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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.10.2024

Große historische Fantasy

Verborgene Fabelwesen der Meere
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Eines vorweg: Die Aufmachung von "Verborgene Fabelwesen der Meere" ist schlichtweg atemberaubend (und dabei wenig überraschend, wenn man bedenkt, dass dies natürlich ein wichtiger Teil der Verlagsphilosophie ...

Eines vorweg: Die Aufmachung von "Verborgene Fabelwesen der Meere" ist schlichtweg atemberaubend (und dabei wenig überraschend, wenn man bedenkt, dass dies natürlich ein wichtiger Teil der Verlagsphilosophie von arsEdition ist). Ein wunderschönes zweifarbiges Hardcover, mit geprägtem Silberaufdruck auf edlem Blau, dazu ein Sonderformat, dass man sonst nur von hochwertigen Kunstbildbänden kennt, machen das Buch schon von außen zum idealen Coffee-Table-Dekostück.

Die Gestaltung setzt sich innen qualitativ nahtlos fort - Florian Schäfers fantasievolle Fortsetzung von "Fast verschwundene Fabelwesen" begleitet erneut den Mythozoologen Konstantin O. Boldt im 19. Jahrhundert auf einer unglaublichen Reise in eine Welt voller legendenhafter Kreaturen, diesmal unter der Meeresoberfläche. Seine Abenteuer werden in Schrift und Bild festgehalten, in Tagebucheinträgen formuliert, aber auch mittels alter Karten, detaillierter Zeichnungen und authentisch zurechtgemachter Berichte dokumentiert, die in ihrer Gesamtheit eine fantastische Alternativwelt-Geschichte in einer Vergangenheit erzählen, die unserer zwar historisch weitgehend ähnlich ist, aber durchsetzt ist von den Wesen und Kreaturen aus Mythen und Legenden, mit denen die Menschheit inzwischen gelernt hat, zu koexistieren. Ein Fake-Geschichtsatlas, wenn man so will, aber was für einer: Irgendwo zwischen Jules Verne und modernem Steampunk fabuliert Schäfer, immer in enger Kooperation mit seiner Ausnahmegrafikerin Elif Siebenpfeiffer, von aufregenden Abenteuern auf einer Reise in die letzten unerforschten Winkel der Erde.

Das wirkt aufgrund der gesamten Gestaltung der Erzählung so unfassbar lebendig und bis ins kleinste Detail authentisch, dass man sich als Leser immer wieder dabei erwischt, einfach nur im Buch zu blättern und fasziniert alte Zeitungsausschnitte oder Briefe zu studieren, um immer tiefer in die Geschichte abzutauchen. Eine ganzheitliche Erfahrung, die aus einer schon brillanten Grundidee einen immersiven Trip macht, den man sich wieder und wieder wünscht - bitte mehr davon!

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Veröffentlicht am 23.09.2024

Entschleunigung für alle

Spellshop
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Eins vorweg: Cozy Fantasy, momentan (und sowieso spätestens seit Travis Baldrees "Legends & Lattes") einer der heißesten Trends auf dem Buchmarkt, ist Eskapismus pur, ein Subgenre innerhalb einer literarischen ...

Eins vorweg: Cozy Fantasy, momentan (und sowieso spätestens seit Travis Baldrees "Legends & Lattes") einer der heißesten Trends auf dem Buchmarkt, ist Eskapismus pur, ein Subgenre innerhalb einer literarischen Gattung, die ohnehin schon ihre Leser in fremde und wundervolle Welten entführt. Natürlich ist dieser Trend kein völlig neuer, da auch in der Vergangenheit viele Fantasy-Autoren schon auf Elemente idyllischer Verklärung und Found-Family-Tropes gesetzt haben (etwa Terry Brooks' völlig unterschätzte Landover-Saga) und selbst ein bissiger Humorist wie Pratchett mit seinen Scheibenwelt-Romanen eine ähnliche Herangehensweise nutzte, auch wenn er sie nahezu durchgehend ins Absurde übersteigerte.

Den letzten Anstoß für die aktuelle Beliebtheit des Genres lieferten dann tatsächlich andere Medien, die schon länger mit der Sehnsucht nach Entschleunigung experimentieren und damit bereits wichtige Impulse für das medienübergreifende Phänomen Cottagecore lieferten: Vorreiter waren Videospiele wie das knuffige "Stardew Valley" oder das aus Deutschland stammende "Dorf-Romantik" sowie eine Vielzahl an Mangas und Animes, die mit Serien wie "Spice & Wolf" oder "Laid Back Camp" das sogenannte Slice-of-Life-Genre erst so richtig etablierten. Und natürlich war da auch der literarische Vorreiter Cozy Crime/Cozy Mystery, der nie wirklich aus der Mode kam und vieles von dem vorgemacht hat, was seinen kleinen Fantasy-Bruder auszeichnet: die Idylle einer dörflichen Gemeinschaft, ein vertrauter Alltag, der durch Ereignisse in der Regel nur leicht aus dem Tritt gebracht wird, und ein generell niedriger Konfliktlevel, der schwerwiegende Probleme und existentielle Dramatik weitgehend ausspart.

Mit anderen Worten: Nein, Cozy Fantasy ist nicht zwangsläufig "langweilig".
Cozy Fantasy ist Zen.
Cozy Fantasy ist ein bisschen Meditation.
Cozy Fantasy ist Entschleunigung.
Also keine Angst, das muss so!

Und hier kommt Sarah Beth Durst ins Spiel: "Spellshop" ist die Quintessenz gemütlicher Cozy Fantasy. Kiela ist eine grundsympathische Protagonistin, die nur für ihre Bücher lebt, den Unruhen eines Aufstandes in der Hauptstadt entflieht und zurück auf der heimatlichen kleinen Insel landet, der sie einst entfliehen wollte. Caz ist ihr Sidekick - eine wandelnde Topfpflanze (okay, eigentlich ein Spinnenkraut) mit einigen Neurosen und sehr unterhaltsamen Sprüchen. Und dann ist da noch Larran, der Seepferdzüchter von nebenan. Damit beginnt ein wunderbar entspanntes Abenteuer für Kiela, die erst einmal das alte Haus und den Garten auf Vordermann bringen muss, bevor sie sich ans Marmelade-Kochen und ähnlich beruhigende Tätigkeiten machen kann.

Klingt nicht sehr spannend? Ist es aber. "Spellshop" ist Comfort Food, das Leibgericht in der rustikalen Landküche, die heiße Tasse Kakao vorm gemütlichen Kamin, der laue Sommerabend auf der Terrasse. Zwar kommen später durchaus einige Probleme auf Liera und Caz zu, aber nichts davon ist so bedrohlich, dass es den Leser aus der vertrauten Kuschligkeit herausreißen könnte. Ein gewollter Effekt in diesem Genre, und selbst für Skeptiker eine Erfahrung, die man durchaus mal machen sollte, bevor man sich wieder dem nächsten Thriller zuwendet.

Neben Travis Baldree, T.J. Klune, Sangu Mandanna, Lydia Kang und Rebecca Thorne behauptet sich auch Sarah Beth Durst locker im Spitzenfeld der Cozy-Fantasy-Autoren - mit locker-leichter Schreibe, sympathischen Charakteren und einer großen Portion an idyllischer Wohlfühlatmosphäre ist "Spellshop" die ideale Einstiegsdroge ins Genre: für jung und alt, für gestresste Großstädter und ruhesuchende Urlauber, für Gelegenheitsliteraten und Fantasy-verrückte Vielleser. Entschleunigung für alle. Unbedingt ausprobieren!

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Veröffentlicht am 08.09.2024

Der absolute Goldstandard!

Ich fürchte, Ihr habt Drachen
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Peter S. Beagle ist der Letzte einer aussterbenden Art von Fantasyautoren - ein Sprachkünstler, der eben keine drei bis acht Bände einer Fantasyreihe braucht, um seinen Protagonisten Gewicht zu verleihen. ...

Peter S. Beagle ist der Letzte einer aussterbenden Art von Fantasyautoren - ein Sprachkünstler, der eben keine drei bis acht Bände einer Fantasyreihe braucht, um seinen Protagonisten Gewicht zu verleihen. Im Gegenteil: Auf gerade mal 300 Seiten erschafft er eine Welt, die noch lange im Gedächtnis bleibt, ein sprachlich makelloses Epos, dessen Figuren so prägnant und ausgeformt sind, dass der Leser innerhalb weniger Seiten in ein Universum eingesogen wird, das seinesgleichen sucht. Das war natürlich schon im "Letzten Einhorn" der Fall, jenem Werk , das ihm Weltruhm eingebracht hat, nicht zuletzt aufgrund seiner kongenialen Zeichentrickverfilmung.

Aber selbst 50 Jahre später bleibt Beagle der Goldstandard unter den aktuellen Fantasy-Schreibern - er ist letztendlich der klassisch gebildete Schriftsteller, für den Fantasy nur ein weiterer Tummelort ist, um seine Fantasien in sprachliche Bilder umzusetzen. Er ist einer der wenigen, die bereits kurz nach Tolkien das Genre für sich entdeckt haben, und ähnlich wie seine zeitgenössischen Kollegen (Michael Ende, Ursula K. LeGuin, Michael Moorcock) ist das Genre an sich fast bedeutungslos und nur eine Ablassader für überbordende Schreiblust und großartiges Talent. Auch "Ich fürchte, Ihr habt Drachen" ist, auf sich selbst reduziert, nur eine kleine Geschichte in einer märchenhaften Welt, aber Beagle macht aus seiner recht knuffigen Prämisse keine moderne Meta-Fabel, sondern bleibt dem klassischen Erzählschema so treu, dass man sich wünscht, die Geschichte möge niemals enden. Eine wunderbar altmodische Rückkehr zu den Wurzeln der Fantasy, geschrieben von einem, der es wissen muss wie kein zweiter. Ein absoluter Home Run für den Klett-Cotta-Verlag!

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Veröffentlicht am 18.08.2024

Wirklich magisch

Die unendliche Reise der Aubry Tourvel
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Die junge Aubry Tourvel ist noch keine zehn Jahre alt, als eine rätselhafte Krankheit sie dazu zwingt, alle paar Tage ihren Aufenthaltsort zu ändern. Bleibt sie länger, als die Zeitspanne es erlaubt, wird ...

Die junge Aubry Tourvel ist noch keine zehn Jahre alt, als eine rätselhafte Krankheit sie dazu zwingt, alle paar Tage ihren Aufenthaltsort zu ändern. Bleibt sie länger, als die Zeitspanne es erlaubt, wird sie sterben. Viele Jahre später erzählt sie ihre Geschichte auf einem Flussdampfer in Siam und entfaltet vor uns einen abenteuerlichen Bilderbogen der bekannten (und weniger bekannten) Welt im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert.

Douglas Westerbekes Debütroman wird seine Leserschaft sicherlich in zwei Lager spalten, denn "Die unendliche Reise der Aubry Tourvel" ist weder konsensfähiger Romantikkitsch noch (archetypische) Fantasy, sondern tatsächlich ein Rücksturz in die klassische Abenteuerliteratur vom Schlage eines Jules Verne oder Conan Doyle - im Vordergrund steht die Lust an der Entdeckung, die Begegnung mit Menschen und das Staunen über all die Merkwürdigkeiten einer damals noch nicht vollständig erschlossenen Welt. Aubrys "Krankheit" ist dabei nur das Vehikel, das ihre Geschichte transportiert, eines von diversen Elementen des magischen Realismus in diesem Roman. Das muss man mögen und akzeptieren, denn die Handlung an sich entwickelt wenig Drang nach vorn und unterwirft sich Westerbekes unbedingtem Willen zu dichter Atmosphäre und seinem schon als Drehbuchautor angeeignetem Talent für faszinierende Figuren. So lässt man sich denn angenehm altmodisch treiben durch diesen Entdecker-Roman und genießt die Reise entlang der 460 Seiten. Definitiv kein Buch für Menschen mit sehr festgelegtem Geschmack oder den üblichen Erwartungen ans Genre, dafür aber ein liebevoll aufgemachtes Schmuckstück (mit grandiosem Coverartwork!) zum Immer-wieder-abtauchen. Sowas gibt es heutzutage viel zu selten, und daher mit vollem Recht beide Daumen nach oben für Aubry Tourvels fantastische Reise durch die Welt! Wunderschön ...

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Veröffentlicht am 19.05.2024

Kuschelfantasy deluxe!

Bücher und Barbaren
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Eigentlich lebt die Söldnerin Viv für den Rausch der Schlacht, doch mit Krieg und Kämpferei ist es für den Moment vorbei, nachdem sie bei einem Scharmützel mit magischen Skeletten den Kürzeren zieht. Mit ...

Eigentlich lebt die Söldnerin Viv für den Rausch der Schlacht, doch mit Krieg und Kämpferei ist es für den Moment vorbei, nachdem sie bei einem Scharmützel mit magischen Skeletten den Kürzeren zieht. Mit dem Versprechen, sie bald wieder abzuholen, setzt ihr Trupp die Orc-Kriegerin zur Genesung in einer idyllischen Kleinstadt am Meer ab - und Viv könnte sich an diesem beschaulichen Ort nicht stärker langweilen. Doch dann stolpert sie über die Bücherei der Rättin Fern und Maylees Bäckerei und lernt eine ganz neue Sichtweise auf die Dinge kennen. Schon bald will sie gar nicht mehr wirklich weg ...

Mit "Magie & Milchschaum", dem ersten Teil seiner Saga um die Kriegerin Viv, gab Travis Baldree dem Genre Cozy Fantasy auf Anhieb ein neues, erfolgreiches Gesicht. Und so folgt natürlich auch "Bücher & Barbaren", sein zeitlich vor dem Auftakt angesiedeltes Prequel, der altvertrauten Formel, die sich dank Baldrees meisterhaftem Sinn für reichlich Atmosphäre so kuschlig anfühlt wie ein jahrelang getragener Lieblings-Wollpullover. Schnell schließt man die skurrilen Charaktere und ihre alltäglichen Sorgen ins Herz und lässt sich fallen in eine Fantasywelt, in der man sich uneingeschränkt wohlfühlen kann. Und wer hier zu wenig Inhalt und Konflikt bemängelt, hat schlicht den Sinn des Genres Cozy Fantasy (alternativ und hier auch recht zutreffend als "Cottagecore" bezeichnet) noch nicht verinnerlicht.

Fantasy war schon immer eine der eskapistischsten Literaturgattungen überhaupt. Cozy Fantasy steigert dieses Verlangen nach einer Flucht in andere Welten nun noch einmal mehr, indem sie den Wohlfühlfaktor in den Vordergrund stellt (ähnlich wie die berühmten britischen Cozy Crimes das mit schrulligen Ermittler:innen und beschaulichen Dörfchen tun, in denen Verbrechen nur ein lästiges Hindernis auf dem Weg zum nächsten Kaffeeklatsch sind). Wer also im "Herrn der Ringe" immer schon die Dorfgeschichten im Auenland am spannendsten fand, bei "Harry Potter" die Ausflüge in die Winkelgasse und nach Hogsmeade genossen hat und am Computer stundenlang in den Spielewelten von "Animal Crossing" oder "Stardew Valley" abtaucht, für den ist "Bücher & Barbaren" ein ganz klarer Fall - unbedingt lesen! Die Kenntnis des Vorgängers, der zeitlich ohnehin Jahre nach der hier geschilderten Handlung spielt, ist zwar nicht zwingend erforderlich, aber unabhängig davon ist auch dieser mindestens genauso zu empfehlen. Travis Baldree hat sich mit den Geschichten um Viv zu Recht zum unangefochtenen König der Kuschel-Fantasy aufgeschwungen - dieses Buch macht süchtig!

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