Erfahrungen, die niemand so machen müssen sollte
Pflegers StruggleIn „Pflegers Struggle“ legt Metin Dogru seine Sicht auf das Thema psychische Erkrankungen unter Pflegefachpersonen dar. Er schreibt konversational-plauderhaft und nahbar, ohne Fachwissen bei Lesenden voraus ...
In „Pflegers Struggle“ legt Metin Dogru seine Sicht auf das Thema psychische Erkrankungen unter Pflegefachpersonen dar. Er schreibt konversational-plauderhaft und nahbar, ohne Fachwissen bei Lesenden voraus zu setzen. Auch die Fußnoten und Referenzen halten sich in Grenzen, nur ab und an werden Prävalenzangaben wiedergegeben. Immer wieder gibt es kleine Einschübe aus „Rabiatas Welt“, wie sie Inhalt eines Tiktok-Videos auf seinem Kanal sein könnten und vermutlich auch sind. Diese Einschübe lockern den Text auf, auch wenn sie inhaltlich nicht weiter eingeordnet werden und zum Teil etwas zusammenhangslos wirken. Der Autor gibt einige persönliche Einblicke, zu Beginn in die eigene Kindheit und Jugend, aber insbesondere in die eigene Erfahrung mit Depression als Pflegeschüler und dann Pflegefachperson. Ebenso persönliche Einblicke geben pseudonymisierte Pflegefachpersonen, mit denen der Autor im Gespräch war. Es ist ein Buch, was sich in seiner Aussage wesentlich auf diese Erfahrungen stützt. Die anekdotische Erzählweise verbindet sich mit den Interpretationen und Überlegungen des Autors zu einem flüssig, gut lesbaren Buch.
Die in der Inhaltsangabe vorgestellte Gliederung konnte ich dem Inhalt leider nicht wirklich entnehmen, eine sich über den Fortlauf aufbauende Argumentation mit einem klaren Fazit kann ich nicht erkennen. Vielmehr werden die Kernaussagen regelmäßig wiederholt und mit neuen Beispielen ausgeführt. Auf diese Weise dargestellt hat die Krise des Gesundheitswesen einen gewissen Unterhaltungswert und das Buch einige dramatische, möglicherweise entrüstend schockierende Momente. Die Nuance zwischen Verhalten erklären und Verhalten entschuldigen hat der Autor meiner Meinung nach allerdings oft nicht ganz getroffen. An einigen Stellen wird dem Leiden von Pflegefachpersonen (und auch Patient*innen) mit deutlichen Worten Ausdruck verliehen. Die ableistische Grundhaltung im Gesundheitssystem kommt deutlich raus, wird allerdings nicht als solche eingeordnet oder auf der Systemebene reflektiert. Auch wenn sich der Autor gegen die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen positioniert tauchen einige eher verallgemeinernde und stigmatisierende Aussagen über psychiatrisch behandelte Menschen auf.
Ich habe mich beim Lesen gefragt, wer eigentlich die Zielgruppe dieses Buches ist. Und ich hätte mir, als Person die keine Pflegefachkraft ist, eine Idee gewünscht, wie ich zu einer Verbesserung der Situation beitragen kann, denn diesen Wunsch weckt der Autor.