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Veröffentlicht am 23.09.2024

Kreativ, chaotisch und voller Überraschungen!

Die Insel der Tausend Leuchttürme
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Nordseeromantik trifft apokalyptische Fantasy - so könnte man Walter Moers´ neuen Roman in einem Schlagwort zusammenfassen. In seinem 10. Zamonien-Roman entführt der Autor nämlich durch die Feder von Hildegunst ...

Nordseeromantik trifft apokalyptische Fantasy - so könnte man Walter Moers´ neuen Roman in einem Schlagwort zusammenfassen. In seinem 10. Zamonien-Roman entführt der Autor nämlich durch die Feder von Hildegunst von Mythenmetz auf "Die Insel der Tausend Leuchttürme", wie die im Nordmeer gelegene Kurinsel Eydernorn im Volksmund genannt wird. Was zunächst nach einer erholsamen Kurreise klingt, entwickelt sich nach und nach zu einem mysteriösen Abenteuer, das erneut mit einem Moer´schen Maß an Fantasie und Kreativität besticht.

Meine Ausgabe ist die neue Taschenbuchausgabe des im letzten Jahr neu erschienenen Romans (der mit dem stolzen Preis von 42€ die Fans nicht gerade fröhlich gestimmt hat). Mit 20€ ist das Taschenbuch zwar immer noch recht preisschwer, die tolle Gestaltung entschuldigt dafür allerdings wieder üppig. "Die Insel der Tausend Leuchttürme" hat mit dem grün gemauerten Hintergrund, der absurde Meereslebewesen zeigt, dem großen gelben Titel inklusive Strandlörper und dem Bull-Auge in der Mitte ein typisches Zamonien-Cover, das wunderbar zu den Gestaltungen der anderen Romane passt. Besonders ist allerdings wieder die Gestaltung im Inneren des Buches und vor allem die vielen Illustrationen.

"Am Fuße des Leuchtturms herrscht die Finsternis, aber darüber strahlt das Licht der Weisheit in der Ferne. Es sendet seine Botschaften von Einsamkeit zu Einsamkeit. Und diese Botschaft lautet: Du bist nicht allein."

Neben einer Karte von Eydernorn enthält das Buch 19 Briefe, die Hildegunst von Mythenmetz während seines Kuraufenthalts an seinen langjährigen Freund Hachmed Ben Kibitzer verfasst hat. Wie üblich nimmt sich Walter Moers dabei aus der Geschichte heraus und inszeniert sich auf einer Meta-Ebene als Übersetzer der Geschichte, der nur mit einem Vorwort und Nachwort die Mythenmetz´schen Briefe abrundet. Ausgeschmückt sind diese wie immer mit zahlreichen Skizzen und Illustrationen, die das Gesehene, wissenschaftliche Beobachtungen, Ideen (MYthenmetzsche GEIstesBlitze; MYGEIBLI) und Abschriften aus anderen Informationsquellen an uns LeserInnen übermitteln. Zusätzliche Informationen gibt es in einem Mittelteil mit Notizen und Skizzen sowie in einem Anhang mit weiteren Illustrationen, die keinem seiner Briefe zugeordnet werden konnten.

"Ik woor Kraakenfieken in de Düjnen!"


Der Menge an Informationen, Details und Vorstellungen, die wir allein durch die Skizzen und die besondere Machart des Romans erhalten, entsprechend ausgestaltet ist auch das Worldbuilding. Eydernorn wird mit so viel Liebe zum Detail beschrieben, dass man sich beinahe selbst auf den gewundenen Pfaden zwischen den Leuchttürmen und den geheimnisvollen in Eydernorner Platt murmelnden Bewohnern wähnt. Der Roman nimmt sich sehr viel Zeit die Geologie, Flora, Fauna, Kulinarik, Kultur und Geschichte dieser besonderen Insel zu erkunden. Egal ob lange Dünenspaziergänge mit Gegenwind, ausschweifende Museumsbesuche, skurrile Behandlungen im Sanatorium, Leuchtturmbesichtigungen, Kraakenfieken-Partien (ein Golfähnlicher Inselsport) oder die kulinarische Verkostung von Tiefseefischen - die Handlung beschränkt sich im ersten Dreiviertel des Buches vor allem auf Dinge, die den Bewohnern von Zamonien als alltäglich erscheinen würde, uns LeserInnen allerdings mit fantasievollem Detailreichtum begeistern. Besonders die Hummdudel und Küstengnome bleiben durch ihre charmante und skurrile Darstellung im Gedächtnis. Zwar mag dieser starke Fokus auf das Worldbuilding für manche LeserInnen zu ausschweifend oder gar langweilig sein, wer sich darauf einlassen kann, wird allerdings mit vielen fantasievollen Ideen belohnt.

"Für eine Reise muss man nicht das Haus verlassen. Die phantastischsten Reisen sind die im eigenen Kopf."

Bis auf Spannungsspitzen wie das der imaginären Kartografie und des Ausflugs zur Stadt ohne Türen, plätschert die Geschichte demnach erstmal lange Zeit gemächlich vor sich hin. Von gelegentlichen Anspielungen oder sonderbaren Vorkommnissen, die jedoch erstmal nicht weiter betrachtet werden, abgesehen, scheint sich die Geschichte auf kein festgelegtes Ziel zuzubewegen. Erst im letzten Viertel wird der Spannungsbogen plötzlich extrem gestrafft, als wir gemeinsam mit Hildegunst die verborgene Wahrheit hinter den Leuchttürmen, den seltsamen Wetterphänomenen und den geheimnisvollen Marotten der Bewohner erkennen. Und bevor man es sich versieht wird aus dem entspannt plätschernden Kurbericht im Handumdrehen eine ausgewachsene, hochspannende Apokalypse. Besonders faszinierend ist dabei, wie der Autor es schafft, die vielen Fäden der Geschichte im Finale zusammenzuführen und rückblickend so manches, was vorher vielleicht überflüssig erschien, in einem neuen Licht erstrahlen zu lassen. Im Zusammenspiel mit dem langsamen Einstieg wirkt der Spannungsbogen sehr unausgewogen, was allerdings sehr gut ins ohne experimentelle erzählerische Konzept passt und dem Ende ein umso größeres Überraschungsmoment verschafft. Klar ist: Nicht jeder wird mit den 450 Seiten einleitender Aufbau für den Showdown mitgehen wollen, für mich war es aber alles in allem ein lohnenswertes Leseerlebnis!

"Ein neues Buch ist wie ein Gewitter. Es baut sich sehr langsam auf, erzeugt bei der Veröffentlichung viel heiße Luft, entlädt sich mit großem Getöse, verändert kurzzeitig die ganze Atmosphäre und lenkt alle Aufmerksamkeit auf sich. Und wenn es vorbei ist, dauert es nicht lange, bis alle es wieder vergessen haben. Das ist auch schon alles, was wir mit unserer Schreiberei erreichen: Das Wetter von gestern."


Das liegt nicht zuletzt auch am kurzweiligen Schreibstil des Romans, welcher in direkter Verbindung zum Hauptprotagonisten Hildegunst von Mythenmetz steht. Als furchtloser Abenteurer, hypochondrischer Forscher und detailverliebter Autor ist er eine der sympathischsten Figuren des Zamonien-Universums und darüber hinaus ein großartiger Erzähler. Selbstironisch, wortgewandt und mit einem scharfen Blick für die Absurditäten der Welt, führt er uns durch dieses Abenteuer und spart dabei nicht mit kreativen Ausschweifungen, Wortspielen, sarkastischem Humor und Mythenmetzschen Geistesblitzen. Auch wenn es nicht sein erstes Abenteuer ist, bekommt er genügend Raum, sich als Figur und Erzählstimme neuen LeserInnen vorzustellen. Zwar stellt er in Form von Fußnoten Verbindungen zu früheren Zamonien-Romane her, die für Kenner eine wahre Freude sind, gibt sich allerdings große Mühe, Neueinsteiger nicht zu sehr zu strapazieren. So kann man auch als Einzelband wunderbar der Geschichte folgen, bekommt allerdings große Lust, auch die früheren Abenteuer des Autors zu lesen!


Fazit

„Die Insel der Tausend Leuchttürme“ ist ein unterhaltsames, fantasievolles Fantasyabenteuer, das jedoch etwas Geduld erfordert. Doch wer sich auf die ruhige Erzählweise einlassen kann, wird mit einem einzigartigen Abenteuer und einem überraschenden Finale belohnt, dass es zu einem klassischen Moers macht: kreativ, chaotisch und voller Überraschungen.

Veröffentlicht am 30.08.2024

Wertvolle Einsichten und Impulse für die Weiterentwicklung der Bewegung!

After Woke
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"After Woke" ist ein erst kürzlich erschienener politischer Essay des deutschen Autors und Journalist Jens Balzer, der in fünf Kapiteln eine tiefgehende und kritische Auseinandersetzung mit der Wokeness-Bewegung ...

"After Woke" ist ein erst kürzlich erschienener politischer Essay des deutschen Autors und Journalist Jens Balzer, der in fünf Kapiteln eine tiefgehende und kritische Auseinandersetzung mit der Wokeness-Bewegung bitetet, die insbesondere im Zuge des Nahostkonflikts zwischen Palästina und Israel auf den Prüfstand gestellt wurde. Auf 108 Seiten analysiert der Autor nicht nur die Ursprünge der Wokeness, sondern auch die moralischen und ideologischen Herausforderungen, vor denen die Bewegung heute steht. Dazu schildert er zunächst welches Ereignis die Krise der Bewegung ausgelöst hat und welche Reaktionen von politischen und gesellschaftlichen VertreterInnen in seinen Augen den "moralischen Bankrott" der Wokeness darstellen. Danach untersucht er gründlich die Entstehung und Wortherkunft der "Wokeness" und versucht sich an einer allgemeingültigen Definition, bevor er in den kommenden Kapiteln auf Kritik an ihren VerterterInenn eingeht und Wünsche für die Zukunft äußert.

"So gesehen bezeichnet "Wokeness" erst einmal nichts anderes als eine Wachheit für gesellschaftliche Diskriminierungen mit dem Ziel, bestehende Ungerechtigkeiten zu analysieren und zu korrigieren.
"

Bereits der Definitionsversuch war dabei für mich sehr aufschlussreich. Denn obwohl es mittlerweile seitenweise Manifeste gegen die "Wokeness" gibt und diese gleichsam in Facebook-Rants wie in Parteiprogrammen auftaucht, mangelt es inmitten der Debatten an einer präzisen Beschreibung des Konzepts. Auch wenn ich mich selbst und meine Werte durchaus in der postkolonialen, queerfeministischen "Wokeness" vertreten sehe, waren mir beispielsweise die Ursprünge des Konzepts in der Black Community sowie die genaue Ableitung des Wortes neu, weshalb sich allein aufgrund der eingedämpften Zusammenfassung die Lektüre für mich gelohnt hat. Der Autor schreibt sehr präzise und erleichtert trotz manchmal verklausulierter Sprache die Lesbarkeit des Essays durch nachgestellte Anmerkungen, die Quellen wie Verweise auf weiterführende Lektüren beinhalten.

Auch seine nachfolgenden Analysen zum Nahostkonflikt, Postkolonialismus und zur Identitätspolitik sind sehr treffsicher, auch wenn ich ihm nicht unbedingt in allen Punkten zustimmen würde. Die unreflektierte und dogmatische Positionierung für eine der beiden Seiten in einem komplexen politischen, gesellschaftlichem Konflikt, dessen Wurzeln Jahrhunderte zurückreichen, wie ich sie in den vergangenen Monaten besonders in den sozialen Medien auch unter jungen, linken DenkerInnen beobachtet habe, fand ich ebenso erschreckend wie der Autor. Hier fokussiert er sich allerdings ausschließlich auf die Untergruppe derer, die sich in Folge des 7. Oktobers aufseiten Palästinas gestellt haben und versucht dafür Gründe in problematischen Denkmustern innerhalb der woken Linken zu finden. Die Gegenseite, die sich ausschließlich mit Israel solidarisiert und dabei vergisst zwischen palästinensischer Zivilbevölkerung und terroristischen Hamas zu trennen, lässt er hingegen unkommentiert und kritiklos.

Sehr wichtig finde ich aber seine Herausarbeitung des aufkommenden Antisemitismus´, der sich in verschiedenen Facetten der Bewegung zeigt. Jens Balzer zeigt hier auf, wie gefährlich es ist, wenn berechtigte Kritik an Machtstrukturen und Ungerechtigkeiten in antisemitische Denkmuster abgleitet und entlang einer postkolonialen "color line" in "gut und böse", beziehungsweise "weißer Kolonisator und indigene Unterdrückten" eingeteilt wird. Auch in zahlreichen anderen Beispielen wird deutlich, dass die Bewegung manchmal Schwierigkeiten hat, ihre eigenen Prinzipien konsequent zu verfolgen und dem eigenen Anspruch der ständigen Wachsamkeit und Selbstreflexion, der doch eigentlich im Zentrum der Wokeness steht, gerecht zu werden. Abschließend fordert der Autor demnach dazu auf, die Bewegung kritisch zu reflektieren und ihre Werte konsequenter zu hinterfragen, ohne jedoch ihre Errungenschaften und den Kern der Idee zu negieren. Die Botschaft: folgt die Bewegung weiterhin folgendem Grundsatz, kann sie wieder zum dringend benötigten Gegenentwurf zu rechten, identitären Kräften werden:

"Stay woke (wachsam bleiben) bedeutet einfach, auf alles zu achten, sich nicht auf das eigene Verständnis oder das eines anderen zu verlassen, zu beobachten, sich weiterzuentwickeln und alles hinter sich zu lassen, was sich nicht mehr weiterentwickelt."



Fazit


"After Woke" von Jens Balzer regt zu einer notwendigen, kritischen Reflexion der Wokeness-Bewegung an und zeigt auf, wo sie ihre eigenen Prinzipien noch konsequenter verfolgen muss. Trotz seiner stellenweise etwas einseitigen Betrachtung des Nahostkonflikts bietet der Essay wertvolle Einsichten und Impulse für die Weiterentwicklung der Bewegung!

Veröffentlicht am 30.08.2024

Wertvolle Einsichten und Impulse für die Weiterentwicklung der Bewegung

After Woke
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"After Woke" ist ein erst kürzlich erschienener politischer Essay des deutschen Autors und Journalist Jens Balzer, der in fünf Kapiteln eine tiefgehende und kritische Auseinandersetzung mit der Wokeness-Bewegung ...

"After Woke" ist ein erst kürzlich erschienener politischer Essay des deutschen Autors und Journalist Jens Balzer, der in fünf Kapiteln eine tiefgehende und kritische Auseinandersetzung mit der Wokeness-Bewegung bitetet, die insbesondere im Zuge des Nahostkonflikts zwischen Palästina und Israel auf den Prüfstand gestellt wurde. Auf 108 Seiten analysiert der Autor nicht nur die Ursprünge der Wokeness, sondern auch die moralischen und ideologischen Herausforderungen, vor denen die Bewegung heute steht. Dazu schildert er zunächst welches Ereignis die Krise der Bewegung ausgelöst hat und welche Reaktionen von politischen und gesellschaftlichen VertreterInnen in seinen Augen den "moralischen Bankrott" der Wokeness darstellen. Danach untersucht er gründlich die Entstehung und Wortherkunft der "Wokeness" und versucht sich an einer allgemeingültigen Definition, bevor er in den kommenden Kapiteln auf Kritik an ihren VerterterInenn eingeht und Wünsche für die Zukunft äußert.

"So gesehen bezeichnet "Wokeness" erst einmal nichts anderes als eine Wachheit für gesellschaftliche Diskriminierungen mit dem Ziel, bestehende Ungerechtigkeiten zu analysieren und zu korrigieren.
"

Bereits der Definitionsversuch war dabei für mich sehr aufschlussreich. Denn obwohl es mittlerweile seitenweise Manifeste gegen die "Wokeness" gibt und diese gleichsam in Facebook-Rants wie in Parteiprogrammen auftaucht, mangelt es inmitten der Debatten an einer präzisen Beschreibung des Konzepts. Auch wenn ich mich selbst und meine Werte durchaus in der postkolonialen, queerfeministischen "Wokeness" vertreten sehe, waren mir beispielsweise die Ursprünge des Konzepts in der Black Community sowie die genaue Ableitung des Wortes neu, weshalb sich allein aufgrund der eingedämpften Zusammenfassung die Lektüre für mich gelohnt hat. Der Autor schreibt sehr präzise und erleichtert trotz manchmal verklausulierter Sprache die Lesbarkeit des Essays durch nachgestellte Anmerkungen, die Quellen wie Verweise auf weiterführende Lektüren beinhalten.

Auch seine nachfolgenden Analysen zum Nahostkonflikt, Postkolonialismus und zur Identitätspolitik sind sehr treffsicher, auch wenn ich ihm nicht unbedingt in allen Punkten zustimmen würde. Die unreflektierte und dogmatische Positionierung für eine der beiden Seiten in einem komplexen politischen, gesellschaftlichem Konflikt, dessen Wurzeln Jahrhunderte zurückreichen, wie ich sie in den vergangenen Monaten besonders in den sozialen Medien auch unter jungen, linken DenkerInnen beobachtet habe, fand ich ebenso erschreckend wie der Autor. Hier fokussiert er sich allerdings ausschließlich auf die Untergruppe derer, die sich in Folge des 7. Oktobers aufseiten Palästinas gestellt haben und versucht dafür Gründe in problematischen Denkmustern innerhalb der woken Linken zu finden. Die Gegenseite, die sich ausschließlich mit Israel solidarisiert und dabei vergisst zwischen palästinensischer Zivilbevölkerung und terroristischen Hamas zu trennen, lässt er hingegen unkommentiert und kritiklos.

Sehr wichtig finde ich aber seine Herausarbeitung des aufkommenden Antisemitismus´, der sich in verschiedenen Facetten der Bewegung zeigt. Jens Balzer zeigt hier auf, wie gefährlich es ist, wenn berechtigte Kritik an Machtstrukturen und Ungerechtigkeiten in antisemitische Denkmuster abgleitet und entlang einer postkolonialen "color line" in "gut und böse", beziehungsweise "weißer Kolonisator und indigene Unterdrückten" eingeteilt wird. Auch in zahlreichen anderen Beispielen wird deutlich, dass die Bewegung manchmal Schwierigkeiten hat, ihre eigenen Prinzipien konsequent zu verfolgen und dem eigenen Anspruch der ständigen Wachsamkeit und Selbstreflexion, der doch eigentlich im Zentrum der Wokeness steht, gerecht zu werden. Abschließend fordert der Autor demnach dazu auf, die Bewegung kritisch zu reflektieren und ihre Werte konsequenter zu hinterfragen, ohne jedoch ihre Errungenschaften und den Kern der Idee zu negieren. Die Botschaft: folgt die Bewegung weiterhin folgendem Grundsatz, kann sie wieder zum dringend benötigten Gegenentwurf zu rechten, identitären Kräften werden:

"Stay woke (wachsam bleiben) bedeutet einfach, auf alles zu achten, sich nicht auf das eigene Verständnis oder das eines anderen zu verlassen, zu beobachten, sich weiterzuentwickeln und alles hinter sich zu lassen, was sich nicht mehr weiterentwickelt."



Fazit


"After Woke" von Jens Balzer regt zu einer notwendigen, kritischen Reflexion der Wokeness-Bewegung an und zeigt auf, wo sie ihre eigenen Prinzipien noch konsequenter verfolgen muss. Trotz seiner stellenweise etwas einseitigen Betrachtung des Nahostkonflikts bietet der Essay wertvolle Einsichten und Impulse für die Weiterentwicklung der Bewegung.

Veröffentlicht am 18.08.2024

Ein fesselnder Abschluss der "Crowns of Nyaxia"-Reihe!

The Ashes and the Star-Cursed King (Crowns of Nyaxia 2)
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Die zweibändige "Crowns of Nyaxia" Reihe von Carissa Broadbent ist in den letzten Monaten - besonders nach dem Erscheinen der deutschen Übersetzung - in aller Munde gewesen. Witzigerweise habe ich die ...

Die zweibändige "Crowns of Nyaxia" Reihe von Carissa Broadbent ist in den letzten Monaten - besonders nach dem Erscheinen der deutschen Übersetzung - in aller Munde gewesen. Witzigerweise habe ich die Reihe auf die Empfehlung einer Freundin bereits vor dem Hype vor zwei Jahren in der englischen Selfpublishing-Ausgabe gekauft, bin allerdings bis jetzt nicht dazugekommen, sie wirklich zu lesen. Letzte Woche habe ich nun aber endlich mit Band 1, "The Serpent and the Wings of Night" begonnen und habe im Anschluss gleich Band 2 durchgesuchtet.

Bevor ich darauf eingehe, was die Reihe so mitreißend macht, noch einige Worte zur Gestaltung. Das Cover ist eine detailreiche, typische Fantasy-Gestaltung, die trotz der Herausgabe im Eigenverlag einiges hermacht. Nachdem in Band 1 eine Schlange, Rosen und Beeren ein gefährliches Terrain ankündigten, sind nun ein magisches Schwert und eine Krone zu sehen. Denn nachdem Oraya und Raihn sich in einem blutigen Turnier den Thron erkämpft haben, müssen sie diesen nun gegenüber Feinden von innen und außen verteidigen... Dementsprechend ist das Cover also wieder sehr passend, allerdings finde ich hier ausnahmsweise mal das deutsche Cover des Carlsen Verlags fast schöner, das kontrastreich und mit roten Farbakzenten dieselben Motive aufgreift. So oder so ist das Buch aber wieder eine Augenweide und genau wie in Band 1 mit zusätzlichen Extras wie einer Karte, einem Glossar und toll ausgestalteten Kapiteltrennern versehen.

Erster Satz: “The king knew, in this moment, that his greatest love would also be his ruination, and that both would come in the unlikely form of a young human woman.”

Band 2 knüpft nach einem kurzen Prolog, der jenem von Band 1 stark ähnelt, allerdings von Raihn statt von Vincent handelt, direkt an die Geschehnisse des ersten Teils an. Aufgrund der vielversprechenden Ausgangslange - zur Erinnerung: Oraya hat die Kejari gewonnen, ihren Wunsch aber eingesetzt, um Raihn zu retten, der sie dann allerdings verraten, ihren Vater getötet, den Thron an sich gerissen und sie dazu gezwungen hat, ihn zu heiraten - war ich mehr als gespannt, wie die Geschichte nun weitergehen wird. Während "The Serpent and the Wings of Night" so actionreich gestartet ist, dass ich Schwierigkeiten hatte, mich in der Geschichte und im Worldbuilding zu recht zu finden, nimmt sich "The Ashes and the Star-Cursed King" zu Beginn deutlich mehr Zeit. Dadurch kann natürlich erstmal das Worldbuilding rund um das Magiesystem, die Götter und die Struktur der einzelnen Vampirclans, welche zuvor nur vage angedeutet waren, weiter ausgebaut werden - und auch den (Neben-)Figuren schadet der gemächliche Start definitiv nicht. Allerdings gab es trotz der hochspannenden Ausgangslage im ersten Drittel ein paar kleine Längen für mich, die für ein High-Fantasy-Roman mit einem solchen Seitenumfang und Komplexität nicht erstaunlich sind, mit denen ich aber angesichts des hohen Erzähltempos von Band 1 nicht gerechnet hatte.

“Love is fucking terrifying,” he murmured. “I think that’s true no matter who you are.”

Dafür macht dann aber der Rest der Geschichte wieder übrig wett!!! Genau wie in Band 1 entfaltet die Geschichte durch die die spannungsgeladenen Tropes wie "Enemies-to-Lovers", "Star-Crossed-Lovers", "Forced Proximity", "Fake Marriage" und "The Chosen One" sowie die hohe Handlungsdichte und den magischen Schreibstil der Autorin eine enorme Sogwirkung. Während in Band 1 die Kejari Spiele im Vordergrund standen und für viel Trubel gesorgt haben, bahnt sich hier ein richtiger Krieg zwischen den einzelnen Vampirhäusern an, in den natürlich auch noch die Götter und die Liebe ein Wort mitzureden haben... So entsteht auch hier wieder eine magische und epische Geschichte, die man als Fantasy-Fan einfach lieben muss!

“Oraya didn’t need to be saved. She just needed a soul beside her on the dark walk to her own potential.”

Deutlich besser gefallen als im ersten Teil haben mir die beiden Hauptfiguren. Oraya hat mir schon in Band 1 sehr gut gefallen, da sie alles ist, was was eine moderne weibliche Hauptfigur ausmacht: clever, stark, mitfühlend und reflektiert, mit eigenen Visionen und ohne Bedarf, gerettet zu werden. In diesem Band darf sie nun etwas reifen, ihre Wut und Angst ablegen und entdecken, was darunter verborgen liegt. Besonders toll herausgearbeitet finde ich die Beziehung zwischen ihr und ihrem Vater Vincent, die trotz dass er am Ende des vorangegangenen Teils verstorben ist, nochmal stark in den Fokus rückt. Seinem Erbe auf der Spur muss sie viele Dinge an ihm entdecken, die ihr nicht gefallen, kann aber gleichzeitig kein Monster in ihm sehen und ringt darum, Liebe mit Enttäuschung zu vereinen. Wie die Autorin diesen Konflikt in das sonst bereits sehr volle Buch eingebaut hat, hat mich wirklich beeindruckt!

“All of it was true at once. That he had saved me. That he had crippled me. His selfishness and his selflessness. That he had tried. That he had failed. And that he had loved me, anyway. And I would carry all of that forever, for the rest of my life. And he would still be dead.”


Auch ihr Love-Interest Raihn bekommt hier wie erhofft deutlich mehr Farbe und tritt nun auch zusätzlich zu Oraya als Ich-Erzähler auf. Die beiden Perspektiven wechseln sich nun regelmäßig ab, was der Geschichte und vor allem auch der Romanze (es knistert hier wieder ordentlich!!!) noch mehr Dynamik verleiht. Schön ist auch, dass wir nun zwischen den einzelnen Abschnitten in den "Interludes" einen Blick auf seine Vergangenheit werfen. An den Stellen, an denen wir in Band 1 Schnipsel von Orayas Kindheit lesen konnten, ist nun sein Leben als Mensch, sein Wandlungsprozess und die Jahre bei Neculai dargelegt, die dabei helfen, seinen Charakter noch besser greifen und verstehen zu können. So habe ich ihn nochmal deutlich mehr ans Herz geschlossen und wollte die beiden am Ende am liebsten gar nicht gehen lassen...

“She looked at him like he was the sun. And he looked at her like she was the moon."

Apropos Ende... Der Showdown und die letzten Seiten sind episch, rund und emotional - nach 1200 Seiten ein rundum gelungener Abschluss für die Reihe! Zum Glück muss ich das Universum aber noch nicht ganz verlassen, da die Autorin mehrere Zusatzbände geschrieben hat, in denen zum Beispiel die Geschichten von jeweils Vale und Mische beschrieben sind. Ich werde auf jeden Fall weiter dranbleiben!



Das Urteil


"The Ashes and the Star-Cursed King" bildet einen fesselnden Abschluss der "Crowns of Nyaxia"-Reihe, der mit tiefgründigen Charakterentwicklungen, einer spannungsgeladenen Handlung und einem epischen Finale überzeugt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.08.2024

Wendungsreich, hochspannend, emotional und episch!!!

Crowns of Nyaxia 1: The Serpent and the Wings of Night
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Die zweibändige "Crowns of Nyaxia" Reihe von Carissa Broadbent ist in den letzten Monaten - besonders nach dem Erscheinen der deutschen Übersetzung - in aller Munde gewesen. Witzigerweise habe ich die ...

Die zweibändige "Crowns of Nyaxia" Reihe von Carissa Broadbent ist in den letzten Monaten - besonders nach dem Erscheinen der deutschen Übersetzung - in aller Munde gewesen. Witzigerweise habe ich die Reihe auf die Empfehlung einer Freundin bereits vor dem Hype vor zwei Jahren in der englischen Selfpublishing-Ausgabe gekauft, bin allerdings bis jetzt nicht dazugekommen, sie wirklich zu lesen. Letzte Woche habe ich nun aber endlich angefangen und die Geschichte in wenigen Tagen durchgesuchtet! So wird "The Serpent and the Wings of Night" dem Hype trotz kleinerer Schwächen aus meiner Sicht definitiv gerecht und Figuren, Handlung, Schreibstil sowie die Liebesgeschichte haben mich deutlich mehr überzeugen können als die meisten letzten Hype-Bücher!

Bevor ich darauf eingehe, was die Reihe so mitreißend macht, noch einige Worte zur Gestaltung. Das Cover ist eine detailreiche, typische Fantasy-Gestaltung, die trotz der Herausgabe im Eigenverlag einiges hermacht. Mit glänzend grüner Schlangenhaut, rostigen Dornen, blauen Beeren, Rosen und einer gefährlichen Waffe vor einem hellen Grund wird sofort klar, dass sich die Figuren auf ein gefährliches Terrain begeben. Allerdings finde ich hier ausnahmsweise mal das deutsche Cover des Carlsen Verlags fast schöner, das deutlich düsterer und mit roten Farbakzenten dieselben Motive aufgreift. So oder so ist das Buch aber eine Augenweide und mit zusätzlichen Extras wie einer Karte, einem Glossar und toll ausgestalteten Kapiteltrennern versehen. So wird in sieben großen Überkapiteln "Dusk", "Full Moon", "Waning Moon", "Half Moon", "Crescent Moon", "New Moon" und "Night" eine süchtigmachende Geschichte ausgerollt, der man sich nicht entziehen kann!

Erster Satz: “The king did not know then that his greatest love would also be his ruination - nor that either would come in the form of a tiny, helpless human child.”

Nach einem kurzen Prolog, das einen zu dem Tag mitnimmt, an dem die junge Oraya vom Vampirkönig Vincent adoptiert wurde, steigen wir ohne große Umschweife wenige Tage vor der Kejari - dem gefährlichen Turnier, das ihr Leben für immer verändern wird - in die Geschichte ein. Genau wie viele andere LeserInnen fand ich die Geschichte durchaus von der ersten Seite an spannend, habe mir mit dem Einstieg aber dennoch schwergetan. Da bereits der Beginn sehr actiongeladen ist, bleibt erstmal sehr wenig Zeit für eine ausführliche Einführung in den Alltags der Hauptfigur oder gar eine Erklärung des Worldbuildings. Die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs, das Magiesystem, die Götter und die Struktur der einzelnen Vampirclans werden erst später nach und nach erklärt, während die Kejari Runde um Runde fortschreitet. Dadurch dauert es eine Weile, in die Geschichte hineinzukommen und bis man eine Bindung zu den Figuren aufbaut und das Setting versteht, liest man die Actionszenen, in denen Oraya um ihr Leben kämpft eher halbherzig.

“Hundreds of years later, historians and scholars would look back upon this moment. This decision that, one day, would topple an empire. What a strange choice, they would whisper. Why would he do this? Why, indeed. After all, vampires know better than anyone how important it is to protect their hearts. And love, understand, is sharper than any stake."


Anders als bei der Vielzahl an Fantasy-Romanen leidet "The Serpent and the Wings of Night" also nicht an zu wenig, sondern eher zu viel Spannung zu Beginn. Ist man allerdings nach etwa 100 Seiten im Universum angekommen, dreht sich der Wind und das hohe Erzähltempo und die Handlungsdichte entfalten gemeinsam mit dem magischen Schreibstil der Autorin ihre enorme Sogwirkung. Denn mit dem Enemies-to-Lovers Trope, einem Deal mit einer Göttin, einer magischen Arena, Vampiren als Gladiatoren und schlussendlich einem Kampf um einen Thron verwendet Carissa Broadbent viel zu viele, viel zu vielversprechende Elemente, als dass man die Geschichte als Fantasy-Fan nicht lieben könnte!

“Who needed a gimmick when we were already giving them this? A human, an outcast, a monster. Lovers, forced to turn on each other. A heartbroken mournar rabid for vengeance. It was already a hell of a show.”


Blickt man dabei auf die Anzahl der Tropes ("Star-Crossed-Lovers", "Forced Proximity", "Fake Marriage" und "The Chosen One" sind auch noch irgendwo verbaut), wird klar, dass die Geschichte zwar viele Ideen recycelt, die Autorin schafft es aber, sich von bekannten Erzählelementen zu lösen und eine ganz eigene Geschichte zu erzählen. So erinnern beispielsweise auch die Vampire mit eigener Magie, Flügeln, einer hohen Körpertemperatur und der Möglichkeit, biologische Kinder zu zeugen, weniger an klassische Vampire und eher an Fae. Außerdem ziehen viele RezensentInnen den Vergleich zur "Die Tribute von Panem"-Reihe, da dort ein ähnlich brutaler Überlebenskampf in einer Arena ausgetragen wird, in dem ebenfalls Beziehungen aufgebaut werden, obwohl es nur einen Sieger geben kann. Angesichts der Brutalität und der Grundidee kann ich diesen Vergleich durchaus nachvollziehen, allerdings gibt es in "The Serpent and the Wings of Night" natürlich kein dystopisches System, das die Hauptfigur zum Kampf zwingt und obendrauf eine gute Portion Magie.

“Do you want to change this world, little serpent? Then climb your cage until you are so high no one can catch you. Break its bars and make them your weapons. Nothing is sharper. I know because I did it”


Neben den offensichtlichen Unterschieden zwischen den beiden Reihen steht hier auch die Hauptfigur, deren Schicksal und die Liebesgeschichte viel stärker im Vordergrund als das System. Trotz der kurzlebigen Handlung nimmt sich die Autorin viel Zeit für ihre Figuren, um glaubhafte Beziehungen zwischen ihnen und uns LeserInnen aufzubauen. Oraya ist eine grandiose Hauptprotagonistin, die uns mit ihrer Erzählperspektive in die gefährliche Welt der Vampire mitnimmt. Dabei hat sie alles, was eine moderne weibliche Hauptfigur ausmacht: Sie ist clever, stark, mitfühlend und reflektiert, hat dabei eigene Visionen und braucht vor allem niemanden, der sie rettet!

“I’ve lived through some injustices in the last couple of centuries. Seen some fucking travesties. But one of the biggest, Oraya, is that anyone taught you that you should become anything other than exactly what you are.”


Ihr Love-Interest Raihn spielt währenddessen erst eine Randrolle und braucht 5-7 Werktage, bis er überhaupt als solcher eingeführt wird. Wenn ich sage, die Liebesgeschichte ist mit einem "Slow Burn" nach dem "Enemies-to-Lovers"-Trope gestaltet, dann meine ich also wirklich eine sloooowe Entwicklung, während derer die Figuren für lange Zeit wirkliche Feinde sind. Als es dann allerdings beginnt, zwischen ihnen zu knistern (da sind dann gute 300 Seiten ins Land gegangen), steht ihre Beziehung allerdings auf einer tollen Grundlage, sodass ihre Entwicklung, ihre Chemie und Dynamik einfach riesigen Spaß macht! Etwas mehr von Raihn würde ich zwar gerne noch erfahren, aber das kann ja in Band 2 passieren (vielleicht kriegen wir sogar seine POV, davon würde die Geschichte sicher profitieren)...

“Oraya of the Nightborn,” he murmured. “I give you my body. I give you my blood. I give you my soul. I give you my heart. From this night until the end of nights. From daybreak until our days are broken. Your soul is my soul. Your heart is my heart. Your pain is my pain. I bind myself to you.”


Ebenfalls in Band 2 erhoffe ich mir außerdem weitere Informationen zu den Nebenfiguren. Diese bleiben hier aufgrund des Fokus´ auf die Hauptfigur und die Handlung eher knapp bemessen, haben aber ein enormes Potenzial. Das hat wohl auch die Autorin sofort erkannt, denn es gibt jede Menge Extrabände, die sich als Stand-Alones um die Geschichte von Nebenfiguren wie Mische oder Vale drehen. Nach dem Ende von Band 1 bin ich aber natürlich vor allem gespannt, wie es nun mit Oraya und Raihn weitergeht. Denn dieses hat es für mich nochmal richtig herausgerissen und die Figuren in einer unmöglichen Situation zurückgelassen!!!

“He smelled like the sky. He smelled the way air felt as it rushed around you, freeing and terrifying and the most beautiful fucking thing you’ve ever experienced.”




Das Urteil

Nach einem etwas schwierigen Einstieg drückt "The Serpent and the Wings of Night" das Gaspedal voll durch und überzeugt mit einer wendungsreichen, hochspannenden, emotionalen und epischen Geschichte!!!

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