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Veröffentlicht am 28.10.2024

Wer ist Grace Turner?

Das Comeback
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Grace Turner, Teenie-Star, dessen Ruhm nach Ansicht von Able Yorke, der sie entdeckte, einzig und allein auf seiner Arbeit mit ihr beruht, kämpft sich nach einer einjährigen Auszeit zurück in die Glitzerwelt ...

Grace Turner, Teenie-Star, dessen Ruhm nach Ansicht von Able Yorke, der sie entdeckte, einzig und allein auf seiner Arbeit mit ihr beruht, kämpft sich nach einer einjährigen Auszeit zurück in die Glitzerwelt Hollywoods, wird dabei aber von ihren Dämonen, die im Missbrauch ihres Gönners wurzeln, immer wieder heimgesucht. Trotz der erlittenen Erniedrigungen und Verunsicherungen gibt sie nicht auf und erkennt dabei mehr und mehr, wer sie eigentlich ist.

Ella Bermans Roman berichtet in klaren und präzisen Worten von Graces Leiden in der Vergangenheit und von ihrem beschwerlichen Weg zu einer stärkeren, selbstbewussteren jungen Frau. Dies gelingt ihr ohne einen Hauch von Gefühlsduselei, der Stil ist sachlich und zurückgenommen und beeinflusst auch sehr nachhaltig, wie der Leser Grace wahrnimmt. Denn bei aller Sympathielenkung zugunsten der Protagonistin, bleibt das Mitleid glücklicherweise doch auf der Strecke – Grace selbst verfällt ebenfalls nicht in passive Schuldzuweisung (obwohl dies absolut verständlich wäre), sondern übernimmt die Kontrolle und geht ihre Situation und die Bewältigung ihres Traumas aktiv und überlegt an – dies ist sehr mitreißend, überzeugend und inspirierend dargestellt. Graces Entwicklung liest sich fast wie ein Krimi, zumal die Autorin es versteht quasi mittendrin zu sein, wie Grace ist sich auch der Leser nicht immer sicher, was der nächste Schritt sein wird, welche Optionen ihr offen stehen. Gleichzeitig ist es beeindruckend zu erkennen, wie weltfremd jemand sein kann, der zu früh in den Ruhm gedrängt wurde.

In der Konzeption seiner Protagonistin ist der Roman sehr stark, aber auch in der Auswahl seiner feinen Bilder und Metaphern hat er mir sehr gut gefallen, weil er Subtexte ermöglichte und Interpretationen zuließ, die sich nicht aufdrängten, bei genauer Betrachtung aber Graces Geschichte ergänzten. Auch auf der literarischen Ebene hat der Roman also etwas zu bieten.

Eine weitere Stärke des Textes ist darüber hinaus sicherlich auch der Umstand, dass er, trotz der Tatsache, dass es sich um ein sehr aktuelles und präsentes Thema handelt, sich eines didaktischen Ansatzes entzieht, was wiederum auch dem genannten reduzierten Stil und der Nüchternheit mit der Emotionen beschrieben werden, zu verdanken ist.

Ich habe den Roman sehr gerne und mit viel Spannung gelesen.

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Veröffentlicht am 23.09.2024

Warten auf den Frieden

Und später für immer
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Das Kriegstagebuch seines Großvaters inspirierte Volker Jarck zu „Und später für immer“ – dieser Umstand verleiht dem Roman noch eine zusätzliche faszinierende Note, dabei ist er auch so schon sehr gelungen. ...

Das Kriegstagebuch seines Großvaters inspirierte Volker Jarck zu „Und später für immer“ – dieser Umstand verleiht dem Roman noch eine zusätzliche faszinierende Note, dabei ist er auch so schon sehr gelungen. Im Gegensatz zu vielen Romanen, die im Zweiten Weltkrieg angesiedelt sind, setzt sich dieser Roman nur ganz am Rande mit dem politischen Geschehen auseinander, stattdessen betrachtet die letzten Kriegsmonate aus der Sicht eines einfachen Soldaten, der das Ende der Kämpfe nicht abwarten will, sondern bereits Wochen vorher die Flucht wagt. In der Scheune von Verwandten hält er sich versteckt, wird aber schon bald von der Nachbarstochter Frieda entdeckt und gerät in eine unkomfortable Abhängigkeit von ihr.

Oberflächlich betrachtet passiert in diesem Roman eigentlich nicht viel, denn eigentlich verschwimmen die Tage des desertierten Johann Meinert zu einer einzigen Masse des Wartens, geprägt von Furcht, Bangen, Hoffen, latenter Bedrohung und Einsamkeit. Jarck gelingt es jedoch diese Eintönigkeit durch die Figur der für ihr Alter recht undurchsichtigen Frieda zu durchbrechen. Obwohl auch die Zahl der Begegnungen zwischen Johann und Frieda überschaubar sind, entwickelt sich durch ihre Anwesenheit eine Dynamik und eine Spannung, die den Lesefluss bestimmen. Der eigentliche Handlungsstrang dieser eigenwilligen Beziehung wird durch zahlreiche Rückblicke unterbrochen. Diese sind nicht chronologisch angeordnet, aber Jarck versteht es diese vielen kurzen Einschübe mit zeitlichen Markierungen und so viel erzählerisch überzeugender Genauigkeit zu versehen, dass man an keiner Stelle die Orientierung verliert. Für mich sind es gerade diese Erinnerungen und Einblicke in Johanns Geschichte, die den Roman mitreißend und bedeutsam gemacht haben. Die Hilflosigkeit, das Grauen des Krieges und der Traum vom Frieden werden kitschfrei und überzeugend transportiert, man ist ohne Gefühlsdusel ganz nah dran am Seelenleben des Feldwebels Johann Meinert und kann sich sehr gut vorstellen, was die Ungewissheit, die Angst vor dem Tod und die Unausweichlichkeit der ungewollten Pflichten sowie die Unkenntnis des zeitlichen Rahmens für die Psyche eines Menschen bedeutet haben mögen.

„Und später für immer“ ist ein ruhiger, leicht melancholischer Roman, in dem die konkrete Gefahr der Entdeckung mit wenigen Ausnahmen nur als Hintergrundrauschen wahrnehmbar ist. In seiner Figurenzeichnung ist er norddeutsch reduziert – bis auf Johann durchdringt man keinen der Charaktere, denn Wortkargheit bestimmt die Dialoge. Gut zu lesen und angenehm geschrieben, gewährt der Roman eine eher seltene Perspektive auf eine besondere Form von Mut und Tapferkeit, die ich sehr gern gelesen habe.

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Veröffentlicht am 01.09.2024

Die Qual der Wahl

Ehemänner
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Lauren, Single, Londonerin, entdeckt nach dem feucht-fröhlichen Junggesellinnenabschied ihrer besten Freundin einen fremden Mann in ihrer Wohnung, der angibt, ihr Ehemann zu sein. Lauren ist zutiefst verwirrt, ...

Lauren, Single, Londonerin, entdeckt nach dem feucht-fröhlichen Junggesellinnenabschied ihrer besten Freundin einen fremden Mann in ihrer Wohnung, der angibt, ihr Ehemann zu sein. Lauren ist zutiefst verwirrt, vor allem als sie bemerkt, dass, nachdem der Ehemann auf den Dachboden gestiegen ist, sie unmittelbar mit einem neuen Modell konfrontiert wird. Das System ausnutzend, tauscht sich Lauren fortan durch eine gewaltige Anzahl von Ehemännern, die allesamt unterschiedliche Auswirkungen auf ihr Leben mit sich bringen: von der Wohnungseinrichtung über die Gartengestaltung bis hin zu Frisur und Bankkonto oder Gesundheitszustand - jedes Mal, wenn Lauren einen Ehemann auf den Speicher schickt, wird quasi ihr persönlicher Reset-Knopf gedrückt.

Holly Gramazio ist ein ungemein unterhaltsamer Roman gelungen, der bei aller Heiterkeit auch sehr viele ernste Untertöne enthält, denn er wirft, wie so treffend von Autorin Gabrielle Zevin auf dem Buchrücken formuliert, immer wieder die Frage auf, "wie wir heutzutage leben." Im Grunde ist "Ehemänner" die überdrehte Form der Dating-Apps und denkt die grenzenlosen Auswahlmöglichkeiten und schiere Überforderung, die uns jeden Tag in unserer digitalen Welt entgegenschlägt, zu Ende. Laurens beständiges Streben nach dem "nächsten besten Mann", was dazu führt, dass potenzielle Partner schon nach wenigen Sekunden Begutachtung wieder ausgetauscht werden, hat etwas Rastloses, aber auch sehr Komisches. Gleichzeitig thematisiert der Roman so auch die zeitlose Unzufriedenheit der Menschheit und die Unruhe, die Entscheidungen vorausgeht.

Lauren als Figur muss sich in immer wieder neuen Szenarien zurechtfinden, immer wieder erschließen, wer sie in dieser Version ihres Lebens ist, was sie mag, welches Bild sie ihrem Ehemann und ihrer Umgebung vermittelt hat. Nur selten schafft sie es für längere Zeit an der Seite eines Mannes etwas zur Ruhe zukommen und wenn dies der Fall ist, setzt sie sich recht gründlich mit sich selbst auseinander und mit den Motiven, die dazu geführt haben, ausgerechnet bei diesem Menschen für eine Weile vor Anker zu gehen. Interessanterweise werden dabei zwar Facetten ihres Ichs ausgeleuchtet, aber dennoch bleibt Lauren in ihrer Zeichnung immer etwas vage - dass die Männer nur äußerst oberflächlich gezeichnet werden, versteht sich von selbst.

Die Geschichte selbst hat mich trotz einiger Längen sehr gefesselt. Zwar weiß man eigentlich die ganze Story über nicht, wo Laurens Entwicklung hingeht und wie die Autorin den Roman über die Ziellinie bringen will - dass sie dies dann schlussendlich mit einem hohen Maß an Spannung und Überzeugungskraft schafft, hat allerhöchsten Respekt verdient, denn das Jonglieren mit den Männern und anderen Vernetzungen ist nicht ohne.

"Ehemänner" ist definitiv keine RomCom und kein Wohlfühlroman, aber ein sehr flüssig geschriebener und wendungsreicher Unterhaltungsroman, der mehr Tiefe aufweist, als man bei einem Blick auf den Kaninchenreigen auf dem Cover vermuten würde - eine Leseempfehlung, wenn man sich auf ein fantastisch anmutendes Lifestyle-Experiment einlassen möchte und dafür keine extrem sympathische und mitreißende Heldin benötigt.

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Veröffentlicht am 13.12.2023

Mit Marlene Dietrich auf einer Insel im Schnee

Mit dem Schnee kommt der Tod
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„Mit dem Schnee kommt der Tod“ und ganz viel klassisches Krimi-Lesevergnügen. Nicola Upson lässt den Leser im Weihnachtsfall ihres Ermittlers Archie Penrose auf eine winzige Insel vor der Küste Cornwalls ...

„Mit dem Schnee kommt der Tod“ und ganz viel klassisches Krimi-Lesevergnügen. Nicola Upson lässt den Leser im Weihnachtsfall ihres Ermittlers Archie Penrose auf eine winzige Insel vor der Küste Cornwalls reisen. Die im Jahr 1938 angesiedelte Handlung wird von den Schatten des Weltgeschehens begleitet, denn die Burgherrin von St. Michael’s Mount hat gegen Spendengelder, die jüdischen Kindern die Flucht aus Deutschland ermöglichen sollen, fremde und bekannte Gäste zum Weihnachtsfest geladen, darunter auch Marlene Dietrich. Was nun folgt, ist ein formvollendetes „Locked-Room“-Mystery in bester Golden-Age-Tradition, denn St. Michael’s Mount wird durch einen Schneesturm vom Festland abgeschnitten, kurz darauf werden zwei Tote entdeckt: der Mörder kann also nur einer der Bewohner oder Gäste der Insel sein.

Das Personal des Romans ist aufgrund dieser Ausgangslage begrenzt, aber Nicola Upson gelingt es famos, ihre Figuren verdächtig erscheinen zu lassen, falsche Fährten zu legen und so den Leser zum Miträtseln zu animieren. Die Tatsache, dass einige der Figuren, wie Marlene Dietrich, die Gastgeberin Hilaria St. Aubyn und Penroses gute Bekannte, die Krimiautorin Josephine Tey, auf realen Persönlichkeiten beruhen, ist ein zusätzlicher Bonus. Über Tey ist sehr wenig bekannt, was Nicola Upson relativ viel Freiheiten lässt, aber auch im Fall von Marlene Dietrich gelingt ihr eine überzeugende Einbettung in den Roman, in dem sie sich auf verbriefte Eigenschaften als Grundlage für Dietrichs Verhalten stützt. Insgesamt hätte ich mir vielleicht ein bisschen mehr Balance in den Aktionen gewünscht, so gibt Josephine zwar hilfreiche Hinweise, hat aber im Vergleich zum Ermittler Penrose nur eine Nebenrolle.

Der sehr flüssig erzählte Roman – das erste Kapitel der 1938 spielenden Handlung zieht einen schon nach ein paar Sätzen völlig in das Geschehen, sodass man sofort Lust hat, weiterzulesen – hält handlungstechnisch die Spannung konstant hoch, besonders auch weil der Auftakt, ein Mordabend am Weihnachtsfest des Jahres 1920, bei der Lektüre konstant mitschwingt und man fortwährend versucht, diesen rätselhaften Fall mit den Ereignissen von 1938 in Beziehung zu setzen. Glücklicherweise ist die Verbindung nicht klar zu erkennen und so offenbart sich des Rätsels Lösung zwar nicht ganz am Ende, aber es braucht schon einige Zeit bis man als Leser eine tragfähige Theorie entwickelt hat, zumal die Handlung mit einigen „red herrings“ (aber leider auch einem mir immer noch Rätsel aufgebenden losen Ende in der Mitte des Buches) aufwartet.

„Mit dem Schnee kommt der Tod“ ist ein sehr empfehlenswerter Krimi mit allen Elementen, die zu einem klassischen Kriminalroman dazugehören. Ein großer Rätselspaß für Agatha-Christie-Fans mit viel weihnachtlich-winterlicher Atmosphäre, einem einzigartigen Setting und Bezug zu realen Persönlichkeiten.

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Veröffentlicht am 04.12.2023

Weihnachtliche Winter-RomCom

Zwischen Herzklopfen und Schneegestöber
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Einen passenderen Titel als „Zwischen Herzklopfen und Schneegestöber“ kann es für die weihnachtliche Liebeskomödie von Rebecca Schulz kaum geben, denn beide Substantive sind in diesem Roman Programm. Mit ...

Einen passenderen Titel als „Zwischen Herzklopfen und Schneegestöber“ kann es für die weihnachtliche Liebeskomödie von Rebecca Schulz kaum geben, denn beide Substantive sind in diesem Roman Programm. Mit seinem extrem hohen Cosiness-Faktor, dem unter anderem mit den (zum Glück) nur sehr am Rand auftretenden kuscheligen tierischen Freunden, den Alpakas und Schafen, gefrönt wird, passt die Liebesgeschichte perfekt in die winterlich-weihnachtliche Jahreszeit. Hier wird norddeutsch deftig mit Rosenkohl, Grünkohl oder auch mit brauner Soße geschlemmt, ständig gibt es Kuchen, Kekse und Getränke, es ist wohlig warm oder auch idyllisch verschneit und die Familie hält trotz aller Schwierigkeiten stets zusammen. Allein diese Gemengelage macht den Roman schon zum perfekten Wohlfühltext, der auch dann Weihnachtsstimmung zu wecken vermag, wenn man selbst glaubte, noch gar nicht so weit zu sein.

Marie, Mitte Vierzig, beherrscht als Ich-Erzählerin und Protagonistin das Geschehen. Trotz ihrer offensichtlichen Schwäche für Esoterik und des etwas zu stark gezeichneten Minderwertigkeitskomplexes muss man sie einfach gernhaben. Sie gerät einfach immer wieder in sehr lustige und komische Situationen, die von der Autorin mit viel Humor und gutem Timing geschildert werden. Marie redet sich um Kopf und Kragen und schätzt – obwohl sie Paartherapeutin ist – die Lage wiederholt falsch ein, was für sehr viel Spaß beim Lesen sorgt.

Insgesamt ist der Roman herrlich leicht und unterhaltsam geschrieben, die Szenen sind lebhaft und kurzweilig und die Figuren – trotz der Stereotypen, die mit dem Genre einhergehen – zum größten Teil sympathisch und liebenswert. In der Tat gelingt es der Autorin ihrem Text soviel Lebendigkeit einzuhauchen, dass man beinahe einen Film vor Augen ablaufen hat. Und apropos Film: „Zwischen Herzklopfen und Schneegestöber“ wäre die ideale Drehbuchgrundlage für einen ZDF-Herzkino-Film, denn so viel geballte Weihnachtsstimmung, Winteratmosphäre, Komik und Romantik auf so amüsante und angenehme Art präsentiert - das gibt es selbst da selten.

Der Roman ist ein Lesetipp für die Vorweihnachtszeit, eine Feelgood-Komödie voller Genussmomente, die, wenn man über das ein oder andere bediente Klischee oder auch ein paar glühende Wangen zu viel hinwegsehen kann, leichte und charmante Unterhaltung im besten Sinne und mit wirklich allem, was man von einer weihnachtlichen RomCom erwartet, bietet.

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