Cover-Bild Verlassene Nester
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24,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Tropen
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 304
  • Ersterscheinung: 17.08.2024
  • ISBN: 9783608502237
Patricia Hempel

Verlassene Nester

Roman

»Wie Patricia Hempel über den Verlust der Unschuld und über die Nachwendezeit schreibt, ist ein Ereignis.« Florian Valerius

Sommer 1992 im ehemaligen Elbe-Grenzgebiet. Pilly ist dreizehn und sehnt sich nach Zugehörigkeit. Aber auch zwei Jahre nach der Wiedervereinigung hängt ihre Familie noch immer an den Idealen von Gestern. Der Vater flüchtet in die Gaststätte, die Tanten träumen vom Goldenen Westen und von Pillys Mutter fehlt nach wie vor jede Spur. Halt findet Pilly nur in der älteren Mitschülerin Katja. Ein Trugschluss. Sie ahnt nicht, dass am Ende dieses Sommers ihre Welt abermals eine andere sein wird.

Die Mischanlagen und Fließbänder des Betonwerks stehen still. Ebenso wie das Leben der Menschen in dem fiktiven Planort an der Elbe. Während Pilly um jeden Preis versucht, die Aufmerksamkeit der älteren Schulkameradin Katja zu gewinnen, trinkt ihr Vater gegen die Erinnerungen an. Die Mutter ist schon lange weg, angeblich im Westen, auch wenn darüber eisernes Schweigen herrscht. Die Tanten wollen sich den Traum vom Goldenen Westen verwirklichen und setzen dabei ihre Lebensgrundlage aufs Spiel. Der Sommer nimmt eine drastische Wende, als eines Tages die Gärten der vietnamesischen Vertragsarbeiter abbrennen und Pilly plötzlich einer Frau gegenübersteht, die behauptet, ihre Mutter zu sein.

»Patricia Hempel ist eine Meisterin des Untergründigen. Lebenslust und Lebenslügen verwachsen in diesem Roman zu einem beängstigenden Gestrüpp.« Katja Kullmann

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.09.2024

Zwischen Nostalgie und Hoffnung

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„Verlassene Nester“ von Patricia Hempel, erschienen 2024 bei Tropen und nominiert für den Alfred-Döblin-Preis 2023, ist ein Roman, der sich anfühlt wie einer dieser letzten Spätsommertage, warm, aber auch ...

„Verlassene Nester“ von Patricia Hempel, erschienen 2024 bei Tropen und nominiert für den Alfred-Döblin-Preis 2023, ist ein Roman, der sich anfühlt wie einer dieser letzten Spätsommertage, warm, aber auch schwer, der Herbst schon spürbar, es liegt ein letztes Bienensummen in der Luft und die Menschen sind etwas träge, der nahende Winter macht alle ein wenig melancholisch, aber noch ist es ja Sommer.

Es ist 1992, noch relativ kurz nach der Wende, wir befinden uns in den neuen Bundesländern, recht grenznah der ehemaligen Grenze zwischen DDR und BRD. Pilly, ein 13-jähriges Mädchen, befindet sich mitten im Umbruch, einerseits kickt die Pubertät, andererseits kickt die Wiedervereinigung. Pillys Mutter ist vor einigen Jahren unter nicht geklärten Umständen verschwunden, Pillys Vater ist alkoholsüchtig und hat das Herz am rechten Fleck, aber auch einen Koffer, der ein großes Geheimnis birgt und den Kopf voll mit Sorgen, die ihn davon abhalten, sich gut um Pilly zu kümmern. Das Leben tropft vor sich hin, der Westen rückt irgendwie immer näher, und die Dagebliebenen pendeln zwischen sehnsuchtsvoller Verheißung und Festhalten am Alten, von dem ja vieles auch schön und gut war. Zwischen Spielplatz, Kleingartenparzelle und Plattenbau entspinnt sich das Leben mit all seinen Grausamkeiten – aber auch mit einer tief verwurzelten Gemeinschaft.

Hempel schreibt sehr atmosphärisch und lässt mit vielen Details die beschauliche und übersichtliche Kindheitswelt von Pilly entstehen. Beschaulich ist diese nur auf der Oberfläche, darunter brodeln die Konflikte – aber man hat gelernt: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Jede Menge Zeitkolorit und ausführliche Beschreibungen lassen die Zeit kurz nach der Wende sehr lebendig werden, allerdings gibes wenig Erläuterungen, so dass für Menschen ohne DDR- oder Geschichtswissen Google wahrscheinlich der beste Freund beim Lesen dieses Buches wird; hier wäre ein Glossar vielleicht eine hilfreiche Maßnahme gewesen. Die Beobachtungen sind nüchtern und unsentimental, ich hatte teilweise beim Lesen eine Dokumentarfilm-Erzählerstimme im Kopf, aber das war für mich stimmig. Das Erzähltempo ist langsam, was sich zu Beginn des Romans noch gut anfühlt, mit zunehmendem Handlungsfortgang dann aber doch etwas anstrengend wird. Es werden sehr viele Handlungsstränge und Figuren aufgemacht, die leider nicht alle und nicht einmal fast alle zu einem Ende geführt werden. Dabei bleiben auch einige zentrale Fragen offen, was mich in diesem Fall doch sehr gestört hat, da die Antworten auf die offenen Fragen entscheidend wären. Das Ende des Buches war für mich sehr herbeigeholt, fast hatte ich das Empfinden, die Autorin hat keinen anderen Ausstieg aus einer Geschichte gefunden, die sie nicht weiter am gleichen Ort fortschreiben wollte. Das fand ich schade, denn der Konflikt der Dagebliebenen hätte mich gerade vor Ort weiter interessiert.

Es ist ein Buch, dass ich über weite Strecken sehr gern gelesen habe und in dem ich wirklich viel über die DDR und das Leben nach der Wende gelernt habe. Aber auch ein Buch, das mich irgendwann ein bisschen verloren hat und sehr unbefriedigt zurücklässt, weil es keine wirklichen Entscheidungen treffen möchte. Was mir gut gefallen hat, ist die immer wieder auftretende Einbindung des Buchtitels in die Handlung – und dass zu keinem Zeitpunkt gewertet wird. Wir müssen noch heute die Wiedervereinigung, die doch eher ein Verschlucken war, aufarbeiten. Dass das nicht geschieht, ist ein großer Fehler, der sich aktuell in Wahlergebnissen darstellt. Die Wurzeln davon kann man in diesem Buch spüren. Insofern auf jeden Fall eine Leseempfehlung und der Vorschlag, sich in die Köpfe der Menschen hineinzuversetzen, die noch beide Systeme erlebt haben. Insgesamt reicht es leider dennoch nur für 3,5 Sterne, da ich die gleichbleibende Ausführlichkeit irgendwann ermüdend fand und mir ein starkes Ende fehlt.

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Veröffentlicht am 09.09.2024

Macht nachdenklich

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Der Roman „Verlassene Nester“ bietet eine vielschichtige Erzählung, die in der Zeit nach der Wiedervereinigung spielt und sich mit den Spannungen und Unsicherheiten dieser Ära auseinandersetzt. Der Sommer ...

Der Roman „Verlassene Nester“ bietet eine vielschichtige Erzählung, die in der Zeit nach der Wiedervereinigung spielt und sich mit den Spannungen und Unsicherheiten dieser Ära auseinandersetzt. Der Sommer 1992 im ehemaligen Grenzgebiet der Elbe wird hier zu einer Übergangsphase, nicht nur für das Land, sondern vor allem für die Protagonistin Pilly und ihre Umgebung. Mit der Schilderung ihrer Suche nach Zugehörigkeit und der Ergründung der Dynamiken in ihrer zerrütteten Familie stellt der Roman Fragen nach Identität und dem Umgang mit Veränderungsprozessen.

Was mich besonders angesprochen hat, ist die eindringliche Sprache des Romans und die vielschichtige Darstellung der Charaktere. Viele Perspektivwechsel zeigen verschiedene Sichtweisen auf die Ereignisse im Dorf, die die Leserschaft wie Puzzleteile zusammensetzen muss. Gerade dieser erzählerische Ansatz, der das Fragmentarische der Geschichte betont, spiegelt die Verwirrung und Orientierungslosigkeit wider, die die Menschen kurz nach der Wiedervereinigung im Dorf empfinden.

Eine Herausforderung des Romans liegt jedoch darin, dass er subtil mit historischen und politischen Kontexten spielt, die nicht jeder Leser oder jede Leserin unmittelbar parat haben mag. Das kann einerseits ein Anreiz sein, sich tiefer mit der Geschichte auseinanderzusetzen, andererseits könnte es dazu führen, dass bestimmte Nuancen und kritische Themen unbeachtet bleiben. Für diejenigen, die den Roman ohne Hintergrundwissen lesen, bleibt möglicherweise ein Teil der gesellschaftskritischen Tiefe verborgen, die das Buch zu bieten hat - z.B. die Gleichgültigkeit der Dorfbewohner:innen gegenüber den Anschlägen auf Vertragsarbeiter:innen und ihre Weigerung, ihnen gegenüber Empathie zu empfinden und diese zu Wort kommen zu lassen, weil sie vor allem mit sich und eigenen Sorgen beschäftigt sind. Trotzdem könnte darin auch eine Stärke von „Verlassene Nester“ liegen: Es bietet Raum für Interpretation und fordert eine aktive Leserschaft, die bereit ist, sich mit den komplexen Verstrickungen von Vergangenheit und Gegenwart auseinanderzusetzen.

Insgesamt empfinde ich den Roman daher als gelungen, besonders wegen seiner Sprache und der vielschichtigen Erzählweise. Aber ich bin unsicher, ob er für jede Leserin und jeden Leser gleich zugänglich ist. Vielleicht liegt darin aber auch seine Qualität: Er bietet eine Lektüre, die nicht sofort alles preisgibt, sondern zur Reflexion und zum Nachdenken anregt.

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Veröffentlicht am 01.10.2024

Nach dem Verschwinden der Schlechtwetterfrau

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Es ist Sommer 1992 im Planort an der Elbe im Gebiet der ehemaligen DDR, wo Pilly Jäckel mit ihrem Vater Martin lebt. Die Mutter der 13-Jährigen ist schon vor der Wende verschwunden, der Vater flüchtet ...

Es ist Sommer 1992 im Planort an der Elbe im Gebiet der ehemaligen DDR, wo Pilly Jäckel mit ihrem Vater Martin lebt. Die Mutter der 13-Jährigen ist schon vor der Wende verschwunden, der Vater flüchtet sich in den Alkohol. Die Teenagerin versucht, die Zuneigung der älteren Schulkameradin Katja zu gewinnen, die jedoch lieber mit einem Jungen anbändelt. Doch das soll nicht Pillys einziges Problem bleiben…

„Verlassene Nester“ ist ein Roman von Patricia Hempel.

Untergliedert in drei Teile und insgesamt 27 Kapitel, umspannt die Geschichte mehrere Monate. Erzählt wird nicht nur in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Pilly, sondern auch aus weiteren Perspektiven, von denen die eine oder andere entbehrlich gewesen wäre.

In sprachlicher Hinsicht hat der Roman seine Stärken. Die anschaulichen Naturbeschreibungen sind besonders gelungen. Kreative Wortschöpfungen stechen hervor. Zudem fallen immer wieder starke Bilder auf. Andererseits haben sich mir spezifisch ostdeutsche Begriffe teilweise nicht aus dem Kontext erschlossen.

Das Personal ist ein wenig zu umfangreich. Zu Beginn fiel es mir nicht leicht, die verschiedenen Charaktere und ihre Beziehungen zueinander zu sortieren. Im Fokus steht Pilly, eine durchaus realitätsnahe und interessante Figur, die mir allerdings bis zum Schluss ein bisschen fremd blieb.

Was die Themen angeht, wirkt der Roman ebenfalls überfrachtet. Es geht um Rassismus, Aspekte des Erwachsenwerdens, wirtschaftlichen Niedergang, Suchterkrankungen, Flucht, Stasi, Gentrifizierung und vieles mehr. Einiges wird bloß angerissen, sodass der Eindruck entsteht, dass die Autorin möglichst viele Themen unterbringen wollte.

Auf den knapp 300 Seiten nimmt die Geschichte nur sehr langsam Fahrt auf. Später wird die Handlung deutlich unterhaltsamer und turbulenter. Sie bietet sogar Überraschungen. Der Schluss hat mich dennoch etwas enttäuscht, da einige Fragen offen bleiben und manche lose Fäden nicht wieder aufgegriffen werden.

Sowohl das Cover als auch der mehrdeutige Titel sind auf positive Weise ungewöhnlich. Sie passen sehr gut zur Geschichte.

Mein Fazit:
Mit „Verlassene Nester“ hat mich Patricia Hempel leider nicht komplett überzeugt. Die Geschichte hält interessante Themen und Ideen bereit, lässt aber zu viele Leerstellen.

Veröffentlicht am 29.09.2024

Irgendwo dazwischen

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Ein Ort in Ostdeutschland kurz nach der Wende, drei Mädchen im Teenager-Alter spielen Machtspielchen, die Erwachsenen hängen noch irgendwo zwischen den Systemen. Die 13-jährige Pilly wächst beim Vater ...

Ein Ort in Ostdeutschland kurz nach der Wende, drei Mädchen im Teenager-Alter spielen Machtspielchen, die Erwachsenen hängen noch irgendwo zwischen den Systemen. Die 13-jährige Pilly wächst beim Vater auf, ihre Mutter ist irgendwann verschwunden, die Tanten bieten ihr weibliche Fürsorge.
Große Teile des Buchs nimmt die Dynamik der „Freundinnen“ ein, die im Freien herumhocken und gelangweilt scheinen. Pilly, die dazugehören will, wird erniedrigt, und das hätte für meinen Geschmack nicht ständig wiederholt werden müssen.
Die eigentlich spannenden Fragen, die sich beispielsweise um Verrat oder Verlassen drehen, werden angedeutet, aber nicht vollständig aufgeklärt. „Mein Vater gab der »Wende« die Schuld am »Personalmangel«, und wie immer, wenn es in den Gesprächen der Erwachsenen um die Wende ging, verstand ich kein Wort.“ Nun betrifft dies zwar mehr die ältere Generation, doch auch in der präsenteren Kinderebene wäre das Wahrnehmen des anderen Systems ein interessanter Aspekt gewesen, doch dieser wird gar nicht beleuchtet.
Und so bin ich nach der Lektüre dieses Buchs etwas unbefriedigt in Anbetracht meiner Erwartungen an den Inhalt. Die Sprache, die das Vokabular von Ort und Zeit berücksichtigt, und die Erzählweise, die durch den Wechsel von Perspektiven für Einblicke sorgt, habe ich als sehr ansprechend empfunden.

Veröffentlicht am 25.09.2024

Wendezeit

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In einem nüchternen und distanzierten Erzählstil, nimmt die Autorin den Leser in eine Kleinstadt im brandenburgischen zur Wendezeit mit.

Ich persönlich habe diese Geschichte als sehr beklemmend und düster ...

In einem nüchternen und distanzierten Erzählstil, nimmt die Autorin den Leser in eine Kleinstadt im brandenburgischen zur Wendezeit mit.

Ich persönlich habe diese Geschichte als sehr beklemmend und düster empfunden. Das lag nicht zuletzt an den nüchternen und distanzierten Erzählstil, wie eingangs schon erwähnt. Es wird eine trostlose, triste und hoffnungslose Hochhaussiedlung beschrieben. Ihre Bewohner hat die Wende knallhart jeglicher positiven Zukunftsaussichten beraubt. Ein Großteil von ihnen ist Arbeitslos und dem Alkohol verfallen. Hinzu kommen erste fremdenfeindliche Tendenzen.

Wenn schon die Erwachsenen von Wende so hart getroffen sind, wie stark sind das erst Kinder und Jugendliche von diesen Effekt betroffen. Eine davon ist Pilly, deren Mutter einfach verschwand. Sie hat nicht nur mit den üblichen Teenagerproblemen zu kämpfen, wie Liebe, Erwachsen werden und Freundschaft. Nein auch mit einen Wandel. Auffällig ist dass die beschriebenen Teenager allesamt in gewisser Weise verroht sind, ja brutal im miteinander umgehen sowohl körperlich als auch im Gespräch miteinander.

Als dann auch noch Spekulanten, wie Heuschrecken in diese Kleinstadt einfallen und die Filetstücke am Wasser kaufen bröckelt das letzte bißchen Idylle bei Pilly. Man könnte es auch als das Ende eines Lebensabschnittes nennen.

Dieses Buch und seine Geschichte ist wenn man zwischen den Zeilen lesen und kann und den entsprechenden Subtext entziffern kann noch um einiges intensiver.

Dennoch fand ich die Geschichte an vielen Stellen einfach zu flach. Das Pilly in einer trostlosen und hoffnungslosen Plattenbausiedlung aufwächst, bei einen Vater der eine gewisse politische Vorbelastung aufweist, hat man nach kurzer Zeit begriffen. Jedoch kratzt die Autorin lediglich an der Oberfläche. So viele Fragen bleiben für den Lesen offen oder gar unbeantwortet.

Das Cover passt zum Roman, wobei ich mir auch gut den breiten Fluss mit gefällten Bäumen am Uferrand hätte vorstellen können.

Fazit: Ein intensiver und zugleich trostloser Roman über die Wendezeit mit all ihren Problemen. Über Neuorientierung, Vergangenheitsbewältigung und Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.
Ein tiefer gehendes Wissen über die DDR und die Stasi könnte das Verständnis dieser Geschichte erleichtern. Mir persönlich war er zu flach. Als möglicher Einstieg für Thematik bedingt geeignet.

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