Ein Spiel um Leben und Tod
IsoliertINHALT
Im Jahr 2037 werden sieben Menschen auf die kleine, menschenleere Insel Isola vor der schwedischen Küste gebracht, um an einem 48stündigen Auswahlverfahren teilzunehmen. Nur einer der Kandidaten ...
INHALT
Im Jahr 2037 werden sieben Menschen auf die kleine, menschenleere Insel Isola vor der schwedischen Küste gebracht, um an einem 48stündigen Auswahlverfahren teilzunehmen. Nur einer der Kandidaten kann sich dort für einen Geheimdienstposten im inneren Zirkel der Partei qualifizieren. Zu ihnen gehört Anna Francis, eine alleinerziehende Mutter mit einer 9-jährigen Tochter, die hauptsächlich von ihrer Mutter großgezogen wird. Als hochgeschätzte Leiterin eines Flüchtlingslagers im Krisengebiet Kysylkum ist Anna erst vor kurzem mit einem Trauma nach Schweden zurückgekehrt. Nun hat sie die Aufgabe zugeteilt bekommen, auf Isola ihren eigenen Tod vorzutäuschen, um anschließend aus einem sicheren Versteck die Reaktionen der verbliebenen Testpersonen auszuspionieren, heimlich zu dokumentieren und den geeignetsten Kandidaten auszuwählen. Als pflichtbewusstes Arbeitstier kann sie diesen Job nicht ausschlagen, zumal es möglicherweise ihr letzter Einsatz sein soll. Doch wie werden die anderen Kandidaten auf ihren Tod reagieren, wenn klar wird, dass ein vermeintlicher Mörder unter ihn ist? Die Situation spitzt sich zu, als ein Sturm aufzieht, der Kontakt zur Außenwelt abbricht und die einzige Eingeweihte plötzlich verschwindet.
MEINE MEINUNG
Angesiedelt ist die Handlung des Thrillerdebüts „ISOLIERT“ aus der Feder der schwedischen Autorin Åsa Avdic in der Zukunft. Wir befinden uns im Jahre 2037 in Schweden, das unter dem Protektorat der Kommunistischen Freundschaftsunion steht – so erfahren wir in einem vorangestellten Auszug aus der „Internationalen Enzyklopädie“, die an einen WIKIPEDIA-Eintrag erinnert. Wie man allerdings nur dem Klappentext entnehmen kann, wurde der Eiserne Vorhang niemals geöffnet, sondern weiter nach Westen gezogen. Eigentlich eine spannende Ausgangssituation, die auf einen fesselnden Thriller in einem fiktiven, totalitären Staat hoffen lässt.
Leider ist es Autorin nur unzureichend gelungen, ihre vielversprechende Handlungsidee frei nach Agatha Christies Klassiker „And Then There Were None“ (im Deutschen »Und dann gab’s keine mehr«) vor einem Orwell’schen Hintergrund wirklich packend umzusetzen und das Potential voll auszuschöpfen. Der Erzählstil der Autorin wirkt sehr distanziert und nüchtern, was zwar die sterile, gefühlskalte Atmosphäre in diesem totalitären Staat hervorragend widerspiegelt, zugleich aber den Einstieg erschwert.
Auch die Einführung in die Geschichte erfolgt extrem vage und verwirrend, so dass man sich im Grunde keine konkreten Vorstellungen vom diesem Staat und dem alltäglichen, tristen Leben dort machen kann. Leider wird dieses schwammige Bild eines menschenverachtenden Staatskonstrukts auch bis zum Ende mit wenig Leben gefüllt, was mich schon sehr enttäuschte. Die Autorin bleibt dem Leser auch Erläuterungen zu dem ominösen RAN-Projekt letztendlich schuldig, was zwar für das Verständnis der Handlung nicht relevant ist, aber das Gesamtbild besser abgerundet hätte.
Zu Beginn lernen wir die sehr unnahbare Protagonistin Anna Francis kennen, die einen nicht näher beschriebenen Job für eine Regierungsbehörde hat. Auch wenn man im Laufe der Geschichte einige interessante Details und Geheimnisse aus ihrer Vergangenheit erfährt und Einblicke in ihre vielschichtige Persönlichkeit erhält, bleiben ihre Gefühlswelt und ihr Verhalten weitgehend unergründlich, wodurch sie nicht sehr sympathisch wirkt. Recht dürftig ausgearbeitet sind leider auch die weiteren Charaktere der Geschichte wie beispielsweise der Kandidat Henry Fall, Annas ehemaliger Kollege, und die in den Plan eingeweihte Ärztin Katja, während die übrigen Figuren entsprechend ihrer Rollen bewusst im Hintergrund bleiben und nur sehr oberflächlich vorgestellt werden.
Die Geschichte wird aus verschiedenen Zeitperspektiven und zudem aus der Perspektive von verschiedenen Figuren – hauptsächlich aus Henrys und Annas Sicht - erzählt, wodurch erst allmählich Spannung aufgebaut wird. Erstaunlich schnell wird die prekäre Handlung auf der einsamen Insel abgehandelt, von der ich mir wesentlich mehr nervenaufreibende Szenen und psychologische Spielchen versprochen hatte. Richtig fesselnd wurde dieser Thriller für mich allerdings ab etwa Mitte des Buchs, wenn man nach einigen unerwarteten Wendungen allmählich die verschiedenen Blickwinkel und Bruchstücke zusammensetzen kann und sich ein erschreckendes Gesamtbild ergibt. Erst zum Ende hin erkennt man die geschickte Konstruktion der dystopischen Geschichte und erfasst die Tragweite des von der Regierung ersonnenen, perfiden Plans auf Isola. Ich bin sehr gespannt, auf die von der Autorin in einem Interview angekündigte Fortsetzung von Annas Geschichte, in der sicherlich einige der noch offenen Fragen beantwortet werden, und der Leser einen tieferen Einblick in das System erhalten wird.
FAZIT
Ein dystopischer Thriller mit einer interessanten Ausgangsidee, der mich leider erst sehr spät fesseln konnte! Schade, dass die Autorin hier einiges an Potential verschenkt hat, denn mit einer geschickteren Umsetzung hätte eine wesentlich packendere Geschichte entstehen können.