Am 21.08.2017 ist das neue Buch von Jugendliteraturpreisträger Peer Martin erschienen. Wie ihr bereits meinen Rezensionen zu Sommer unter schwarzen Flügeln und Grenzlandtage entnehmen konntet, bin ich ein großer Fan des Autoren. Was ich über sein neues Buch denke, könnt ihr heute lesen. In meiner Rezension werde ich mit vielen Zitaten arbeiten – anders kann ich nicht ausdrücken, was ich während des Lesens gefühlt habe.
Allgemeines:
Was kann einer schon tun? ist im August 2017 bei der Verlagsgruppe Oetinger erschienen. Das kleine Büchlein ist gebunden und hat ein sehr handliches Format. Auf dem Cover sind unzählige Gesichter verschiedenster Herkunft abgebildet – wahrhaftig passend zu Inhalt und Titel gewählt.
Inhalt:
„Nicht wegschauen! Lesen! Handeln! Vor dem Hintergrund der Terroranschläge in Nizza, Istanbul und Berlin führt Peer Martin vier fiktive Gespräche an vier verschiedenen Orten. Er spricht mit seinem Hund Lola, seinen drei Kindern, einem jungen somalischen Flüchtling und einer deutschen Jugendlichen. Es geht dabei um all die Fragen, die viele von uns derzeit umtreiben, und um diese: Welche Perspektiven haben Jugendliche angesichts dessen, was ihnen die Generation vor ihnen hinterlassen wird?“ (Quelle: Verlagsgruppe Oetinger, Peer Martin)
Meine Meinung:
Als Autor liegt Peer Martin mir sehr am Herzen. Er schreibt Bücher über die Wahrheit. Bücher, die uns helfen können, zu verstehen. Und 2017 werden endlich auch die Fortsetzungen von Sommer unter schwarzen Flügeln – Winter so weit und Feuerfrühling – nicht länger nur als E-Books, sondern als gedruckte Bücher erscheinen. Dem Jugendliteraturpreis sei Dank!
„Frieden ist nicht die Abwesenheit von Krieg. Frieden ist eine Errungenschaft, um die man sich bemühen und die man täglich wiederherstellen muss. Nicht zu schießen schafft noch keinen Frieden.“ (S. 23)
Was kann einer schon tun? beinhaltet vier fiktive Gespräche – mit Martins Hund Lola (,den man als Leserundenteilnehmer seiner früheren Bücher bereits sehr gut zu kennen glaubt), seinen drei Kindern, einem somalischen Flüchtling und einer deutschen Jugendlichen. Vor dem Beginn meiner Lektüre war ich gespannt auf den Inhalt dieser Gespräche. Und nach dem Lesen kann ich euch sagen: Martins Bücher sind wichtig. Wichtig für alle, wichtig dafür, sich wieder in Erinnerung zu rufen, wie groß die Welt ist. Der Grundtenor des Buches wird natürlich durch den Titel vorgegeben. Alle Gespräche drehen sich inhaltlich um die Frage, was einer von uns schon tun kann, um allen zu helfen. Die fiktiven befragten Protagonisten beschäftigen dabei verschiedene Themen. Sie stellen unterschiedliche Fragen und jedes Gespräch führt in eine andere Richtung. Dabei legt Martin wie gewohnt einen schonungslos ehrlichen Ton an den Tag.
„Manchmal frage ich mich, ob jetzt weniger Leute fliehen. Oder wo die alle sind.“ „Im Mittelmeer“, sage ich. (S. 48)
Anders als der ein oder andere Leser, der Martin als Autoren noch nicht kennt, vielleicht denken könnte, liefert er auch dieses Mal keine vorgefertigten Antworten:
„Ich dachte, Menschen wie du…“, beginnt sie und stockt kurz, „haben Antworten.“ (S. 59)
Nein, er liefert lediglich Gedankenanstöße, die jeden von uns dazu bringen sollten, über einige Dinge nachzudenken. Terror, Flucht, Toleranz, Politik, Frieden und Krieg – um nur einige von ihnen zu nennen. Martin regt nicht nur zum Nachdenken, sondern auch zum Helfen an. Denn Hilfe kann in so vielen Dingen liegen. Ob es kleine oder große Tätigkeiten sind, das kann jeder von uns selbst entscheiden. Nur wegschauen, das sollte niemand.
„Es gibt tausend Arten von Hilfe, die nichts kosten. Allein schon die Information, welches der richtige Bahnsteig ist. Es geht darum, dass du dich getraut hast, mit dem Mädchen zu sprechen. Zu springen, wie du es nennst. Ins kalte Wasser. Über deinen Schatten.“ (S. 50)
Obwohl es sich dieses Mal um rein fiktive Gespräche und nicht um einen Roman handelt, springt dem aufmerksamen Leser aus den Zeilen der Schreibstil Martins entgegen. Poetik wird man vermutlich in jedem seiner Bücher finden.
„Da ist zu viel Angst, um sie noch zu fühlen, verstehst du? Ein Meer aus Angst, und wir haben gelernt, darin zu schwimmen. Wir machen was. Wir stehen auf und gehen weg. Wir wollen etwas, wir wollen etwas lernen, einen guten Job, ein besseres Leben. Dafür brauchst du mehr Mut, als um dazubleiben, denn auf dem Weg wirst du betrogen und ausgeraubt und vielleicht auch entführt und eingesperrt und gefoltert, bis irgendwelche Angehörige dich wieder freikaufen, und du musst schwimmen, obwohl du nicht schwimmen kannst, und wandern, obwohl deine Füße nicht mehr weiterkönnen, und du verläufst dich und verdurstest fast im Dschungel von Brasilien oder Panama, und da sind wilde Tiere und Schlangen und Skorpione und Krankheiten, das ganze Meer von Angst begleitet dich immerzu, und dann kommst du hier an, und die Menschen sitzen im Café und essen Kuchen und fürchten sich. Vor dir.“ (S. 73)
Ich habe das Büchlein zwar an einem Nachmittag gelesen, es hat mir aber Stoff für so viele Nachmittage geliefert. Auch ich habe mich gefragt: Was kann einer schon tun? Nach und nach konnte ich meine Gedanken in geregelte Bahnen lenken und Antworten finden. Für mich ganz persönlich. Doch nun frage ich euch: Was kann einer schon tun?
Fazit:
Ein Buch, das jeder lesen sollte. Egal, welcher Religion er angehört, wo seine Wurzeln liegen, oder wie er aussieht. Ein Buch für alle von uns. Für Menschen und für mehr Menschsein.