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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.06.2024

Nein heißt leider nicht Nein

Ich stelle mich schlafend
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„Ich stelle mich schlafend“ ist ein eindringlicher Roman, der die tiefen Wunden, die Missbrauch und Manipulation hinterlassen können, auf erschütternde Weise darstellt. Die Geschichte beginnt mit der Zerstörung ...

„Ich stelle mich schlafend“ ist ein eindringlicher Roman, der die tiefen Wunden, die Missbrauch und Manipulation hinterlassen können, auf erschütternde Weise darstellt. Die Geschichte beginnt mit der Zerstörung des Hauses, in dem Yasemin bis vor kurzem gelebt hat. Diese Zerstörung symbolisiert den Neuanfang, nach dem sich Yasemin sehnt, nachdem sie die Beziehung mit ihrem Freund Vito hinter sich gelassen hat. Die Beziehung der beiden reicht zurück bis in ihre Jugend, als Yasemin sich im Alter von dreizehn Jahren in den drei Jahre älteren Vito verliebt. Doch nach einem Aufenthalt im Sanatorium, wo ihre Skoliose behandelt wird, distanziert sie sich. Zu groß ist die Scham wegen ihres Korsetts, zu fremd der eigene Körper. Zwanzig Jahre später begegnen sich Yasemin und Vito erneut. Yasemin interpretiert dieses späte Wiedersehen als Schicksal, doch bald zeigt sich Vitos wahres Wesen: bedrohlich und zerstörerisch. Yasemins Nein akzeptiert er nicht und so verfällt sie in eine Passivität, die nur schwer auszuhalten ist.

Ein besonderes Element des Romans ist die Darstellung von Yasemins Skoliose. Der gewaltsame Eingriff in ihren Körper, der medizinisch notwendig ist, scheint auch eine tiefere Botschaft zu tragen: Yasemins Körper gehört nicht ihr allein, und in seinem natürlichen Zustand ist er unzureichend. Diese körperliche und psychische Verletzlichkeit zieht sich wie ein roter Faden durch Yasemins Leben und beeinflusst ihre Beziehungen und ihr Selbstbild.

Ohdes Sprache und die Atmosphäre, die sie schafft, sind von einer Sogwirkung, die mich trotz der Schwere der Thematik immer weitergezogen haben. Dies ließ jedoch im Laufe des Romans immer mehr nach, insgesamt wurde mir dann zu oft mit dem Zaunpfahl auf Zusammenhänge und Bedeutungen verwiesen.

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Veröffentlicht am 27.01.2024

Unterhaltsamer Thriller für Anfänger:innen

Schneesturm
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"Schneesturm" entführt den Leser auf eine packende Reise auf die malerische irische Insel Inishmore, wo eine Gruppe von Freunden zehn Jahre nach einer tragischen Tragödie wieder zusammenkommt, um den Jahrestag ...

"Schneesturm" entführt den Leser auf eine packende Reise auf die malerische irische Insel Inishmore, wo eine Gruppe von Freunden zehn Jahre nach einer tragischen Tragödie wieder zusammenkommt, um den Jahrestag zu begehen. Doch ein unerwarteter Schneesturm schnürt die Insel von der Außenwelt ab und stürzt die Freunde in eine Falle.

Der Roman präsentiert sich als gelungener Mix aus New Adult Thriller (mit älteren Charakteren) und Whodunit, wobei die Dynamik der Freundschaftsgruppe um Cara im Vordergrund steht und es nicht besonders gruselig oder blutig ist, weshalb mich der Stil an New Adult Thriller erinnert hat. Der Schreibstil ist flüssig, obwohl gelegentlich Übersetzungsfehler und auch inhaltlich mitunter weniger plausibler Passagen auftreten. Dennoch gelingt es der Autorin, ein grundsätzlich interessantes Setting zu schaffen, das an die Werke von Agatha Christie wie „Und dann gab’s keines mehr“ erinnert.

Man begleitet vor allem Cara, die als Polizistin mit den Ermittlungen betraut ist. Ihre Unsicherheit und Verwirrung spiegeln sich im Leser wider, während sie verzweifelt versucht, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Doch auch ihre Entscheidungen werfen Fragen auf, die bis zum Ende nicht vollständig geklärt werden, weil man sich teilweise fragt, wie einer Polizistin solche Fehler unterlaufen können.

Insgesamt ist "Schneesturm" eine unterhaltsame Lektüre, die trotz einiger Schwächen eine fesselnde Geschichte bietet. Die Atmosphäre auf der Insel, die interessanten Charaktere und die überraschenden Wendungen machen das Buch zu einem spannenden Leseerlebnis, das den Leser dann doch bis zur letzten Seite in seinen Bann zieht, wenn man über Logikfehler hinwegsehen kann.

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Veröffentlicht am 22.09.2024

Geschichte war nicht für mich

Das Wohlbefinden
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Ulla Lenzes Roman „Das Wohlbefinden“ bietet auf den ersten Blick ein vielversprechendes Setting: eine historische Begegnung in den Heilstätten Beelitz im Jahr 1907, eingebettet in die okkulte Szene jener ...

Ulla Lenzes Roman „Das Wohlbefinden“ bietet auf den ersten Blick ein vielversprechendes Setting: eine historische Begegnung in den Heilstätten Beelitz im Jahr 1907, eingebettet in die okkulte Szene jener Zeit, und verknüpft mit einer Rahmenhandlung in Berlin 2020. Das Potenzial, eine packende Geschichte mit Tiefgang zu entwickeln, ist also eindeutig vorhanden. Doch trotz dieser faszinierenden Prämisse konnte mich der Roman letztlich nicht vollständig überzeugen.

Im Mittelpunkt steht die ambivalente Beziehung zwischen der angeblich hellsichtigen Fabrikarbeiterin Anna und der großbürgerlichen Schriftstellerin Johanna Schellmann. Beide Frauen scheinen voneinander zu profitieren, doch gleichzeitig bleibt unklar, welche Absichten wirklich dahinterstecken: Ist Anna ein echtes Medium oder eine geschickte Betrügerin? Nutzt Johanna sie lediglich als Inspiration für ihr neues Buch? Diese Spannung zieht sich durch den Roman, blieb jedoch für mich zu blass, um wirklich zu fesseln. Besonders Annas religiös-okkulte Äußerungen erschwerten es mir, ihre Anziehungskraft auf Johanna nachzuvollziehen. Auch die Figur von Johannas Enkelin Vanessa, die im modernen Berlin auf die Spuren ihrer Familiengeschichte stößt, bleibt für meinen Geschmack zu oberflächlich. Ihre Nachforschungen und die Entdeckungen über das wahre Ende von Johannas und Annas Geschichte fügen der Handlung zwar eine interessante Meta-Ebene hinzu, konnten mich emotional jedoch ebenfalls nicht erreichen.

Trotz dieser Kritikpunkte schätze ich Lenzes Sprache und den geschickten Aufbau des Romans. Ihre Fähigkeit, verschiedene Zeitebenen miteinander zu verknüpfen, zeugt von einer literarischen Raffinesse, die mich durchaus beeindruckt hat. Auch wenn „Das Wohlbefinden“ mich nicht vollkommen in seinen Bann ziehen konnte, würde ich dennoch weitere Romane von Ulla Lenze lesen, denn ihre stilistische Eleganz und die sorgfältige Konstruktion ihrer Geschichte sind unbestritten. Insgesamt lässt sich sagen, dass „Das Wohlbefinden“ trotz seiner gelungenen sprachlichen und erzählerischen Elemente letztlich für mich daran scheitert, die Tiefe seiner Figuren und die Dynamik ihrer Beziehungen überzeugend zu vermitteln. Wer sich jedoch für die Themen Okkultismus und historische Frauenfiguren interessiert, könnte in diesem Roman trotzdem eine lesenswerte Geschichte finden.

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Veröffentlicht am 17.06.2024

Anders als gedacht

Agatha Christie
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Der historische Roman „Agatha Christie“ zeigt das frühe Leben der weltberühmten Krimiautorin, die uns Detektive wie Hercule Poirot und Miss Marple geschenkt hat. Der Roman beginnt mit Agatha Christies ...

Der historische Roman „Agatha Christie“ zeigt das frühe Leben der weltberühmten Krimiautorin, die uns Detektive wie Hercule Poirot und Miss Marple geschenkt hat. Der Roman beginnt mit Agatha Christies Kindheit und Jugend, geprägt von ihrem Wunsch, Pianistin zu werden, ein Traum, der jedoch nicht in Erfüllung geht. Stattdessen findet sie im Schreiben eine neue Leidenschaft, die ihr späteren Weltruhm bescheren wird.

In weiten Teilen des Romans wird Agatha vor allem als unsicheres Mädchen und verliebte Verlobte dargestellt. Ihre Ängste und Unsicherheiten, auch nach dem Tod ihrer Mutter, nehmen einen großen Teil der Erzählung ein. Dieser Fokus auf ihre Jugend und inneren Konflikte zieht sich durch die ersten drei Viertel des Buches und lässt die eigentliche Faszination für ihre Schriftstellerkarriere etwas in den Hintergrund treten.

Erst im letzten Teil des Romans gewinnt die Geschichte an Fahrt und zeigt Agatha Christie als entschlossene Abenteurerin und leidenschaftliche Schriftstellerin. Dieser Abschnitt, in dem sie ihre Rolle als Krimiautorin annimmt und sich in ihrer neuen Identität festigt, ist deutlich spannender und unterhaltsamer zu lesen. Leider endet der Roman gerade an dem Punkt, an dem Agathas Leben und Werk richtig interessant werden.

Der Schreibstil des Romans neigt insgesamt zum Kitschigen, was besonders in den romantischen und dramatischen Passagen der ersten drei Viertel deutlich wird. Diese Tendenz lässt im letzten Teil des Buches nach, wo die Erzählung realistischer und mitreißender wird. Ein weiteres Manko ist, dass Agatha Christies schlagfertige und humorvolle Seite, die in vielen ihrer eigenen Zitate und Anekdoten zum Ausdruck kommt, nicht deutlich wird. Dies kommt erst im Nachwort der Autorin zur Sprache.

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Veröffentlicht am 17.05.2024

Nett, aber nicht weltbewegend

Das Gegenteil von Erfolg
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Ich muss zugeben, dass ich mir mehr von diesem Roman erhofft habe. Der Roman wird angekündigt als „irre komischer […] schlauer Roman […] über Arbeit, Mutterschaft, Freundschaft, Kapitalismus und den Mutzu ...

Ich muss zugeben, dass ich mir mehr von diesem Roman erhofft habe. Der Roman wird angekündigt als „irre komischer […] schlauer Roman […] über Arbeit, Mutterschaft, Freundschaft, Kapitalismus und den Mutzu scheitern“. Ein unterhaltsamer Roman über eine sympathisch chaotische Protagonistin, der dann aber auch noch Kapitalismuskritik übt? Das musste ich lesen!

Der erste Drittel hat mich dann tatsächlich auch nicht enttäuscht. Der Schreibstil ist locker und unterhaltsam, die beiden Freundinnen Lorrie und Alex sind jeweils nicht zu perfekt und deshalb sympathisch, dennoch haben eine Vorgeschichte, die den Figuren Tiefe gibt. Außerdem sind beide richtig kluge Frauen. Anschließend verlor der Roman aus meiner Sicht allerdings zunehmend an Tempo, es gab zu weitschweifige Überlegungen der beiden Frauen, die jedoch kaum irgendwohin führten oder dazu führten, dass die beiden ihre Handlungen anpassten.

Gestört hat mich dann am Roman in der Gesamtschau, dass mit wichtigen Themen dann doch zu unkritisch umgegangen wird. Das fat shaming, dem z.B. Lorrie ausgesetzt ist, von dieser zwar reflektiert wird, aber dennoch bis zum Schluss nichts dagegen unternommen wird - da wird auch eine ernste Krankheit von Lorries Mutter noch als gute Abnehmmaßnahme kommentiert. Das wird zwar von Lorrie als unmöglich wahrgenommen, sie tut allerdings nichts dagegen. Auch die Kapitalismuskritik fällt lahm aus - Lorrie betont, dass sie am liebsten als Hausfrau bei ihren Töchtern bleiben würde anstatt zu arbeiten. Vielleicht möchte sie auch noch einmal studieren. Das blendet sicher viele Schwierigkeiten, die damit einhergehen aus, wie z.B. die finanzielle Abhängigkeit von ihrem Mann, in die Lorrie sich begeben würde. Auch die Klimaaktivisten werden vom Roman als zu radikal dargestellt, Alternativen dazu scheint es nicht zu geben. Und als wären das nicht schon genug Themen, gibt es auch noch ein Eifersuchtsdrama zwischen Alex und Lorrie und weiteren Figuren. Mein Fazit also: Kann man lesen, muss man aber vielleicht auch nicht.

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