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Veröffentlicht am 01.11.2024

Mehr als eine Wohngemeinschaft

Wohnverwandtschaften
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Constanze zieht neu in die eingespielte Wohngemeinschaft von Jörg, Anke und Murat ein. Jörg ist bereits in Rente, Witwer und ihm gehört die Wohnung in Hamburg. Er möchte demnächst mit seinem Bulli nach ...

Constanze zieht neu in die eingespielte Wohngemeinschaft von Jörg, Anke und Murat ein. Jörg ist bereits in Rente, Witwer und ihm gehört die Wohnung in Hamburg. Er möchte demnächst mit seinem Bulli nach Georgien reisen, da kommt eine weitere Untermieterin gerade recht.

Nach den ersten paar Seiten war meine große Befürchtung, dass es ein vor sich hinplätschernder Wohlfühlroman wird. Das ist es nicht geworden, so viel sei hier schon mal gesagt. Isabel Bogdan nimmt sich die Zeit, das Beziehungsgefüge innerhalb der Wohngemeinschaft aufzubauen. Man lernt langsam die einzelnen Charaktere kennen. Hier lässt sie jede einzelne Person ein Stück in der Ich-Form erzählen. Dadurch braucht es etwas, um hineinzukommen in die Geschichte.

Gleichzeitig ist es eine gute Wahl, die Geschichte so zu erzählen, denn so bekommt man Einblick in die unterschiedlichen Gedanken und Gefühle der einzelnen Personen. Wie empfinden sie sich gegenseitig? Sind sie alle so, wie die anderen sie wahrnehmen oder gibt es etwas, was sie einander nicht sagen?

Einer meiner Lieblingscharaktere ist Murat. Er ist so ein angenehm angelegter Protagonist, mit sich im Reinen und das merkt man ihm an. So ein Mensch, dem es Freude bereitet, anderen eine Freude zu bereiten, ohne etwas dafür zurückzubekommen. Aber er ist nicht nur der ewige Gute-Laune-Bär, Murat kann auch ernsthaft. Ich mag ihn, er beschreibt sich selbst als das Wasser, das den Teig geschmeidig hält.

Jörg ist nach seiner OP das Sorgenkind der WG, er war direkt nach der Operation sehr verwirrt und wird danach nicht wieder der Alte. Er vergisst immer mehr und die anderen machen sich so ihre Gedanken, schließlich ist er zwar schon im Rentenalter, aber noch unter 70. Die Befürchtungen bestätigen sich und es steht fest, dass Jörg nicht einfach nur vergesslich ist. Aus der Wohngemeinschaft wird eine Wahlverwandtschaft.

Constanze, Murat, Anke – sie tun, was sie können, aber auch sie kommen an ihre Grenzen und haben ihre eigenen Lasten zu tragen.

Alle gehen am Stock, auch Murat und Constanze, denn sie arbeiten ja Vollzeit und können Anke nicht viel abnehmen, was natürlich auch die Freundschaft belastet. Man leidet mit, wie sie dabei sein müssen, wir ihr Freund immer weniger wird. Gleichzeitig spürt man beim Lesen, wie viel Liebe da ist. Sie sind wie eine Familie und füreinander da. Es ist so, wie es in einer Familie sein sollte und oft nicht ist.

Es mag für die einen nach einer vielleicht nicht ganz realistischen Geschichte klingen, weil es schon recht harmonisch ist, es sind nette Menschen, die da miteinander leben, man wünscht sich genauso so eine Wohngemeinschaft, die so funktioniert. Und warum auch nicht? Wohngemeinschaften werden vermutlich immer beliebter werden auch unter älteren Erwachsenen

Isabel Bogdan hat ein ernstes Thema gut aufbereitet und es ist trotzdem ein wenig Wohlfühllektüre, denn es ist dieses schöne Gefühl da, dass sich da Menschen auserwählt haben, die einander gut tun und auch in schlechten Zeiten da sind. Keine Angst, es trieft nicht vor Kitsch – man hat nur Lust, am Tisch zu sitzen und mit den anderen das leckere Essen von Murat zu essen, zu lachen und zu reden.

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Veröffentlicht am 03.10.2024

Lola Bensky

Lola Bensky
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"Lola Bensky" interviewt Mick Jagger, Janis Joplin, Jimi Hendrix, geht mit Linda Mc Cartney feiern und leiht Cher ihre künstlichen Wimpern. Gleichzeitig trägt sie ein schweres Päckchen mit sich herum. ...

"Lola Bensky" interviewt Mick Jagger, Janis Joplin, Jimi Hendrix, geht mit Linda Mc Cartney feiern und leiht Cher ihre künstlichen Wimpern. Gleichzeitig trägt sie ein schweres Päckchen mit sich herum. Ihre Eltern haben den Holocaust überlebt und dieses Trauma an ihr Kind weitergegeben. Lola ist völlig davon geprägt und im Buch begleiten wir sie auf ihrem Heilungsprozess. Doch Lola ist nicht als völlig verzweifelte Frau angelegt, Lily Brett gelingt mal wieder der Spagat, ein trauriges Thema in eine humorvolle Geschichte zu packen. Mit ihrem bissigen Unterton schafft sie es immer wieder, ein Schmunzeln hervorzulocken und ist nie drüber bei dem, was sie macht. Nach "Chuzpe" ist es der zweite Roman, den ich von ihr lese und auch dieses Mal hat sie mich mit viel Ironie und Feingefühl begeistert. Das Buch enthält einige Stellen, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen und einem das Grauen des Holocausts noch einmal vor Augen führen. Da ist es kein Wunder, dass die Kinder der Überlebenden oftmals selbst ein schweres Päckchen mit sich tragen. So etwas prägt und lässt sich nicht einfach wegwischen. Lily Brett ist wie ihre Protagonistin das Kind von Holocaust-Überlebenden und einiges an Autobiografischem wird in dieses Buch eingeflossen sein. Von mir gibt es eine große Leseempfehlung

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Veröffentlicht am 29.09.2024

Tech-Unternehmen beherrschen die Welt oder doch nicht?

The Future
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Drei Unternehmen beherrschen die Welt in einer nicht ganz so weit entfernten Zukunft. Zufällig ist die Welt gerade dabei unterzugehen, doch für die CEOs dieser Unternehmen kein Problem, sie haben in guter, ...

Drei Unternehmen beherrschen die Welt in einer nicht ganz so weit entfernten Zukunft. Zufällig ist die Welt gerade dabei unterzugehen, doch für die CEOs dieser Unternehmen kein Problem, sie haben in guter, alter Preppermanier vorgesorgt. In Singapur wird die Survival-Expertin Zhen durch eine mysteriöse App vor einem terroristischen Anschlag geschützt und setzt selbstverständlich alles daran, herauszufinden, wo diese App plötzlich herkommt. Natürlich hat sie einen ziemlich schlauen, nerdigen Kumpel, der ihr dabei hilft und ein bisschen Liebe hat Naomi Alderman auch noch in ihr Buch gestreut. Es lässt sich gut lesen, überrascht mit einigen Plot Twists, hat für mich recht viel von einer Persiflage auf die üblichen Thriller (ob Naomi Alderman das so gedacht hat, weiß ich allerdings nicht) und kommt recht rasant daher. Genau das Richtige für ein Wochenende oder einen langen Nachmittag auf dem Sofa, während es draußen windet und regnet.

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Veröffentlicht am 29.09.2024

Was, wenn Venedig einfach untergeht?

Acqua alta
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Wie ist das, wenn Venedig von heute auf morgen einfach nicht mehr da ist?

Isabelle Autissier hat das in ihrem Roman "Acqua Alta" durchgespielt. Sie lãsst Venedig im Jahr 2021 in den Fluten eines heftigen, ...

Wie ist das, wenn Venedig von heute auf morgen einfach nicht mehr da ist?

Isabelle Autissier hat das in ihrem Roman "Acqua Alta" durchgespielt. Sie lãsst Venedig im Jahr 2021 in den Fluten eines heftigen, winterlichen Hochwassers versinken. Guido, einer der Überlebenden, macht sich auf die Suche nach seiner Frau Maria und seiner Tochter Léa, nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen wird. Auf einem Motorboot fährt er durch die Lagune, um nach ihren Spuren zu suchen.

Dabei reist er zurück in die Zeit vor der Katastrophe. Er, der im Wirtschaftsrat der Stadt sitzt und immer neue Investoren für die Stadt sucht. Seine Tochter, die auf Seiten derer steht, die die Stadt vor Massentourismus und Klimakrise schützen wollen und seine Frau zwischen den beiden.

Eine Familie, die auseinander bricht, eine Stadt, die versinkt. Alle drei Hauptfiguren sind mir unsympathisch, Guido ist das, was ich als machtgeilen Kotzbrocken bezeichnen würde, seine Frau war Mittel zum Zweck, um in die "feine" Gesellschaft zu gelangen. Und trotzdem oder vielleicht gerade deshalb hat es mir gut gefallen.

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Veröffentlicht am 23.08.2024

Vergangenheitsbewältigung

Das Haus auf dem Wasser
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Als ich „Das Haus auf dem Wasser“ entdeckt habe, hatte ich eine Geschichte über das Leben auf einem Hausboot in Amsterdam vermutet und nicht eine so komplexe Erzählung, die in die Zeit der deutschen Besatzung ...

Als ich „Das Haus auf dem Wasser“ entdeckt habe, hatte ich eine Geschichte über das Leben auf einem Hausboot in Amsterdam vermutet und nicht eine so komplexe Erzählung, die in die Zeit der deutschen Besatzung der Niederlande im zweiten Weltkrieg hineinreicht. Allerdings machte es das Buch für mich erst so richtig interessant und es kam mit nach Amsterdam, wo wir nicht weit weg vom Ort der Handlung des Buches ein Hotel gefunden hatten.

inhaltlich konnte mich Emuna Elon nach anfänglichen Schwierigkeiten, in denen ich den Verlauf der Geschichte ein wenig langatmig erzählt fand, dann packen. Denn das, was dem kleinen Joel und seiner Familie passiert ist, ist so vielen jüdischen Familien passiert und es gibt so viel Unerzähltes aus dieser Zeit. Eltern, die ihre Kinder von nichtjüdischen Familien verstecken ließen und sich nicht sicher sein konnten, ob sie sie jemals wiedersehen würden. Menschen, die darauf vertrauten, dass mit den niederländischen Juden nicht das passieren würde, was mit den Juden in Deutschland passierte. Ich musste sofort an Anne Frank und ihre Familie denken.

Die Autorin wechselt immer wieder die zeitliche Ebene. Mal ist sie mit Joel im Hier und Jetzt und dann wieder sind wir im Amsterdam zu der Zeit als Joel noch ein Baby war und wir erleben mit, wie das jüdische Leben eingeschränkt wird und das Unvermeidliche immer näher kommt. Die Angst der Mutter nach dem Vater auch noch die Kinder verlieren zu können, die immer schlimmer werdenden Einschränkungen, all das ist spürbar beim Lesen. Manchmal ist es so, dass Joel zwar in der Jetztzeit ist, aber es so verschwimmt, dass er in die Zeit seiner Mutter rutscht und dort weiter erzählt.

Allerdings dreht es sich nicht nur um die traurige Geschichte des Holocausts, sondern es gelingt der Autorin zum Schluss ein Ende zu finden, das vielversprechend ist, ein Romanende, das die Geschichte wohlwollend mit der Geschichte des Buches verbindet.

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