mit einem Schild um den Hals als abschreckendes Beispiel aufzuknüpfen als Vaterlandsverräter. In dieser Zeit liest Johann noch einmal seine knappen Tagebuchaufzeichnungen aus den letzten Kriegsjahren und die Briefe von Emmy, seiner Frau. Episodenhaft wandern seine Gedanken in seine Kindheit mit den drei Brüdern, die auch alle im Krieg sind, zu seiner Zeit mit der Truppe und seinem Kennenlernen von Emmy. In nicht-pathetischem, aber dennoch anrührendem Ton zeichnet der Autor damit die verschiedenen Facetten des Alltags, geprägt durch die grausame Präsenz des Todes und des Sterbens. Schon als der junge Johannes abenteuerlustig in den Krieg zieht mit dem Anspruch, das Vaterland zu verteidigen und ruhmreich zu siegen, hängt die Ahnung der Möglichkeit zu sterben, die sich mit zunehmender Kriegsdauer mannigfach manifestiert und in dem flehentlich sich wiederholenden Gebet um das Überleben zum Ende hin verdichtet. Die Kostbarkeit des Lebens wird hier in und zwischen all den Szenen beschworen: „Seit fünf Jahren hat man uns gesagt, wofür wir zu sterben bereit sein müssen. Ich glaube, ich habe nun verstanden, wofür ich leben will.“
Zum Glück hatte Volker Jarcks Großvater das Glück von seinem Überleben erzählen zu können, sodass der Leser nun das Glück hat, Volker Jarcks Roman „Und später für immer“ lesen zu dürfen. Ein großartiges Buch, das dem Anspruch des Autors „nicht historisch wahr sein, sondern menschlich“ sein zu wollen, mehr als gerecht wird.