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Veröffentlicht am 19.10.2024

Stimmungsvolle Englandreise mit Werbeunterbrechung

Velvet Winter
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„Velvet Winter – Wintertage wie Samt und Seide“: ein gelungener Buchtitel, der gleich Assoziationen und Erwartungen weckt. Der herrlich gestaltete Einband paßt ausgezeichnet dazu und greift visuell die ...

„Velvet Winter – Wintertage wie Samt und Seide“: ein gelungener Buchtitel, der gleich Assoziationen und Erwartungen weckt. Der herrlich gestaltete Einband paßt ausgezeichnet dazu und greift visuell die Stimmung der Titelworte auf. Die Gestaltung des Buches ist durchweg wertig und macht den auf den ersten Blick hohen Buchpreis angemessen. Ich war von der Haptik des Einbands ganz hingerissen, auch im Buch erfreuen gute Papierqualität und visuell stilvolle Aufmachung.

Im Buch nimmt die Autorin uns – größtenteils – auf eine Reise nach Oxford und in die Cotswolds mit, der m.E. malerischsten Gegend Englands. Dass sich „alles um (…) Samtstoff“ dreht, wie der Klappentext ankündigt, kann man nicht behaupten, an manchen Stellen wirkt die Velvet-Analogie etwas bemüht und ist letztlich auch gar nötig – als Einleitung und gelegentlicher Akzent hätte das Velvet-Motiv vollauf gereicht, um den Titel zu rechtfertigen. Die Einleitung führt auf angenehme Weise zum Thema Samt und Winter. Auch sonst sind die Texte gut lesbar, abgesehen von dem albernen Kunstwort „Studierende“ und gelegentlichem unnötigem Denglisch. Wir erfahren einiges über die Gegend, ihre Spezialitäten, Hotels, Restaurants o.ä., alles in gefälligem Stil und informativ. Hier habe ich einige Anregungen gefunden.

Insgesamt findet sich im Buch, wie der Klappentext auch ankündigt, eine Mischung aus Rezepten, Fotos und Bastelanregungen, der Großteil der Seiten gebührt den Fotos und Rezepten. Es ist – auch wenn ich mit den Bastelideen nichts anfangen konnte – eine angenehme Mischung, die beim Umblättern zu einem interessanten Wundertüten-Gefühl führt, weil man gespannt ist, was einen als nächstes erwartet. Auch ein paar Zitate sind vorhanden. Wie die Texte ist auch die Gesamtkomposition gefällig, nicht zu tiefgehend, angenehm. Ein Bogen beigelegtes Geschenkpapier trägt zum Wundertütengefühl bei. Man kann hier auf eine unterhaltsame Wohlfühlreise gehen.

Die Fotos überzeugten mich nicht vollständig. Es sind sehr viele herrliche, atmosphärische Bilder dabei, welche die Winterstimmung in den Cotswolds oder das Gemütliche in den Lokalen ausgezeichnet einfangen. Auch die Fotos der Gerichte sind ansprechend. Störend fand ich allerdings die vielen Fotos der Autorin selbst, gerne auch mal eine ganze Seite einnehmend. Ein Motiv von ihr auf einem Zaun wird uns gleich zweimal geboten. Abgesehen davon, dass diese Fotos gestelzt wirken, erschließt sich mir nicht, warum die Autorin sich selbst so häufig als Motiv ins Buch setzte – das wirkt selbstverliebt und entspricht zumindest meinen Erwartungen an ein Buch über die winterlichen Cotswolds nicht. Auch einige der Außenmotive ähnelten sich sehr und ein paar der Fotos fand ich selbst für ein englisches Wintermotiv etwas trist. Ich kenne die Cotswolds sehr gut und hier hätte man leicht etwas mehr erreichen können. Bei einigen der Texte, die Szenen beschreiben, dachte ich bedauernd: „Und warum gibt es davon kein Foto?“
Ein weiterer selbstverliebter und sehr dicker Minuspunkt: am Ende des Buches finden sich sechs Seiten (!) Werbung für das Hotel der Autorin (dies also zusätzlich zu der subtileren Eigenwerbung durch vorherige Fotos der Autorin und ihres Hotels). In ein (noch dazu hochpreisiges) Buch derart umfangreiche Werbung einzufügen, ist stillos und geradezu dreist.

Bei den Rezepten erfreute es mich sehr, daß fast alle vegetarisch waren. Richtig toll, daß hier mal gezeigt wird, wie viel man ohne Fleisch und Fisch machen kann! Es gibt einfache, erwartbare Rezepte wie Porridge, Shortbread- und Sauerteigbrotvariationen, aber auch Unerwartetes und Ungewöhnliches. Eine gute, vielfältige Mischung. Ich habe hier manche Ideen gefunden und werde einiges ausprobieren. Unerfreulich ist allerdings, daß hier dem von mir schon oft monierten Trend gefolgt wird, auf Nährwertangaben zu verzichten. Für manche sind diese Angaben notwendig und wichtig – man tut den Lesern keinen Gefallen damit, sie einfach wegzulassen.
Die Fotos der Gerichte sind nicht immer neben den Rezepten, sondern im Buch verteilt. Hier weisen dann Bildunterschriften darauf hin, um welches Gericht es sich handelt und auf welcher Seite das Rezept steht – das ist gut gemacht und bringt mehr Pfiff hinein.

Auch wenn mich die penetrante Hotelwerbung eher davon abhalten wird, zu weiteren Büchern der Autorin zu greifen, und mich nicht alles überzeugt hat, stellt „Velvet Winter“ eine interessante und erfreulich zu entdeckende Reise durch die Cotswolds da, welche sowohl von den Rezepten als auch von den örtlichen Besonderheiten manch neue Facette für mich eröffnete.

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Veröffentlicht am 25.09.2024

Unterhaltsam und interessant, aber stilistisch nicht ganz überzeugend

Wallis Simpson
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Das Leben der Wallis Simpson und die Geschichte ihres skrupellosen Aufstiegs liefert definitiv das Material für eine interessante Biographie und die Autorin weiß es zu nutzen. Sie beginnt mit farbiger ...

Das Leben der Wallis Simpson und die Geschichte ihres skrupellosen Aufstiegs liefert definitiv das Material für eine interessante Biographie und die Autorin weiß es zu nutzen. Sie beginnt mit farbiger Erzählweise mitten in der Geschichte – Edward hat abgedankt, Wallis wartet auf ihre Scheidungspapiere. Dieser Einstieg, der bis zu den Flitterwochen des Paares geht, zieht sich über mehr als 50 Seiten (und enthält leider auch einige zähe Schilderungen minutiöser Reiseabläufe). Für Leser, die mit der Geschichte noch nicht sonderlich vertraut sind, könnte dieser Einstieg, der Vorwissen voraussetzt, etwas verwirrend sein. Erst nach diesem ersten Viertel des Buches wird dann überwiegend chronologisch erzählt.

Die Erzählweise gefiel mir einerseits gut, denn sie ist flüssig, mit vielen interessanten Details und Hintergrundinformationen versehen. Man kann dieses Buch leicht lesen und es verfügt über eine unterhaltsame Lebhaftigkeit. Allerdings haben mich zwei Aspekte des Erzählstils ganz enorm gestört und mir das Lesevergnügen verleidet. Das ist zum einen die fehlende Objektivität der Autorin. Immer wieder streut sie ihre eigene Meinung auf unangenehme Weise ein, ob nun durch teils geradezu gehässig wirkende Einschübe, eigene Beurteilungen oder kleine Zusätze wie „die versnobte Thelma“. Das liest sich, obwohl ich ihre Meinung in den meisten Punkte teilte, nicht nur unerfreulich, sondern ist auch unprofessionell. Eine fundierte Biographie sollte es den Lesern überlassen, sich selbst ein Urteil zu bilden, und sich durch eine objektive Erzählweise auszeichnen.
Der andere enervierende Aspekt war das ständige Denglisch. Warum die Autorin nicht Prominente, Gastgeberin, Königsfamilie, Geburtstagsfeier etc. schreiben kann, sondern es Celebrity, Hostess, Royal Family, Birthday Party o.ä. heißt, eine Reproduktion zu einer „Fake-Renaissance-Truhe“ wird oder das Brautpaar wie „zwei Outlaws“ dasteht, ist mir ein Rätsel. Das klingt albern und hat etwas von den Büchern dieser Influencer-Häschen, die leider momentan den Markt überschwemmen. Auch Formulierungen wie „… wie Herman, wenn auch nicht ganz so toll“ oder „dem superreichen Eisenbahnerben“ passen eher in ein Teenie- oder Inflencerbuch, aber nicht in eine ernstzunehmende Biographie. Es gab Momente, in denen ich eher ein gewisses Klatschzeitschriftengefühl beim Lesen hatte. Ich habe aus derselben Reihe das Buch „Leopoldine von Habsburg“ gelesen, dessen Autorin es wesentlich besser schafft, sowohl seriös wie auch unterhaltsam zu schreiben.

Vom Informationsgehalt ist das Buch ausgezeichnet, wenn es für meinen Geschmack doch manchmal an der Oberfläche bleibt. Schön ist, daß auch viele Zeitgenossen zitiert werden und zum umfänglichen Eindruck beitragen. Gestört hat mich, daß gelegentlich Behauptungen über Gedanken und Gefühle Wallis Simpsons getroffen wurden, zu denen kein Beleg erfolgte. Gerade bei solchen Aussagen, welche das Innere betreffen, fragt man sich ja, woher diese bekannt sind – Tagebücher, Briefe? Manchmal wird es erwähnt, manchmal aber eben auch nicht, was ich ebenfalls nicht sonderlich seriös finde. Auch hier fällt der Unterschied zum „Leopoldine von Habsburg“-Buch auf, welches 371 Anmerkungen enthält, die Aussagen belegen. Eine solche Anmerkungsliste fehlt hier komplett.

Die Zeit nach der Hochzeit wird leider eher summarisch abgehandelt, aber auch hier erfährt man viel Interessantes und sieht während der Kriegsjahre eine andere, unerwartete Seite von Wallis Simpson. Insgesamt vermittelt das Buch einen lebhaften und umfassenden Eindruck dieser Frau.

Die Ausstattung ist erfreulich, auch wenn ich die grellen Farben, in denen diese Buchreihe gehalten ist, persönlich überhaupt nicht mag. Ein herrlich fester Bucheinband und eine schlichte, aber durchdachte innere Gestaltung können überzeugen, auch sind die zahlreichen Fotografien erfreulich. Auch wenn das Buch hinsichtlich Anspruch und Schreibstil m.M.n. gegenüber dem „Leopoldine von Habsburg“-Buch abfällt und es ihm leider etwas an Sachlichkeit mangelt, bietet es doch einen unterhaltsamen und informativen Blick auf Wallis Simpson, Edward VIII und ihre Geschichte.

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Veröffentlicht am 11.08.2024

Gute Ansätze mit persönlichem Bezug

Weil Erfolg nicht das ist, was du denkst
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Monika Sattler stellt in ihrem Buch auf sehr persönliche Weise ihr Erfolgs-Modell vor. Das Büchlein ist hat etwas über 100 Seiten Text und ist mit 29,99 € äußerst deftig bepreist, was entsprechend hohe ...

Monika Sattler stellt in ihrem Buch auf sehr persönliche Weise ihr Erfolgs-Modell vor. Das Büchlein ist hat etwas über 100 Seiten Text und ist mit 29,99 € äußerst deftig bepreist, was entsprechend hohe Erwartungen weckt.

Diese konnte das Buch jedenfalls für mich nur eingeschränkt erfüllen. Von der visuellen Gestaltung her ist es durchschnittlich: ein ansprechend unaufdringlicher Einband, ein aufgeräumt strukturierter Inhalt ohne aufwändige Gestaltung. Abbildungen gibt es sehr wenige, sie sind zweckdienlich, etwas altbacken.
Bei einem eingefügten Foto hat der Verlag (dem auch mehrere Tippfehler durchgerutscht sind) leider nicht auf den Buchsatz geachtet; mitten im Text findet sich da eine halbleere Seite. Das hätte man durch eine leichte Verkleinerung des Fotos oder eine entsprechende Positionierung von Bild und Text sehr leicht verhindern können. Ich lese zahlreiche Sachbücher zu diversen Themen und Bücher dieser Preisklasse kenne ich mit mehr Umfang, höherer Papierqualität und/oder visuell aufwändigerer Gestaltung.

Man kommt leicht in den Text hinein, die Autorin beginnt gelungen mit ihrer eigenen Geschichte und zeigt dabei gleich, dass zahlreiche der gängigen Annahmen über Erfolg Irrtümer sind und man dem konventionell-engen Erwartungsmuster, welches vielen unter dieser Prämisse auferlegt wird, keineswegs entsprechen muss, um Erfolg zu haben. Es ist erfreulich und wichtig, dass jemand so konsequent mit derlei Thesen aufräumt. Durch ihre eigene Geschichte ist Monika Sattler der lebende Beweis für ihre Aussagen, was bei der Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft nur hilft. Überhaupt sind ihre Erfahrungen ermutigend.

Wenig erfreulich fand ich dagegen den Schreibstil. Er fließt zwar recht locker dahin, weist aber leider vieles auf, was mir die Lektüre regelrecht verleidete. Das ist zum einen das distanzlose Duzen, das aber verschmerzbar gewesen wäre. Unangenehmer fand ich das häufige Denglisch. Ich bin zweisprachig aufgewachsen, habe in den USA studiert und in insgesamt drei Ländern gewohnt und gearbeitet, immer im internationalen Umfeld, also habe ich keine Berührungsängste bei englischen Begriffen. Auch gibt es Fälle, in denen diese griffiger sind oder sich schon lange eingebürgert haben. Bei Sattlers eigenem Modell, das auf sechs englischen, mit P beginnenden Worten aufbaut, ist es verständlich, dass dann auch diese englischen Begriffe verwendet werden. Aber leider ist es damit nicht getan. Den Lesern strömt eine ganze Flut an unnötigen englischen Wörtern entgegen, die keinerlei sprachlichen Vorteil haben, sondern nur um ihrer selbst gebraucht werden. Da ist man „busy“ oder „geflasht“, man denkt über die „company culture“ nach und verlässt seine „comfort zone“ sowie seine „bubble“ und hat „outcomes“, und natürlich darf auch das grauenvoll eingedeutschte „okay damit sein“ nicht fehlen. Das klingt alles schon gesprochen höchst albern, auch wenn es mittlerweile üblich ist. In einem Sachbuch verschriftlicht ist es ein Graus und wirkt nicht professionell. Auch einige Satzstellungen scheinen dem Englischen entlehnt (z.B. „Meine (…) Challenge hat begonnen mit der Idee …“). Hinzu kommen mittlerweile ebenfalls übliche Kunstwörter wie „Betrügende“, „Mitarbeitende“, sogar „Arbeitgebende“, und auch mal das doppelt gemoppelte „weibliche Mitarbeiterinnen“.

Eine weitere Sache, die ich unerfreulich fand, waren die zahlreichen Wiederholungen – insbesondere wenn man die Kürze des Buches bedenkt. Einige Dinge werden zur Einprägung wiederholt, Sattler schreibt einmal selbst: „Und vieles hast du bereits gelesen.“ Das erfüllt, auch wenn es nicht jedermanns Geschmack ist, seinen Zweck. Allerdings sollte man das auf die relevanten Punkte beschränken. Ich hatte beim Lesen ständig das Gefühl: „Das habe ich doch gerade schon einmal gelesen“ und damit lag ich auch richtig, z.B. bei fast gleichlautenden Sätzen wie „Es gibt so viel Ablenkung in der Welt“ (S. 42), „Wir leben in einer Welt mit so vielen Ablenkungen“ (S. 47) und „Wir leben in einer Welt stetiger Ablenkungen (S. 68). Auch viele Absätze drehen sich im Kreis, indem immer wieder dieselbe Aussage wiederholt wird. Als eines von vielen Beispielen: „Heutzutage ist jeder busy. (…) Konstant etwas tun zu müssen scheint en vogue zu sein. Wir müssen uns ständig beschäftigen. Einmal nichts tun (…) scheint unmöglich.“ Vier aufeinanderfolgende Sätze mit exakt derselben Aussage und leider kein Einzelfall.

So war die Lektüre für mich aus mehreren Gründen keine Freude. Das ist insbesondere deshalb bedauerlich, als der Inhalt lesenswert ist. Es sind grundlegende Ansätze, die mir persönlich wenig Neues brachten, aber gerade aufgrund meiner eigenen Erfahrungen kann ich sagen, dass es nützliche Ansätze sind. Ich gebe zu, ich hatte mir Tiefgreifenderes erwartet, aber das war meine subjektive Erwartung. Das Buch liefert das, was der Klappentext verspricht, und wird für Leser, die bei diesem Thema eine erste Orientierung suchen, sicher hilfreich sein. Durch den bereits erwähnten persönlichen Bezug der Autorin ist das, was sie darlegt, glaubhaft und überzeugend. Auch ist es ermutigend, dass sie erfolgreich ist, ohne den „gängigen“ Weg genommen zu haben. Genau solche Geschichten sind es, von denen man viel öfter hören sollte und die vielen Mut machen werden.

Es gibt zahlreiche wertvolle Gedanken, die auch dann hilfreich sind, wenn man sie eigentlich schon kennt – hier werden sie klar formuliert, bekräftigt und auf praktische Situationen angewandt. Das Buch hilft enorm dabei, selbstsabotierende Glaubenssätze infrage zu stellen und abzulegen. Es zeigt, was wirklich zählt und was viel irrelevanter ist, als man oft denkt. Es zeigt auch, dass man nicht annähernd so perfekt sein muss, wie man oft glaubt. Wer von außen oder durch sich selbst von einem unrealistischen Erwartungsdruck gequält wird, findet hier eine Menge Unterstützung und Erhellendes. Diese Informationen kommen nicht nur als graue Theorie, sondern mit reichlich praktischen Beispielen aus vielfältigen Situationen daher, was ebenfalls ein Pluspunkt ist. Eine hervorragende Idee war es, die sechs Schlüsselfaktoren am Ende des Buches auch auf ganz normale Alltagssituationen anzuwenden. Dies illustriert nicht nur das, was die Autorin schon am Anfang des Buches eindringlich vermittelt, nämlich dass Erfolg eine höchst persönliche Angelegenheit ist, sondern zeigt auch, wie vielseitig nützlich eine Einstellung ist, die sich von Selbstsabotage befreit und sich außerdem praktisch anwendbare Schritte angeeignet hat.

So ist das Buch trotz des zumindest für mich oft unerfreulichen Schreibstils informativ und nützlich. Es enthält sehr viel, was man allgemein verinnerlichen sollte, und viel, was einem konkret in zahlreichen Situationen helfen kann. Mir ist bewusst, dass die Hauptzielgruppe, die andere Erwartungen an Sprache hat, den Schreibstil positiver betrachten wird als ich. Deshalb runde ich meine persönliche Sternebewertung auf vier Sterne auf. Bei ausgewogenerem Preis-Leistungs-Verhältnis und weniger Wiederholungen hätte es 5-Sterne-Potential.

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Veröffentlicht am 03.06.2024

Ungewöhnliche, gekonnt aufgebaute Geschichte

Der König und der Uhrmacher
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„Der König und der Uhrmacher“ machte mich gleich durch das ungewöhnliche Sujet neugierig: die Reparatur einer alten Uhr, der Hof des dänischen Königs Christian VII, ein isländischer Autor und die Ankündigung ...

„Der König und der Uhrmacher“ machte mich gleich durch das ungewöhnliche Sujet neugierig: die Reparatur einer alten Uhr, der Hof des dänischen Königs Christian VII, ein isländischer Autor und die Ankündigung dramatischer Ereignisse um aufgedeckte Intrigen. Eine Kombination, die neugierig macht.

Der Schreibstil hat mich anfangs gefangengenommen. Die Szenen, in denen der König, ruhelos im Palast umherschlendernd, auf den Uhrmacher Jón bei der Arbeit trifft und ihm zunächst mit der ganzen Wucht der königlichen Arroganz begegnet, sich dann aber zwischen den beiden ganz vorsichtig und von äußeren Einflüssen frei eine Vertrautheit aufbaut, sind ausgezeichnet geschildert. Man sieht die Szenen richtiggehend vor sich und der Autor versteht es, mit wenigen Worten farbige Beschreibungen zu schaffen.
Der zweite, in Island spielende Handlungsstrang entfaltete die Wirkung leider lange nicht. Hier wird berichtsartig geschildert, mit viel indirekter Rede, oft etwas trocken. Obwohl die Lebensumstände im Island des 18. Jahrhunderts interessant sind, ließen mich die Charaktere lange unberührt und die Erzählweise enttäuschte mich. Dies ändert sich im letzten Drittel des Buches, wenn die Szenen durch Dialoge und Unmittelbarkeit schlagartig an erzählerischer Wucht gewinnen.

So war ich vom Schreibstil also hin- und hergerissen. Auch einige holprige Sätze (z.B. „Aber dann wurde er wieder freigelassen, aber er hatte natürlich …“) und oft zu moderne Wortwahl störten mich beim Lesen. Ich kann nicht beurteilen, wie es im Originaltext ist, aber in der deutschen Übersetzung hatte ich zwischendurch eher ein Gefühl vom 20. Jahrhundert als vom 18. Jahrhundert, wenn Begriffe wie „soll sich verziehen“, „Nutten“, „geht in Ordnung“ oder „schick“ verwendet wurden.
Auch die Angewohnheit des Autors, bereits Berichtetes noch einmal durch einen Charakter erzählen zu lassen, beeinträchtigte mein Lesevergnügen. Es kam recht häufig vor, daß man als Leser bei einer Szene ausführlich dabei ist und ein Charakter eben diese Szene noch einmal einem weiteren Charakter schildert. Dies ging in einem Fall über eine ganze Seite. Derlei Wiederholungen tragen wenig bei und irritieren.
Andererseits gibt es Formulierungen, welche die reinste Freude sind und gelungen, manchmal lakonisch oder gar mit trockenem Humor ungemein treffende Bilder zeichnen, z.B. diese Beschreibung: „Der Prinz strahlte eine Gleichgültigkeit aus, vielleicht die Tristesse eines Menschen, der immer alles bekommen hatte, was er wollte, und nicht mehr fähig war, sich an den Dingen zu erfreuen.“

Ausgezeichnet gelungen ist auch das Verweben historischer Fakten mit der Geschichte. Dies geschieht elegant-natürlich, nie hatte ich ein Gefühl von Infodumping. Vielen historischen Romanen merkt man leider an, wenn Fakten um ihrer selbst willen hineingestopft wurden. Hier war das nie der Fall, die Leser erfahren beim Lesen eine ganze Menge interessanter und gut recherchierter historischer Fakten im ganz natürlichen Lesefluss, gelungen verwebt und dargestellt. Das hat mir ausgezeichnet gefallen.

Auch die Geschichte selbst überzeugt. Das Ende fand ich ein wenig antiklimaktisch und die Klappentextankündigung dramatischer Ereignisse eher vollmundig, andererseits hat das Ende eine interessante Facette, in welcher die Uhr eine unerwartete Rolle spielt.
Die besondere Gesetzeslage im Island jener Zeit wurde ausgezeichnet als Ausgangspunkt genutzt, um eine ungewöhnliche Geschichte zu kreieren und einen überraschenden Bogen zur persönlichen Geschichte des Königs zu schlagen.
Die Reparatur der Uhr ist letztlich eine Art Rahmenhandlung, entwickelt aber ihren eigenen Zauber und fasziniert. Auch wird sie gekonnt genutzt, um Verbindungen zu weiteren Handlungselementen zu schaffen. So entdeckt der Uhrmacher bei der Suche nach verkauften Teilen der Uhr neue Orte und lernt Menschen kennen, die in der weiteren Entwicklung eine Rolle spielen. Die Handlungsstränge selbst sind von erfreulicher Originalität und nutzen die historischen Gegebenheiten, um sich von den ewiggleichen Themen so vieler historischer Romane wegzubewegen.

Selbst wenn ich stilistisch nicht gänzlich überzeugt war, hat „Der König und der Uhrmacher“ sehr vieles, was hervorragend umgesetzt ist und das Buch zu einer lohnenden und erfreulichen Lektüre macht.

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Veröffentlicht am 03.05.2024

Eine vielfältig informative Reise in die chinesische Kultur und ein wertvoller Ratgeber

Ein Chinese sagt nicht, was er denkt
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In „Ein Chinese sagt nicht, was er denkt“, nimmt Christian Emil Schütz uns auf eine ungewöhnliche und faszinierende Entdeckungsreise. Er schildert seine Zusammenarbeit mit Chinesen, die er 2009 ohne kulturelles ...

In „Ein Chinese sagt nicht, was er denkt“, nimmt Christian Emil Schütz uns auf eine ungewöhnliche und faszinierende Entdeckungsreise. Er schildert seine Zusammenarbeit mit Chinesen, die er 2009 ohne kulturelles Vorwissen einging und bis heute aufrechterhält. Die Leser sind bei seinen zahlreichen Lernprozessen direkt dabei und so bietet dieses Buch nicht nur ungemein wertvolle Informationen über die chinesische Kultur und die sich daraus ergebenden Herausforderungen, sondern vermittelt diese auf eine hautnahe und praktische Weise. Damit sticht das Buch aus dem Großteil interkultureller Ratgeber angenehm heraus.

Es ist hochwertig gestaltet, der feste Einband überzeugt haptisch und visuell, ebenso wie der ansprechend gestaltete Umschlag und das Lesebändchen. Jedem Kapitel ist ein passendes, gut gewähltes Zitat vorangestellt, hinten im Buch finden sich einige Literaturverweise und eine Übersicht der 36 Strategeme. Man merkt, in dem Buch steckt viel Sorgfalt und Hingabe.

Inhaltlich geht es vor allem um die Erfahrungen, die Schütz beim Aufbau und der Führung seines Unternehmens mit seinem chinesischen Geschäftspartner sowie chinesischen Mitarbeitern machte. Einige Reiseschilderungen und ein Exkurs zu russischen Erfahrungen des Autors bieten auch privatere Einblicke, sowohl in das Leben des Autors wie auch in die Länder China und Russland.

Das läßt sich alles leicht lesen, der Stil ist praxisnah und eingängig. Leider wird der Lesefluss durch Gendern beeinträchtigt, was hier vorwiegend (das Gendern ist nicht einheitlich gehandhabt) mit der besonders unerfreulichen Form des Gendersternchens geschieht und anhand der hier häufig vorkommenden Begriffe die Unzulänglichkeiten dieser Form aufzeigt, denn Worte wie „Chines“ und „Ärzt“ (wie es sich ohne Sternchenzusatz liest) gibt es schlichtweg nicht.

Die Formulierungen sind überwiegend gut, insgesamt hätte dieses informative Buch von einem sorgfältigen Lektorat profitiert. Die Zeitformen werden häufig durcheinander gewürfelt und die Vorvergangenheit nicht immer dann verwendet, wenn sie notwendig wäre. Das führte manchmal bei mir sogar zu Verständnisschwierigkeiten, weil nicht klar war, ob das Berichtete in der Vorvergangenheit stattgefunden hatte oder nicht. Auch relevante Informationen fehlen gelegentlich oder werden nur angerissen, während es andererseits öfter Wiederholungen gibt oder sich Absätze finden, die inhaltlich nicht ganz passen und hereingeschoben wirken. Das sind letztlich Kleinigkeiten, die nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Lesevergnügens führen, sich aber in der Häufigkeit doch bemerkbar machen und für mich einen Wermutstropfen darstellten.

Inhaltlich kombiniert der Autor Theorie und Praxis hervorragend. Durch Schilderung seiner eigenen Erlebnisse erfahren wir eine Vielzahl konkreter Situationen, die vom Familienalltag bis hin in die Unternehmensführung reichen. Diese werden dann mit dem entsprechenden Hintergrundwissen aufgelöst. In einer Situation, in der nicht endgültig geklärt werden konnte, was eigentlich hinter dem Verhalten steckte, schildert Schütz uns seine Eindrücke in Verbindung mit seinem Wissen über die chinesische Kultur und kommt so zu einer nachvollziehbaren, gut dargelegten Schlussfolgerung. Er erlangt sein Wissen im Laufe der Jahre durch verschiedene Quellen, und anhand des Buches erleben wir das mit. Trocken wird es nie, immer sind die Informationen fundiert und gleichzeitig unterhaltsam, decken auch Historisches und sogar Touristisches ab, schildern auch berührende Lebenswege. Die Vielfalt ist erstaunlich und interessant. Nur die manchmal mit erhobenem Zeigefinger dargebrachten Meinungen des Autors zu manchen politischen Themen und dazu, wie Menschen sich im Allgemeinen verhalten sollten, fand ich im Rahmen des Themas entbehrlich.

Gelernt habe ich eine ganze Menge – und das, obwohl ich als interkulturelle Trainerin über einiges Vorwissen verfügte. Die mir bekannten Punkte sind zutreffend und farbig geschildert, die mir unbekannten Punkte wurden nachvollziehbar und ebenfalls interessant erläutert. Ich habe insbesondere den praxisbezogenen, selbsterlebten Fokus genossen. Dieses Buch ist für jeden, der mit Chinesen beruflich oder privat zu tun hat, ein äußerst wertvoller und interessanter Ratgeber.

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