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Karolina_Hruskova

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.10.2024

Ein zeitloser Roman, der noch immer köstlich amüsieren kann

Der lange Schatten
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Etwas überrascht war ich, weil der Roman erstmals bereits 1975 erschien. Die Autorin kannte ich vorher nicht. Dennoch hätte ich vermutlich nicht gemerkt, dass der Roman knapp 50 Jahre alt ist: Er war weder ...

Etwas überrascht war ich, weil der Roman erstmals bereits 1975 erschien. Die Autorin kannte ich vorher nicht. Dennoch hätte ich vermutlich nicht gemerkt, dass der Roman knapp 50 Jahre alt ist: Er war weder altbacken noch habe ich andere Spuren der damaligen Zeit darin gefunden.

Der Roman an sich hat mich köstlich amüsiert. Imogen, plötzlich Witwe und etwas planlos, wie man sich als solche angemessen verhält, teilt mit dem Leser ihre unbeschönigten, ehrlichen und durchaus ironischen Gedanken zu der neuen Situation, in der sie sich befindet. Teilweise wirkte sie etwas distanziert, doch sie hat es gleichzeitig geschafft, jeder Situation mit verstecktem Witz und Sarkasmus zu begegnen.

Passiert ist relativ viel in einer kurzen Zeitspanne - klar, wenn das Haus plötzlich voll mit (ungeladenen) Gästen ist. Viele verschiedene Charaktere und Klischees trafen dabei aufeinander, die aber auch eine unterhaltsame und wahnsinnig schrullige Vielfalt und Abwechslung mitgebracht haben.

Rückblickend vermute ich, dass mich dieser "bunte Haufen" auch von der Aufklärung der mysteriösen Vorfälle abgelenkt hat. Ich habe sie zur Kenntnis genommen, wurde dabei mit etwas unterschwelliger Spannung bei Laune gehalten, und schwubbs, war der Verursacher auch schon gefunden. Die Erklärungen waren zwar etwas willkürlich, aber für mich okay.

»Der lange Schatten« ist ein zeitloser Roman, in dem viel Unterhaltung, Schmunzeln und eine gute Portion Spannung steckt. Perfekt für einen verregneten Abend im Herbst!

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Veröffentlicht am 08.08.2024

Rau, launisch, direkt

Mitternachtsschwimmer
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Eigentlich hat mir »Mitternachtsschwimmer« gut gefallen. Das Lesen an sich habe ich wirklich genossen - doch mein Fazit wird von ein, zwei Kleinigkeiten überschattet, die sich im Roman nicht richtig angefühlt ...

Eigentlich hat mir »Mitternachtsschwimmer« gut gefallen. Das Lesen an sich habe ich wirklich genossen - doch mein Fazit wird von ein, zwei Kleinigkeiten überschattet, die sich im Roman nicht richtig angefühlt haben.

Die Sprache ist mir gleich besonders aufgefallen: rau wie die See, launisch, direkt und ohne Schnickschnack, denn das hat die Geschichte wirklich nicht nötig gehabt. Auf mich hat der Text dadurch sehr authentisch und von Grund auf ehrlich gewirkt.

Evan, den ein schrecklicher Verlust nach Ballybrady getrieben hat, ist während des Lockdowns plötzlich mit Schuld, Trauer, Freundschaft und Vatersein konfrontiert. Er durchlebt Höhen und Tiefen und findet inmitten des Lockdowns ungeahnten Frieden. Grace, die ihrem Namen so gerecht und ungerecht werden konnte, wie es nur ging, begleitet ihn hierbei zuerst distanziert, doch steht dann im weiteren Verlauf unmittelbar und unterstützend an Evans Seite. Mit ihrer schrulligen Art sticht sie sogar zwischen den größten Exzentrikern des Dorfes hervor - was sie neben ihrer besonderen Schroffheit auch liebenswert macht.

Trotz des Tiefgangs habe ich allerdings an ein paar Stellen ein echtes Profil vermisst. Ja, die Figuren hatten Ecken und Kanten, doch waren sie in erster Linie einfach nur wahrnehmbar, aber nicht bis ins Detail ausgefeilt.

Leider empfand ich ausgerechnet auch den Schluss dann als enttäuschend; als sei ich in der Erzählung verrutscht und lese plötzlich das Ende einer ganz anderen Geschichte. Letztendlich hat mir eine einzige Wendung die Befriedigung eines in sich geschlossenen Endes genommen.

Davon abgesehen habe ich eine angenehme Entschleunigung erfahren und war abseits der Alltagshektik. »Mitternachtsschwimmer« ist auf vielen Ebenen eine bereichernde und damit auch eine empfehlenswerte Geschichte.

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Veröffentlicht am 17.07.2024

Traue deiner Wahrnehmung nicht

Ihr raffiniertes Spiel
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»Ihr raffiniertes Spiel« hat mich ganz schön aufs Glatteis geführt. Nach meinem Empfinden war die Geschichte von Tate ein eher untypischer Thriller. Wenn man bedenkt, was für Themen behandelt wurden, ist ...

»Ihr raffiniertes Spiel« hat mich ganz schön aufs Glatteis geführt. Nach meinem Empfinden war die Geschichte von Tate ein eher untypischer Thriller. Wenn man bedenkt, was für Themen behandelt wurden, ist die Geschichte sehr leise, wenn nicht sogar sanft erzählt worden. Keine Action, eher unterschwellige Spannung.

Und genau diese Kombination hat mich sofort gefesselt - die ersten 100 Seiten waren gelesen, ohne dass ich es gemerkt hatte. Tate verstrickt sich in vielen widersprüchlichen Aussagen im Gespräch mit ihrer Anwältin. Natürlich habe ich mitgerätselt und eigene Thesen aufgestellt, aber alle waren letztendlich so krass weit von der Wahrheit entfernt. Das hat mich richtig verblüfft.

In der Mitte des Romans, als Tate sich ihrer Anwältin anvertraut, bekommt man als Leser:in viele, viele Details von Tate, die trotzdem noch kein richtiges Bild ergeben. Das hat die Geschichte gut vorangetrieben, obwohl alles aus einer einzig großen Länge zu bestehen schien. Das Bild klärt sich erst im weiteren Verlauf, als Tate nach und nach mehr Ergänzungen und Hintergrundinformationen mit der Geschichte verknüpft. Die vielen Geheimnisse und Zusammenhänge haben mich aber auch verwirrt.

Irgendwann hatte ich tatsächlich Vorbehalte, weil mir die Twists etwas zu groß, zu gewollt und einfach zu viel waren. Aber die Vorbehalte haben sich nach und nach wieder in Luft aufgelöst, denn letztendlich haben sie gut funktioniert.

Am Ende von »Ihr raffiniertes Spiel« habe ich mich vor allem eins gefragt: Kann ich meiner eigenen Wahrnehmung noch trauen? Ich denke, das spricht schon genug für den Thriller. Mir hat er gut gefallen und mich begeistert.

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Veröffentlicht am 08.06.2024

Eine intensive Geschichte über Heimat und Zusammenhalt

Amrum
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Nach »Amrum« musste ich mich kurz sammeln, um mir bewusst zu werden, dass ich mich nicht mehr auf der Insel befinde. Hark Bohm und Philipp Winkler haben mit ihrer ausdrucksstarken Sprache ein lebhaftes ...

Nach »Amrum« musste ich mich kurz sammeln, um mir bewusst zu werden, dass ich mich nicht mehr auf der Insel befinde. Hark Bohm und Philipp Winkler haben mit ihrer ausdrucksstarken Sprache ein lebhaftes und detailliertes Bild der Insel geschaffen, das den Roman von der ersten Seite an in eine stimmungsvolle Atmosphäre getaucht hat. Und in diesen wunderschönen, ausmalenden Worten habe ich mich nur zu gerne verloren.

Viel Spannung und Drama sind in »Amrum« nicht aufgetaucht, vielmehr wirkte der Alltag wie eine durchgängige Herausforderung.
Mit Nanning erlebt man als Leser:in die letzten Tage des zweiten Weltkriegs auf der Insel Amrum. Gemeinsam mit seinem besten Freund Hermann sorgt er in Abwesenheit seines Vaters für seine Familie - eine Verantwortung, die kein 10-Jähriger haben sollte. Immer im Fokus sind dabei die Freundschaft und Verlässlichkeit zwischen den zwei Jungen. Unterstützung erhalten sie von einer Vielzahl anderer Dorfbewohner. Doch Nanning wird auch mit Misstrauen und Abweisung konfrontiert, da seine Eltern Anhänger Hitlers sind.

Oft habe ich festgestellt, dass sich Nanning schon viel zu erwachsen für sein Alter verhalten musste, aber viele Situationen erblickt man dann doch durch die kindlichen Augen eines 10-Jährigen. Gemeinsam mit Nanning lernt man neue Dinge, macht neue Erfahrungen und wird selbst ein Teil der beschaulichen Gemeinschaft auf Amrum.

»Amrum« war wirklich schön zu lesen. Die Rohheit der Natur, das wilde Meer, der starke Zusammenhalt der Amrumer, aber auch die stetige Präsenz des Nationalsozialismus haben aus dem Roman eine intensive Geschichte gemacht, die in einem wunderbaren und angenehm leisen Ton erzählt wird.

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Veröffentlicht am 25.03.2024

Spannung mit Schwachstellen

Every Little Secret
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Ich habe eine Schwäche für Geschichten, die in der High Society spielen und in denen ein Geheimnis das nächste jagt. "Every little secret" war also genau das richtige Buch für mich, auch wenn es ein paar ...

Ich habe eine Schwäche für Geschichten, die in der High Society spielen und in denen ein Geheimnis das nächste jagt. "Every little secret" war also genau das richtige Buch für mich, auch wenn es ein paar Schwachstellen hat.

Die Geschichte an sich gefällt mir gut. Für den Einstieg habe ich etwas länger gebraucht, weil sich das Thema rund um das Erbe extrem gezogen hat. Es ist lange Zeit viel und gleichzeitig auch überhaupt nichts passiert.

Mit Julie wurde ich bis zuletzt einfach nicht warm. Ihre Sturheit und Starrsinn haben mich manchmal sogar etwas genervt. Genauso ihre ständigen Vorbehalte Caleb gegenüber. Für mich war sie größtenteils ein kindischer Dickkopf. Caleb hingegen mochte ich ziemlich schnell, vor allem durch seinen Beschützerinstinkt und sein gutmütiges Wesen. Die Dynamik zwischen den beiden hat sich authentisch und in genau dem richtigen Tempo entwickelt.

Der Spannungsteil der Geschichte war ebenfalls gut eingebunden und hat mich oft das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen lassen. Auch wegen des flüssigen Schreibstils habe ich ein Kapitel nach dem anderen nur so verschlungen.

Aber nun auch die most unpopular opinion: Den Cliffhanger fand ich lahm. Die Spannungsspitze wurde definitiv nicht ausgereizt. Das finde ich wirklich schade, aber nichtsdestotrotz wurde ich vorher so gut unterhalten, dass ich dringend mit Band 2 weitermachen muss.

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