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Veröffentlicht am 02.08.2017

Claire vom Meereslicht

Kein anderes Meer
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Mit ihrem Roman „Kein anderes Meer“ nimmt Edwidge Danticat uns mit auf eine Reise in ihre Heimat Haiti und lässt uns nicht nur teilhaben an haitischem Dasein und haitischer Kultur, sondern bietet einen ...

Mit ihrem Roman „Kein anderes Meer“ nimmt Edwidge Danticat uns mit auf eine Reise in ihre Heimat Haiti und lässt uns nicht nur teilhaben an haitischem Dasein und haitischer Kultur, sondern bietet einen tiefgründigen Einblick in das Leben der Menschen. Die von ihr geschaffenen Charaktere geben in ihrer Vielfalt ein Bild der fiktiven Stadt zwischen Meer und Bergen wider: Ville Rose – ein Name wie Musik, und doch befindet er sich im krassen Gegensatz zu seinen Bewohnern, die aus einer kleinen Minderheit von Mittel- und Oberschicht sowie der großen Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze bestehen, die um das tägliche Überleben kämpfen. Ein Ort unermesslicher Schönheit und außerordentlichen Elends.

Im Mittelpunkt steht auf den ersten Blick Claire Limyè Lanmè, was Claire vom Meereslicht heißt - "Claire of the Sea Light" ist der Originaltitel des Romans. Er beginnt mit Claires siebtem Geburtstag. An diesem Tag versenkt eine drei oder vier hohe Monsterwelle den Fischer Caleb mitsamt seinem Kutter. Claire lebt mit ihrem Vater Nozias, ebenfalls Fischer, in einer winzigen Hütte. Ihre Mutter ist bei ihrer Geburt gestorben, und so sind ihre Geburtstage jedes Jahr nicht nur glückliche Tage, sondern auch immer solche der Trauer. Die ersten drei Jahre wird Claire von Verwandten ihrer Mutter großgezogen. Dann holt Nozias seine Tochter wieder zu sich, um sich selbst der Herausforderung zu stellen, sein Kind von seinem dürftigen Einkommen zu versorgen. Und obwohl es ihm nicht an elterlicher Liebe oder Verantwortung und gutem Willen fehlt, erkennt er die Hoffnungslosigkeit seines Unterfangens, Claire eine sorgenfreie Existenz bieten zu können. Aus diesem Grund entscheidet er sich, Gaëlle, die Besitzerin des Stoffladens, zu überzeugen, Claire zu adoptieren. Denn aus seiner Sicht ist es das Beste, ein neues Elternteil zu finden, dem er vertraut, sich um Claire zu kümmern. Er selbst will auf der Suche nach einer besser bezahlten Arbeit fortgehen.

An diesem siebten Geburtstag stimmt Gaëlle zu, Claire zu sich zu nehmen; am Abend verschwindet Claire, und erst im letzten Kapitel erfahren wir, was mit ihr passiert. Bis dahin porträtiert die Autorin andere Bewohner der Stadt, und im Verlaufe dessen wird deutlich, dass im Grunde Ville Rose in ihrer menschlichen Vielfalt, brutalen Realität und miteinander kollidierenden Schicksalen die eigentliche Protagonistin des Romans darstellt.

Da ist die Stoffhändlerin Gaëlle, die als Spiegel für Nozias wirkt. Auch ihr Leben ist von Verlusten geprägt. Am Tag, an dem sie ihre Tochter Rose auf die Welt bringt, wird ihr Mann Laurent ermordet. Sieben Jahre später – es ist der vierte Geburtstag von Claire – stirbt Rose bei einem Autounfall.

Bernhard Dorien, der in Cité Pendue, einem armen, gefährlichen Außenbezirk von Ville Rose, dem „ersten Höllenkreis“, zu Hause ist und dessen Idealismus und die Verbindung zu Tiye, dem berüchtigten Anführer der Bande Baz Benin, schreckliche Konsequenzen für sein Leben und das von Gaëlle haben.

Bernards enger Freund Max Ardin Junior, ein wohlhabender junger Mann, der vor zehn Jahren ein Kind zeugte, von seinem Vater Max Senior nach Miami geschickt wurde, nun nach Haiti zurückkehrt und mit seiner Schuld konfrontiert wird.

Louise George, eine bekannte und beliebte Radiomoderatorin, Lehrerin von Claire in der Schule von Max Ardin Senior und zeitweise desssen Geliebte, mit dem sie eine Rechnung offen hat. Sie ermöglicht es Bürgern von Ville Rose, in ihrer populären Radiosendung die eigene Geschichte zu schildern...

Edwidge Danticats Protagonisten sind fehlerhaft, aber menschlich, handeln auf einem schmalen Grad zwischen richtig und falsch. Während Nozias sich beispielsweise gezwungen sieht, seine Tochter aufzugeben, obwohl er sie eigentlich nicht verlieren möchte, muss Claire als Vertreterin vieler Kinder mit der Entscheidung leben, die andere Menschen für ihre Zukunft treffen.

Durch die verschiedenen Geschichten zeigt die Autorin eine Stadt, die von Gewalt, Leid und Tod, Korruption, Klassenunterschieden und sozialen Tabus geprägt ist, in der es jedoch durchaus auch Hoffnung, Träume, Liebe und Versöhnung und gute Absichten gibt.

Insgesamt ist der Tod - einerlei, ob er natürlichen, zufälligen oder kriminellen Ursprungs ist - in Ville Rose eine konstante und alltägliche Größe. Er taucht immer wieder in den Geschichten auf und verknüpft sie zum Teil miteinander. Leben und Tod stehen sich kontinuierlich gegenüber, wodurch die Autorin gleichzeitig die Fragilität des Lebens im Angesicht des Todes hervorhebt.

Danticats Roman ist geprägt von einem ruhigen Erzähltempo, ihre Sprache zeigt sich schnörkellos und klar, gleichwohl kraftvoll, poetisch und von enormer Tiefe. Sie verwendet sie, um komplizierte Verbindungen zu knüpfen, wenn sie sowohl Schönheit als auch Schrecken beschreibt. Die Einflechtung kreolischer Redewendungen und Worte schaffen den Reiz einer fremden Welt, erschweren allerdings zugleich das eine oder andere Mal das Lesen und Verständnis.

In ihrer Weise des Erzählens fordert uns die Autorin. Es erfolgt keine chronologische Abfolge. Vielmehr bewegt sich die Handlung von der Gegenwart bis zur nahen Vergangenheit, geht in die ferne Vergangenheit, um wieder in die Gegenwart zurückzukehren. So beginnt und endet die Geschichte mit Claires Geburtstag und damit nicht nur dem Todestag ihrer Mutter.

Am Schluss ihres eindrucksvollen und komplexen Romans erlaubt die Autorin ein wenig Zuversicht, unsicher zwar, aber vorhanden. Und daran möchten wir festhalten.

Veröffentlicht am 05.11.2024

Das große Rennen

Arvil, der kleine Falke – Das große Rennen
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Arvil ist zur Hälfte ein Falke und trägt mehrfarbige Federn, die ihm seine Mutter Isolda, ein Papagei, vererbt hat. Auch sonst ist die Familie bunt gemischt. Zu ihr gehören noch der Vater, Wanderfalke ...

Arvil ist zur Hälfte ein Falke und trägt mehrfarbige Federn, die ihm seine Mutter Isolda, ein Papagei, vererbt hat. Auch sonst ist die Familie bunt gemischt. Zu ihr gehören noch der Vater, Wanderfalke Aron, und die Spitzmaus Serge.

Einen Papageien-Falken wie Arvil gibt es nur einmal. Er ist ein unbekümmerter Jungvogel, der innerhalb weniger Wochen seine ersten Flugübungen problemlos und voller Energie absolviert und das Fliegen mit tollkühner Begeisterung genießt. Lediglich das fehlende Interesse seines Vaters stimmt ihn oft sehr traurig und macht ihn dann wütend.

Als Serge und Arvil eines Tages ein Waldflugrennen beobachten, ist der kleine Falke sicher: Er will an so einem Rennen teilnehmen und sein Können beweisen. Leider ist Aron so gar nicht davon zu überzeugen, sein Einverständnis zu geben. Deshalb muss Arvil heimlich trainieren, und sein Glück ist, dass ihm neben Bruder Serge und Eichhörnchen Malou mit Adler Adwanagor auch ein legendärer Helfer zur Seite steht.

Wird es Arvil gelingen, beim Waldrennen erfolgreich zu starten und sich gegen die fiesen Tricks des mehrmaligen Champion – Rabe Salaniel – durchzusetzen?


Thomas Forat hat die Geschichte eines Papageien-Falken ersonnen, der sich mit der Teilnahme an einem wichtigen Ereignis einen Traum erfüllen möchte. So darf „Arvil, der kleine Falke“ in „Das große Rennen“ voller Neugierde und unerschrocken sein erstes Abenteuer erleben, zwei weitere werden noch folgen.

Der Start ist dem Autor gut gelungen. „Das große Rennen“ wird in 22 Kapiteln in einem zeitgemäß lockeren und kindgerechten Sprachfluss erzählt. Ab und an schießt der Autor allerdings über das Ziel hinaus, wenn seine Tiere allzu burschikos reagieren und vor allem menschliche Redewendungen benutzen. Aufgefallen sind mir ebenfalls einige Wiederholungen im Wortgefüge – mehrmals zeigen sich Figuren beispielsweise „benebelt“. Das dürfte Kinder als hauptsächlicher Zielgruppe jedoch nicht stören.

Davon einmal abgesehen, wird die Handlung verständlich geschildert, und Langeweile gibt es während der Lektüre nicht. Mit Beginn des Waldflugrennens, das wegen Salaniel und seiner düsteren Truppe durchaus Gefahren bereithält, nimmt der Verlauf des Geschehens immer mehr an Tempo zu, so dass der jungen Leserschar aufregende Szenen mit hohem Spannungsfaktor bevorstehen. Ergänzend ist es dem Autor geglückt, besonders mit dem putzigen pupsenden Serge für etliche witzige Stimmungs- und Schmunzelmomente zu sorgen.

Damit avanciert die Spitzmaus sicher zu einem Liebling der Geschichte. Aber auch die anderen Figuren hat Thomas Forat abwechslungsreich und mit sofort erkennbaren Charaktermerkmalen gestaltet. Neben Arvil, seiner Familie und seinen Freunden agieren der eingebildete Salaniel und seine gemeinen Helfer. Es ist damit von Anfang an klar, wie Sympathie und Antipathie verteilt werden.

Was „Das große Rennen“ auszeichnet, ist zum einen die erkennbare Botschaft, die der Autor vermittelt. Nämlich niemals seine Träume aufzugeben und an sich zu glauben. Die Freundschaft hochzuhalten, und auch mal über seinen Schatten zu springen und um Hilfe zu bitten.

Daneben punktet „Arvil, der kleine Falke“ mit den vom Autor selbst geschaffenen und zu den Ereignissen hervorragend passenden Illustrationen, die in ihrer Fertigung farbstark sind und die Geschichte ausdrucks- und eindrucksvoll in ihrer Vielfalt unterstützen.

„Das große Rennen“ ist eine schwunghafte Abenteuergeschichte, die nicht nur den jugendlichen Lesern Freude bereitet.

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Veröffentlicht am 23.09.2024

Verwerfungen

Verwerfungen
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Wieder einmal bin ich in eine Reihe „eingestiegen“, denn „Verwerfungen“ ist bereits der achte Fall, den der bayrisch-türkische Autor Su Turhan für seinen Kommissar Pascha alias Zeki Demirbilek ersonnen ...

Wieder einmal bin ich in eine Reihe „eingestiegen“, denn „Verwerfungen“ ist bereits der achte Fall, den der bayrisch-türkische Autor Su Turhan für seinen Kommissar Pascha alias Zeki Demirbilek ersonnen hat.

Für die Figurenriege ist es ein Neubeginn. Das Schicksal von Zeki nach einer fast tödlich endenden Attacke hat auch das Schicksal seiner Mitarbeiter besiegelt. Das Sonderdezernat für Schwerverbrechen mit Migrationshintergrund, intern kurz „Migra“ genannt, existiert nicht mehr, und die ehemaligen Kollegen sind mit neuen Chefs und Versetzungen in andere Abteilungen beschäftigt. Oberkommissarin Isabel Vierkant beispielsweise kämpft um ihre Rolle und ihren Platz in der neu zusammengesetzten Mordkommission, Serkan Kutlar lehnt den neuen Chef Helmut Herkamer ab und geht in eine Soko nach Leipzig.

Zeki Demirbilek selbst befindet sich auf Erholungsurlaub in Istanbul, hadert gleichwohl mit der Vergangenheit und hängt lethargisch zwischen den Seilen, vor allem weil ihn auch die Nähe zu Exfrau belastet. Schließlich hofft er immer noch darauf, dass er das Herz seiner großen Liebe zurückzugewinnen kann, obwohl Selma ihm deutlich zu verstehen gegeben hat, dass sie keine gemeinsame Zukunft sieht.

Da kreuzt bei Zeki sein langjähriger Freund Robert Haueis, der Inhaber eines kleines Antiquitätengeschäfts in München, auf. Robert ist seiner kürzlich gestohlenen wertvollen Medusenstatue auf der Spur, die bei einer Istanbuler Auktion illegal zum Verkauf angeboten wird. Bei der Medusa handelt es sich um eine Replik einer Statue, die 1204 von Kreuzfahrern aus der Kleinen Hagia Sophia gestohlen, nach Venedig gebracht wurde und im Laufe der Jahrhunderte verschwand.

Die Suche nach der Statue ist nicht allein für den erfahrenen Kommissar eine Herausforderungen. Denn es dauert nicht lange, bis seine ehemaligen Mitarbeiter in München und die türkischen Kriminalisten um Selim Kamaz ebenfalls in den Fall involviert werden. Nicht nur in der Türkei wird eine Leiche entdeckt, auch in München stoßen die Ermittler auf einen grausigen Fund. Die Ermittlungen laufen bald länderübergreifend bis hin nach Kopenhagen, wo Selma einen neuen Job antreten will ...


Um es gleich vorweg zu nehmen, auch ohne Vorkenntnisse ist es möglich, dem Geschehen in „Verwerfungen“ zu folgen, weil Su Turhan nicht an eingestreuten Informationen spart und es damit Neueinsteigern erleichtert, sich in diesem achten Band der Reihe zurechtzufinden und das Beziehungsgeflecht zu verstehen. Lediglich hinsichtlich der Familie von Zeki Demirbilek bleibe ich an Ende mit einigen Wissenslücken zurück.

Su Turhans Erzählstil ist in der Regel anschaulich und angenehm, und nur gelegentlich etwas umständlich. Kurze Kapitel und viele Ortswechsel mit authentischen Beschreibungen wirken unterstützend auf den Unterhaltswert einer eingängigen Handlung, die zunächst mit Bedacht beginnt, sich dann entwickelt und mit einigen kniffligen Überraschungen für einen ansteigenden Spannungsbogen sorgt.

Der Autor macht es einem leicht, seinen Zeki zu mögen. Der Ermittler alter Schule ist ein sympathischer Zeitgenosse, manchmal etwas eigen in der Lösung seiner Probleme, aber geradlinig und empathisch, mit einem klugen Kopf auf den Schultern, den er ständig arbeiten lässt. Er „beißt“ sich fest, vor allem als der Fall größere Dimensionen annimmt als anfänglich erwartet.

Auch die weiteren Figuren erfahren eine ausgewogene Charakterisierung und sind mit unterschiedlichen Facetten ausgestattet, in denen kulturelle Unterschiede humorvoll angesprochen werden. Zudem wird deutlich, dass der Autor Wert darauf legt, unkonventionelle Persönlichkeiten in die Geschichte einzubinden.


„Verwerfungen“ von Su Turhan überzeugt mit reflektierbaren Ereignissen und Akteuren voller Lebendigkeit und gestattet einen vergnüglichen Blick auf Eigenarten einer Multikulti-Gesellschaft.

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Veröffentlicht am 15.09.2024

Die Leuchttürme der Stevensons

Die Leuchttürme der Stevensons
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Sabine Weiß beeindruckt in ihrem neuen historischen Roman „Die Leuchttürme der Stevensons“ mit ihrer akribischen Recherchearbeit, so dass nicht nur ein authentisches Porträt des Schriftstellers Robert ...

Sabine Weiß beeindruckt in ihrem neuen historischen Roman „Die Leuchttürme der Stevensons“ mit ihrer akribischen Recherchearbeit, so dass nicht nur ein authentisches Porträt des Schriftstellers Robert Louis Stevensson entsteht, sondern zugleich auch dem Wirken seiner Familie ein kleines Denkmal gesetzt wird.

Der Autorin gelingt es von Anfang an, einen Teil wichtiger Lebensthemen und -zeiten von Stevenson anzusprechen und mit visueller Kraft darzustellen. Sie formuliert ausführlich und leidenschaftlich, fängt den damals herrschenden Zeitgeist in Anbetracht der religiösen und gesellschaftlichen Vorstellungen der Menschen ein und charakterisiert vor allem ihre Hauptfigur mit augenfälliger Gründlichkeit.

Außerdem faszinieren ihre mit intensiver Ernsthaftigkeit ausgeführten Beschreibungen von Natur und Bauwerken, bei denen die epische Fabulierfreude der Autorin manchmal überschwänglich zum Ausdruck kommt. Wir lernen hautnah schottische Inseln, Wellenbrecher und Leuchttürme kennen und können uns mit der Gefährlichkeit der Errichtung solcher Projekte auseinandersetzen und ebenso mit der Tatsache, was die Menschen dafür auf sich genommen haben und welchen Schwierigkeiten sie sich gegenüber sahen. Allerdings werden dramatische Ereignisse mit wenigen Spannungsmomenten und in direkter Schlichtheit geschildert.

Davon einmal abgesehen, hat Sabine Weiß die Fähigkeit, Stimmungen auf bemerkenswerte Art auszudrücken. So vermittelt sie mit Können und Nachvollziehbarkeit nicht nur den Konflikt zwischen Vater und Sohn Stevenson, in dem es um das Erfüllen von Erwartungen und Familientraditionen geht. Sie thematisiert auch den inneren Zwiespalt, den Drang und den Wunsch des jungen Mannes, seinen Geist mit Dichtkunst zu entfalten und zu schreiben.

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Veröffentlicht am 14.07.2024

Sommerzauber auf Sylt

Sommerzauber auf Sylt
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Verena wird nach fast zwanzig Ehejahren von ihrem Mann verlassen, nachdem sie durch einen Zufall erfahren hat, dass er bereits seit vielen Monaten mit seiner blutjungen Praktikantin Annika ein Doppelleben ...

Verena wird nach fast zwanzig Ehejahren von ihrem Mann verlassen, nachdem sie durch einen Zufall erfahren hat, dass er bereits seit vielen Monaten mit seiner blutjungen Praktikantin Annika ein Doppelleben führt. Verena ist am Boden zerstört. Deshalb trifft sie der „Verrat“ ihrer einstigen großen Liebe mit einem tiefen Stich im Herzen. Wie viele andere Frauen hat sich Verena wenig um ihr eigenes beruflichen Fortkommen bemüht, sondern sich um die Kinder und den Haushalt gekümmert. Das rächt sich nun.

Auch darum flüchtet Verena mit Hund Rudi aus dem Reihenhaus am Rande des Ruhrgebiets auf die Insel Sylt zu ihrer Tante Marlene, die in Wenningstedt Ferienwohnungen vermietet. Sie hofft, dass sie hier Ruhe findet und das Geschehen verarbeiten sowie sich über ihre Zukunft klar werden kann. Und sie lernt den Sylter Hanno kennen, bei jeder Begegnung spürt sie ein Knistern und Kribbeln im Inneren.

Wird dies ein Aufbruch in eine neues Leben?

Auf der Insel möchte Verena sich außerdem mit ihrer besten Freundin Caro treffen und gemeinsame Zeit verbringen.

Caro ist Lehrerin und seit zwei Jahren Single. Die Begegnung mit ihrem neuen Nachbarn Ben, der anfangs nervt, dann aber Interesse an ihr offenbart, aktiviert offensichtlich ihre Partnersuch-Hormone. Warum sonst sollte ihr plötzlich die Attraktivität von Michael, ihrem Kollegen auffallen, der nicht nur über gutes Aussehen, sondern auch über einen hervorragenden Charakter verfügt. Er ist engagiert, feinfühlig, lustig und kann kochen. Ein Problem gibt es jedoch: die blonde Referendarin Julia hängt wie eine Klette an Micha und scheint sämtliche Annäherungsversuche zu torpedieren.


Daniela Gesing baut ihre Geschichte „Sommerzauber auf Sylt“ mit Themen auf, die zwar nicht neu sind, aber tagtäglich passieren können. Sie macht dies in einer gelösten und trotz der angesprochenen Probleme unbeschwerten Erzählweise aus Sicht von Verena und Caro, und das vor allem mit viel Sympathie und Empathie für ihre Protagonistinnen.

Wenngleich einige Missverständnisse in ihrem Auftreten leicht überzogen wirken, verhindert es die Autorin mit glücklicher Hand, in eine klischeehafte Darstellung abzurutschen, weil sie die Schilderungen nicht überstrapazierend ausbaut.

Bei der Gestaltung der im Fokus stehenden Figuren hat mir besonders gefallen, dass Verena nach ihrer anfänglichen Erschütterung, ihrer Ohnmacht hinsichtlich des Verhaltens von Jan sowie den zwischenzeitlichen Zweifeln daran arbeitet, dies alles hinter sich zu lassen, um ihr zerstörtes Selbstwertgefühl wieder zu errichten. Sie schwankt zwischen der Trauer, dass das Gewohnte verloren geht und der Erkenntnis, dass sie eigentlich immer gewusst und damit die Augen vor der Wahrheit verschlossen hat, dass Jan und sie nicht wirklich zueinander passen. Verena kann sich ihre Emotionalität bewahren, und meine Bewunderung gilt auch ihrer neuen Eigenständigkeit und Eigenverantwortung.

Caro hingegen hat sich mit der Tatsache arrangiert, dass wohl Familie und Kinder für sie nicht (mehr) in Frage kommen. Unvermittelt steht sie im Fokus von zwei Männern, und der Autorin gelingt es gut, jenes, in Caro herrschende Dilemma, sich ihrer Empfindungen für Ben und Micha bewusst zu werden, sie zu sortieren und zu gewichten, mit Plausibilität zu beschreiben.

Daniela Gesing zeigt in „Sommerzauber auf Sylt“ in beachtlicher und ermutigender Weise, dass ein Neuanfang jederzeit ein von Erfolg gekröntes Wagnis sein kann.

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