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Veröffentlicht am 28.09.2024

Die Wahrheit liegt hinter den Wörtern

Das mörderische Christmas Puzzle
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Zeitlich passend fällt kurz vor Heiligabend Schnee in der englischen Kleinstadt, in der Rätselexpertin Edie O’Sullivan lebt. Auf ihrer Türschwelle liegt statt eines Weihnachtsgeschenks ein mysteriöses ...

Zeitlich passend fällt kurz vor Heiligabend Schnee in der englischen Kleinstadt, in der Rätselexpertin Edie O’Sullivan lebt. Auf ihrer Türschwelle liegt statt eines Weihnachtsgeschenks ein mysteriöses Paket mit sechs Puzzleteilen, auf denen der Teil eines blutigen Tatorts abgebildet ist. Außerdem liegt eine erschreckende Notiz dabei, die bis Weihnachten mindestens vier Morde ankündigt, sollte Edie das Puzzle nicht lösen und den Absender aufhalten. Was zunächst als schlechter Scherz erscheint, wird mit dem ersten Opfer, das ein Puzzleteil in der Hand hält, zu einem Spiel um Leben und Tod.
Das Cover ist in weihnachtlichem Rot, Grün und goldenem Gelb gehalten, umrahmt von einer Reihe von Puzzleteilen und - vom großen „I“ eines der Titelbuchstaben rinnt sehr unscheinbar ein Blutstropfen. Die Kapitel sind kurz und in ansprechendem Schreibstil verfasst; teils aus der Sicht der Protagonistin, teils aus der Perspektive des Mörders mit den aussagekräftigen Initialen R.I.P. Die Autorin stellt dem Roman zwei Rätselspiele voran, die am Ende des Buchs aufgelöst werden. Dort befinden sich außerdem zwei Rezepte und eine Danksagung, wobei sich alle Namen der Bedankten in Kreuzworträtseln befinden.
An die beiden an die Leser gestellten Rätsel konnte ich mich tatsächlich erst nach der Lektüre des spannenden Krimis wagen, denn ihre Lösung erfordert doch einige Aufmerksamkeit und ich war während des Lesens einfach zu sehr vom Geschehen eingenommen. Auch die Aufgaben, die Edie während der kurzen Zeitspanne von fünf Tagen lösen muss, sind recht knifflig. Die Übersetzung der verwendeten Wortspiele (sowie auch die Übertragung der beiden Rätsel zu Beginn des Buchs) hat Elisabeth Schmalen großartig gemeistert, ihr gebührt hier wirklich großes Lob.
Die Charaktere sind realistisch gezeichnet und verfügen alle über Ecken und Kanten, interessante Vergangenheiten und Herausforderungen in der Gegenwart. Man kann sich alle sehr gut vorstellen, angefangen bei der Rätselrentnerin Edie, die nicht nur durch ihre äußere Erscheinung auffällt, über ihren Adoptivsohn, dem sie als Polizisten einige Beweise vorenthält, der neunzigjährigen Nachbarin, den zahlreichen Verdächtigen und den Haustieren, die ebenso eine Rolle spielen.
Das Miträtseln macht hier – soweit man das bei einem Krimi sagen darf – wirklich großen Spaß. Immer wieder wird man, oft auch zusammen mit Edie, in die Irre geführt. Mutmaßliche Täter werden nach und nach durch ihre Alibis zu einfachen und unschuldigen Figuren in diesem Mörderspiel.
Benedicts Bestseller „Mord im Christmas Express“ kenne ich noch nicht, ihr Christmas Puzzle macht auf jeden Fall neugierig darauf. Denn hier passt einfach alles zusammen und es macht trotz des schrecklichen Pakets vor Edies Tür große Lust auf die Weihnachtszeit.

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Veröffentlicht am 12.09.2024

Leben für die Musik

Adagio
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Die Königin des Klavierspiels ihrer Zeit und der vierzehn Jahre jüngere Komponist sind musikalische Weggefährten. Die Freundschaft zwischen Clara Schumann und Johannes Brahms vertieft sich, als Clara 1863 ...

Die Königin des Klavierspiels ihrer Zeit und der vierzehn Jahre jüngere Komponist sind musikalische Weggefährten. Die Freundschaft zwischen Clara Schumann und Johannes Brahms vertieft sich, als Clara 1863 nach Baden-Baden zieht. Hier findet sie ein Klima des Ineinanderfließens verschiedener kultureller Strömungen, geprägt von dem musikalischen Multitalent Pauline Viardot und deren Kreis. Brahms wird zum regelmäßigen Sommergast in Claras Haus, seine wichtigsten Werke entstehen in der Kurstadt. Der Genius Loci inspiriert auch Kollegen wie Joseph Joachim und Theodor Kirchner, mit denen Clara eng verbunden ist. Über allem schweben die unvergänglichen Kompositionen dieser Künstlerinnen und Künstler.
Das Cover ist farblich zurückhaltend, aber überaus ansprechend gestaltet; es zeigt die Porträts der beiden Musiker. Auch innerhalb des informativen Buchs gibt es zahlreiche schwarz-weiß gehaltene Abbildungen von zeitgenössischen Bildern aus der Lebenszeit der Künstler und Fotografien aus Baden Baden. Auf ein übersichtliches Inhaltsverzeichnis folgen einige Zitate und daraufhin die chronologische Darstellung der Zeit in dieser Stadt. Jedes Kapitel ist mit genauem Datum versehen, durch den Einschub von Briefen aufgelockert und mit seltenen Fußnoten bereichert.
Dadurch entsteht ein sehr interessanter - aber auch unterhaltsamer - Einblick ins Leben von Clara Schumann mit ihren Kindern, ihren internationalen Tourneen, aber auch ihren gesundheitlichen und finanziellen Herausforderungen. Ebenso erhält man Hinweise auf das Leben des Komponisten Johannes Brahms und seinen oft ungewöhnlichen Ansichten. Die Darstellung der Verbindung zwischen den beiden Ausnahmekünstlern ist recht lose gehalten und lässt dem Leser viel Platz für eigene Gedanken und Spekulationen.
Die erwähnten Kompositionen laden zum Anhören verschiedener Musikstücke ein, die einen in die Zeit des 19. Jahrhunderts versetzen. Auch die Stellung der Frau in jener Zeit wird beleuchtet; wobei einem einige Ansichten recht modern vorkommen mögen, andere allerdings klar darstellen, dass eine Gleichberechtigung noch einen weiten Weg vor sich hat.
Der sehr informative Anhang vervollständigt dieses kleine aber feine Buch. Neben Anmerkungen und einem Glossar sind die Quellen zu diesem Werk aufgelistet, die zum Weiterlesen (und -hören) anregen. Eine Zeittafel sowie ein Personen- und Ortsverzeichnis machen das sehr gut recherchierte Buch außerdem zu einem interessanten Nachschlagewerk.

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Veröffentlicht am 07.08.2024

Die Stille, so laut wie der Tod

Das Lied des Propheten
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Beamte der neu gegründeten irischen Geheimpolizei wollen den Gewerkschafter Larry Stack verhören, treffen aber an einem regennassen Abend nur auf seine Frau Eilish. Sie ist Wissenschaftlerin, vierfache ...

Beamte der neu gegründeten irischen Geheimpolizei wollen den Gewerkschafter Larry Stack verhören, treffen aber an einem regennassen Abend nur auf seine Frau Eilish. Sie ist Wissenschaftlerin, vierfache Mutter und befindet sich nach dem darauffolgenden plötzlichen Verschwinden ihres Mannes in einer Situation, die ihr Familienleben von Tag zu Tag verschlechtert und über das sie die Kontrolle verliert. Denn Irland wird mittlerweile von Tyrannei beherrscht. In diesem Alptraum versucht Eilish ihre Kinder zu schützen und sich um ihren dementen Vater zu kümmern.
Das Cover ist schlicht, die schwarzen geometrischen Figuren auf weißem Grund sind nur durch einige Tupfen Rot und drei verschwindend kleine Scherenschnittfiguren aufgelockert. Der Text ist in einige größere Abschnitte unterteilt. Der aufwendige Schreibstil reißt die Leser wie in einem Strudel mit durch die verstörende Handlung. Dem Übersetzer Eike Schönfeld darf hier für seine großartige Arbeit gedankt werden; Lynchs Bildsprache ins Deutsche zu überspielen, war sicher keine einfache Aufgabe. Der Autor setzt Szene an Szene, verdichtet die Atmosphäre, ohne sich oder den Lesern Atem zu gönnen. Die Sprache enthält Metaphern, vermeidet Absätze und Anführungszeichen in direkter Rede; sie ist poetisch, einem Lied des Propheten würdig; sie bringt das Dilemma der Familie den Lesern auf sehr eindrückliche Weise recht nahe, man meint diese Nähe beinahe körperlich zu spüren.
Das Hauptthema liegt in der Gefühls- und Gedankenwelt von Eilish Stack, einer Frau, die alles versucht, ihren Kindern ein Leben in Normalität zu ermöglichen. Doch ein normales Leben ist längst nicht mehr möglich. Wie schnell die Monate in diesem Roman vorbeigehen, erfährt man oft nur durch die Beschreibung von Pflanzen und Natur. Längst ist das Land von Notverordnungen beherrscht, die Grundrechte aushebeln; von Ausgangssperre und Scharfschützen, die gegen mutige Demonstranten vorgehen; von leeren Gebäuden, weil internationale Konzerne das Land verlassen haben; von der Macht einer Partei, die man sich nicht im eigenen Land wünscht.
Und hierin liegt das Dilemma: der Prophet singt vom Ende der Welt als ein lokales Ereignis. Für den Betroffenen ist das furchtbar, für andere nur ein kurzer Bericht in den Nachrichten. Irland steht hier als drohendes Beispiel, das uns als Warnung dienen soll. Durch seine recht westliche geographische Lage und dadurch auch durch seine „westliche“ Einstellung uns und unserem Denken sehr viel näher als andere Länder. Jene anderen Länder, in denen ein totalitäres Regime leider längst zur traurigen Wirklichkeit geworden ist.
Lynch sendet also einen Appell, die autoritären Regime der Gegenwart zu bekämpfen, solange wir noch in der Lage dazu sind. Das Akademikerpaar Stack hat damit zu lange gewartet, ist ihm zu ohnmächtig und blind gegenüber gestanden; hat die Zeichen nicht richtig gedeutet.

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Veröffentlicht am 01.08.2024

Der Autor als Mörder?

Mord stand nicht im Drehbuch
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Anthony Horowitz möchte nicht mehr mit Privatdetektiv Daniel Hawthorne zusammenarbeiten, sondern sich ganz auf sein neues Theaterstück Mindgame konzentrieren. Der Premiere folgt aber eine vernichtende ...

Anthony Horowitz möchte nicht mehr mit Privatdetektiv Daniel Hawthorne zusammenarbeiten, sondern sich ganz auf sein neues Theaterstück Mindgame konzentrieren. Der Premiere folgt aber eine vernichtende Besprechung über das Skript in der Sunday Times. Als am nächsten Morgen die Kritikerin ermordet aufgefunden wird, verhaftet man den Autor – befinden sich doch auch seine Fingerabdrücke am Schmuckdolch, der als Tatwaffe gilt. Jetzt kann wohl doch nur mehr Hawthorne helfen ...
Die Themse im Nebel unter einem Brückenbogen. Kein einladendes Setting, aber sehr passend als Cover für diesen Krimi. Uwe Teschner gelingt es in dieser Geschichte nicht zu ersten Mal mit perfekter Intonation den Text dem Leser nicht nur näherzubringen, sondern eine Spannung aufzubauen, die einen im Grunde dazu bringen möchte, sich das gesamte Hörbuch von Anfang bis Ende in einem Zug anzuhören.
Dabei geht der Einstieg ganz langsam vor sich. Es werden Theaterstücke erklärt, die Darsteller genau vorgestellt, es wird insgesamt sehr viel Wert auf den Hintergrund gelegt. Dass jedes Detail davon allerdings im Nachhinein recht wichtig wird, kann man nur erahnen, wenn es nicht die erste Begegnung mit Horowitz ist. Die Kapitel sind kurz und mit aussagekräftigen Überschriften betitelt.
Die Charaktere sind realistisch gezeichnet und auch ihre Handlungen sind sehr nachvollziehbar. Obwohl durch Tatwaffe und Fingerabdrücke der Täter von Anfang an festzustehen scheint, bedarf es doch einiger Nachforschungen, auch in die Vergangenheit etlicher am Theaterstück Beteiligter, bis der wahre Täter entlarvt wird.
Die anderen Teile dieser Reihe kenne ich noch nicht, konnte mich aber – auch durch die eingebauten Rückblenden – gut in der Geschichte zurechtfinden. Ein Zuhören ohne Kenntnis der anderen Bücher ist also sehr gut möglich, und tut der Spannung dieses Falls überhaupt keinen Abbruch.
Gerade als Hörbuch eine spannende – und an etlichen Stellen wider Erwarten doch entspannende – Geschichte. Vor allem auch durch die hervorragend eingesetzte Stimme von Uwe Teschner.

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Veröffentlicht am 25.07.2024

Zara auf der Suche

Der Doppel-Schreier
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Zara erfährt zufällig, dass ihr Vater Reinhard 1985 gar nicht bei einem Motoradunfall in Indien gestorben ist. Gleich einer Schnitzeljagd führt die Spur 2008 von Pisa und Berlin zunächst nach Damaskus, ...

Zara erfährt zufällig, dass ihr Vater Reinhard 1985 gar nicht bei einem Motoradunfall in Indien gestorben ist. Gleich einer Schnitzeljagd führt die Spur 2008 von Pisa und Berlin zunächst nach Damaskus, wo sich der Kriegsreporter aufhalten soll, und weiter nach Aleppo und Beirut. Im Nahen Osten trifft Zara immer wieder auf hilfreiche Menschen, mit denen sie in die Sprache und Kultur eintaucht. Gleichzeitig stellt sie sich Gerüchten und Halbwahrheiten über die Vergangenheit ihres Vaters: War er Kriegsreporter oder sogar in bewaffnete Konflikte verstrickt?
Der „Der Doppel-Schreier“ behandelt vielfältige Themen wie Liebe, Freundschaft und Familie, aber auch Generationskonflikte, kulturelle Missverständnisse, ideologische Blendungen und deren Folgen.
Der Titel des Buches wiederholt sich im Cover, auf dem das gleichnamige Bild von Paul Klee abgebildet ist, und dessen Thema – auch im übertragenen Sinn - sich durch das gesamte Buch zieht. Die Roadstory besteht aus vier Teilen, an deren Anfang immer ein Bild oder der Ausschnitt einer Landkarte bei der Orientierung hilft. Der Schreibstil ist bildhaft und voller Leben; man meint sogar die Hitze und die Gerüche der labyrinthischen Altstädte Syriens beim Lesen selbst zu spüren.
Auch Zara und die anderen Charaktere sind sehr lebensecht gezeichnet und es fällt meist leicht, ihr Verhalten zu verstehen und ihr Tun nachzuvollziehen. Doch es sind nicht nur diese intensiven Beschreibungen, die das Buch so faszinierend machen. Zaras Reise besteht auch nicht nur aus einer tatsächlichen Bewegung von A nach B. Es geht vor allem auch um die Erarbeitung von politischen Konstellationen und Konflikten des Nahen Ostens, auch um die kulturellen Unterschiede und Besonderheiten, sowie um die Kunst des Orients; eigentlich allgemein um die Konfrontation mit anderen Kulturen und die verschiedenen Wertvorstellungen, darunter auch um die Stellung der Frau. Die Autorin wirft immer wieder auch philosophische Fragen auf, die Zara in den Gesprächen mit ihren Freunden vertieft, deren Beantwortung aber großteils bei den Lesern und ihren Gedanken darüber bleiben. Das Buch ist daher sicher keine Lektüre, die man einfach so nebenher lesen kann - oder überhaupt möchte, denn das Interesse daran entsteht wie von selbst durch eine Art Sogwirkung, die von der Geschichte auszugehen scheint.
Und diese Geschichte verdient es daher, sich als Leser ausgiebig damit zu beschäftigen. Die vielfältigen Themen, die eingestreuten Musiktitel, die man Dank heutiger Technik sehr gut parallel beim Lesen mithören kann, die politischen Gegebenheiten der Gegenwart – oder eigentlich des Jahres 2008, in dem diese Reise erfolgte - deren Wurzeln in den Erinnerungen an Zaras Kindheit erläutert werden und nicht zuletzt Zaras ganz persönliche Geschichte – all diese Aspekte machen den Roman zu einem außergewöhnlichen und absolut lesenswertem Buch, das man sicherlich gerne auch öfter lesen möchte.

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