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Nilchen

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.09.2024

Obsessives Verhalten

Mein Mann
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Was passiert, wenn man den Traum lebt und fatale Angst hat alles zu verlieren? Testet man seinen Gegenüber und fordert das Schicksal heraus?

Maud Ventura hat mit „Mein Mann“ aus meiner Sicht einen klassisch ...

Was passiert, wenn man den Traum lebt und fatale Angst hat alles zu verlieren? Testet man seinen Gegenüber und fordert das Schicksal heraus?

Maud Ventura hat mit „Mein Mann“ aus meiner Sicht einen klassisch französischen Roman geschrieben, in dem eine Frau im mittleren Alter im Fokus steht und die großen Liebes- und Lebensfragen aufkommen.

Unsere Protagonistin lebt ein Leben von dem alle träumen: Sie macht Karriere, wohnt großartig, bekam zwei tolle Kinder mit ihrem Traummann. Und hier beginnt das Drama. Denn sie hat Angst ihn zu verlieren, hat Angst er könnte sie weniger lieber, hat Angst betrogen und verlassen zu werden.

Um dieser Angst etwas entgegen zu setzen, beginnt sie ihn zu testen. Eine obsessive Spiel beginnt und wird immer fataler und endet in einer Eskalationsspirale. Man könnte psychologischen Horror nennen.

So wie die Protagonistin eine Obsession mit ihrem Mann hegt und sich auf dünnes Eis begibt, genau so hat sich auch das Lesen angefühlt. Einerseits waren die inneren Monologe leicht anstrengend, aber eben auch so einsaugend, dass ich als Leserin selbst zur obsessiven Leserin geworden bin.


Ohne Frage hat Maud Ventura mir gute Lesestunden bereitet!

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Veröffentlicht am 11.09.2024

“Die Angst ist meine Bestimmung”

Sobald wir angekommen sind
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Wir landen zunächst in Zürich und glauben „nur“ Schaulustige in einer zerrütteten Beziehung zu sein. Zaungast bei Ben und Marina Oppenheimer, die mit dem Nestprinzip ihren gemeinsamen Kindern die bestmögliche ...

Wir landen zunächst in Zürich und glauben „nur“ Schaulustige in einer zerrütteten Beziehung zu sein. Zaungast bei Ben und Marina Oppenheimer, die mit dem Nestprinzip ihren gemeinsamen Kindern die bestmögliche Weiterführung ihres bekannten Lebens geben wollen. Aber weit gefehlt. Dies ist nicht nur ein Roman mit einem Protagonisten in der Züricher Bio-Intellektuellen-Bubble sondern auch ein Roman eines generationsübergreifend geprägten Schweizer Juden, der nun mit Kriegsängsten sich seiner Prägung tief im Inneren stellt.
„Er war Kind, Enkel und Urenkel von erfolgreich Geflüchteten.“ wie es auf Seite 87 so treffend heißt.
Hinzu kommt seine Unfähigkeit sich was anderem zu widmen als sich selbst und sich auch sonst in so mancher Situation als Lebensunfähig herausstellt. Ein Mann über den man viel lachen kann und zugleich seufzen.
Also, diese beiden im Jahr 2022 (wenn ich mich hier nicht irre). Getrennt im Nestprinzip und er wieder verbandelt mit einer jüngeren Frau namens Julia. Beides starke Frauen, denen Ben mit schwächelndem Selbstwertgefühl nicht gewachsen ist.
Und nun passiert es, oder Ben und Marina glauben es zu wissen: Der Krieg in der Ukraine droht in einem dritten Weltkrieg zu eskalieren, da Nato-Territorium getroffen wurde. Flucht statt Angriff ist hier der jüdische Instinkt und so, trotz Trennung fliehen Marina & Ben gemeinsam mit den Kindern nach Brasilien.
Ben, von Beruf Drehbuchschreiber ohne Pacht auf die Sonnenseite des Erfolgs, würde gerne einen Film über Stefan Zweig verkaufen, der auch seinerzeit nach Brasilien ins Exil ging. Daher auch viele humorig reflektierte Stellen, wenn Ben sich mit Zweig vergleicht. Spoiler alert: Es ist weitaus weniger romantisch als Ben es sich ausmalte.
Ein Roman voller schwarzem Humor, der mich sehr begeistern konnte. Wenn es da heißt: „Sie wirkte erleichtert, und Ben schöpfte wieder Hoffnung. Noch war Polen nicht verloren. Zum Glück gab es diesen Krieg.“ auf Seite 71. Galgenhumor, der eigenen wahnsinnigen Situation entfliehend.
Dieses Buch gehört gelesen! Mir fallen auch nur wirklich wenige Menschen ein in meiner Bubble, denen ich dieses Buch nicht empfehlen könnte.

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Veröffentlicht am 05.09.2024

Rechnen mit den Fingern

Pi mal Daumen
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Was ein toller Roman von einer tollen Autorin! Alina Bronsky hat wieder mal ein richtig gutes Buch vorgelegt mit ‚Pi Mal Daumen‘. Ein toller Titel für diesen mathelastigen Roman. Und keine Sorge, wer nicht ...

Was ein toller Roman von einer tollen Autorin! Alina Bronsky hat wieder mal ein richtig gutes Buch vorgelegt mit ‚Pi Mal Daumen‘. Ein toller Titel für diesen mathelastigen Roman. Und keine Sorge, wer nicht so Fan der Rechen- und Logikkunst ist, kommt trotzdem auf jeden Fall auf seine Kosten!
Denn eigentlich geht es um zwei besondere Menschen. Moni, eine Frau, die auf die 50 zugeht und es doch noch mal wissen will und ein Mathematikstudium beginnt. Auch, wenn ihr Leben mit den drei Enkelkindern ihrer Tochter, dem nicht-helfenden Mann, schon genug ausgelastet ist. Eine Frau, die schon viel erlebt hat und sich bereitwillig jedem Schicksal andient, dass eine helfende Hand braucht.
Damit wären wir auch schon beim hochbegabten Klugscheißer Oscar, der mit 16 Jahren bereits das Mathestudium angetreten hat. Sein Autismus on top, hilft nicht Freundschaften zu schließen und dass er dann auch noch seitens der Eltern reich ist, dass ist den Meisten einfach zu viel.
Und diese beiden finden sich, erst einmal ungewollt und dann ergibt eine schöne Win-Win-Situation. Er hilft ihr bei Mathe und sie ihm beim Leben.
Toll erzählt, bissig mit viel Wärme und Humor werden hier Höhen und Tiefen zweier sehr unterschiedlicher Personen ausgeleuchtet. Vor allem der Lebensmut und der Optimismus Veränderungen in die Hand zu nehmen, das hat mir bei Moni imponiert. Alina Bronsky hat großes Talent runde Charaktere zu erschaffen, die nachhaltig Freude bereiten.
Der Roman hat mir extrem gut gefallen!

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Veröffentlicht am 28.08.2024

Neapel, Lebenswurzeln, Freundschaften und Dolce Vita - tolle Lektüre!

Luna
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Was eine herrlich gute Lektüre für den Urlaub! Ich hatte das Vergnügen, dass mich Luna in Italien im Urlaub begleitet hat und es war passend.Das liest sich sooo nett! Ein wirklich gut geschriebenes Buch. ...

Was eine herrlich gute Lektüre für den Urlaub! Ich hatte das Vergnügen, dass mich Luna in Italien im Urlaub begleitet hat und es war passend.Das liest sich sooo nett! Ein wirklich gut geschriebenes Buch. Einerseits leicht und andererseits mit vielen guten Ansätzen die eigene Vergangenheit und die Gegenwart zu vereinen.
Luna ist eine junge Frau und eigentlich Neapolitanerin, aber als junges Mädchen ad hoc mit ihrer Mutter nach Mailand gezogen. Gefühlt ist Norditalien ein anderes Land, aber sie hat ihre Wurzeln verdrängt und ihren Vater verteufelt. Nun ist ihr Vater im Krankenhaus, er hat niemanden und noch ist nicht klar wie es weitergeht. Also macht Luna sich doch auf nach Neapel mit Widerwillen.
„Jetzt ist mir klar geworden, dass man zwar versuchen kann, das, was man liebt, aufzugeben, dass es einen aber früher oder später wieder einholt.“ (S 160)
Die Geschichte ist wie der Untertitel verrät eine Rückkehr an den Ort ihrer Kindheit, ein Teil von ihr, der sich nicht verleugnen lässt. Charmant erzählt und voll mit hinreißenden Charakteren! Herrlich wie die Neapolitaner in Szene gesetzt werden.
Das Buch ist in sehr knappen Kapiteln gehalten und durchsetzt mit Rückblenden. Mich überzeugt diese Mischung aus Aufarbeitung der Vergangenheit und der Ereignisse in der Gegenwart. Macht das ganze kurzweilig und wir erkennen warum die Beziehung so ist, wie sie zwischen Luna und ihrem Vater ist.
Die französische Autorin Serena Giuliano baut unzählige tolle neapolitanische Sprichworte ein (die alle am Ende des Buches gelistet werden) und überzeugt mit spritzigen und warmherzigen Dialogen.
„Nicht der Ort ist das Problem, sondern die Leute. Arschlöcher sind international.“ (S 140)
Fazit: Wurzeln, Beziehungen und Lebensentwurf sind dynamisch und immer ein Grund sich bewusst für oder gegen etwas oder jemanden zu entscheiden.
Ach, und nach Beendigung habe ich natürlich gleich mal geschaut, ob es noch andere Romane gibt. Tut es, aber leider noch nicht ins Deutsche übersetzt. Daher hoffe ich auf einen Erfolg für Luna und die Übersetzung aus der Feder von Christiane Landgrebe, damit sie auch die anderen noch übersetzen wird!

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Veröffentlicht am 25.08.2024

Portrait eines jüdischen Clans mit russischen Wurzeln

Juli, August, September
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Ich erinnere mich noch gut an das Debüt von Olga Grjasnowa. Der Russe ist einer, der Birken liebt. Was ein toller Roman! Und seit dem bin ich der in der UdSSR (Baku, Aserbaidschan) geborenen für ihre auf ...

Ich erinnere mich noch gut an das Debüt von Olga Grjasnowa. Der Russe ist einer, der Birken liebt. Was ein toller Roman! Und seit dem bin ich der in der UdSSR (Baku, Aserbaidschan) geborenen für ihre auf Deutsch verfassten Romane sehr dankbar. Die deutsche Schriftstellerin mit russischen Wurzeln schafft es großartig sich ihrem kulturellem Erbe zu widmen und deckt auf was mache lieber im Dunkeln lassen.
Auch hier wieder eine spannende Suche. Juli, August, September. Drei Monate, drei Orte, drei Phasen der Erkenntnisse.
Wir lernen Lou kennen, eine jüdische Frau in Berlin ohne großen Hang zur eigenen Religion. Ihre eigene Tochter Rosa ist praktisch atheistisch aufgewachsen und doch ist das jüdische Sein so ein zentraler Bestandteil des eigenen Ichs. Im August landet sie auf Gran Canaria für den 80 Geburtstag ihrer Tante Maya. Alle kommen sie eingeflogen aus Israel und anderen Ecken um die Vergangenheit heraufzubeschwören und zu leiden. Es kommen auch so manche Lügen ans Licht.
Ein russischstämmiger jüdischer Clan, der im eigenen Saft schmorrt, nicht miteinander, aber auch nicht ohne einander kann. Lou mag sich nun ein eigenes Bild machen von dem eigenen Bezug zum Jüdisch sein, zur eigenen Familie, zu sich selbst und reist im September nach Tel Aviv und begibt sich auf Spuren und auf Zukunftssuche.
Bissig, auf den Punkt, gelungen ist diese Prosa. Gern hab ich diesen Roman gelesen. Auch wenn es ein wiederkehrendes Sujet ist, die Spurensuche außen wie innen, es loht sich! Ein toller Roman, ich kann ich sehr empfehlen.

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