Märchen neu gedacht
Mirror: Weiß wie Schnee"Mirror: Weiß wie Schnee" von Lucia Herbst bietet eine tolle Neuinterpretation des klassischen Märchens von Schneewittchen. Mit einer erfrischenden Mischung aus Fantasy und Realität bringt die Autorin ...
"Mirror: Weiß wie Schnee" von Lucia Herbst bietet eine tolle Neuinterpretation des klassischen Märchens von Schneewittchen. Mit einer erfrischenden Mischung aus Fantasy und Realität bringt die Autorin zwei Welten zusammen: die moderne, urbane Welt einer Münchner Ärztin und die düstere, märchenhafte Parallelwelt der bösen Stiefmutter.
Lena findet sich plötzlich in der Rolle von Schneewittchens böser Stiefmutter Luna wieder. Dieser überraschende Rollentausch zwischen der modernen Welt und der Märchenwelt ist spannend und gibt beiden Figuren Tiefe. Besonders gefallen hat mir die Art und Weise, wie die Autorin die Charaktere liebevoll und detailliert gestaltet. Lena und Luna sind komplexe Frauenfiguren mit inneren Konflikten, die weit über das traditionelle Gut-Böse-Schema hinausgehen. Auch die Nebenfiguren sind lebendig und bereichern die Geschichte.
Allerdings hatte ich an einigen Stellen das Gefühl, dass die Spannung etwas abflaute. Die Handlung verlor manchmal an Tempo und es gab Momente, in denen die Logik der Ereignisse nicht ganz überzeugte.
Dennoch überzeugt das Buch mit seiner kreativen Grundidee und den emotionalen Momenten, in denen die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen. Lenas moralische Zwickmühle und ihre Versuchung, selbst zur Bösewichtin zu werden, verleihen der Geschichte eine interessante psychologische Tiefe. Auch das Motiv, den Verlauf einer festgeschriebenen Geschichte zu verändern, hat mir gut gefallen, da es Fragen über Schicksal und freien Willen aufwirft.
Insgesamt ist "Mirror: Weiß wie Schnee" eine unterhaltsame, märchenhafte Lektüre, die besonders durch die liebevolle Gestaltung der Charaktere besticht. Wer Märchenadaptionen mag, wird hier auf jeden Fall auf seine Kosten kommen.