Profilbild von Arachnophobia

Arachnophobia

aktives Lesejury-Mitglied
offline

Arachnophobia ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Arachnophobia über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.09.2017

Das Besondere hat gefehlt

Sieh mich an
1

Mareike Krügels Roman „Sieh mich an“ nimmt den Leser mit, den vielleicht nicht ganz alltäglichen Alltag von Ich-Erzählerin Katharina (verheiratet, zumindest an den meisten Wochenenden und zwei Kinder, ...

Mareike Krügels Roman „Sieh mich an“ nimmt den Leser mit, den vielleicht nicht ganz alltäglichen Alltag von Ich-Erzählerin Katharina (verheiratet, zumindest an den meisten Wochenenden und zwei Kinder, eines davon etwas schwierig – um es vorsichtig auszudrücken) für einen Tag zu begleiten.

Es hat mir schon zu Beginn gefallen, dass man ohne langes Vorgeplänkel sofort in die Handlung geworfen wird und gut sehen kann, mit welchen Problemen Katharina jeden Tag zu kämpfen hat. Nicht ganz unschuldig ist hier ihre Tochter Helena, genannt Helli, die im Verlauf des Tages nicht das letzte Mal für Chaos gesorgt haben wird. Ich muss zugeben, dass ich Helli als sehr anstrengend empfunden habe. Sicherlich war das von der Autorin durchaus so gewollt, aber stellenweise hat mir hier das Lesen kaum noch Spaß gemacht und ich empfand das Buch in manchen Momenten doch als gute Werbung gegen das Kinderkriegen – auch wenn das vielleicht eine eher unpopuläre Meinung sein mag.

Grundsätzlich vermochte das Buch dennoch gut zu unterhalten. Dies lag in erster Linie am Schreibstil, der sich durchweg sehr gut lesen ließ und trotz teilweise inhaltlich spannungsarmer Passagen doch immer wieder zum Weiterlesen animierte. Die Autorin schaffte hier eine schöne Balance, so dass das Buch sich nie dem eher Easy-to-read-Stil beispielsweise eines Chick-Lit-Romans annäherte, aber andererseits auch nicht überzogen und schwurbelig wirkte.

Ein wenig Bedenken hatte ich beim Lesen des Klappentexts, dass der Roman angesichts der angekündigten Ereignisse des abgetrennten Daumens oder des brennenden Trockners ins Alberne abdriften konnte, aber glücklicherweise war dem nicht so. Andererseits muss ich hier auch gleichzeitig sagen, dass trotz dieser nicht alltäglichen Kuriositäten keine große Spannung entstand. Irgendwie hatte ich durchweg das Gefühl, dass trotz aller unterschwellig angedeuteten Ernsthaftigkeit die Handlung durch den Tag plätscherte. Der Roman zog in seiner Gesamtheit ein wenig zu belanglos an mir vorbei, daran konnte auch die ernsthafte und unterschwellig stets präsente Thematik des Es-muss-sich-was-Veränderns nicht viel ändern.

Letztendlich schwankte ich gegen Ende zwischen einer Bewertung von drei oder vier Sternen, da das Buch ja trotz der Kritikpunkte durchaus gut unterhalten konnte… aber leider, leider folgte das Finale in einer Szene, die für meinen Geschmack einfach nicht hätte sein müssen. Nicht, weil ich spießig bin, sondern weil genau hier das befürchtete Übertriebene in geballt auf den Leser einstürzte und ich gar nicht so viel mit dem Kopf schütteln konnte, wie ich wollte. Schade, denn so bleibt doch letztendlich ein etwas fader Nachgeschmack, da zumindest für mich die Szene zu stark im Gedächtnis bleibt. Deshalb gebe ich „Sieh mich an“ gute drei Sterne.

Veröffentlicht am 14.02.2019

Ein Satz mit X...

Heartless, Band 1: Der Kuss der Diebin
1

…das war wohl nix.


Herrlich! Es ist doch immer wieder erhebend, wenn man sich so richtig schön über ein literarisches Machwerk aufregen kann. Natürlich wäre es schöner, wenn das Buch so gut ist, dass ...

…das war wohl nix.


Herrlich! Es ist doch immer wieder erhebend, wenn man sich so richtig schön über ein literarisches Machwerk aufregen kann. Natürlich wäre es schöner, wenn das Buch so gut ist, dass man sich einfach daran erfreut, aber, um das Phrasenschwein kräftig zu füttern: Das Leben und Lesen ist eben kein Wunschkonzert. Macht man halt aus der Not eine Tugend und wettert ein wenig.

Dabei hatte ich mich doch so auf das Buch gefreut! Seit einer Weile das erste Buch aus dem Genre, das ganz weit oben auf meiner Wunschliste gelandet ist. Allein schon das Cover gefällt mir richtig gut. Vielleicht ein wenig verkitscht, aber alleine von der Haptik macht der Umschlag richtig was her.

Und auch die Leseprobe konnte mich absolut überzeugen. Zera, die Protagonistin, machte auf mich einen ordentlichen Eindruck: Eine trotz ihrer Vergangenheit recht selbstbewusste junge Frau, die zudem nicht auf den Mund gefallen war. Ich habe mich so sehr auf kurzweilige Wortgefechte mit dem Prinzen gefreut, den sie schließlich umgarnen sollte, um an sein Herz zu gelangen. Einziges Manko zu dem Zeitpunkt: Die Hexennamen sind in meinen Augen einfach unfassbar lächerlich. Nightsinger, Firewalker… wie alt ist die Zielgruppe? 11? Aber okay, die Hexen spielen keine dauerpräsente Rolle, da kann ich notfalls darüber hinwegsehen.

Über den ganzen schlimmen Rest dann allerdings leider nicht…

Das Tempo der Story ging nach der Leseprobe erstmal gemütlich in den Keller. Hier wird Zera bei einer quasi, sagen wir mal „Adoptivtante“ auf ihre Rolle bei Hofe vorbereitet. Also sozusagen den im Wald lebenden Bauerntrampel gesellschaftsfähig machen. An sich eine Konstellation, die Potenzial hat, aber irgendwie hat die Autorin es geschafft, mich damit grandios zu langweilen. Die Seiten zogen sich wie Kaugummi ohne besondere Höhe- oder auch Tiefpunkte. Aber zum Glück wird das am Schluss des Buches ausgeglichen, das „große Finale“ ist nämlich sehr hektisch und wischiwaschi auf die Seiten gerotzt. Ich habe das Auftauchen des großen Antagonisten sogar fast überlesen, so plötzlich kam alles. Okay, zwischen zäher, langer Einführung und Schluss war das Tempo meist in Ordnung, da las sich die Geschichte immerhin recht flott weg.

Punkt zwei, die Charaktere… Zera mutierte leider sehr schnell von erfrischender Schnodderschnauze zum emotionalen Hachseufz-Weibchen. Alles, was es dafür brauchte, war ein Blick in die dunklen Augen des Prinzen. Haaach… Nicht wirklich nachvollziehbare, übereilte Liebesentwicklung, bei der allerdings auch nicht viele Emotionen aufkamen, statt ordentlicher gegenseitiger Frotzelei. Schade. Zudem ging Zera auch übermäßig in ihrem Selbstmitleid auf und wenn irgendwann gefühlt auf jeder Seite geschrieben steht, was für ein Monster sie ist, weil sie jemanden getötet hat und ach, wie sehr sie davon verfolgt wird und ach, was für ein Unmensch sie ist, dann kommt da bei mir keine tragische Hintergrundgeschichte an, sondern nur noch nerviges Mimimi. Aber hey, als Ausgleich schwafelt ihr quasi „inneres Monster“ immer in ihre Gedanken und Gespräche rein und möchte einfach alles meucheln, was ihr in den Weg kommt. Blabla, Nebenwirkung des fehlenden Herzens, Rhabarber Rhabarber. Grad in der zweiten Buchhälfte hat es einfach nur noch unfassbar genervt, wenn ständig eine Stimme aus dem Off „TÖTE IIIIIHHHHN!“ keifte. Ein Kunstgriff der literarischen Freiheit, nur leider kein guter.

Apropos literarische Freiheit – der Stil wies auch so einige Tiefpunkte auf. Mit den schnodderigen, umgangssprachlichen Aussagen und Scherzen von Zera und der anderen Charaktere kam ich grundsätzlich klar. Man könnte bemängeln, dass das nicht zu einer am Königshofe spielenden Geschichte passt, aber es hat für mich das Buch zumindest erträglich zu lesen gemacht. Ein paar Mal konnte ich immerhin schmunzeln, juhu! Und dann wiederum gab es solche Prachtkerle von Satzkonstrukten, nach welchen ich das Buch tatsächlich angewidert zuschlagen und weit von mir entfernt weglegen musste:

“Der Spiegel wispert mir zu, dass ich hübsch bin, auch wenn alles, was ich sehe, die verdrehte, verkrümmte Dunkelheit meines Unherzens ist, das aus jeder Pore blutet.”

Ach du meine Fresse… Gibt es online vielleicht einen Generator für „schwurbeligen Fantasykitsch“? Anders kann ich mir das Zustandekommen dieser wüsten, unpassenden Aneinanderreihung von höchstdramatischen Worten nicht erklären. Sorry, aber spätestens hier war es vorbei und ich konnte das Buch einfach nicht mehr ernstnehmen.

Wenig hilfreich waren auch die Fantasywesen, deren Existenz mir doch ein wenig konstruiert und künstlich vorkam. Von wegen „Oh, ich schreibe Fantasy. Hexen gibt’s schon. Bau ich noch ein paar komische Viecher mit ein…“ Irgendwie passte mir hier alles nicht so recht zusammen, als hätte sich die Autorin ein bisschen übernommen und versucht, zu viel in zu wenig Seiten reinzuquetschen. Das Setting blieb teilweise etwas kulissenhaft, die Charaktere teils doch arg oberflächlich. Wer nicht eindeutig schwarz oder weiß war, wurde allzu offensichtlich in eine graue Schublade gequetscht. Die ganze Charakterentwicklung hatte zu wenig Substanz, ging zu schnell vonstatten. Ich bin immer wieder darüber gestolpert, wie wenig Zeit im Laufe der Story überhaupt vergeht. Gefühlt haben sich die Charaktere untereinander verhalten, als würden sie sich im Laufe mehrere Monate kennengelernt haben.

Also wenn ich für jedes Fluchen und ungläubige Kopfschütteln einen Stern abziehen würde, wären wir weit im Minusbereich gelandet. Warum trotzdem zwei Sterne? Weil es zwischen diesen leider sehr großen, miesen Passagen doch ganz gute Momente gab, in denen Tempo und Humor gut harmonierten. Grad das letzte Drittel las sich tatsächlich fast gut, bis das vom Finale mit dem Ar*** wieder eingerissen wird.

Und außerdem muss ja auch trotzdem ein wenig Luft nach unten bleiben – ich habe schließlich trotz allem noch schlechtere Bücher gelesen. Aber trotzdem gibt es nur ganz knapp einen zweiten Stern.

Veröffentlicht am 03.11.2018

Charakterschwäche

Iron Flowers – Die Rebellinnen
0

Ich hätte auf mein Bauchgefühl hören sollen!

Zig mal bin ich um das Buch herumgeschlichen, habe überlegt: Will ich jetzt Prinzessinnen-Gedöns á la „Selection“ überhaupt lesen? Zumindest ließ ja die Beschreibung ...

Ich hätte auf mein Bauchgefühl hören sollen!

Zig mal bin ich um das Buch herumgeschlichen, habe überlegt: Will ich jetzt Prinzessinnen-Gedöns á la „Selection“ überhaupt lesen? Zumindest ließ ja die Beschreibung auf eine ähnliche Geschichte schließen. Das wird ja gerne mal simpel… aber vielleicht doch immerhin kurzweilig und unterhaltsam? Gut, die Leseprobe hat mich, als eigentlich überzeugtem Leseprobenmuffel, dann doch vom Kauf überzeugt.

Und es fing ja grundsätzlich auch echt nicht schlecht an. Der Schreibstil war nicht überragend, aber passte grundsätzlich zu einem Jugendbuch. Grad im weiteren Verlauf wurden die Dialoge zwar gefühlt stumpfer und platter, aber das war dann zu dem Zeitpunkt wirklich das kleinste Übel.

Der Einstieg in die beschriebene Welt fiel mir nicht ganz leicht. Mir fehlten fast durchweg doch irgendwie die Hintergrundinfos, was das für eine Welt überhaupt ist: Altmodische Vergangenheit oder doch dystopische Zukunft? Irgendwann in der Hälfte des Buches erfährt man zwar mal ein wenig, indem ein Geschichtsbuch vorgetragen wird, aber letztendlich war mir das zu wenig. Ich konnte mich durchweg nicht in die Geschichte hineinfühlen, weil mir doch zu viel Substanz der ganzen Welt fehlte. Es war alles nur eine Kulisse, nicht viel dahinter.

Ebenso wenig nachvollziehbar war mir eben aufgrund der fehlenden Hintergründe vor allem Serinas erklärtes Lebensziel, sich als lediglich hübsch anzuschauendes Püppchen in die königliche Sammlung von Haremsdamen zu begeben. Bis auf ihre Schwester Nomi scheint auch kaum Kritik an dem System aufzukommen. Jedenfalls nicht in einer Form, die ich erwartet hätte. Nomi selbst war als Charakter zu Beginn definitiv interessanter, wenn auch sehr plakativ als Serinas genaues Gegenteil angelegt. Auch der im Klappentext erwähnte Schicksalsschlag konnte mich noch fesseln und ich dachte: Hey, das könnte was werden.

(Achtung, die folgenden beiden Absätze enthalten zum Teil kräftige Spoiler zur Story!)

Ich habe nun nichts gegen Überraschungen in Büchern. Hier habe ich durchweg einen Selection-Verschnitt erwartet. Diesen bekam ich auch (mit allen Klischees, die dazugehören), allerdings auch eine gehörige Portion Panem – in sehr, sehr schlecht. Ich kann nicht mit dem Finger draufzeigen, was genau das große Problem war, aber ich konnte den gesamten Handlungsstrang auf der Insel der Powerfrauen überhaupt nicht ernstnehmen. Das fing schon mit der Einteilung in „Crews“ an (das Wort, das Wort, so lächerlich!) und wanderte über die hier bergab schlitternde Figurenentwicklung zu völlig absurden Szenarien fern jeder ansatzweisen Realität. Das süße Mädchen Serina muss nämlich auf einmal um Leben und Tod kämpfen – mit Fäusten und Waffen. Wo am Anfang betont wird, wie doof sie sich anstellt, heißt es später auf einmal, sie hat eine wunderbar schnelle und beeindruckende Entwicklung durchgemacht. Krass! Da ist sie wahrscheinlich wie Obelix in den Zaubertrank gefallen – aber leider wurde vergessen, das zu erwähnen. Und zum großen Finale wird sie derart verwundet, dass es einen kampferprobten Hünen umgehauen hätte, aber Super-Serina schleppt am Ende noch eine Person durch die Gegend. Klar! Logisch!

Zum Glück wurden ab Serinas Verbannung die Kapitel abwechselnd aus ihrer und Nomis Sicht erzählt und grad zu Beginn hat mich die Aussicht auf ein Kapitel mit Nomi noch gut zum Weiterlesen motiviert. Das war leider spätestens da vorbei, als sich auch Serinas Charakter zu entwickeln begann – nur leider nicht weiter, sondern quasi zurück. Aus der eigenständig denkenden, das System kritisierenden wird… eine naive, nicht ohne einen kräftigen Mann überlebensfähige kleine Grace. Ebenfalls eine wirklich nicht logische und nachvollziehbare Entwicklung…

(Spoiler Ende)

Insgesamt weiß ich gar nicht, was mich an dem Buch am meisten gestört hat, schließlich gibt es so viele Dinge zur Auswahl: Die absolut unlogische Charakterentwicklung. Die zum Großteil eher einfach und flach gezeichneten Nebencharaktere. Die unpassende und vor allem nach dem Twist zumeist unspektakuläre Storyentwicklung. Die mit der Zeit irgendwie immer platter werdenden Dialoge. Dieses Einbauen nahezu sämtlicher Klischees aus Selection und Panem und allem, was der Jugend in den letzten Jahren gefallen hat – zumindest kam es mir stellenweise so vor.

Den zweiten Stern bekommt das Buch tatsächlich nur, weil es sich dennoch recht flott und ohne große stilistische Aussetzer im erzählenden Teil lesen ließ. Aber vielleicht wird der nächste Teil ja besser, da sich die Autorin recht lange Zeit mit dem Schreiben lässt. Ich werde ihn dennoch nach dieser Erfahrung nicht mehr lesen.

Veröffentlicht am 15.11.2017

Look at me, I'm so special!

Außer sich
0

Puh… erstmal durchatmen.
Ich musste mich schon lange nicht mehr durch ein Buch so durchquälen, wie es bei „Außer sich“ leider der Fall war.

Irgendwie schrie das gesamte Buch „Schau mich an, ich bin so ...

Puh… erstmal durchatmen.
Ich musste mich schon lange nicht mehr durch ein Buch so durchquälen, wie es bei „Außer sich“ leider der Fall war.

Irgendwie schrie das gesamte Buch „Schau mich an, ich bin so speziell, so anders und alternativ!“, was bereits beim Namensverzeichnis anfing. Es mag ja löblich sein, dass sich dieses angenehmerweise gleich zu Beginn des Buches befindet, aber in dieser Form war es einfach nur ein schlechter Scherz und eher verwirrend als hilfreich.

Ich muss zugeben, dass ich mir im Voraus nicht die gesamte Leseprobe zu Gemüte geführt habe. Ich fand allerdings den Klappentext sehr interessant und vielversprechend und habe kurz die ersten paar Seiten gelesen und für durchaus gut befunden. Dass es nach der kurzen Einführung stilistisch aber bergab gehen sollte, konnte ich nicht ahnen. Aus dem ganz zu Beginn noch, sagen wir, normalen Stil, der nicht unbedingt etwas Außergewöhnliches, aber dennoch gut lesbar war, wurde schnell ein Etwas, an das ich mich so schnell nicht gewöhnen würde. Gerade in der ersten Hälfte bestanden viele Absätze fast nur aus einem einzigen Satz. Wäre ja noch okay gewesen, wenn es sich um ordentliche, logische Schachtelsätze gehandelt hätte. Kein Problem. Aber das war einfach eine durch Kommata getrennte, wüste Aneinanderreihung von Gedanken und Gedankenfetzen, die mir schon sehr zeitig das Lesevergnügen nachhaltig trübte. Bei literarischen Themen bin ich ja grundsätzlich offen für alles, aber das Lesen muss auch Spaß machen – hier war es zumindest für mich dann nur noch eine Qual. Da trösteten letztendlich auch die recht häufig vorkommenden Metaphern und leichten Wortspiele, von denen ich ja grundsätzlich eher ein Freund bin, nicht mehr so richtig über den Rest hinweg.

Inhaltlich würde ich die Geschichte auch eher als durchwachsen bezeichnen. Alis Suche nach ihrem Bruder in Istanbul ließ mich völlig kalt, was vermutlich auch daran lag, dass ich mit ihr als Protagonistin nichts anfangen konnte. Sie war mir einfach durch ihre Handlungen, Aussagen, Gedanken durchweg unsympathisch. [ACHTUNG kleiner Spoiler:] Diese spontan erscheinende Idee, doch einfach mal wie ihre Bekanntschaft das Geschlecht zu wechseln, weil man es kann, und dann noch mit Testosteron unbekannter Herkunft direkt vom Händler um die Ecke? [Spoiler ENDE] Nein, für mich in ihrem Hintergrund schon nicht nachvollziehbar, zumindest nicht aus dem Kontext des Buches heraus, und weiterhin in ihrer Durchführung schlicht und ergreifend dumm. Und dumme Charaktere können mir ein Buch ganz gewaltig vermiesen. Zu diesem Zeitpunkt konnte das Lesen für mich einfach kein gutes Ende mehr nehmen und ich war kurz davor, abzubrechen.

Selbst die grundsätzlich interessanten Passagen, in denen die Familiengeschichte ihrer russischen Vorfahren erzählt wurde, konnten hier nicht mehr allzu viel retten. Diese eingeschobenen, unsortierten Geschichten waren zumindest spannender als Alis Geschichte in der Fast-Gegenwart, auch wenn es immer eine leichte Umstellung war, wenn man versuchen musste, die Episoden in eine zeitliche Reihenfolge zu bringen. Aber insgesamt waren dies noch die lesenswertesten weil inhaltlich für mich wesentlich interessanteren Episoden.

Tatsächlich habe ich es im Nachhinein bereut, das Buch nicht nach der Hälfte oder zumindest vor dem letzten Abschnitt abgebrochen zu haben. Nicht ausschließlich wegen der verlorenen Zeit, vielmehr wäre mein Urteil tatsächlich einen Stern besser ausgefallen, weil die Sprache ja bis auf die oben beschriebenen Mängel eigentlich nicht schlecht war. Aber das letzte Stück, das die Geschehnisse in Istanbul vorrangig aus Antons Sicht schildert, ohne erholsame Passagen mit der Familiengeschichte, war einfach kaum noch erträglich. Die Autorin hat es doch geschafft, Anton noch unsympathischer, komischer, gar weltfremder (zumindest für meine Welt) darzustellen. Der Abschnitt hat für mich hinreichend demonstriert, wovon ich schon eine Weile überzeugt war: Dass die Beziehung der beiden Geschwister nicht normal ist und beide generell in einer Therapie gut aufgehoben wären – und bei Beziehung rede ich noch nicht mal unbedingt von den sexuellen Tendenzen.

Vielleicht sollte die Autorin lieber beim (modernen) Theater bleiben. Dort kann ich mir sowohl Stil als auch Figuren ganz gut vorstellen und vor allem weiß ich da, dass ich bewusst einen großen Bogen darum gemacht hätte.