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Veröffentlicht am 25.01.2022

Bunt, laut, schräg

Milch Blut Hitze
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“Milch Blut Hitze” ist das Debüt der jungen amerikanischen Autorin Dantiel W. Moniz. In elf Erzählungen widmet sie sich Themen wie dem Erwachsenwerden, der Ehe oder auch gestörten Familienbeziehungen. ...

“Milch Blut Hitze” ist das Debüt der jungen amerikanischen Autorin Dantiel W. Moniz. In elf Erzählungen widmet sie sich Themen wie dem Erwachsenwerden, der Ehe oder auch gestörten Familienbeziehungen. Es sind dabei die Figuren, die Moniz in den Vordergrund stellt und die sie ihre ganz eigenen Wege gehen lässt. Sie brechen häufig aus, befreien sich aus engen Strukturen und haben den Mut zur Rebellion.

Dem Einzelnen, dem Individuum wird Raum gewährt, denn Moniz weiß das Innerste ihrer Figuren nach Außen zu kehren. Sie dringt in die Psyche und in das Unterbewusstsein ein und lässt das, was unter der Oberfläche schlummert, sichtbar werden. Das Erzählte wirkt dann oft bizarr, grotesk und dekadent. Der Tod und der Verlust werden außerdem wie ein roter Faden durch den Band geführt.

Die erste Erzählung, die dem Buch den Titel leiht, dient als Paukenschlag und ist tonangebend. Sie folgt zwei heranwachsenden Mädchen, die ihren Platz in der Welt finden wollen, das Leben so nah wie möglich spüren wollen und gleichzeitig fasziniert sind vom Tod.
Ein weiteres Highlight ist die Erzählung “Zungen”, in der ein junges Mädchen anfängt, sich kritische Gedanken über die Kirche zu machen. Ihr wird bewusst, dass das Zusammenkommen in der Kirche durch Hierarchien und Machtpositionen bestimmt ist, dass sie von den Männern angeblickt werden darf, aber selbst nicht zurückschauen darf. Ihr Hinterfragen bleibt nicht unentdeckt und hat Konsequenzen.

In weiteren Geschichten erzählt Moniz von einem Bruder und einer Schwester, die sich Jahre nicht gesehen haben und jetzt die Asche des Vaters gemeinsam verstreuen sollen, von einer Tochter, die bei der Großmutter aufwächst und sich nach der Mutter sehnt oder auch von einer Frau, die unsicher ist, ob sie abtreiben soll oder nicht.

Wie es so oft bei Erzählbänden der Fall ist, vermögen nicht alle Geschichten gleichermaßen zu überzeugen. Der Erzählung “Exoten” beispielsweise mangelt es an Tiefe und sie wirkt eher wie ein Lückenfüller. Doch das bleibt in “Milch Blut Hitze” glücklicherweise eine Ausnahme.

Dantiel W. Moniz ist eine neue Stimme in der Gegenwartsliteratur, die klar ertönt. Ihre Geschichten sind durchaus so bunt, wie das Cover suggeriert. Sie machen Lust auf mehr und deshalb ist Moniz’ Name einer, der im Gedächtnis bleiben sollte.

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Veröffentlicht am 17.01.2022

Unter der römischen Sonne

Der letzte Sommer in der Stadt
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Es sind die siebziger Jahre. Leo Gazzarra ist aus Mailand nach Rom gekommen. Er arbeitet als Journalist, ohne dass die Arbeit ihm etwas bedeuten würde. Er lebt in den Tag hinein, ist immer pleite, lässt ...

Es sind die siebziger Jahre. Leo Gazzarra ist aus Mailand nach Rom gekommen. Er arbeitet als Journalist, ohne dass die Arbeit ihm etwas bedeuten würde. Er lebt in den Tag hinein, ist immer pleite, lässt in den Bars anschreiben oder isst bei seinen reichen Freunden. Zusammen mit seinem Freund Graziano schreibt er ein Drehbuch, das nie verfilmt wird. Seine Liebe gilt Arianna, doch wirklich glücklich wird er mit ihr nicht.

“Der letzte Sommer in der Stadt” ist eines dieser Bücher, das seine ganz eigene Magie entwickelt. Vielleicht liegt es am dekadenten Rom, das Gianfranco Calligarich so eindrücklich heraufbeschwört und das seine Bewohner gleichzeitig abstößt und nicht loszulassen scheint. Doch da ist noch mehr, eine Art Melancholie und ein Sehnen nach etwas Unbestimmtem, die von Anfang an in der Luft liegen und eine Faszination auf den Leser ausüben.

Leo Gazzarras Leben zeichnet sich durch Haltlosigkeit, Unrast und Überdruss aus, durch eine Dolce Vita, die ins Gegenteil umschlägt und in durchqualmten Abenden, Alkoholexzessen, Augenringen nach schlaflosen Nächten und verkaterten Morgen endet. Es scheint, als wäre Gazzarra in seinem eigenen Leben nicht tief genug verankert, als versuche er, die Einsamkeit, die Distanz mit Alkohol zu übertünchen. Was am Ende bleibt, ist der Hunger nach etwas Wirklichem, nach Nähe und Liebe, die sich als unerreichbar entpuppen.

“Übrigens läuft das immer so. Da tut einer alles, um sich rauszuhalten, und dann findet er sich eines schönen Tages, ohne zu wissen, wie, in einer Geschichte wieder, die ihn schnurstracks ans Ende bringt.”

Dem Protagonisten haftet etwas Fatalistisches an. Das kommt bereits zu Beginn zum Ausdruck: “Damit das gleich klar ist, ich bin auf niemanden sauer, ich hatte meine Karten, und ich habe sie gespielt. So viel dazu.” In solchen Sätzen schwingt nicht nur ein einzelnes Schicksal mit, sondern auch die Entzauberung und Ausweglosigkeit einer Generation, deren Väter sich auf den Schlachtfeldern Europas umgebracht haben. Ihre Söhne sind “Überlebende des Gemetzels, und alles, was wir tun könnten, sei, uns mit den Resten zu begnügen”.

Calligarich schreibt fließend, bildhaft, greifbar. Die filmischen Vergleiche, die der Verlag anführt, scheinen durchaus angebracht, denn Gazzarras Leben setzt sich aus einzelnen Szenen zusammen, die ineinander übergehen, ohne zu haken, ohne zu stocken. Er durchfährt die Stadt mit seinem alten Alfa Romeo, bewegt sich von einem Ort zum anderen, wie in schwarz-weiß, wie vor den Augen einer aufmerksamen Kamera. Das Erzählte wirkt dabei jedoch stets zeitlos. Die Geschichte könnte auch jetzt spielen, gestern oder morgen.

“Der letzte Sommer in der Stadt” ist ein großer Roman, der zu überzeugen vermag, im Deutschen auch dank der gelungenen Übersetzung von Karin Krieger.

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Veröffentlicht am 06.10.2021

Über die Machtlosigkeit der im Recht Stehenden

Wie schön wir waren
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Das kleine afrikanische Dorf Kosawa leidet unter der Umweltverschmutzung, die durch die Ölförderung entsteht. Das Grundwasser ist verseucht und Fische gibt es in den Flüssen längst nicht mehr. Die Böden ...

Das kleine afrikanische Dorf Kosawa leidet unter der Umweltverschmutzung, die durch die Ölförderung entsteht. Das Grundwasser ist verseucht und Fische gibt es in den Flüssen längst nicht mehr. Die Böden haben sich mit Öl vollgesogen und riesige Landflächen wurden gerodet. Außerdem ist die Luft voll Rauch und Ruß, die Menschen husten und besonders die Kinder erkranken schwer und sterben häufig.
Jahrelang hat die amerikanische Ölfirma Pexton den Dorfbewohnern versprochen, dass Wohlstand und Reichtum bei ihnen Einzug halten werden und dass es Jobs geben werde. Doch nichts davon ist eingetreten.

Als wieder zwei Vertreter von Pexton und der Regierung das Dorf besuchen, um zu vertrösten und zu beschwichtigen, wird es den Bewohnern zu viel. Sie halten die Männer gefangen. Das ist der Beginn eines Kampfes, der Jahre andauern wird, Menschenleben fordern und von der Wut der Ausgebeuteten getragen wird.

Es sind die Stimmen unterschiedlicher Dorfbewohner, die den Roman zusammenhalten. Da ist zunächst Thula, ein junges Mädchen, dessen Vater umgebracht wurde, weil er gegen die Ölfirma ankämpfen wollte. Thula kann in den USA zur Schule gehen, wird dort zur Aktivistin und unterstützt aus der Ferne die Dorfbewohner in ihrem zivilen Ungehorsam.
Doch auch ihre Mutter, ihr Onkel und ihre Großmutter erzählen von ihren Verlusten, ihren Schmerzen, ihrer Trauer. Ebenso wie die Kinder des Dorfes. Es ist dieses Mosaik aus Stimmen, aus Schicksalen und Lebenswegen, das die erzählerische Struktur dieses Romans bildet.

“Wie schön wir waren” ist ein Roman über die Machenschaften des Westens, über die Ausbeutung Afrikas, die mit der Sklaverei angefangen hat und heutzutage mit der Skrupellosigkeit der westlichen Unternehmen, die Rohstoffe abbauen, mit der Missachtung jeglicher Menschenrechte und mit der Unterstützung von korrupten Regierungen fortgesetzt wird. So ist auch der Machthaber im Roman ein Diener des Westens, der durch die „Leichtigkeit, mit der er andere abgeschlachtet“ hat, politische Ämter zugeteilt bekommen hat. Er befehligt ein Militär, dass sich nicht davor scheut, Massaker anzurichten. Und so sind die Dorfbewohner in jeder Hinsicht Willkür und Gewalt ausgesetzt.

Imbolo Mbues Roman liest sich wie eine Chronik von Ereignissen. Er verliert sich nicht in Emotionen, sondern wirkt eher beschreibend und darstellend. In sich ist er stimmig und die Autorin hat für sich sicher den richtigen Ton gefunden, um diese Geschichte des Widerstands gegen die Übermacht zu erzählen. Lesenswert ist der Roman allein schon wegen seiner wichtigen Themen und der Ereignisse, die er beschreibt.

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Veröffentlicht am 08.10.2024

Vorlesebuch für Kuschelkids

Kuscheln
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"Kuscheln" von Angelika Huber-Janisch ist ein Vorlesebuch für Kinder ab 4 Jahren, in dem unterschiedliche Tierarten vorgestellt werden.

Die Tierkinder berichten von ihren Eltern, ihrem Lebensraum und ...

"Kuscheln" von Angelika Huber-Janisch ist ein Vorlesebuch für Kinder ab 4 Jahren, in dem unterschiedliche Tierarten vorgestellt werden.

Die Tierkinder berichten von ihren Eltern, ihrem Lebensraum und ihren Gewohnheiten. So lernen die jungen Zuhörer*innen Wissenswertes über Koalas, Löwen, Pinguine, Wildbienen und zahlreiche andere Tiere. Der rote Faden ist dabei das Kuscheln. Die Illustrationen von Maria Over orientieren sich ebenfalls an dem Thema. Hervorzuheben ist das große Format des Buches, durch das die Illustrationen gut zur Wirkung kommen.

Ein kleiner Kritikpunkt: Das Cover erweckt mit seinem flauschigen Textileinsatz eher den Eindruck, als würde sich das Buch an ein jüngeres Publikum richten. Das ist aber nicht der Fall, denn die Texte sind relativ lang und informativ.

Deshalb: Für das richtige Publikum ist es ein tolles Vorlesebuch!

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Veröffentlicht am 23.09.2024

Tolles Debüt

Unter Dojczen
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“Wenigstens Zigaretten waren in Polen noch billiger als in Deutschland. Und Menschen natürlich.... Das war der einzige Grund, warum sie hier erwünscht war: Sie war ein beliebtes, weil billiges Importprodukt.”

Jola ...

“Wenigstens Zigaretten waren in Polen noch billiger als in Deutschland. Und Menschen natürlich.... Das war der einzige Grund, warum sie hier erwünscht war: Sie war ein beliebtes, weil billiges Importprodukt.”

Jola sitzt in einem Bus, der sie nach Deutschland bringt. Sie wird Uschi, eine Seniorin, die an Rheuma leidet, im Alltag unterstützen. Es ist für Jola nicht das erste Mal, dass sie als Betreuerin von deutschen SeniorInnen arbeitet. Die Erfahrungen, die sie gemacht hat, waren teilweise unmenschlich und haben bei Jola Spuren hinterlassen. Mit Uschi versteht sie sich nach anfänglichen Schwierigkeiten jedoch gut und zwischen den beiden Frauen entwickelt sich eine Freundschaft.

Mia Rabens Roman “Unter Dojczen” erzählt nicht nur von der Freundschaft zweier Frauen, sondern vor allem auch von Ausbeutung und von der prekären Situation von ausländischen Pflegekräften in Deutschland. Jola denkt immer wieder an eine Anstellung zurück, bei der sie ausgenutzt wurde und zutiefst unmenschlich behandelt wurde. Arbeitsgesetze und Vorschriften können nämlich leicht umgangen und ignoriert werden, wenn Pflegekräfte mit im Haus leben, keine richtigen Verträge haben, nicht versichert sind, unter dem Druck ihrer eigenen Agenturen arbeiten, deshalb nicht für sich selbst und ihre Rechte einstehen können und gleichzeitig auf das wenige Geld angewiesen sind.

Mia Raben schafft es, diese Aspekte in eine flüssig erzählte Geschichte zu integrieren und sie immer wieder in den Vordergrund zu rücken, ohne dass es erzwungen erscheint. Das gelingt ihr während des gesamten Romans so gut, dass man als Lesende auch ein rundes Ende erwartet. Mir war das Ende dann allerdings ein wenig zu sehr in die Länge gezogen. Außerdem wird alles so fest miteinander verknüpft und findet zu einem so glücklichen Abschluss, dass ich es ein wenig unglaubwürdig fand.

Es ist aber nur ein kleiner Wermutstropfen, der angesichts der wichtigen Themen, die im Roman angesprochen werden, der starken und zugänglichen Protagonistin und der überwiegend stringenten und flott erzählten Handlung nicht besonders ins Gewicht fällt. Deshalb empfehle ich dieses Debüt gerne und wünsche ihm zum Erscheinungstag viele LeserInnen.

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