Psychologisch ausgefeilter Krimi aus Antagonistensicht
Der talentierte Mr. RipleyEinigen dürfte vermutlich die Verfilmung dieses Buches bekannt sein - das war bei mir nicht der Fall, ich wurde auf die Geschichte aufmerksam, als ich in einer Rezension die Beschreibung des "charmanten ...
Einigen dürfte vermutlich die Verfilmung dieses Buches bekannt sein - das war bei mir nicht der Fall, ich wurde auf die Geschichte aufmerksam, als ich in einer Rezension die Beschreibung des "charmanten Antagonisten" gelesen habe. Für solche Geschichten, die psychologisch interessant und glaubhaft gestaltet sind und gleichzeitig das eigene Moralverständnis ins Wanken bringen, kann ich mich sehr begeistern, weshalb ich "Der talentierte Mr. Ripley" unbedingt lesen musste.
Tom Ripley lebt in nicht gerade luxuriösen Verhältnissen in New York und hat seit jeher den Drang zum Kriminellen; als der Vater eines alten Freundes Tom bittet, diesen Freund aus Europa zurück nach Amerika zu holen, wagt Tom diese Reise, da er nichts zu verlieren hat. Für den besagten Sohn Dickie, mit dem er sich in Italien nach und nach anfreundet, entwickelt er eine Art krankhafte Faszination, die schließlich dazu führen, dass Tom sich selbst als den reichen Sohn ausgibt...
Von Anfang an haben mich Tom Ripleys Gedankengänge wirklich gepackt; denn er ist nicht einfach nur ein Krimineller, ein Bösewicht, der niederträchtig handelt - nein, was ihn als Charakter so unglaublich spannend macht, ist seine Intelligenz und sein (wie es der Titel perfekt wiedergibt) Talent. Seine Gefühle wurden so präzise und nachvollziehbar beschrieben, dass ich als Leser wirklich mit ihm sympathisiert habe, obwohl er moralisch komplett verwerfliche Taten begeht. Die anderen Figuren rücken dabei merklich in den Hintergrund, wirken nur wie blasse Verkörperungen von der Suche nach sich selbst, nach Liebe und nach Frieden, und lassen Tom somit als denjenigen erscheinen, der richtig handelt, der hinter Fassaden blickt, der Menschen durchschauen kann.
Der bereits angesprochene Schreibstil hat dieses Leseerlebnis zu einem besonderen werden lassen; jedes noch so kleinste Wort schien eine Funktion zu haben, sodass am Ende nicht nur die Gegenspieler Toms, sondern auch der Leser selbst geblendet werden konnte.
Sehr empfehlenswertes Buch für jeden, der Bösewichte wie den Joker oder auch Joe Goldberg mag und sich für deren Stimmen interessiert!