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Veröffentlicht am 17.09.2024

Wiedersehen mit Miss Marple

Miss Marple
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Miss Marple ist wohl eine der bekanntesten Hobbydetektivin der Literatur. In 16 Büchern ermittelt die alte Dame auf ihre unvergleichliche Art, ihre Figur und der Stil der Autorin sind noch heute Vorbild ...

Miss Marple ist wohl eine der bekanntesten Hobbydetektivin der Literatur. In 16 Büchern ermittelt die alte Dame auf ihre unvergleichliche Art, ihre Figur und der Stil der Autorin sind noch heute Vorbild für viele Krimiautor*innen. Hier nun huldigen zwölf von ihnen der Queen of Crime, Agatha Christie und interpretieren Miss Marple auf ihre ganz persönliche Art.

Der Leser begleitet die alte Dame so zum Beispiel auf einer Reise nach New York, trifft sie aber auch in ihrem Heimatort St.Mary Mead, immer dabei viele, ebenfalls aus den Originalbüchern bekannte Figuren, wie ihr Neffe Raymond, oder Colonel Bantry. Die verschiedenen Autoren greifen auf Bekanntes zurück und ziehen oft Querverweise zu anderen Fällen. Wer die Krimis um Miss Marple kennt, wird sich hier direkt wohl und wertgeschätzt fühlen. Es wird so eine Verbindung zum Original geschaffen, man hat nicht das Gefühl etwas völlig Neues zu lesen, für mich ist dies ein Zeichen von Respekt.

Natürlich liegt es in der Natur der Sache, dass einem als Leser nicht unbedingt jede Geschichte gleich gut gefällt. Ich habe mich bei allen gut unterhalten gefühlt. Bei Einigen konnte man tatsächlich vergessen, dass sie nicht von Agatha Christie selbst geschrieben wurden. Bei Anderen spürte man es eher. Fans von AC werden gewisse Nuancen erkennen, auch sind die Geschichten im Ton moderner, spielen natürlich einige Zeit später als die Originale und das wird auch thematisiert.

Ich habe mich definitiv gut unterhalten gefühlt. Aufgrund ihrer Kürze sind die Geschichten schnell zwischendurch weggelesen, allerdings fehlt dadurch, das in den Romanen mögliche, mit kriminalisieren. Ich würde das Buch definitiv Fans als Ergänzung empfehlen, aber auch solchen Krimilesern, denen die Originale vielleicht zu angestaubt und konstruiert sind. Diese kommen so der sympathischen alten Dame vielleicht etwas näher und entdecken so wie zeitlos die Krimis von AC letztlich sind.

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Veröffentlicht am 17.09.2024

Zwischen Dort und Hier

Als wir Schwäne waren
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Reza wird im Iran geboren und kommt schon früh mit seinen Eltern nach Deutschland. In einer typischen Hochhaussiedlung im Ruhrgebiet findet die kleine Familie ihr neues Zuhause, ihre neue Heimat, doch ...

Reza wird im Iran geboren und kommt schon früh mit seinen Eltern nach Deutschland. In einer typischen Hochhaussiedlung im Ruhrgebiet findet die kleine Familie ihr neues Zuhause, ihre neue Heimat, doch wie Heimat fühlt es sich nicht an.

Ich hatte bereits viel über Behzad Karim Khanis erstes Buch gehört, es aber noch nicht gelesen. Als ich dann im Rahmen einer Leserunde die Möglichkeit bekam, seinen neuen Roman zu lesen, war ich begeistert. Kahni schreibt unglaublich, seine erzählerische Kraft ist in jedem Wort, in jedem Satz zu spüren. Sein Stil ist mitreißend, sehr direkt, klar, schonungslos, auf den Punkt und zeugt von einer guten Beobachtungsgabe. Eine Beobachtungsgabe, wie sie auch seine Hauptfigur Reza zu haben schein.

Der Roman erzählt von Kindheit und Jugend im sozialen Brennpunkt. Eine heruntergekommene Siedlung am Stadrand, die meisten Deutsche, die früher hier lebten sind längst weggezogen, haben sich "weiterentwickelt" zu ihrem kleinbürgerlichen Leben mit Reihenhaus und eigenem Auto. Zurückgeblieben sind Familien wie die von Reza, eine aus verschiedenen Nationalitäten und Religionen zusammengewürfelte Gemeinschaft, in denen man meist für sich bleibt. Selbst die Kinder bilden nur Zweckgemeinschaften, um irgendwie dem Alltag zu entfliehen, der nicht selten bestimmt ist von Armut und Gewalt.

Gewalt zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Man beobachtet sie in den Familien, in der Schule, unter den Kindern und es ist erschreckend, wie schnell sie als Lösung für Alles etabliert wird. Woher diese Gewaltbereitschaft gerade bei Reza kommt bleibt leider unklar, vorgelebt wird ihm eigentlich etwas ganz anderes von seinen Eltern. Speziell vom ruhigen, eher resignierten Vater. Der Leser kann nur vermuten, warum Reza sich entwickelt wie er es eben letztlich tut, warum Gewalt und Kriminalität seine Antwort sind. Leider lässt der Autor hier vieles im Dunkeln, dadurch bleibt Reza für den Leser immer auf Distanz, man versteht sein Handeln oft nicht. Die wenigen Erklärungen, die gegeben werden scheinen oft nicht unbedingt stimmig, laufen meist darauf hinaus, dass immer die Anderen Schuld sind, dass das System einen im Stich lässt, dass die Vorurteile zu groß sind, dass einem keine andere Wahl gelassen wird. Da sind die Berufsabschlüsse der Eltern aus dem Iran, die in Deutschland nicht anerkannt werden und dem Vater nur eine Arbeit als Taxifahrer lassen, oder die deutsche Nachbarin, die aus dem Fenster auf die Kinder einbrüllt, damit die direkt lernen, dass hier in Deutschland Zucht und Ordnung herrschen. Das beginnt mit unterschiedlichen Ansichten zum Thema Respekt und endet mit Unverständnis zu den verschiedensten Eßgewohnheiten.

Der Autor hat es auf unvergleichliche Weise geschafft, einen Lebensweg zu zeigen, wie er stellvertretend für viele Geflüchtete steht. Während der Lektüre bin ich zwischen den verschiedensten Emotionen hin und her geschwankt. Ich war traurig, erschrocken, geschockt, war man am Anfang des Buches noch voller Verständnis und Mitgefühl für den kleinen entwurzelten Jungen, wurde man später nur noch wütend. Eine Wut, die mir unangenehm ist, die sich aber leider in jener Wut widerspiegelt, die derzeit in großen Teilen der Bevölkerung zu spüren ist. Zu diesem Punkt wurde dann auch innerhalb der Leserunde sehr intensiv diskutiert und es wurde einmal mehr klar, dass es einen unglaublichen Redebedarf auf beiden Seiten gibt. Khani hat eine Geschichte niedergeschrieben, die die Leser unglaublich polarisiert.

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Veröffentlicht am 01.09.2024

Vater, Ehemann, Killer

Der Profi
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Kabuto ist ein eher unscheinbarer, ruhiger Vertreter für Schreibwaren und stets bemüht seiner Ehefrau so wenig wie möglich zur Last zu fallen. Doch Kabuto hat noch eine andere Seite, eine Seite von der ...

Kabuto ist ein eher unscheinbarer, ruhiger Vertreter für Schreibwaren und stets bemüht seiner Ehefrau so wenig wie möglich zur Last zu fallen. Doch Kabuto hat noch eine andere Seite, eine Seite von der seine Familie nichts ahnt, er ist Auftragskiller und zwar ein ziemlich guter.

Der Profi ist das vierte auf deutsch erschienene Buch des erfolgreichen japanischen Autors, das dritte, das ich bisher von ihm gelesen habe. Ich bin durch Bullet Train auf den Autor aufmerksam geworden und war direkt von seinem Stil fasziniert. Wie alle Figuren in Kotaro Isakas Büchern ist auch die von Kabuto ziemlich besonders, oder besser speziell. Auf der einen Seite der stille, fast duckmäuserische Ehemann und Vater, der nach einem Mitternachtssnack sucht, der möglichst keine Geräusche beim essen verursacht, damit die schlafende Ehefrau nicht geweckt wird. Auf der anderen Seite der analytisch und brutal vorgehende Killer, der im Auftrag des "Arztes" besonders schwierige "Operationen" durchführt. Dadurch das er selbst Familie hat macht er sich immer öfter Gedanken über seine Opfer, die ja auch irgendjemandes Kind, Ehepartner, Elternteil sind und letztlich will er aussteigen und seinen Job aufgeben.

Das Buch erzählt Kabutos Geschichte vor und nach seinem Tod. Während im ersten Teil Kabuto selbst zu Wort kommt, der Leser quasi seinem eigenen inneren Monolog lauscht und Szenen seiner Ehe und seiner Arbeit mitverfolgt, tritt im zweiten Teil mehr sein Sohn, mittlerweile selbst Vater eines kleinen Sohnes, in den Fokus.

Gerade im ersten Teil hatte ich Schwierigkeiten ins Buch zu finden, die Geschichte konnte mich nicht richtig packen, weil ihr der Witz und die Leichtigkeit fehlt, den ich aus den anderen Büchern kenne. Kabuto ist so ein ganz anderer Held als beispielsweise Lemon und Tangerine, aber wie er dann sein Gewissen entdeckt und mehr und mehr mit seiner "Arbeit" hadert, wird er dem Leser sympatisch. Tatsächlich habe ich meine Meinung über ihn im Verlauf des Buches geändert.

Für mich kann das Buch nicht ganz mit seinen Vorgängern mithalten, natürlich findet man stellenweise gut dosierten Humor, aber im Großen und Ganzen ist das Buch eher nachdenklich und melancholisch, durchzogen mit einigen blutigen Szenen. Mir persönlich haben die eingestreuten Hinweise auf Figuren und Ereignisse der anderen Bücher sehr gefallen, die Welt der Profikiller ist eben klein. Hier wurde eindeutig an die treue Leserschaft des Autors gedacht, es ist aber trotzdem nicht zwingend nötig die anderen Bücher zu kennen.

Mit der Bewertung habe ich etwas gehadert, anfangs schienen mir vier Sterne zu viel, drei allerdings wieder zu wenig, so würde ich letztlich wohl gute 3,5 vergeben, wenn das möglich wäre.

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Veröffentlicht am 30.07.2024

Viele Verdächtige

Das Sterben in Wychwood
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Ex Polizist Luke Fitzwilliam möchte auf dem Bahnsteig nur kurz nach den Rennergebnissen in der Zeitung schauen und schon ist sein Zug weg. Muss er halt den Nächsten nehmen und in dem trifft er auf eine ...

Ex Polizist Luke Fitzwilliam möchte auf dem Bahnsteig nur kurz nach den Rennergebnissen in der Zeitung schauen und schon ist sein Zug weg. Muss er halt den Nächsten nehmen und in dem trifft er auf eine recht redselige alte Dame, die ihn sehr an seine unzähligen Tanten erinnert. Sie erzählt ihm eine etwas hahnebüchene Geschichte über mehrere Morde in ihrem beschaulichen Städtchen und das sie nun auf dem weg zu Scotland Yard ist. Kurz darauf liest Luke von ihrem Unfalltod in der Zeitung, ebenso von dem einer der Personen, von denen sie während der Zugfahrt erzählt hat.

Der Krimi bietet wieder ein typisches AC Setting, direkt zu Beginn werden wichtige Personen dem Leser vorgestellt und schon gibt es den ersten Todesfall innerhalb einer Dorfgemeinschaft. Die Hauptfigur wird eher zufällig in das Geschehen hineingezogen und beginnt die Ermittlungen. Hier kommt mal keine von ACˋs bewährten Ermittlerfiguren zum Zug, nur Inspector Battle hat ganz am Ende einen kleinen Gastauftritt.

Verdächtige gibt es in dieser Geschichte wie Sand am Meer, was das Mitkriminalisieren für den Leser nicht leichter macht. Da sich die Zeugin Miss Pinkerton vor ihrem Tod recht vage und geheimnisvoll ausgedrückt hat, kann man über Motiv und Täter lange nur spekulieren. Die Autorin schafft es wieder auf ihre ganz spezielle Weise falsche Spuren zu legen und irgendwie jede der Figuren an einem gewissen Punkt der Geschichte verdächtig erscheinen zu lassen, ohne das man konkrete Anhaltspunkte nennen könnte.

Absolut typisch kommt die Auflösung klassisch, als Geständnis des Täters, zum Schluss und man muss einmal mehr den Hut ziehen angesichts dieser Auflösung, die ebenso überraschend, wie schlüssig ist. Immer wieder frage ich mich an diesem Punkt, ob AC direkt zu Beginn des Buches schon genau dieses Ende im Sinn hat und einfach Alles passend "hinbiegt", oder, ob sich die Geschichte im Verlauf verändert und der Täter/die Täterin für die Autorin genauso überraschend kommt wie für den Leser.

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Veröffentlicht am 09.07.2024

Schneeballsystem

Ein gefährliches Talent
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Nachdem Rebeccas Mutter die Diagnose beginnende Demenz bekommen hat, kehrt Rebecca nach Jahren in den USA nach Hause zurück. Die Rückkehr ist eine Flucht, den Rebecca steht vor den Scherben ihrer Ehe und ...

Nachdem Rebeccas Mutter die Diagnose beginnende Demenz bekommen hat, kehrt Rebecca nach Jahren in den USA nach Hause zurück. Die Rückkehr ist eine Flucht, den Rebecca steht vor den Scherben ihrer Ehe und auch beruflich hängt die Psychologin gerade in der Luft. Wieder in ihr altes Kinderzimmer zu ziehen, zurück in das gehasste Umfeld ihrer Kindheit, zurück zu ihren Eltern, deren Ansprüche sie nie erfüllen konnte ist vielleicht nicht die beste Idee, aber mit Blick auf ihre Finanzen hat Rebecca keine andere Wahl. Als Rebeccas Jugendliebe ermordet wird, beginnt sie auf eigene Faust Fragen zu stellen und wird dadurch Teil einer ganz neuen Gemeinschaft.

Autorin Camilla Sten liefert hier einen eher unaufgeregten Schweden-Thriller, der stark auf die emoptionale Schiene geht. Der Leser folgt Hauptfigur Rebecca durch ihre aktuelle Stimmungslage und begleitet sie bei ihren eigenmächtigen Ermittlungen. In Rückblenden lernt man Mordopfer Louise kennen und bekommt so Einblicke in die Vorgänge, die zu ihrem Tod geführt haben. Rebeccas Handeln ist dabei nicht immer unbedingt logisch, ihre Figur versucht das Leben der ehemaligen Freundin quasi im Alleingang aufzurollen, wobei sie manchmal recht unsensibel vorgeht. Sie glaubt durch ihre frühere Arbeit als Vernehmungsspezialistin prädestiniert dafür zu sein den Fall zu lösen, macht sich aber mit ihrer Art manchmal etwas unbeliebt beim Leser und bringt sich letztlich selbst in Gefahr.

Die Geschichte um Louise geht sehr auf die psychologische Ebene. Der Leser betritt eine Scheinwelt, in der mit einer unkomplizierten Geschäftsidee das große Geld versprochen wird. Im konkreten Fall das Modell des Direktmarketings von Kosmetik. Frauen werden mit Erfolg und tollen Verdienstmöglichkeiten in eine fast sektenartig anmutende Gemeinschaft gelockt und erkennen oft viel zu spät, dass mit diesem Schneeballprinzip nur Wenige wirklich das große Geld verdienen.

Neben dem gutgängigen Mordmotiv Geld baut die Autorin hier auch noch verschmähte Liebe, Rache und Eifersucht ein. Der Leser hat recht schnell einen Verdächtigen, obwohl durch den Aufbau der Story auch noch eine andere Möglichkeit denkbar scheint. Die Auflösung ist letztlich aber dann doch eine kleine Überraschung.

Wer eher auf hintergründige Spannung steht, bei der es um den Blick hinter die Fassade, um das Aufdecken eines Geheimnisses geht und weniger um Rasanz und Blutvergießen, wird hier sicher gut unterhalten. Die Thematik rund um die erfolgversprechende Social Media Welt, um Leichtgläubigkeit, Manipulation und den Drang Teil einer Gemeinschaft zu sein tut ihr Übriges.

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