Ein schöner Einstieg in K-Pop
K-POP ALS THEMA
Ich spreche gleich mal den Elefanten im Raum an: K-Pop. Wenn ihr wie ich seid, dann hattet ihr vielleicht keine Ahnung von dieser Musikrichtung, habt nur die stetig wachsende Popularität ...
K-POP ALS THEMA
Ich spreche gleich mal den Elefanten im Raum an: K-Pop. Wenn ihr wie ich seid, dann hattet ihr vielleicht keine Ahnung von dieser Musikrichtung, habt nur die stetig wachsende Popularität in den Medien beobachtet und euch auch eingeschüchtert gefühlt von der Sprache, den Fans und dem Auftreten. Dieses Buch hat das für mich geändert. Die Autorin hat ganz wunderbar sanft in das Thema eingeführt. Weder Ella noch Jae-yong thematisieren K-Pop stark, aber es werden die Grundzüge erklärt und durch Ellas Schwester Liv bekommt man auch die Seite eines Fans zu sehen. Einige offensichtliche Dinge wie die ständig wechselnden Haarfarben, die koreanische Musikindustrie im Gegensatz zur amerikanischen oder der Medienrummel werden angesprochen, aber sonst geht es vorrangig um die Beziehungen der Charaktere zueinander. Wenn ihr also mal ein bisschen K-Pop-Luft schnuppern wollt, ohne überrollt zu werden, dann sollte dieses Buch dafür geeignet sein.
ELLA & JAE-YONG
Was dieses Buch für mich aber so besonders gemacht hat, war wie die Beziehung zwischen Ella und Jae-yong. Den Anfang kannte ich gut aus diversen Fanfiktions, empfand das aber keinesfalls als negativ, weil es viele wunderbare Erinnerungen hervorgeholt hat und Anne Pätzold es meiner Meinung nach auch wesentlich besser als so einige Fanfiktion-Autor:innen damals gemacht hat. Ella und Jae-yong finden eine Gemeinsamkeit über Bücher, was so ziemlich jede:r hier nachvollziehen können sollte und auch fortan ist der Austausch über Bücher ein wichtiger Bestandteil ihrer Gespräche. Über die Wahl der Bücher lässt sich streiten – ganz oft ist Harry Potter ein Teil davon, was etwas unoriginell wirken kann – aber die Begeisterung von beiden Seiten konnte ich gut nachvollziehen und habe im Kopf meinen eigenen Senf zu den Gesprächen dazugegeben. Weil Jae-yong sehr viel reist, findet auch ein Großteil der Beziehung über Chats statt, aber ich sage euch, diese Chats sind großartig. Ella ist ein wunderbar sarkastischer Mensch und ich habe so oft über ihre Kommentare lachen müssen. Diese Dialoge fühlten sich für mich wunderbar frech und echt an, so schreibe ich teilweise aus mit meinen Freund:innen. Durch diesen Kommunikationsweg entwickelt sich die Beziehung zwischen den beiden auch sehr glaubwürdig, zuerst ist es nur eine Bekanntschaft, dann wird es zu Freundschaft und erst als sie sich nach einiger Zeit wieder treffen, merkt man die Funken zwischen ihnen. Ich rechne es dem Buch hoch an, dass es hier wirklich um die Beziehung und die Chemie zwischen den beiden Charakteren geht und es keine Insta-Love ist.
Ich hatte dieses merkwürdige Gefühl, das Gleichgewicht zwischen uns in eine ungesunde Richtung zu kippen, wenn ich alles über ihn durch das Internet erfuhr.
S. 127
Einen weiteren Punkt, den ich an dem Buch liebe, ist, dass Ella sich bewusst aus Jae-yongs Berühmtheit raushält. Zuerst weiß sie natürlich nicht um seinen Status, aber sobald sie es weiß trifft sie ganz bewusst die Entscheidung ihr Bild von ihm nicht durch die Narrative der Fans und Musikindustrie verzerren zu lassen. Sie will ihn als Mensch kennenlernen, nicht als den Herzensbrecher aus Seoul. So ermöglicht Ella es sich selbst und auch Jae-yong miteinander sie selbst zu sein, ihre Freundschaft und spätere romantische Beziehung gehört nur ihnen beiden und wird nicht durch ihre öffentlichen Rollen torpediert.
„Ich bin auch ein Mensch“, brach es aus ihm heraus. „Ich bin nur ein Mensch, Ella.“
S. 138
NO DRAMA, LAMA
Ein weiterer Punkt, der das Buch zu einem absoluten Wohlfühlbuch für mich macht, ist die unaufgeregte Handlung. Ella verbringt ihre Zeit in Chicago, wo sie zwischen Uni, Arbeit und der eigenen Wohnung wechselt und sonst ein sehr normales Stubenhocker-Leben führt. Chicago war durch Ellas Beschreibungen präsent genug, man folgt ihr in Parks, ins Museum, zu Cafès. Ich hatte etwas befürchtet, dass dieses Buch auch all die negativen Punkte einer Beziehung zwischen einer „normalen Person“ und einer Berühmtheit aufgreifen könnte, wie fiese Schlagzeilen, Paparazzihorden, Anfeindungen von Fans etc., aber nein. Es gibt kein großes Drama, kein Fremdschämen, keine Kommunikationsschwierigkeiten. Diese Beziehung gehört zumindest im ersten der drei Bände nur Ella und Jae-yong.
Abgesehen von Jae-yong sind auch Ellas Schwestern und ihre beste Freundin Erin sehr wichtige Figuren in diesem Buch. Die Schwestern Melanie, Ella und Liv haben eine sehr glaubwürdige und liebenswerte Dynamik, Ella hat ihren sicheren Hafen bei ihnen und ich freue mich immer, wenn ich meine eigenen Erfahrungen mit Geschwistern in Büchern sehen. Erin, die beste Freundin, die das Buch über auch nur über Chat oder Videochat verfügbar ist, weilt nämlich gerade in Australien und das sorgt bei Ella für einen weiteren Konflikt: Das Bedürfnis den eigenen Traum zu verfolgen und gleichzeitig ihre große Schwester zu entlasten, die aktuell die Verantwortung für alles trägt. Die Freundschaft zwischen Erin und Ella ist ebenfalls großartig und glaubwürdig, sie stützen sich gegenseitig in schwierigen Situationen, sind manchmal schonungslos ehrlich zueinander, können später aber darüber lachen. Ohne Erin währe Ella in diesem Buch versauert und ich bin gespannt wie der angerissene Handlungsstrang um Ellas Wünsche sich in den nächsten Bänden entwickelt wird.
Gedanken mit Gedanken zu bekämpfen, war in etwa so, wie Feuer mit Feuer löschen zu wollen: Manchmal funktionierte es, aber meistens entstand dadurch nur ein Inferno.
S. 210
LET’S TALK RASCISM
Eine Sache möchte ich noch ansprechen: Es gibt im Buch eine Stelle, die mir etwas negativ aufgestoßen ist, nämlich das erste Gespräch zwischen Ella und Jae-yong. Gerade mit Blick auf die Infos zu Rassismus, die in den letzten Wochen in den sozialen Medien so präsent waren, kann ich dieses erste Treffen nicht guten Gewissens unter den Tisch fallen lassen. Ella begegnet Jae-yong als er gerade auf koreanisch telefoniert und abgesehen von seinen offensichtlichen asiatischen Wurzeln, ist das die Grundlage warum sie sich ihm gegenüber folgendermaßen verhält: Sie spricht sehr langsam und deutlich auf Englisch zu ihm und deutet dabei auch noch ihre Handlungsabsicht – den Raum verlassen zu wollen – mit Gestik an. Sie geht selbstverständlich davon aus, dass er kein Englisch spricht. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie ich diese Handlung bewerten soll, einerseits hat Ella ja eine Grundlage für ihre Annahme, er sprach eine Fremdsprache für sie, andererseits ist Zweisprachigkeit keine Seltenheit. Es wird für den Leser natürlich klar, dass Ella keine böse Absicht hat, aber diese Situation fand ich schon heikel. Jae-yong spricht das auch gleich sehr direkt an und weist sie auf ihr Verhalten hin, was ich wiederum Großartig fand. Eine Freundin hat auch angemerkt, dass sie Ellas Verhalten als sehr ignorant empfunden hat. Ella hat sich nicht sehr detailliert mit Korea, der Kultur oder der Musikindustrie auseinander gesetzt, sondern nur Infos von Jae-yong selber oder ihrer kleinen Schwester Liv bekommen. Mich hat das persönlich nicht gestört, aber vielleicht spricht da auch mein weißes Privileg aus mir. Allerdings hat das Buch mich selber dazu gebracht mehr über das Land und seine Sitten lernen zu wollen, was ich teilweise auch neben dem Lesen gleich getan habe.
FAZIT
When We Dream hat meine Erwartungen weit übertroffen und besticht vor allem durch seine ehrlichen, lustigen Gespräche zwischen den Figuren und wunderbaren Dynamiken. Das Buch bringt ein neues Thema auf den deutschen Markt und endlich mal kein weißes Love-Interest mehr. Ich freue mich schon sehr auf den zweiten Band.