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Veröffentlicht am 26.08.2023

Wir kennen die magische Welt nicht, in der wir leben

Hinter der Hecke die Welt
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Wow - was für ein Buch! In den 176 Seiten (E-Book) passiert kaum etwas, trotzdem ist das Lesen dieser Geschichte eine enorm wohlig-traurige Bereicherung!

"Hinter der Hecke die Welt" ist eine Erzählung, ...

Wow - was für ein Buch! In den 176 Seiten (E-Book) passiert kaum etwas, trotzdem ist das Lesen dieser Geschichte eine enorm wohlig-traurige Bereicherung!

"Hinter der Hecke die Welt" ist eine Erzählung, die einerseits greifbar macht, wie der Mensch die Erde Untertan macht und unwiederbringbar verändert. Anhand der Reise mit einem Expeditionsschiff in die Arktis und der Protagonistin Dora, die sich an eine unbekannte Welt herantastet und doch deren Veränderungen spürt, wird der Eingriff der Menschheit auf die Natur veranschaulicht. "Vielleicht, sagen sie, gibt es oben im Norden unter dem nun nicht mehr ewigen Eis noch Stellen, die kein Mensch je sah. Vielleicht ist in der Arktis noch mehr Arktis als Mensch."

Andererseits utopisiert und/oder dystopisiert Molinari den Untergang eines Dorfes, das sich kontinuierlich im Schrumpfen befindet; mit all dem Leerstand, der Dorfkasse und den wenigen verbliebenen Menschen, die immer noch weniger werden. Aber auch der Stillstand kommt vor, der nicht sein darf und deshalb akribisch untersucht wird. Nur die Hecke wächst unweigerlich und wird zu DER Touristenattraktion, der einzigen weit und breit. Bis zu einem Ereignis, das dazu führt, dass auch die Besucherinnen ausbleiben... Hier im Mittelpunkt sind die nicht mehr wachsenden Kinder Pina (Doras Tochter) und Lobo, die das Dorf und die Vorgänge darin intensiv und philosophisch betrachten. "Pina und Lobo fragten sich, ab wann ein Dorf als Dorf bezeichnet werden kann. [...] Sie standen auf dem Hügel und hielten sich die Hände so vor das Gesicht, dass sie Teile des Dorfes verdeckten, und überlegten sich, ob das Dorf auch dann noch ein Dorf war, wenn Lobos Haus wegfiel, der Schuppen daneben oder der Steg am Teich."

Um einzelne Gedanken der Protagonist
innen zu unterstreichen, sind Skizzen eingefügt, was der Erzählung auch einen humorvollen Aspekt zukommen lässt. Der Schreibstil ist fast kindlich, die Gedanken oft im Konjunktiv gehalten, was der ganzen Geschichte zusätzliche Phantasterei und magischen Glanz verleiht.

"Hinter der Hecke die Welt" ist sicher kein Buch für jedermann oder jedefrau! Wer ein außergewöhnliches, märchenhaftes Flair in der Gegenwart schätzt, das mit traurig anmutender Gesellschaftskritik und philosophischen Gedankengängen gepaart ist, findet hier jedoch ein Goldstück!

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Veröffentlicht am 07.01.2024

Talentschmiede Burgenland

Junge Literatur Burgenland Vol. 7
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In diesem Sammelband finden sich Texte von vier Autorinnen mit Burgenlandbezug, die alle mit einem großen schriftstellerischen Talent aufwarten können.

Die ersten drei Texte stammen von der 2001 geborenen ...

In diesem Sammelband finden sich Texte von vier Autorinnen mit Burgenlandbezug, die alle mit einem großen schriftstellerischen Talent aufwarten können.

Die ersten drei Texte stammen von der 2001 geborenen Autorin Anna Bauer. "Man sagte dir, diesem Text fehle bloß ein Bergwerk" ist eine lyrische Beobachtung von dörflichen Strukturen und ihren Bewohner:innen, die in neun Abschnitte gegliedert ist. Bauer erschafft hier ein spezielles Flair, welches umgehend widersprüchliche Bilder dieser widersprüchlichen Gesellschaft in mir hervorriefen. Der zweite Text "Eine schöne Glückskatze ist das, hat der Autorfahrer hinter mir gesagt" ist eine Kurzgeschichte, welche jedoch ebenfalls lyrische Textabschnitte enthält. Sie ist aus Ich-Perspektive verfasst und befasst sich mit den Gewissensbissen der Erzählerin, die etwas mit dem Tod der Nachbarskatze zu tun hat. Dieser Text ist sehr einnehmend und der Autorin gelingt es hervorragend, dass sich die Lesenden in die Gedanken- und Gefühlswelt der Protagonistin hineinversetzen können. Mein persönlicher Lieblingstext in diesem Sammelband ist aber Bauers "Die Hecke". Die Kurzgeschichte, der in Du-Form geschrieben ist, dreht sich um eine Beziehung zwischen der Protagonistin und einer ihr sehr zugetanen Hecke. Klingt ungewöhnlich - ist es auch, aber die Autorin schafft um die schräge Geschichte eine so natürliche und einnehmende Atmosphäre, dass ich ihr die Erzählung zu hundert Prozent abgenommen habe! Ich bin mir sicher, von Anna Bauer wird die Literaturwelt noch einiges hören!

Die nächste Kurzgeschichte ist von der 1980 geborenen Journalistin und bildenden Künstlerin Lisa Bolyos. In rasantem Tempo erzählt sie in "Wir helfen gerne" von der Protagonistin Tanja, die scheinbar ganz genau weiß, was sie will und was nicht. Sie hilft gerne anderen, aber nur, wenn sie darin auch Eigennutz erkennen kann. Sie hat eine Vorliebe für die Planung ihres Lebens und mag es gar nicht gerne, wenn es anders verläuft als geplant. Vor allem will sie sich nicht binden, keine ernsthafte Beziehung eingehen mit einem Mann, sondern Spaß haben, nach ihren Regeln. Bis sie Pez kennenlernt... Auf 20 Seiten schafft es die Autorin, dass man sich bestens in die zwänglerische Tanja hineinversetzen kann und das Gefühl hat, zu verstehen, weshalb sie so eigenbrötlerisch geworden ist. Ich habe Tanja in dieser kurzen Zeit sehr liebgewonnen und würde gern noch mehr über sie erfahren! Höhepunkt ist das unerwartete Ende der Geschichte.

Die nächsten 55 Seiten sind den vorwiegend lyrischen Texten der 1987 geborenen Autorin Kerstin Istvanits gewidmet. Sie schreibt ihre Gedichte auf Ungarisch und Deutsch und beschäftigt sich darin mit den Themen Natur, Orten und Farben. Diese haben mich oft zum Nachdenken über Kleinigkeiten, denen ich im Alltag oft nur wenig Aufmerksamkeit schenken, gebracht. Auch Istvanits Kurzgeschichten "Nöi táskák" und "Postkarte / Képeslap" widmen sich Nebensächlichkeiten, die aber viel über Personen aussagen können - in diesen Fällen Handtaschen und eben Postkarten. Die Zweisprachigkeit spielt bei Istvanits Texten eine wesentliche Rolle, bedauerlicherweise bin ich des Ungarischen nicht mächtig, es wäre sicher von Vorteil, um die Ausdruckskraft ihrer Texte besser zu verstehen.

Für die letzten zwei Texte des Sammelbandes zeichnet sich die 1979 geborene Autorin und Allgemeinmedizinerin Bernadette Németh verantwortlich. "In einem Arm ein Kind, im anderen die Säge" heißt ersterer und lässt uns in der Form der Ich-Erzählung in die Erlebnisse der Protagonistin Zsuzsanna eintauchen. Némeths Sprache ist lyrisch, philosophisch, dicht an (teils ungewöhnlichen) Metaphern und anspruchsvoll, was bei mir oftmals zur Folge hatte, dass ich Sätze oder Passagen ein zweites Mal lesen musste, damit ich die Aussage(n) vollständig verstehen konnte. Zsuzsanna erzählt die Geschichte ihrer Familie, die geprägt war von Traditionen und dem Brechen dieser. Ihr Vater war ungarischer Flüchtling, dem es seine Familie nicht verziehen hat, dass er nicht Priester, sondern Familienvater wurde. Gläubig war ihre Familie trotzdem und auch daraus versuchte die Protagonistin auszubrechen. Auch die Familie ihres Partners hält viel auf Tradition, nämlich sogar in einer Doppeldeutigkeit - und auch damit muss gebrochen werden... Der köstliche Schluss gibt auch Auflösung betreffend des ungewöhnlichen Titels der Kurzgeschichte.

Der zweite Text Némeths namens "Schönmenschen oder Heute, vor hundert und in hundert Jahren" ist eine schockierende Geschichte über eine Zwangsprostituierte, die versucht, ihrem Zuhälter zu entkommen. Als junges Mädchen wird sie unter falschen Versprechungen von einer vermeidlichen Modelagentur ihren ungarischen Eltern entzogen und in den Westen gebracht. Erst 16 Jahre alt und schon tief im Schlund des Milieus verspricht eine Freundin über ihre Kontakte zu einem Anwalt aus ihrer Situation, die von Überwachung und Kontrolle gekennzeichnet ist, zu entfliehen. Doch es kommt anders als erwartet... Bei dieser Kurzgeschichte schaffte es Bernadette Németh sehr gut, dass ich mich in die Situation der Ich-Erzählerin hineinversetzen konnte - was ob dieser grausamen Thematik tatsächlich beängstigend war. Auch hier ist die Ausweglosigkeit, welche Festgefahrenes an sich hat, und aus der es zu fliehen gilt, für mich das Kernthema. Der Text ist erneut anspruchsvoll, mit philosophischen und lyrischen Einschüben, war für mich aber der Einnehmendere der beiden Texte.

Mein Fazit: ein Sammelband, der sehr bereichert und Autorinnen Gehör verschafft, die ob ihres großen schriftstellerischen Talentes unbedingt weiterverfolgt werden sollten!

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Veröffentlicht am 14.12.2023

Die kleine Schwester von Carl Mørck?

Stille Falle
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Leo Asker hat es nicht leicht. Durch eine Intrige wird sie zur Abteilungsleiterin einer ihr bis dahin völlig unbekannten Abteilung innerhalb der Malmöer Polizei "befördert", die sich bezeichnenderweise ...

Leo Asker hat es nicht leicht. Durch eine Intrige wird sie zur Abteilungsleiterin einer ihr bis dahin völlig unbekannten Abteilung innerhalb der Malmöer Polizei "befördert", die sich bezeichnenderweise "Abteilung für hoffnungslose Fälle" oder auch "Abteilung der verlorenen Seelen" nennt. Was die dort vorhandenen Mitarbeiter/innen genau machen oder was grundsätzlich die Aufgaben dieser Einheit sind, weiß keiner so genau. Bald jedoch findet Leo heraus, dass ihr Vorgänger auf der Spur von mysteriösen Vorfällen war, bei denen in einer Eisenbahn-Modelllandschaft in unregelmäßigen Abständen Figuren auftauchen, die vermissten Personen ähneln. Und auch der aktuelle Fall einer verschwundenen Promi-Tochter wird in der Modelllandschaft abgebildet. Trotz vieler Hindernisse setzt Leo alles daran, den Fall zu lösen...

Zugegebenermaßen musste ich besonders in der ersten Hälfte von „Stille Falle“ sehr oft an Jussi Adler Olsen’s Sonderdezernat Q mit dem Ermittler Carl Mørck denken. Die Abteilung, in die Asker versetzt wird, ist im Keller situiert – wie das Sonderdezernat Q. Und auch die dort arbeitenden Personen sind sehr speziell, wenn auch nicht ganz so übertrieben wie bei Jussi Adler Olsen. Im Gegensatz zum Dänischen Sonderdezernat sind die Aufgaben der Reserveabteilung nicht ausschließlich auf Cold Cases beschränkt, sondern widmen sich sonderbaren Vorkommnissen, die nicht zwangsläufig mit einem Verbrechen zu tun haben. Wobei sich die Hauptprotagonistin bis zum Schluss nicht darüber klar wird, was genau der Auftrag ihrer Abteilung ist. Auch die Kriminalfälle sind ähnlich heftig wie bei Mørck, ebenso ähnelt die Erzählstruktur an die dänische Krimireihe – es wird abwechselnd aus unterschiedlichen Blickwinkeln erzählt, einmal folgt der/die Leser/in Leo Asker, dann dem Täter oder dem Opfer oder anderen Protagonisten und auch die Erzählperspektive wechselt zwischen der beobachtenden und ich-erzählenden Form. Anfänglich hat mich die Ähnlichkeit zu der Mørck-Reihe gestört und ich konnte mich nicht so recht auf die Geschichte einlassen, was sich dann aber glücklicherweise nach rund hundert Seiten gelegt hat.

Trotz aller Ähnlichkeiten ist Anders de la Motte ein spannungsgeladener Kriminalroman geglückt. Die abwechselnden Perspektiven erzeugen einen sich kontinuierlich steigernden Spannungsaufbau. Die Charaktere sind divers und interessant und agieren mit Ernsthaftigkeit – im Gegensatz zu Olsens Figuren. Das schwedische Flair ist etwas kühler als bei seinem dänischen Pendant, alles wirkt etwas härter. De la Motte liefert auch Erklärungen dafür, warum sich die handelnden Personen zu dem entwickeln, was sie jetzt sind – sie haben teils schwer lastende Rucksäcke, die sie oft schon Jahrzehnte mitschleppen. Dies verleiht den Protagonist/innen eine angenehm nachvollziehbare Tiefe. Klar erkennbar ist, dass eine Fortsetzung der Reihe geplant ist, worauf sich die Leser/innen sehr freuen können.

Mein Fazit: Wer die Krimireihe um Carl Mørck mag und sich über weniger nervende Charaktere freut, ist bei „Stille Falle“ goldrichtig. Anders de la Motte präsentiert eine Kriminalgeschichte, die fesselnd und packend ist und es nur schwer ermöglicht, sie aus der Hand zu legen. Besonders hervorzuheben sind die Charaktere mit Tiefgang, die auch ein wenig hinter die Fassaden blicken lassen. Ein gelungener Krimi, der viele unterhaltsame Lesestunden garantiert!

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Veröffentlicht am 25.09.2024

Alle Wege führen übers Wasser

Am Himmel die Flüsse
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Arthur hat ein besonderes Talent - sein Erinnerungsvermögen ist außergewöhnlich, jeder Tag seines Lebens ist ihm geistig präsent. Geboren in Londons Armenvierteln des 19. Jahrhunderts, verschafft ihm seine ...

Arthur hat ein besonderes Talent - sein Erinnerungsvermögen ist außergewöhnlich, jeder Tag seines Lebens ist ihm geistig präsent. Geboren in Londons Armenvierteln des 19. Jahrhunderts, verschafft ihm seine Gabe im Laufe der Zeit gesellschaftlichen Aufstieg. Alles was er will, ist Ninive zu erforschen, jene Stadt Mesopotamiens, die durch steinerne und tönerne Artefakte der Nachwelt erhalten geblieben ist und dessen gefundene und geborgene Schätze die Aufmerksamkeit der interessierten englischen Bevölkerung auf sich zieht. Arthur kann sich die Keilschrift beibringen und erhält den Auftrag des British Museums hunderte Tontafeln zu enträtseln. Nach einer sensationellen Entdeckung scheint Arthur sein Ziel erreicht zu haben: er wird beauftragt, in sein umträumtes Mesopotamien zu reisen, um dort fehlende Textbausteine zu suchen.

Gut 150 Jahre später entdeckt die neunjährige Jesidin Narin auf einem alten Friedhof am Tigris den Grabstein des Engländers und fragt sich, was es mit diesem "König der Abwasserkanäle und Elendsquartiere" auf sich hat. Wie ist ihr Schicksal miteinander verbunden?

Auch die Hydrologin Zaleekah scheint mit den beiden ein Band zu haben, aber das ist lange nicht ersichtlich. Sie kämpft mit der Trennung von ihrem Mann und mit den Erwartungen ihrer Familie, welche sie scheinbar nicht erfüllen kann. Was alle vereint ist ein einziger Tropfen Wasser.

Elif Shafak schafft in "Am Himmel die Flüsse" einen einfühlsamen und schönsprachigen Roman, der durch die unterschiedlichen Zeiten springt und die drei Handlungsebenen schlussendlich stimmig miteinander vereint. Alle Protagonist:innen werden zeitgenössisch portraitiert, sodass es ein Leichtes ist, sich in deren Situation hineinzuversetzen. Die Sprache Shafaks ist oft tiefgründig und philosophisch, oft regt sie zum Nachdenken an. Einer der vielen Beispiele: "Arthur kommt der Verdacht, dass wir mit dem Wort Kultur das wenige bezeichnen, das wir vor einem Verlust retten konnten, an den sich niemand erinnern will." (S. 423)

Vor allem die Geschichte um Arthur, die am ausführlichsten erzählt wird, hat mich in den Bann gezogen. Spannend ist, dass seine Figur eine reale, historische Person als Vorbild hat, auch weitere Protagonist:innen sind an historische Persönlichkeiten angelehnt, wie uns die Autorin im Nachwort ausführlich wissen lässt. Nichtsdestotrotz hat der Roman seine Längen. Besonders die Geschichte um Narin enthält viele Schilderungen, welche die Jesidische Kultur erklären. Zwar finde ich das grundsätzlich äußerst interessant, hier hat mich die Autorin aber aufgrund des Detailreichtums um den (Aber-)Glauben oft verloren, ich empfand es als irrsinnig langatmig und musste das Buch regelmäßig zur Seite legen. Oft habe ich mich gefragt, weshalb sich die Autorin dazu entschieden hat, drei Charaktere in den Fokus zu nehmen. Besonders Arthur, aber auch Zaleekah hätten einen eigenen Roman verdient, ich hätte gerne noch mehr über sie gewusst. Für dieses Buch hätte ich mir aber manchmal etwas knappere Beschreibungen gewünscht, da etliche Schilderungen für den Fortgang der zusammenhängenden Geschichte nicht unbedingt notwendig gewesen wären und für meinen Geschmack eine gewisse Langatmigkeit geliefert haben.

Die Beobachtungen der unterschiedlichen Kulturen und deren Aufeinandertreffen sind Shafak besonders geglückt und hat mich viel darüber gelehrt. Das Buch ist grundsätzlich sehr lehrreich, neben den Kulturen und der mesopotanischen Geschichte, erfahren die Lesenden auch viel über Wasser und Flüsse und wie der Mensch diese geprägt und/oder versucht hat zu unterdrücken. Im Nachwort erfahren wir, dass die Autorin umfangreich recherchiert hat und setzt das Erzählte somit auf eine fundierte Wissensbasis.

Mein Fazit: Am Himmel die Flüsse ist ein schönsprachiger und gedankenanregender Roman auf drei Erzählebenen, der die drei Schicksale der Protagonist:innen langsam aber stimmig zusammenführt. Ein Stück weit betrachtet er unterschiedliche Kulturen, ist sehr lehrreich und philosophisch, weißt aber durch ab und an auftretenden Detailreichtum auch seine Längen auf. Trotzdem: eine absolute Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 08.09.2024

Nahe an der Realität...

Freunderlwirtschaft
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Kriminalkommissarin Alma Oberkofler tritt ihren Dienst als Leiterin der Abteilung Leib und Leben mit einem prominenten Todesopfer an: Landwirtschafts- und Tourismusminister Max Langwieser wird tot in seiner ...

Kriminalkommissarin Alma Oberkofler tritt ihren Dienst als Leiterin der Abteilung Leib und Leben mit einem prominenten Todesopfer an: Landwirtschafts- und Tourismusminister Max Langwieser wird tot in seiner Wohnung aufgefunden. Von seiner Verlobten Jessica fehlt jede Spur, schnell gerät sie ins Zentrum der Ermittlungen. Doch es ist nicht klar, ob der junge, aufstrebende Politiker tatsächlich ermordet wurde oder doch einem unglücklichen Unfall zum Opfer wurde...

Petra Hartlieb nimmt uns in "Freunderlwirtschaft" mit in die Welt der jungen, konservativen Politikergeneration Österreichs. Sie versucht nachzuzeichnen, was die mutmaßlich neuen Jungpolitiker antreibt und wie sich ihre hehreren Vorhaben durch die Erlangung von Macht verändern. Die Autorin portraitiert ihre Figuren mit Liebe zum Detail - besonders die beiden Hauptfiguren Alma Oberkofler und Jessica Pollauer bekommen eine umfangreiche Biographie. Abwechselnd erfahren wir mehr über ihren Werdegang, die Zeitebene springen regelmäßig zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Hartliebs Schreibstil ist kurzweilig, die unterschiedlichen Erzählperspektiven bringen Spannung und Bindung an die Charaktere zugleich, sodass der Krimi weggeht wie warme Semmeln. Besonders schön fand ich, dass wir viel über Beweggründe erfahren haben, warum Alma unbedingt Polizistin werden wollte. Da hier einiges offen blieb, hoffe ich auf eine Fortführung der Geschichte dieser sympathischen Kommissarin. Generell gelingt es der Autorin hervorragend eine interessante Entwicklung der Protagonist:innen aufzubauen. Auch Jessicas Handeln wird nachvollziehbar beschrieben, auch wenn diese Figur für mich nicht ganz so greifbar und ich etwas überrascht war, dass die zumeist naiv gezeichnete Protagonistin dann doch ein ziemliches Maß an Gerissenheit an den Tag legt.

Was ich beim Lesen aber festgestellt habe: auch ich bin politikverdrossen. Besonders diese jungen konservativen Politiker verursachen bei mir nicht nur ein ungutes Bauchgefühl, sondern vielmehr Aggression und absolutes Unverständnis. Dafür kann die Autorin nichts, ihr ist es meines Erachtens hervorragend gelungen, diesen Menschentypus gekonnt nachzuzeichnen. Für meinen Geschmack war das etwas zu viel Realität, beim Lesen bevorzuge ich mich daraus eher zu entfernen, zumindest wenn es um Politik geht. Demnach war bei der Verlauf der Geschichte bis hin zu seinem eher offenen Ende ziemlich vorhersehbar.

Mein Fazit: Freunderlwirtschaft ist ein empfehlenswerter Krimi rund um die jungkonservativen Politiker Österreichs ohne viel Gewalt, der einerseits spannend und äußerst kurzweilige geschrieben ist und es andererseits versteht, ein treffendes Portrait seiner Protagonist:innen zu zeichnen. Für Kenner:innen der österreichischen Politik dürften sich die Überraschungsmomente allerdings in Grenzen halten.

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