Profilbild von Evy_Heart

Evy_Heart

Lesejury Star
offline

Evy_Heart ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Evy_Heart über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.11.2024

Fehlstellen

Allianz der Heimatlosen
0


Schon mehrmals hat sich Strohmeyr mit der Familie Mann auseinander gesetzt, hier liegt der Schwerpunkt auf der Beziehung zum "Schweizerkind" Annemarie Schwarzenbach. Die Reisebuchautorin verband mit Erika ...


Schon mehrmals hat sich Strohmeyr mit der Familie Mann auseinander gesetzt, hier liegt der Schwerpunkt auf der Beziehung zum "Schweizerkind" Annemarie Schwarzenbach. Die Reisebuchautorin verband mit Erika Mann eine leidenschaftliche, unerwiderte Liebe, mit Klaus Mann eine eher brüderliche Beziehung. Leider reicht das nicht für ein ganzes Buch. Was nur bedingt am Autor liegt.

Worum geht es?

Der Text beleuchtet den Lebensweg Annemarie Schwarzenbachs, sowohl mit als auch ohne den Mann-Geschwistern.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Ich binnen zwei Tagen durch die ca. 130 Seiten gekommen, was sehr flott ist. Allerdings ist das Bild, das der Autor hier zeichnet, relativ simple: Schwarzenbach will sich von ihrer strengen Mutter emanzipieren. Sie "hängt" sich an die Geschwister Mann und verliebt sich in Erika. Seitenweise sieht man Schwarzenbach Mann anschmachten und obwohl die enge Beziehung der drei nur wenige Jahre anhielt, fühlt sich das sehr viel länger an. Im Gegensatz zu Erika und Klaus fehlt Schwarzenbach das intellektuelle Bewusstsein und der Drang, die Welt verändern zu wollen. Während die Geschwister auf verschiedene Arten gegen den Krieg kämpfen, reist Schwarzenbach um die Welt - was auch im Zweiten Weltkrieg irgendwie möglich war. Letztlich kann sie mit den beiden nicht mithalten, sie bleibt das (nicht immer) verwöhnte reiche Mädchen, das "nur" die Anerkennung einer Mutterfigur haben will. Und die Drogen. Immer wieder Drogen.

Von der Schriftstellerin Annemarie Schwarzenbach lesen wir wenig, ohnehin ist das Bild in mehrerlei Hinsicht einseitig. Denn die Mutter hat nach dem Tod und entgegen dem Wunsch der Tochter Tagebücher und Briefe verbrannt. Weil sie ihre lesbische Beziehung zu ihrer Freundin halb-offen auslebte, aber die Neigung der Tochter verurteilte. Und das Bild der "guten" Tochter wahren wollte. Nur weniges ist erhalten geblieben. Das führt dazu, dass wir nicht wissen, wie Erika auf all die Schwärmereien reagierte, welche Gefühle sie tatsächlich hatte. Auch Klaus' Reaktionen bleiben im Dunkeln. Eine Meinung über Schwarzenbach kann man sich überwiegend aus Briefen bilden, in denen andere über sie schreiben.

Daher frage ich mich, ob der Autor Schwarzenbach einen Gefallen getan hat, wenn er sie - weil nicht anders möglich - eher zwischen den Zeilen als eine starke, durchsetzungsfähige Person darstellt. Auf den ersten Blick wirkt sie eher "schwach". Ich finde es wichtig, dass auch ihre Geschichte erzählt wird, aber für mich war das nicht ausreichend. Auch die "Allianz der Heimatlosen" ist als als Titel knackig, aber man spürt die Verbindung der drei nicht.

Interessant fand ich, dass man einiges über Erika Mann als Person erfährt, auch das eher zwischen den Zeilen. Die Art, wie die Geschwister über Schwarzenbach geschrieben haben, welche ihrer Texte sie (nicht) rezensiert haben, dass sie sich überreden lassen, aber ihr nicht zutrauen, dass sie Vorhaben umsetzt. Für mich war Erika Mann eine Kämpferin für das Erbe des Vaters und gegen den Krieg. Eine unstete Persönlichkeit, immer in Bewegung, zielgerichtet, mit wenig Kopf für emotionale Beziehungen. Dieses Bild hat sich im Buch bestätigt. Paradoxerweise scheint Mann für Schwarzenbach tatsächlich eine mütterliche Rolle erfüllt zu haben - aber eher die fordernde, nicht die liebende. Letztlich ist Schwarzenbach wohl an beiden gescheitert.

Fazit

Vom Buch ist mir nur wenig im Kopf geblieben. Annemarie Schwarzenbach, die sich in Reisen, Frauen und Drogen sucht, aber nur den Weg nach unten findet. Es ist ein bewegendes Porträt, das trotz vieler Fakten nur wenig Gefühl für die Person hinter der Autorin vermittelt. Und von der Autorin sieht man auch wenig. Für mich leider nicht notwendig.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.11.2024

Wenn du's weißt, dann weißt du's

Dirty Little Liars
0

Nachdem ich kürzlich einen Beitrag über "Dark Romance" gelesen hatte, wollte ich mich ins Genre wagen. Leider war das Buch nicht die beste Wahl. Weniger, weil es skandalös wäre oder schlecht geschrieben. ...

Nachdem ich kürzlich einen Beitrag über "Dark Romance" gelesen hatte, wollte ich mich ins Genre wagen. Leider war das Buch nicht die beste Wahl. Weniger, weil es skandalös wäre oder schlecht geschrieben. Sondern weil über 240 Seiten sehr wenig passiert.

Rezi enthält Spoiler!

Worum geht es?

Seraphina hat sexuelle Phantasien, in denen sie gewaltsam und mit Würgen genommen wird, und begibt sich deshalb in Therapie auf einem einsamen Schloss.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Wenn ein Buch ständig betonen muss, wie düster und geheimnisvoll alles ist, dann erzeugt das bei mir weniger Spannung als Ermüdung. Die Einleitung ins Geschehen wirkt irgendwie ungelenk und so, als müsste man die Figur nach Blackwood schaffen. Dass dort nicht seelisch, sondern körperlich therapiert wird, wird Leser:innen des Genres klar sein. Dafür gibt es ausführliche Umgebungsbeschreibungen - Leser:innen halten bitte ein Bingo für getäfelte Holzwände, unsichgtbare Türen, ein Labyrinth und ähnliches bereit. Wenn man als Konsument:in genau das mag, wird man daran seine Freude habe. Ich fand's ziemlich unkreativ.

Schade ist, dass ich den Ansatz, sich seine Ängste und Phantasien einzugestehen, was ein wichtiger Schritt zur Heilung ist, sogar nachvollziehen kann. Aber es kommt bei mir nicht an. Es hat mich auch emotional kaum gepackt.

Dafür lenkt uns die Autorin mit drei (oder vier?) Figuren ab, die alle charismatisch sind, alle einen Hang zu Gewalt und Kontrolle haben und auf eine liebenswerte Art übergriffig sind. Dass sie auch alle schwer zu unterscheiden sind, ist nicht wichtig.

Ca. 20 % des Buches nehmen die erotischen Szenen ein. Hat die Figur anfangs einen Hang zu Würgespielen und Messern, wird später simpler, aber zu dritt korpuliert. Erotisch fand ich das nicht, neu auch nicht. Es gibt Autor:innen, die das besser hinbekommen.

Was ich gut fand, war die Spannung am Ende. Ab dem letzten Drittel entspinnt sich ein Krimiplot, am Ende gibt es eine Szene, die an Shutter Island erinnert, und die Auflösung eines Rätsels, die schon nach der Hälfte offensichtlich war. Ich hatte nach 240 Seiten nicht das Gefühl, dass ich ein ganzes Buch gelesen habe, sondern nur die Hälfte eines größeren Werkes. Auch das: nicht gut. Trotzdem hat mich das im positiven Sinne aufgeregt. Denn natürlich fragt man sich, welche grausamen Dinge die drei Musketiere erleben mussten, damit sie so wurden, wie sie sind.

Auch das Motiv der leidenden Männern, die durch die ebenfalls leidende Frau erlöst werden, fand ich interessant und ich habe ein bisschen mitgefühlt.

Der Schreibstil ist unauffällig, etwas langatmig, aber genre-typisch.

Fazit

Ich honoriere die Arbeit, die alle Beteiligten investiert haben, aber für 17 Euro bekommt man sehr wenig. Bekanntes Setting, bekannte Motive, wenig emotionale Bindung. Leser:innen, die genau das mögen, werden ihren Spaß damit haben. Für mich war's nur gutes Handwerk.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.10.2024

Info-Overload

Eine Geschichte des Römischen Reiches in 21 Frauen
0

Ich hatte das Buch angefordert, weil ich mich seit der Schule nicht mehr mit Rom beschäftigt hatte und den Ansatz, dabei die Frauen zu betrachten, interessant fand. Mein Problem mit dem Buch liegt weniger ...

Ich hatte das Buch angefordert, weil ich mich seit der Schule nicht mehr mit Rom beschäftigt hatte und den Ansatz, dabei die Frauen zu betrachten, interessant fand. Mein Problem mit dem Buch liegt weniger am Schreibstil als an der Materie selbst - denn es gibt nur wenige Informationen über die Frauen. Was die Autorin auch ständig betont.

Worum geht es?

Das Buch beleuchtet die Leben von 21 Frau im alten Rom zwischen Beginn und Untergang. Den Anfang bildet Romulus' Frau, das Ende die Tochter des letzten Kaisers, Placidia Galla.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Die Auswahl ist dabei vielfältig: Wir sehen Rebellinnen in Britanien, Dichterinnen, eine Leiterin eines Vergnügungszentrums bzw. Bades in Pompei und viele Frauen der Oberschicht. Auch das Christentum und die Kritik daran findet im letzten Viertel Platz. Das fand ich gut.

Außerdem habe ich einen guten Einblick bekommen in eine Welt, die so weit weg ist.

Ich hatte aber große Probleme, die Informationen festzuhalten. Das liegt zum einen an der Materie: Die meisten Namen kommen aus einer Sprachregion, die mir nicht vertraut ist - Latein. ES fiel mir schwer, mir die Namen einzuprägen, besonders, wenn Mutter und Tochter ähnliche Namen haben. Oder wenn die Autorin zwei Frauen gegenüber stellt und zwischen beiden wechselt. Außerdem hätte ich mir einen kurzen historischen Abriss pro Abschnitt gewünscht - die Autorin gibt hier nur sehr wenige Informationen. Mein größtes Problem ist aber, dass von all den Frauen nur wenige Informationen existieren. Sie duften nicht selbst schreiben, stattdessen haben Männer ÜBER sie geschrieben, manchmal Jahrzehnte später. Die Autorin beleuchtet gut, wie der jeweilige Autor der Bild auf die Frau verzerrt und hinterfragt, warum. Das wird häufig betont und lenkt vom Geschehen ab. An anderen Stellen füllt die Autorin die Leere mit seitenlangen Umgebungsbeschreibungen oder der Interpretation eines Gedichtes.

Ich hatte das Gefühl, dass die Autorin sehr, sehr viele Informationen hat und möglichst viele dieser in das Buch einbringen wollte. Ich fühlte mich aber erschlagen von all diesen Fakten. Obwohl vieles davon interessant ist.

Der Schreibstil ist, wie in solchen Büchern typisch, eher locker. An seltenen Stellen verrennt sich die Autorin in ihrem Humor z.B. 31 % "Kaum hatte Caesar Italien hinter sich gelassen, um Pompeius in Mazedonien zu stellen, da carpe-ten Milo und Caellius den diem und versuchten, ganz Italien zu einer Rebellion anzustacheln."

Ein nettes Gimmick in der Danksagung war aber der Verweis auf die Dragqueens Trixie Mattel und Katya.

Fazit

Es gibt Menschen, die all die schillernden Puzzelteilchen dieses Buches mögen, mir war die Informationsflut im Buch aber zuviel. Wer schon mit der Materie vertraut ist, wird hier eine tolle Ergänzung finden. Ich habe als Anfängerin leider nur wenig mitgenommen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.10.2024

Ödnis is happening

All Your Secret Songs
0


Am Buch hat mich der Journalismus-Aspekt gereizt, weil ich großen Respekt für diese Mischung aus Fakten und Kunst habe. Ich dachte, dass das einer klassischen Liebesgeschichte Würze gibt. Leider sieht ...


Am Buch hat mich der Journalismus-Aspekt gereizt, weil ich großen Respekt für diese Mischung aus Fakten und Kunst habe. Ich dachte, dass das einer klassischen Liebesgeschichte Würze gibt. Leider sieht man von der journalistischen Arbeit wenig, stattdessen schmachen sich die Figuren 75 % des Buches an.

Rezi enthält Spoiler.

Worum geht es?

Ryan ist ein erfolgreicher Teil der aufstrebenden irischen Band "Lovesuckerz", hadert aber damit. Allie ist Musikjournalistin, die von ihrem Vater, der im Bereich Wirtschaftsjournalismus tätig ist, nicht ernst genommen wird. Ihre wahre Liebe ist die Musik. Gleichzeitg lesen wir von Liz, die anonym Songs auf Instagram covert, und Conor, der seine Freunde vermisst und sich in Liz verliebt.


Meine Meinung zum Buch

Für mich war es inhaltlich wenig, es gibt nur wenige Konflikte. Aus dem Dreiecke zwischen Allie, ihrem Vater und dem Bruder, der die Erwartungen des Vaters erfüllen konnte, hätte man viel machen können, das bleibt aber an der Oberfläche. Interessant ist z.B. dass Allie sich tätowieren und piercen ließ, um gegen ihren Vater zu rebellieren - Conor aber diese Äußerlichkeiten anziehend findet. Es wäre interessant gewesen, zu sehen, wie Allie das aufarbeitet und was das mit der Beziehung macht. Der Streit aus "Ryan", der seinen Traum leben darf, und "Conor", der seine alte Band zurücklassen musste, zieht sich durch das Buch, war für mich aber auch wenig prägnant. Bei 75 % kommt plötzlich eine Anschuldigung wegen sexueller Belästigung auf, die vorher kaum angedeutet wurde, und die vom eigentlichen Konflikt ablenkt. Dramaturgisch sinnvoll, weil es die Spannung kurz vor dem Ende erhöht, aber letztlich ein alter Hut.

Vom Alltag der Band, von den Auftritten, von der Leidenschaft und dem Kick sieht man wenig. Ganz im Gegenteil: Oft blendet die Handlung bei Konzerten aus und erst danach wieder ein.

Das Buch hätte auch vor 20 oder 30 Jahren spielen können, nur ohne soziale Medien. Was keinen Unterschied macht. Die Welt ist geprägt von fiesen Journalist:innen und es ist ein Skandal, wenn Mitglieder von Boybands schwul sind oder eine Freundin haben. Nichtmal eine nicht-binäre Figur gibt es.

Die Fronten sind klar: Boybands, deren Songs Massenware sind, auf der einen Seite. Oberflächliche Kunst für konsumierende Teenager-Mädchen. Auf der anderen Seite Indiebands, deren Lieder mit Herz geschrieben sind. Das schillernde, weil ehrliche Leben einer Band, die mit Freude in kleinen Clubs spielt und nebenbei einen oder zwei andere Jobs hat. So einfach ist das aber nicht. Nur, weil Songs in Camps gemeinsam mit anderen geschrieben sind, bedeutet das nicht, dass sie nicht aus einem tiefen Gefühl heraus entstanden sind. Perlen der Musikgeschichte wurden in 10 Minuten heruntergeschrieben, ohne dass der Künstler oder die Künstlerin wusste, was der Sinn des Liedes ist. Und mit Veranstaltern über Gagen verhandeln zu müssen und/oder das Projekt nur in der Freizeit betreiben zu können, weil die Band die Miete nicht bezahlt, wird ausgeblendet.

Die Welt im Buch ist einfach, aber die Autorin schafft es nicht, ihr neue, interessante Aspekte beizufügen

Auch von Allies journalistischen Fähigkeiten sieht man wenig. Dafür, dass sie seit Jahren Musikkritiken schreibt, sind ihre Texte eher blumig. Nett, aber nicht, so knackig, dass sie auf Social Media verkaufen können. Aus meiner Sicht passen sie eher zu Kolumnen oder längeren Reportagen. Sie interviewt die Band, fotografiert usw. - wie sieh das verarbeitet, davon sieht man nichts. Immerhin waren die Kommentare unter den Posts sehr vielfältig und die Menge nicht zu hoch. Sie geben ein gutes Bild davon, wie Menschen auf solche Beiträge reagieren. Mich hätte auch interessiert, wie Allie, die mit einem Wirtschaftsjournalisten und dessen Stil aufgewachsen ist, den Übergang zu eher unterhaltsamen Musikkritiken geschafft hat.

Es geht im Buch viele interessante Figuren, von denen wir nur wenig sehen.

Auch die Spannung war nicht vorhanden, die Geschichte war von Anfang an klar, ich habe mich bis 60 % gefragt, ob etwas Interessantes passiert, dann merkte ich, dass nichts mehr kommt.

Was mich am meisten gestört hat, war das ständige Schwärmen und die fehlenden Emotionen. Conor ist besessen von Allies Piercings und ihrem Duft nach Rosen und den Fuchsialippen und den ebenholz-farbenen Haar. Sie mag seinen Pinienduft. Die beiden wollen sich, ständig. Ihre Gespräche gehen aber nur selten in die Tiefe. Allies Eltern spielen eine Rolle, Conors nicht. Dafür Conors ehemaige Band, irgendwann. Songwriting ist ein Thema, Selbstverwirklichung. Ich habe nicht mitgefühlt, weil ich kaum eine Beziehung zu den Figuren hatte. Gutes Handwerk, aber nicht einzigartig.

Es gibt nur eine Erotikszene, die sehr ausführlich ist, aber weder technisch noch erzählerisch auffällt.

Der Schreibstil ist flüssig und unauffällig, nur manchmal fand ich Worte nicht so stimmig. Und ich mochte die Metapher, dass die beiden als eine Einheit aus Endorphinen und Serotonin funktionieren. Auch Allies Humor gefällt mir, aber er wird durch die Schwärmereien und die fehlende Substanz überdeckt. Ich glaube der Figur nicht, dass sie SO sarkastisch ist.

Fazit

"All your secret Songs" ist solides Handwerk, dem es leider an Inhalt fehlt. Für mich hat das Buch nichts Besonderes. Ich erkenne die Arbeit aller Beteiligten an und ich sehe in Allies Sarkasmus stilistisches Potential, das ich in "erwachsenen" Büchern gern lesen würde.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.10.2024

Nett, aber wenig Konflikt

Das Wohlbefinden
0

Ich habe das Buch über eine Leserunde gewonnen und ich fand das Thema "Beelitz" interessant. Verglichen mit dem Historien-Roman davor geht das Thema leider unter, stattdessen verstrickt sich die Autorin ...

Ich habe das Buch über eine Leserunde gewonnen und ich fand das Thema "Beelitz" interessant. Verglichen mit dem Historien-Roman davor geht das Thema leider unter, stattdessen verstrickt sich die Autorin in zwei Traumata, die über mehrere Generationen getragen werden.

Rezi enthält Spoiler!

Worum geht es?

Der Text spielt auf drei Ebenen: Im Jahre 1907/08 erleben wir die Schriftstellerin Johanna, die ihren Erfolgsroman schreibt und wir sehen die Vorgänge in Beelitz. Außerdem erleben wir das Medium Anna, das zur Schlüsselfigur wird. Im Jahre 1967 ist Johanna dement und Erinnerungen kommen auf. 2020 findet ihre Urenkelin Vanessa Notizen Johannas, gleichzeitig hadert sie mit ihrem eigenen Leben. Und wieder spielt Beelitz eine Rolle. Über allem schwebt das Thema Okkultismus.

Wie hat mit das Buch gefallen?

Das Cover finde ich toll, es erinnert mich an Wandbilder der 20er Jahre im Jugendstil. Verglichen mit anderen Titelbildern ist es ein bisschen einzigartig - es würde auffallen, aber ich habe das Gefühl, schon ähnliches gesehen zu haben.

Der Inhalt selbst war nett, aber nicht prägnant. Johanna ist eine Frau des Bürgertums, die vom Vater ein Haus geerbt hat und mit einem Arzt verheiratet ist. Dieser verkörpert die Naturwissenschaften im Buch. Im Gegensatz zu Johanna fühlt er sich von Übersinnlichem abgestoßen und sucht ein Heilmittel gegen Tuberkulose. Johanna selbst sieht sich als Autorin, fühlt sich aber von vielem gestört - Geräuschen, ihrem Mann, den Kindern. Umso empfänglicher ist sie für Natur und Übersinnliches. Auf mich wirkte sie hochsensibel. Ihr Problem ist, dass sie es der herrischen Mutter nie recht machen konnte und daher in Anna jemanden findet, der sie unterstützt. Auch in ihre Familie findet sie sich nicht hinein, zu sehr ist sie in der Angst verhaftet "nicht richtig" zu sein.

Anna bleibt bis zum Schluss eine Figur, die man nicht greifen kann, und wahrscheinlich nicht greifen soll. Auch sie hat einen Hang zum Übersinnlichen, sieht Dinge, bevor sie passieren. Sie kommt mit Tuberkulose nach Beelitz und wird gleichermaßen ausgegrenzt und vereehrt. Nach einer Nahtoderfahrung verstärkt sich das Gefühl, dass das Göttliche durch sie spricht, sie wird als Medium, auch missbräulich, erforscht und benutzt. Später dient sie Johanna als Mutterersatz und Muse. Sie schleicht sich aber auch in das Leben der Familie und nutzt ihre Fähigkeiten selbst für Vorführungen. Anhand Annas sehen wir unterschiedliche Strömungen des Okkulten und hinterfragen, welchen Sinn das hat. Viele Figuren im Buch glauben mehr oder weniger daran und es ist nie klar, was fiktiv und was echt ist.

Aus dem Kampf zwischen Übersinnlichem und Naturwissenschaftlichen, verkörpert durch beide Eheleute, entwickelt sich ein Spannungsfeld, das der Roman nur wenig ausnutzt. Stattdessen sehen wir Johanna, die ständig mit sich kämpft, und vom Ehemann sehen wir wenig. Die Auflösung des Konfliktes ist nett, aber nicht überraschend.

Im Roman klingt sovieles an, das man hätte näher ausführen können. Welche gesellschaftliche Funktion das Übersinnliche hatte, wie (vor allem) Frauen ausgenutzt wurden, weil man davon ausgeht, dass sie empfänglicher sind. Wie man mit Menschen umgeht, bei denen das mit einer psychischen Erkrankung einhergeht. Aber auch, dass Beelitz ein fortschrittliches Kurheim war, das aber einen kapitalistischen Hintergrund hatte: Man wollte die Menschen arbeitsfähig machen.

Die anderen Zeitebenen haben für mich die Spannung nur mäßig erhöht. Johannas Demenz zu sehen und zu erkennen, dass sie sich als Schriftstellerin wichtiger empfindet, als sie nach 60 Jahren ist, das war traurig. Vanessa stellt die Verbindung zur Jetzt-Zeit nach und gibt Möglichkeiten für Gesellschaftskritik. Trotzdem hätte ich auf beide Perspektiven verzichten können. Ohnehin hätte ich ganze Absätze überlesen können, ohne, dass ich etwas verpasst hätte.

Die Figuren haben mich emotional nicht gepackt, ich konnte mich mit allen etwas identifizieren, aber ich habe nicht mitgelitten.

Manche Leser:innen haben im Buch einige Verweise an reale Personen gefunden z.B. Rudolf Steiner und Thomas Mann. Wer gern zwischen den Zeilen liest, wird also seine Freude daran haben.

Fazit

Für mich hat das Buch leider nur wenige Spuren hinterlassen. Den Grundkonflikt fand ich auf emotinonaler und gesellschafticher Ebene interessant, es wurde aber zuviel angedeutet, zuviel erzählt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere