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Veröffentlicht am 28.09.2024

Fesselnder Auftakt um die Kriminalkommissarin Sarah Peters

Kein Land in Sicht
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Es ist der Albtraum schlechthin. Du wachst auf und weißt nicht, wo du bist. Auch ist dir schleierhaft, wie du hierher gekommen bist. Und dir ist furchtbar schlecht…

…genau so ist es ihr ergangen. Nachdem ...

Es ist der Albtraum schlechthin. Du wachst auf und weißt nicht, wo du bist. Auch ist dir schleierhaft, wie du hierher gekommen bist. Und dir ist furchtbar schlecht…

…genau so ist es ihr ergangen. Nachdem sie gefühlt ewig auf dem Boden des winzigen Badezimmers gekauert hat und der Boden gefährlich unter ihr schwankt, hievt sie sich mühselig hoch und erblickt eine Frau im Spiegel – soll sie das sein? Das Bild in dem Ausweis, den sie irgendwann findet, hat schon Ähnlichkeit mit ihr. Stephanie Mayrhofer steht da. Nun gut, der gestrige Abend muss wohl ausgeartet sein, sie hat einen kompletten Filmriss. Aber warum fühlt sich alles so falsch an? Sie befindet sich auf einem Kreuzfahrtschiff, dabei hasst sie Kreuzfahrten. Ihre Kabine teilt sie mit Annemarie, beide gehören sie einem Animationsteam an. Sie soll sich in ein ziemlich schrilles Dirndl schmeißen, gibt ihre Kollegin ihr noch mit auf den Weg. Nun gut, Stephanie fügt sich widerwillig und hofft, dass ihre Erinnerung bald zurückkommen mag.

Zwei Erzählstränge wechseln sich in diesem raffiniert konstruierten Krimi ab, wobei der erste Stephanies Sichtweise wiedergibt, während der zweite, kursiv geschriebene Strang gleich mal sehr beklemmend beginnt. „Sarah wird kommen. Bestimmt… Sie muss kommen… Hoffentlich bald… Sie ist so verlässlich…“ Dass hier jemand festgehalten wird, ist herauszulesen. Und dass dieser Jemand nicht der einzige ist, ist ebenfalls bald klar.

Das riesige Kreuzfahrtschiff ist im westlichen Mittelmeer sieben Tage unterwegs – von La Spezia, wo „der Albtraum beginnt“ bis zum Zielhafen Marseille. Stephanie begleiten wir jeden einzelnen Tag und nicht nur sie, denn hier ist eine mächtige, hochkriminelle Organisation tätig, deren Netzwerke sich über die Kontinente erstrecken. Ihr menschenverachtendes Geschäft ist auf Gewinnmaximierung getrimmt, wobei die Ärmsten der Armen die Verlierer sind. Was mit ihnen passiert, ist so unglaublich und doch wissen wir, dass diese Verbrechen tagtäglich geschehen.

Stephanies Erinnerung kommt so nach und nach zurück, auch weiß sie wieder, warum sie, die Kriminalkommissarin, hier eingeschleust wurde. Bald jedoch wird ihr klar, dass sie niemandem trauen darf.

Die Story hat mich sofort gefangen, sie hat mich gebannt immer weiterlesen lassen. Die beiden Erzählstränge haben zunächst gefühlt nicht viel miteinander zu tun, was sich aber als Trugschluss erweist. Denn bald merkt man, dass sie sich immer mehr annähern, dass das kursiv Geschriebene die ganze Dramatik dessen offenbart, was Stephanie, deren richtige Name Sarah Peters ist, aufdecken will. Beide Handlungsebenen sind nichts für schwache Nerven, wobei der kursive Teil einen sofort an die Nieren geht. Und das nicht nur im übertragenen Sinne.

„Kein Land in Sicht“ habe ich verschlungen, der Krimi überzeugt durch seinen einnehmenden, kurzweiligen Schreibstil und auch die Charaktere sind ihren Rollen gemäß glaubhaft, sie sind jeder für sich authentisch. Dieses Buch ist der Auftakt einer Krimi-Reihe um die Kriminalkommissarin Sarah Peters, die ich unbedingt weiterverfolgen werde.

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Veröffentlicht am 26.09.2024

Spannend, dramatisch, nervenaufreibend

Wintersonnenwende (Wolf und Berg ermitteln 2)
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Wolf und Berg ermitteln zum nunmehr zweiten Mal. Während der erste Band „Sommersonnenwende“ schon allein vom Anblick her vor Hitze flirrt, so spürt man in der „Wintersonnenwende“ direkt die Eiseskälte, ...

Wolf und Berg ermitteln zum nunmehr zweiten Mal. Während der erste Band „Sommersonnenwende“ schon allein vom Anblick her vor Hitze flirrt, so spürt man in der „Wintersonnenwende“ direkt die Eiseskälte, das Cover spricht bei beiden Bänden für sich, der erste Eindruck ist schon mal sehr positiv…

…und die Geschichte wird weitererzählt, der Prolog erinnert an den Untergang der Estonia am 28. September 1994 kurz nach Mitternacht und endet mit einer Explosion. Am Samstag, den 31. Dezember 1994 dann wird es für Lucy eng, sie kann gerade noch vor ihrem Freier durchs Fenster fliehen. Er ruft sie bei ihrem richtigen Namen – der Schock sitzt tief, denn niemand kann wissen, wie sie wirklich heißt.

Tomas Wolf, den seine Vergangenheit immer wieder einzuholen droht, ermittelt zusammen mit seinem Kollegen, der von allen Zingo genannt wird, in einem Mordfall, der sich als sehr komplex herausstellt und in den auch die oben erwähnte Lucy irgendwie drinzuhängen scheint. Andere Todesfälle folgen, sie geraten in ein gefährliches Netz aus Geheimagenten und Prostitution, dies alles vor den unwirtlichen Witterungsverhältnissen Schwedens und auch hier mischt die unerschrockene Journalistin Vera Berg mit und auch bei ihr spielt Privates am Rande mit hinein.

Die vielschichtige, durch und durch rasante Story wechselt zwischen den Hauptprotagonisten Tomas Wolf und Vera Berg - beide sind sie charakterlich so unterschiedlich wie authentisch. Ihre Ermittlungen überkreuzen sich immer wieder kurz, jedoch handeln sie unabhängig voneinander. Die kurzen Kapitel enden meist dann, wenn es besonders spannend und dramatisch wird, wobei es mitunter brutal und nervenaufreibend zur Sache geht - man sollte also weder dünnhäutig noch prüde sein.

Die Ermittlungen um diese Morde sind in sich abgeschlossen, man muss also nicht unbedingt das Vorgängerbuch kennen. Natürlich wird Wolfs Geschichte und auch die von Vera weitererzählt, auch ist zum Schluss dieses zweiten Bandes ein klitzekleiner Cliffhanger erkennbar, der auf eine Fortsetzung schließen lässt. Eh klar, dass ich mir auch dieses dritte Buch nicht entgehen lassen werde.

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Veröffentlicht am 25.09.2024

Irlands Große Hungersnot

Sing, wilder Vogel, sing
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Jaqueline O’Mahony beschreibt in ihrem großartigen Roman „Sing, wilder Vogel, sing“ die Tragödie von Doolough 1849 inmitten der Großen Hungersnot (1845 bis 1852) in Irland. Es ist die junge Honora, der ...

Jaqueline O’Mahony beschreibt in ihrem großartigen Roman „Sing, wilder Vogel, sing“ die Tragödie von Doolough 1849 inmitten der Großen Hungersnot (1845 bis 1852) in Irland. Es ist die junge Honora, der wir in dieser Geschichte folgen werden.

„Du hattest schon immer Feuer im Blut, seitdem du ein kleines Mädchen warst, das niemand haben wollte. Dieses Feuer wird dir nützen. Und nun geh, Mädchen.“ Die alte Alice hat sich ihrer angenommen, nachdem Honoras Mutter bei der Geburt gestorben war, denn keiner sonst im Dorf war ihr wohlgesonnen, sie galt schon immer aus Außenseiterin. Und auch, wenn Alice sie gelehrt hat, zu überleben, so ist es doch die Große Hungersnot, die sie und die anderen im Dorf auf der Suche nach Nahrung ihre Hütten verlassen lässt.

Der Hungermarsch bringt nichts als Leid, viel zu viele überleben ihn nicht. Irgendwie schafft es Honora dann auf ein Schiff über den großen Teich, das gelobte Land bringt ihr jedoch nicht das erhoffte Leben, auch hier muss sie viel erdulden und erleiden. Und doch gibt sie nicht auf, sie ist eine Kämpfernatur, ihr wurde noch nie etwas geschenkt. Nicht in Irland, ihrem Geburtsland und auch später nicht, als sie sich in Amerika behaupten muss.

Die Autorin verwebt geschickt ihre fiktive Geschichte um ihre Protagonistin Honora mit der großen Hungersnot in Irland und der mit der indigenen Urbevölkerung Amerikas, die durch die Territorialansprüche der Einwanderer immer mehr zurückgedrängt wurden. Geprägt von Hunger, von Entbehrungen und dem stetigen Kampf ums Überleben blicken wir in so manch menschliche Abgründe. Auch blitzt Freundschaft immer mal wieder durch und Liebe oder das, was man dafür halten könnte.

In der Nachbemerkung erinnert O‘Mahony an die Tragödie von Doolough. „Was hätte eine Überlebende getan? Sie hätte Irland verlassen und wäre nach Amerika gegangen…“ Diese Gedanken waren es, die sie nach den historischen Verbindungen zwischen den Iren und den indigenen Amerikanern haben suchen lassen. Das Endergebnis – dieses Buch – ist ein äußerst lesenswertes Zeugnis dieser Zeit. Eindrucksstark, lebendig und absolut glaubhaft geschildert.

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Veröffentlicht am 20.09.2024

Einfühlsam erzählte Familiengeschichte über drei Generationen

Vaterländer
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Sabin Tambrea erzählt seine Geschichte, die Geschichte seiner rumänisch-ungarischen Familie. Er selbst hat das 10 Stunden und 28 Minuten dauernde, ungekürzte Hörbuch eingesprochen, das mich trotz des in ...

Sabin Tambrea erzählt seine Geschichte, die Geschichte seiner rumänisch-ungarischen Familie. Er selbst hat das 10 Stunden und 28 Minuten dauernde, ungekürzte Hörbuch eingesprochen, das mich trotz des in weiten Teilen beklemmenden Inhalts doch sehr angesprochen hat. Zum einen war es sein Erzählstil, der – so könnte ich mir vorstellen – auch gut lesbar ist und zum anderen ist es seine angenehme Erzählstimme, die „Vaterländer“ zu einem ganz besonderen Hörerlebnis macht. Dabei lässt er auch seinen Vater und seinen Großvater zu Wort kommen, der das Ceauceșcu-Regime hautnah erleben und erleiden musste. Hierbei hat er sich an die Memoiren seines Großvaters über die Zeit seiner Inhaftierung durch die Securitate zwischen 1949 und 1951 gehalten.

Bela Tambrea, sein Vater, kehrt nach einer Konzertreise nicht mehr zurück nach Rumänien. Er kann dann endlich, nach zwei langen, einsamen Jahren, seine Frau und die Kinder nach Deutschland holen. Sabin ist noch klein, als er staunend das schier überquellende Warenangebot hier sieht, wir befinden uns gegen Ende der 1980er Jahre, es war kurz vor dem Zusammenbruch des Ceauceșcu-Regimes. Seine Eltern sind etablierte Orchestermusiker, auch Sabins Schwester ist im Gegensatz zu ihm sehr talentiert, für ihn dagegen ist sein Spiel auf der Geige eher ein Muss.

Die Erzählung ist in drei Teile gegliedert, wobei der zweite Teil einen tiefen Einblick in die Machenschaften der Securitate, der rumänischen Geheimpolizei, gewährt. Einmal in deren Fängen, war ein Entkommen schier unmöglich. Diese so intensiv geschilderte Zeit macht nur allzu deutlich, dass keiner vor diesem Unrechtsstaat sicher war. Man musste nur jemandem zufällig begegnet sein, vielleicht auch mit ihm gesprochen haben und dabei beobachtet worden sein, so wurde man schlechtestenfalls inhaftiert und gefoltert und nicht genug damit, auch mussten die einzelnen Familienmitglieder darunter leiden. Diese schreckliche Ära veranschaulicht der Autor anhand vieler Begebenheiten. Es ist ein hochinteressantes Zeugnis einer dunklen, einer gefährlichen Zeit.

Sabin Tambrea zeichnet daneben den unbedingten Zusammenhalt der Familienmitglieder untereinander nach. Es ist ein sehr persönlicher Blick zurück hin in eine von Gewalt und Unterdrückung geprägten kommunistischen Ära hin zu Vaters Verbleib im Westen und zu den späteren Verwandtschaftsbesuchen nach Rumänien. Es ist eine eindringlich erzählte Geschichte, die mir vor allem die dunklen Zeiten des Ceauceșcu-Regimes nochmal allzu deutlich vor Augen geführt hat, die nicht vergessen werden darf.

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Veröffentlicht am 17.09.2024

Die starken Frauen hinter der Front

Die Frauen jenseits des Flusses
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Die McGroths lassen es sich nicht nehmen, zu Ehren ihres Sohnes Finley, der in den Krieg zieht, eine Abschiedsparty zu geben. Nach Vietnam wird er gehen. Seine Schwester Frankie schreibt ihm regelmäßig ...

Die McGroths lassen es sich nicht nehmen, zu Ehren ihres Sohnes Finley, der in den Krieg zieht, eine Abschiedsparty zu geben. Nach Vietnam wird er gehen. Seine Schwester Frankie schreibt ihm regelmäßig und auch von ihm erhält sie lustige Briefe und bunte Postkarten, er erzählt von Partys in Saigon, die Truppen werden anscheinend gut unterhalten.

„Frauen können doch auch Helden sein“ meint Finleys bester Freund. So hat sie das noch nie gesehen, aber warum eigentlich nicht. Als frisch gebackene, examinierte Krankenschwester ist sie nicht gefordert, außerdem will sie weg von daheim. Sie trifft auf einen Kriegsversehrten mit nur einem Bein, er ist auf eine Mine getreten – in Vietnam.

So reift ihr Plan, es ihrem Bruder gleichzutun. Anfängliche Hürden hat sie überwunden und nun ist sie angekommen, der erste Eindruck ist ernüchternd. Bald aber arbeitet sie sich ein, ihr Beruf wird ihr zur Berufung. Sie sieht viel Leid, zu viele der viel zu jungen Männer, halbe Kinder noch, werden in Leichensäcken heimgeflogen und wenn sie Glück haben – so man es als Glück bezeichnen will – kehren sie als körperliche und seelische Krüppel heim. Frankie findet zwei Freundinnen, die auch später dann, als sie alle wieder in der Heimat sind, für sie da sind. Und auch die Liebe gibt ihr Halt, wenngleich diese eher bitter denn süß ist.

Irgendwann dann ist Frankies Dienst in Vietnam zu Ende, daheim aber wartet keiner auf sie. Sie wird angespuckt und beschimpft, die „Heldin“ ist nicht willkommen. Sie sucht Hilfe, findet jedoch keine. Nicht bei ihrer Familie und bei den Vietnam Veteranen auch nicht, denn es sind ausschließlich Männer, die gekämpft haben, hört sie, Krankenschwestern zählen da nicht. Und sie spürt den unbändigen Zorn einer ganzen Nation, die das sofortige Kriegsaus fordert.

Kristin Hannah hat es wiederum geschafft, mich sofort mitzunehmen. Es ist nicht mein erstes Buch von ihr und ganz bestimmt wird dieses hier auch nicht das letzte sein. Ihre Schilderung vom Alltag inmitten eines schrecklichen Krieges, geprägt von dem unbedingten Willen, Leben zu retten, erschüttert mich bis ins Mark. Über lange Passagen lese ich gebannt weiter und verfolge schweren Herzens ihren täglichen (und oftmals auch nächtlichen) Einsatz hinter der Front. Sie arbeiten bis zur Erschöpfung, denn so lange Verwundete nicht versorgt sind, heißt es weitermachen. Und viel zu oft begleiten sie die letzten Atemzüge eines Schwerverwundeten, mehr ist nicht mehr möglich. Diese Arbeit geht an die Substanz und auch nach ihrer Rückkehr kann sie nicht abschalten. Sie erträgt die ignorante Gesellschaft nicht, sie hat Albträume, sie findet nicht aus diesem viel zu tiefen Loch, die Nachwirkungen all dessen, was sie erlebt hat, drohen sie zu zerstören.

Die Autorin beschreibt diese innere Zerrissenheit so intensiv, so hautnah und einfühlsam, der Krieg und der damit einhergehende Verlust sprechen aus jedem Absatz, aus jeder Zeile. Neben der Kriegsmüdigkeit und der Ignoranz von „denen da oben“, die nur zu deutlich spürbar ist, sind es auch bedingungslose Freundschaften und Liebe in vielen Facetten, von denen ich lese, die nicht aus bleiben, die wichtig sind und in schweren Zeiten emotional stützen. Es ist ein aufwühlendes Buch, ein trotz des Leides zutiefst menschliches Buch, das unbedingt gelesen werden sollte.

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