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Veröffentlicht am 11.10.2021

Eine Hommage an das Landleben oder eher eine Warnung davor!?

Wo die wilden Väter wohnen
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Björn Kern (nach meiner Meinung mit einer Neigung dazu ein Über-/Helikoptervater zu sein), der Autor des vorliegenden Buches, zog es aus dem Moloch Berlin mit Kind und Kegel ins doch sehr ländliche Oderbruch. ...

Björn Kern (nach meiner Meinung mit einer Neigung dazu ein Über-/Helikoptervater zu sein), der Autor des vorliegenden Buches, zog es aus dem Moloch Berlin mit Kind und Kegel ins doch sehr ländliche Oderbruch.

Dort angekommen wird er und seine Familie mit dem "harten Landleben" konfrontiert.

Die Landväter, -mütter und -kinder sind eine ganz eigene Spezies, wie der Autor im Buch zu berichten weiß. Gerne wäre er doch auch so lässig wie die übrigen Landväter. Vor allem der ländliche Alltag stellt ihn immer wieder vor neuer Herausforderungen, die sonst wohl nur hätte MacGyver noch besser lösen können.

Bereits eingangs des Buches geht es dann gleich ans Eingemachte bzw. eher an die Eingeweide eines von der Tochter gefangenen Fisches. Keine leichte Aufgabe für einen unerfahrenen Städter. Mehr möchte ich von den Episoden aus dem Buch auch gar nicht verraten.

Wird sich die Stadtfamilie einleben auf dem Land im Oderbruch und neue Kontakte zu den dortigen "Ureinwohnern" schließen können oder vielleicht postwendend das Weite suchen? Werden sie mit Tante Ursel, Oma Trude, Tante Barbara, Opa Horst und Gundel (alles Nachbarn des Autors) warm werden? Wird der Über-/Helikoptervater Björn die Gelassenheit finden, die für ein Leben auf dem Land notwendig ist und so doch noch zum lässigen Landvater werden?

Pointiert manchmal vielleicht auch etwas überspitzt bringt Björn Kern das "harte Dorfleben" sehr schön und vor allem unterhaltsam auf den Punkt. In kleinen nacherzählten Alltagsepisoden lässt er uns am Landleben im Oderbruch teilhaben. An Selbstironie wird nicht gespart. Nie war ich so schnell durch ein Buch geflogen.

Schließen möchte ich meinen Bucheindruck mit einem passenden sehr herzlichen Zitat von Björns märkischen Nachbarn (einem echten lässigen Typen eben).

"Dass de meschugge bist, und mit'm Klammerbeutel gepudert, okay. Dit wusst ick. Aber so schlimm? Dit is ja schon reif für die Klapper, is dit!"

Gibt es eine schönere Liebesbekundung eines Nachbarn in Richtung eines Neuankömmlings aus der Hauptstadt?

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Veröffentlicht am 11.10.2021

Ein echter Pageturner - Ist ein militärischer Staatsstreich wie anno 1944 geplant heute noch denkbar?

Coup
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Ich sag es gleich frei raus. Für mich ist dem Autor Johann Palinkas bei seinem Debütroman „Coup“ im wahrsten Sinne des Worte ein richtiger Coup gelungen.

Wenn wir uns bereits bei unseren aktuellen Politikern ...

Ich sag es gleich frei raus. Für mich ist dem Autor Johann Palinkas bei seinem Debütroman „Coup“ im wahrsten Sinne des Worte ein richtiger Coup gelungen.

Wenn wir uns bereits bei unseren aktuellen Politikern im Wahlkampf darüber aufregten, dass diese in Büchern nicht formrichtig zitieren, ihren CV pimpen oder an unpassenden Stellen lachen wirkt dies wie Pillepalle gegenüber dem, was sich die Politiker oder die anderen machtbesessenen Handelnden im vorliegenden Roman dann leisten. Menschliche Abgründe, so tief wie der Grand Canyon und eher nichts für schwache Nerven.

Man nehme eine Handvoll machtgeile/korrupte deutsche Politiker nebst einem eher farblosen nicht ganz glücklich agierenden Kanzler, Militärverantwortliche von hohem Rang, die es mit der Verfassungstreue nicht ganz so Ernst nehmen und im geheimen eine ganz perfide Aktion planen, ein abgeschossener russischer Kampfjet über der Ostsee, eine Journalistin auf einer ganz heißen Fährte und würze alles mit einer Prise des türkischen Militärputsches von 2014 und dem geplanten Staatsstreich gegen das NS-Regime 1944.

Einmal kurz alles im Shaker gut aufschütteln und servierfertig ist die unglaublich spannende Story von „Coup“. Diesem genialen Cocktail könnte wohl selbst Geheimagent James Bond dann nicht widerstehen.

Ein mitreißender Erzählstil mit unterschiedlichen Perspektiven, tolle unterschiedlich herausgearbeitete Charaktere und nicht ganz vorhersehbare Wendungen machen den Politthriller zum echten Pageturner.

Schließen möchte ich meine Rezension mit dem folgenden Buchzitat, welches der scheidende Kanzler Neubauer bei seinem Rücktritt vorträgt:

„Frieden ist ein teures Gut, vielleicht das teuerste von allen, doch man erkennt seinen Wert oft erst, wenn man es verloren hat.“

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Veröffentlicht am 11.10.2021

MEIN LIEBLINGSBUCH 2021 - Eine rasante Fahrt mit dem Cyclo-Pousse durch Madagaskar

Die Wiederentdeckung des Glücks
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Der madagassische Junge mit der roten Fahrradklingel

"Es ist ganz anders hier, als ich dachte."


So äußert sich Terjes Tochter Nora nachdem beide in Madagaskar angekommen sind. So ganz anders als in ...

Der madagassische Junge mit der roten Fahrradklingel

"Es ist ganz anders hier, als ich dachte."


So äußert sich Terjes Tochter Nora nachdem beide in Madagaskar angekommen sind. So ganz anders als in den Hochglanzprospekten der Touristikindustrie - die uns ein perfektes Weltbild vorgaukeln.


Auch wenn ich mir eingangs des Buches Madagaskar noch ganz anders vorgestellt habe (ein Paradies auf Erden mit weißen Sandstränden und Lemuren sowie anderen endemischen schützenswerten Arten - "Die Gewürzinsel") ist es Antonia Michaelis gelungen mir die Augen zu öffnen. Ihre Geschichte rund um Terje, Nora, Biscuit und Maribelle ist einfach zauberhaft erzählt auch wenn die Realität in Madagaskar nicht so zauberhaft aussieht, wie ich ich zunächst dachte. Man spürt die Zerrissenheit des Landes und auch die weitverbreitete Armut und sehr antiquierte Rollenbilder in der Gesellschaft.


Den Satz von Nora, Terjes Tochter, kann ich genau so unterschreiben und beziehe mich dabei allerdings dann auf das Buch und dessen Inhalt. So schnell hatte mich ehrlich gesagt noch nie ein Buch in Beschlag genommen. WOW!


Die Erzählweise von Antonia Michaelis ist wirklich wundervoll, detailliert und sehr bildhaft. Eine Handlung zum tief Eintauchen und Wegträumen. Durch die Kapitel bin ich nur so durchgeflogen - vergleichbar mit Biscuit auf seinem Cyclo-Pousse.


Die Handlung rund um Terje, Nora, Biscuit und Maribelle hat mich irgendwie so geflasht, dass ich meinte direkt mit an Bord des Cyclo-Pousse zu sein. Die Entwicklung vom Knirps Bisikileta (der madagassische Junge mit der roten Fahrradklingel) gegenüber vom Bahnhof mit den Seifenkisten zum Anschieben hin zum "Stehaufmännchen" Biskuit ist sehr spannend erzählt. Welche Verbindungen zwischen den unterschiedlichen Protagonisten bestehen klärt sich nach um nach im Buch auf zauberhafte Weise auf.


Die atmosphärischen Eindrücke von Madagaskar gefallen mir gut und die Handlung hat es wirklich in sich. Sie regt zur Selbstreflexion an und ich tauchte immer tiefer in meine eigenen Gedanken und auch in die Story ein. Das Buch ist wie ich finde sehr tiefgründig, vor allem wenn man auch mal zwischen den Zeilen liest.


Mir hat das Buch sehr viel Spaß und Tiefgang bereitet und ich bin nach wie vor hin und weg. Ich könnte ehrlich gesagt noch lange Zeit weiter lesen. Das Buch wirkt in mir auf alle Fälle noch längere Zeit nach.


Bereits jetzt ist es "MEIN LIEBLINGSBUCH 2021" (ok das Jahr dauert noch ein wenig an aber es wird schwer das zu toppen) und eine absolute Leseempfehlung wert..

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Veröffentlicht am 26.09.2024

Karl der Käfer und seine nächsten Verwandten - Eintauchen in das Reich der heimischen Insekten

Von Angesicht zu Angesicht
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Gleich vielleicht eines vorweg. Nach dem Lesen des aktuellen Sachbuchs "Von Angesicht zu Angesicht - Auf Augenhöhe mit heimischen Insekten" des Autorentrios Dominik Eulberg, Thomas Hörren und Thorben Danke ...

Gleich vielleicht eines vorweg. Nach dem Lesen des aktuellen Sachbuchs "Von Angesicht zu Angesicht - Auf Augenhöhe mit heimischen Insekten" des Autorentrios Dominik Eulberg, Thomas Hörren und Thorben Danke blickt man mit ganz anderen Augen auf diese ganz besondere Tierart.

Als Otto-Normalo nehmen wir in unserem ganz normalen Alltag die Vielzahl des Insekten kaum mehr wahr.

Der bewusste Perspektivwechsel durch das Sachbuch ist richtig erfrischend. In Wort und Bild werden die verschiedenen Klassen der Insekten dann wirklich recht ausführlich vorgestellt.

Das Bildmaterial ist sehr außergewöhnlich und bietet hochinteressante Nahaufnahmen. Mittels der Focus-Stacking-Methode kann man in diese Bildkompositionen eintauchen und teilweise sogar die einzelnen Härchen zählen. Einfach gigantisch, welche Bilder unter Mikroskopen entstehen können. Bis zu 1.000 Schärfeebenen oder Einzelbilder pro Motiv sind notwendig gewesen, um diese Kunstwerke der kleinen Akteure entstehen zu lassen.

Im Alltag nehmen wir häufig nur das Brummen, Surren oder Summen der Insekten wahr. Hier begeben wir uns dann Auge in Auge mit Käfern, Schmetterlingen, Zweiflüglern, Hautflüglern, Schnabelkerfen, Libellen, Florfliegen und Ameisenjungfern. Diese extrem nahe Tuchfühlung nimmt vom ein oder anderen Insekt dann auch den Schrecken oder sonstige Vorbehalte, die wir in unserem Alltag haben.

Angereichert ist das Buch immer wieder durch höchst interessante Fakten zu den einzelnen vorgenannten Ordnungen und auch zu einzelnen Protagonisten. Aus dem Biologieunterricht ist vielleicht noch der ein oder andere Fakt präsent. Das Buch vertieft dieses Wissen dann nochmals.

Summa summarum ein tolles Sachbuch, das Insekten in einem ganz neuen Licht betrachtet und ihnen den wichtigen Stellenwert zukommen lässt, den sie in den verschiedenen Ökosystemen inne haben.

Schließen möchte ich meine Rezension mit einem Buchzitat, das den Zweck des Buches auf den Punkt bringt.

"Wir verstehen wieder mehr, wer wir sind, dass wir alle eins sind, eine Natur, mit einem gemeinsamen Ursprung.
Wir fangen wieder an zu begreifen, dass alles, was gegen die Natur geht, im Endeffekt auch gegen uns Menschen geht.
Jedes Lebewesen hat seinen Sinn und seine Berechtigung in diesem hochkomplexen Netzwerk der Biosphäre."

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Veröffentlicht am 16.09.2024

Wind of Change (*pfeif) - Als der eiserne Vorhang plötzlich löchrig wurde

Als wir nach den Sternen griffen
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Theresa Herolds aktueller Roman "Als wir nach den Sternen griffen" bedient sich der Wendezeit anno 1989 als Setting und bettet darin dann ihre äußerst emotional erzählte Geschichte ein.

Aktuell jähren ...

Theresa Herolds aktueller Roman "Als wir nach den Sternen griffen" bedient sich der Wendezeit anno 1989 als Setting und bettet darin dann ihre äußerst emotional erzählte Geschichte ein.

Aktuell jähren sich die Ereignisse rund um die Prager Botschaft und die damaligen Flüchtlinge aus der DDR zum 35. Mal. Bei mir kamen diese ganz speziellen damaligen Vibes gleich zu Beginn dieses Buches wieder auf. Wie die Zeit vergeht. Im hektischen Alltag denkt man viel zu selten an die damaligen geschichtsträchtigen Tage und verliert sich im Alltagsstress.

Dieses ganz besondere Ereignis konnte ich persönlich hautnah miterleben, da die Züge in die Freiheit ihren ersten Stopp im Westen in Hof in Bayern machten und ich dies damals live hautnah mitverfolgen konnte.

Die damaligen Ereignisse werden durch die Erzählungen von Herold wieder zum Leben erweckt. Ich durchlebte hautnah an der Seite der verschiedenen Protagonisten ein zweites Mal dieses ganz besondere Ereignis der jüngeren deutschen Zeitgeschichte.

Großer Pluspunkt der erzählten Story sind die sehr nahbaren Charakteren, die mir von Anbeginn der Erzählung schnell ans Herz wuchsen. Auch die damaligen Verhältnisse hinter dem antifaschistischem Schutzwall werden äußerst real wiedergegeben. Egal ob es die Mangelwirtschaft in der damaligen DDR war, die "besondere" Förderung von Spitzensportlern, die Bespitzelung des eigenen Volkes, der Niedergang der Wirtschaft oder sonstige Repressalien für die Menschen im Arbeiter- und Bauernstaat sind, Theresa Herold beleuchtet hier sehr viele Aspekte und lässt quasi die DDR aus den Ruinen abermals sehr real auferstehen.

Die Erzählung selbst steckt voller Emotionen und unterschiedlichsten Gefühlswelten und lebt genau von dieser besonderen Erzählweise. Einzig und allein ist für mich das ein oder andere Detail nicht unbedingt richtig stimmig umgesetzt worden (z.B. Der Fluchtversuch von Tobias Mutter inklusive deren Anbahnung) bzw. mir ging dieser Erzählfaden dann einfach zu glatt (ohne große Probleme) durch, wenn man den entsprechend allgegenwärtigen Überwachungsstaat der DDR zugrunde legt.

Alles in allem gelingt Herold hier aber dennoch ein äußerst gelungener Roman und lässt die jüngere deutsche Zeitgeschichte wieder aufleben. Auch wenn man das sehr glückliche Ende der Prager Flüchtlinge anno 1989 bereits vor Beginn der Buches zu kennen meint, fiebert man dennoch mit Tobias, Judith, Doreen und Anke hautnah mit, wie sich deren ganz persönliches Schicksal dann im Roman entwickelt.

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