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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.09.2024

Erfahrungen, die niemand so machen müssen sollte

Pflegers Struggle
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In „Pflegers Struggle“ legt Metin Dogru seine Sicht auf das Thema psychische Erkrankungen unter Pflegefachpersonen dar. Er schreibt konversational-plauderhaft und nahbar, ohne Fachwissen bei Lesenden voraus ...

In „Pflegers Struggle“ legt Metin Dogru seine Sicht auf das Thema psychische Erkrankungen unter Pflegefachpersonen dar. Er schreibt konversational-plauderhaft und nahbar, ohne Fachwissen bei Lesenden voraus zu setzen. Auch die Fußnoten und Referenzen halten sich in Grenzen, nur ab und an werden Prävalenzangaben wiedergegeben. Immer wieder gibt es kleine Einschübe aus „Rabiatas Welt“, wie sie Inhalt eines Tiktok-Videos auf seinem Kanal sein könnten und vermutlich auch sind. Diese Einschübe lockern den Text auf, auch wenn sie inhaltlich nicht weiter eingeordnet werden und zum Teil etwas zusammenhangslos wirken. Der Autor gibt einige persönliche Einblicke, zu Beginn in die eigene Kindheit und Jugend, aber insbesondere in die eigene Erfahrung mit Depression als Pflegeschüler und dann Pflegefachperson. Ebenso persönliche Einblicke geben pseudonymisierte Pflegefachpersonen, mit denen der Autor im Gespräch war. Es ist ein Buch, was sich in seiner Aussage wesentlich auf diese Erfahrungen stützt. Die anekdotische Erzählweise verbindet sich mit den Interpretationen und Überlegungen des Autors zu einem flüssig, gut lesbaren Buch.

Die in der Inhaltsangabe vorgestellte Gliederung konnte ich dem Inhalt leider nicht wirklich entnehmen, eine sich über den Fortlauf aufbauende Argumentation mit einem klaren Fazit kann ich nicht erkennen. Vielmehr werden die Kernaussagen regelmäßig wiederholt und mit neuen Beispielen ausgeführt. Auf diese Weise dargestellt hat die Krise des Gesundheitswesen einen gewissen Unterhaltungswert und das Buch einige dramatische, möglicherweise entrüstend schockierende Momente. Die Nuance zwischen Verhalten erklären und Verhalten entschuldigen hat der Autor meiner Meinung nach allerdings oft nicht ganz getroffen. An einigen Stellen wird dem Leiden von Pflegefachpersonen (und auch Patient*innen) mit deutlichen Worten Ausdruck verliehen. Die ableistische Grundhaltung im Gesundheitssystem kommt deutlich raus, wird allerdings nicht als solche eingeordnet oder auf der Systemebene reflektiert. Auch wenn sich der Autor gegen die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen positioniert tauchen einige eher verallgemeinernde und stigmatisierende Aussagen über psychiatrisch behandelte Menschen auf.

Ich habe mich beim Lesen gefragt, wer eigentlich die Zielgruppe dieses Buches ist. Und ich hätte mir, als Person die keine Pflegefachkraft ist, eine Idee gewünscht, wie ich zu einer Verbesserung der Situation beitragen kann, denn diesen Wunsch weckt der Autor.

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Veröffentlicht am 01.07.2024

cute, gelungene Einleitung

Grün & Gold – Liebe in allen Farben 1
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„Grün & Gold, Liebe in allen Farben“ ist sehr deutlich Band eins einer längeren graphic novel Reihe, dies wird allerdings im Klappentext nicht unbedingt deutlich, der sich weniger auf diesen vorliegenden ...

„Grün & Gold, Liebe in allen Farben“ ist sehr deutlich Band eins einer längeren graphic novel Reihe, dies wird allerdings im Klappentext nicht unbedingt deutlich, der sich weniger auf diesen vorliegenden ersten Band und mehr auf die gesamte Reihe zu beziehen scheint. In diesem ersten Band geht es nämlich noch gar nicht sehr um Liebe, es ist eher eine ruhige, gelungene Einleitung. Wir lernen grob das Internat und die vielen Charaktere kennen und bekommen erste Einblicke in ihre Beziehungen, die positiven und die spannungsgeladeneren Aspekte. Jeder Charakter wird in seiner Tiefe angedeutet, zumindest über die vier Hauptcharaktere, Piet, Tim, Henry und Molle, erfahren wir etwas mehr. Mir fiel es leicht die vier gern zu haben und mit ihnen mitzufühlen. Die Darstellung der Internatsthemen finde ich sehr authentisch, das Setting wird bei aller Romantisierung nicht als perfekte Utopie dargestellt.

Die zeichnerische Darstellung ist sehr warm und fröhlich und einfach unfassbar süß! Lisa Brenner arbeitet hier viel mit dem Kindcheschema. Die Zeichnungen sind einladend und ausgewogen ausgestaltet zwischen Vereinfachung und Tiefe in Form von Schatten etc. Das Einzige, was mich gestört hat, ist die Schwankung in der Darstellung des Alters, die Charaktere wirken zt von Panel zu Panel deutlich jünger/älter. Das ist insbesondere deshalb desorientierend gewesen, weil das Setting mit den Paten und Patenkindern zwei Gruppen mit deutlichem Altersunterschied einführt, der nicht immer deutlich wird.

Zeichnerisch und Erzählerisch gibt es immer wieder emotionale Momente, die mit großer Direktheit und Klarheit transportiert werden, auch die feinen Zwischentöne und leisen Momente kommen deutlich rüber. Das hat mir sehr gefallen.

Für mich hat dieser erste Einführungsband eine solide Basis gelegt für die weitere Geschichte, als Einzelband allerdings fehlte mir ein bisschen ein Abschluss. Das Buch hat mich neugierig gemacht, ich möchte wissen, wie es weitergeht und die Entwicklung der Beziehungen weiter verfolgen.

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Veröffentlicht am 18.11.2024

hat mich leider nicht überzeugt

Strong Female Character
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Fern Brady schreibt autobiografisch über ihr bisheriges Leben, ihre Kindheit, Jugend und den Beginn der Erwachsenenzeit.

Für mich haben Autobiographien drei relevante Elemente, das Erzählen von Lebensereignissen, ...

Fern Brady schreibt autobiografisch über ihr bisheriges Leben, ihre Kindheit, Jugend und den Beginn der Erwachsenenzeit.

Für mich haben Autobiographien drei relevante Elemente, das Erzählen von Lebensereignissen, das Deuten dieser Lebensereignisse in der Verbindung zu einem persönlichen Lebensnarrativ und zuletzt die Einordnung in einen größeren gesellschaftlichen Kontext. Der Untertitel der deutschen Ausgabe weckt die Erwartung, dass dies in Fern Bradys Autobiografie mit dem Ziel einer Aussage zu Autismus und Sexismus geschieht.

Es ist nicht ganz eindeutig, in welchem Abstand zu ihrer Diagnose Fern Brady diese Autobiografie geschrieben hat, aber aufgrund der bekannten Daten würde ich auf vielleicht zwei Jahre schätzen. Das Phänomen der Rückschau, des die eigene Lebensgeschichte unter dem neuen Blickwinkel der Diagnose nochmal neu erzählen, ist recht weit verbreitet unter spät diagnostizierten Autist*innen. Aber weder hat Fern Bradys Erzählung diesen Hunger des "warum", noch das Aufatmen des "endlich macht alles Sinn", die eine solche Rückschau nach einer späten Diagnose oft kennzeichnen. Sie hat ihren ganz eigenen Stil und Umgang damit ihr Leben zu erzählen.

Ein Leben ist erstmal was und wie es ist. Dass Fern Bradys Leben einiges an Hardship beinhaltet hat wird sehr deutlich. Sie beschreibt dies zum Großteil auf eine umgangssprachlich derbe Art, die manchmal unbeteiligt oder emotionslos wirkt. Kontrastiert zu dem damit provozierten Abstand zum Leser bietet der eher Podcastmäßige Gesprächston und die zt sehr detaillierten Beschreibungen von generell als intim bewerteten Themen ein Gefühl von Nähe. Gerade diese Erzählweise kann natürlich mit dem Autismus zu tun haben.
Manchmal wirkt die deutsche Ausgabe etwas holprig oder sperrig, ich vermute, dass das an den Übersetzungsschwierigkeiten eines so umgangssprachlichen Buches liegt.

Auch habe ich mich zum Teil gefragt, wie der Ton zu den Inhalten passt, wenn sie zb auf das Schicksal nicht weniger autistischer Menschen dauerhaft im psychiatrischen System zu verschwinden thematisiert und gleichzeitig Adjektive wie "verrückt" und "dumm" in ihrer abwertenden konotation unhinterfragt nutzt. Auch ihre Kommentare zu körperlichen Normabweichungen anderer Menschen sind mir leider öfter unangenehm aufgefallen.

Ein Leben, in dem so viel passiert ist, zu erzählen, kann kaum einfach sein. Fern Brady schreibt mutig und offensichtlich darum bemüht den unterschiedlichen Lebenswelten und Kontexten jeweils gerecht zu werden. Es geht offensichtlich um so viel mehr als Autismus und Sexismus, Fern Brady bleibt in der Erzählung ihres Lebens erfrischend vielschichtig. Katholizismus, Sexarbeit, toxische Beziehungen, psychiatrische Tagesklinik, Auseinandersetzungen mit dem juristischen System, Büroarbeit, die Fernseh- und Comedyszene; die Vielfalt ist groß.
Ich komme auch nach der vollständigen Lektüre nicht zu einer übergeordneten Aussage, zu etwas, was die einzelnen geschilderten Lebensereignisse zu einem Narrativ verbindet und in den gesellschaftlichen Kontext einordnet. Im Einzelnen erklärt Fern Brady zwar ab und an Traits von Autismus an ihrer Erzählung oder bietet ein kurzes Statement zu gesellschaftlichen Strukturen, aber es entsteht für mich kein roter Faden durch die Kapitel hindurch. Der deutsche Untertitel, der versucht diese Autobiografie auf Autismus und Sexismus einzuengen tut dem Buch meiner Meinung nach keinen Gefallen.

Manche Kapitel oder Momente an ihrer Erzählung haben mich persönlich sehr interessiert und/oder beeindruckt. Dazu zählen unter anderem ihre Beobachtungen in der psychiatrischen Tagesklinik für Jugendliche, die Art wie sie ihre Erfahrung von Suizidalität und Erschöpfung beschreibt und ihre schiere Willenskraft ihren Weg zu finden. Etwas schade fand ich, dass wir zu ihrem Diagnoseweg wenig direkt und konkret erfahren.

Es war bereichernd Fern Brady über ihr Leben zuzuhören. Nicht nur an den, eher seltenen, Stellen an denen ich mit meiner Lebenserfahrung anknüpfen konnte, sondern gerade auch da, wo ich Einblicke in Lebensrealitäten bekam, die mir fremd sind. Vermutlich ist diese Autobiografie am interessantesten für Menschen, die Fern Brady zb aus dem Fernsehen kennen und ein recht breites Interesse an ihrer Lebensgeschichte haben.

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Veröffentlicht am 19.09.2024

einzigartiger Stil

Ich fürchte, Ihr habt Drachen
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Der Erzählstil ist einzigartig. Die Kombination aus gestelzt-altertümlicher und derbe-direkter Sprache, das Spiel mit Märchen-Tropes und Erwartungen und eine gelungene Situationskomik sorgen für ein kurzweiliges, ...

Der Erzählstil ist einzigartig. Die Kombination aus gestelzt-altertümlicher und derbe-direkter Sprache, das Spiel mit Märchen-Tropes und Erwartungen und eine gelungene Situationskomik sorgen für ein kurzweiliges, amüsantes Leseerlebnis. Die Charakterisierung der Figuren ist lebendig und mit leichtem Hang zur Karikatur. Dennoch wird immer wieder die Tiefe der Charaktere deutlich, fast schon meisterhaft der Umgang mit dem nur-beinahe-gesagtem. Auch Nebencharaktere treten mit deutlichen Zügen hervor und hätten zum Teil für meinen Geschmack gerne größere Rollen bekommen dürfen.

Und natürlich die Drachen! Sind sie wirklich Ungeziefer und Beute statt der imposanten, weisen und gefährlichen Tiere, die wir aus dem Fantasy-Genre gewohnt sind? Sie sind es auch, die neben Prinzessin und Prinz, unseren dritten Hauptcharakter Robert mit ins Spiel bringen, der ist nämlich Drachenjäger und beherbergt eine Reihe Jungdrachen in seinem Zuhause. Insgesamt wirken die drei, Prinzessin Cerise, Prinz Reginald und Robert, als Schicksalsgemeinschaft eher zusammengewürfelt und ihre Dynamik zwischendurch immer wieder holprig bis unverständlich. So wirklich intuitiv erschließt sich der Plot nicht, ich bin ihm mit einer Menge schulterzucken gefolgt, insbesondere nach der ersten Hälfte. Das Ende fühlt sich dann auch unbefriedigend an, manches dauert episch lange, andere Handlungsstränge verschwinden beinahe und was mir diese Auflösung jetzt sagen soll, weiß ich schlichtweg nicht. Aber, der Weg ist das Ziel?

Es ist eine nette Geschichte, die sich durch ihren ungewöhnlichen und Genre-untypischen Stil hervorhebt. Nach einer sehr vielversprechenden ersten Hälfte wurde das Buch leider immer schwächer, auch weil besagter Stil etwas zurückgenommen wurde. Meiner Meinung nach gab es hier viel nicht ausgeschöpftes Potential, andererseits ist dieses Buch Geschmacksache wie es selten ein Buch ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dieses Buch nochmal zu lesen und würde es vermutlich auch nicht weiterempfehlen.

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Veröffentlicht am 09.09.2024

ganz nett

Die Abschaffung des Todes
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Bei einem neuen Thriller von Eschbach sind meine Erwartungen hoch, schließlich hat er mit manch früherem Buch sein Können bewiesen. Dass ich von „die Abschaffung des Todes“ nicht begeistert bin, liegt ...

Bei einem neuen Thriller von Eschbach sind meine Erwartungen hoch, schließlich hat er mit manch früherem Buch sein Können bewiesen. Dass ich von „die Abschaffung des Todes“ nicht begeistert bin, liegt allerdings nicht nur an zu hohen Erwartungen. Für mich war dieses Buch schlichtweg kein Thriller. Es ist eher ein philosophisch-wissenschaftlicher Entwicklungsroman mit Action-Einlage. Dieser Versuch das Buch zu beschreiben deutet schon dessen größte Schwäche an, von allem ein bisschen, aber nichts durchgehend, gleichzeitig zu viel und zu wenig.

Unsere Hauptperson James Windover ist durchaus interessant, seine Selbstironie bereichert so manche Szene. Die Idee seiner „objektiven“ Zeitung gefällt mir und die kleinen Momente der Medienkritik im Buch hätten Zeug zu etwas größerem gehabt. Stattdessen wurschtelt sich die Erzählung um die Youvatar Firma herum. Windover steht eine große Zahl individueller bis kauziger Nebenfiguren zur Seite, die leider regelmäßig nach ihrem Dienst zum Plot auf nimmerwiedersehen verschwinden. In der zt kurzen Zeit in der sie dabei sind werden sie aber vom Ich-Erzähler wohlwollend humorvoll charakterisiert, so dass jede Einzelne von ihnen eine Bereicherung des Leseerlebnis für mich war. Mit Anahit Kevorkian bekommen wir sogar eine, zwar -natürlich- an ihrer Heilung interessierte, ansonsten aber intelligente, selbstbewusste, erfolgreiche behinderte Frau vorgestellt, die durchaus eine willkommen Abwechslung zu Behinderungsklischees darstellt. Auf ihren Auftrag hin beginnt James Windover sich mit youvatar auseinander zu setzen.

Die wissenschaftlichen Abhandlungen waren mir in diesem Roman zu ausufernd und die gesellschaftlich-philosophischen Überlegungen, für die Eschbach bekannt ist, zu platt. Es war einfach nichts wirklich neues, nichts wirklich erstaunendes dabei. Die Action Einlage hat dann auch eher Slapstick-Charakter bis am Ende der Entwicklungsroman überhand gewinnt. Alles für sich genommen durchaus lesenswert, in der Mischung aber doch etwas befremdlich. Auf so vielen Seite so gar keinen roten Faden drin zu haben ist auf Dauer eher anstrengend.

Nichtsdestoweniger ist das Hauptthema interessant und das Buch birgt einiges an Diskussionsanstößen. Insgesamt für mich weder Flop noch Highlight, sondern einfach nette Lektüre.

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