Ich tue mich schwer mit dem Buch!
Nach der Leseprobe war ich sehr neugierig darauf, wie der Autor die Magie und die Unmöglichkeit des Lebens und Grace’ Lebensweg erklären würde. Mir gefiel die Vorstellung, dass eine 72jährige im Grunde ...
Nach der Leseprobe war ich sehr neugierig darauf, wie der Autor die Magie und die Unmöglichkeit des Lebens und Grace’ Lebensweg erklären würde. Mir gefiel die Vorstellung, dass eine 72jährige im Grunde noch einmal von vorn anfängt und dabei den Verbleib ihrer Freundin, die eigentlich gar keine war, aufklärt. Ich hatte von Matt Haig bisher nur Gutes gehört und habe auch selbst schon in seinen Büchern gestöbert, aber noch nie eines ganz gelesen. Aus all diesen Gründen waren meine Erwartungen an dieses Buch hoch.
Grace ist gefangen in ihrer kleinen, traurigen Welt, die hauptsächlich aus dem Tod ihres Sohnes und ihres Mannes besteht. Ihre wichtigste Beschäftigung, der sie nachgeht, ist der Gang zum Friedhof. Hier spricht sie mit Karl - ihrem verstorbenen Mann - und hat wahnsinnige Schuldgefühle gegenüber Daniel - ihrem Sohn. Beides wirkt ein bisschen skurril, kann man sich aber gut vorstellen. Auf mich wirkt Grace am Anfang des Buches wie eine Frau, die nur noch darauf wartet, dass das Leben endlich vorbei ist. Das Leben hat keinen Reiz mehr. Und dann beschließt sie, nach Ibiza zu ziehen. Allerdings ist sie dabei keineswegs davon überzeugt, dass es richtig sein würde, was sie tut.
Die Geschichte ist als Rückblick geschrieben - Grace erzählt Maurice ihre Geschichte. Wer Maurice ist, ist hierbei im Grunde völlig nebensächlich, denn außer, dass er an Grace einen Brief schrieb, aufgrund dessen Grace ihre Geschichte erzählt, taucht er nie wieder auf. Es ist Grace’ Geschichte.
Ich bin mir gar nicht sicher, was genau ich erwartet habe. Irgendwie habe ich gehofft, dass in diesem Buch die Welt einfach mit anderen Augen betrachtet wird, man einen anderen Blickwinkel einnehmen könnte, um einmal anders wahrzunehmen oder sich vorzustellen. In der ersten Hälfte des Buches habe ich mir sogar Textstellen markiert, weil sie für mich toll formuliert waren und passend erschienen.
Als der Autor aber mit übersinnlichen Dingen begann, La Presencia überaus vordergründig wurde, Grace plötzlich Fähigkeiten hatte, die nichts mehr mit der Realität zu tun haben, wie wir es kennen (und die eben tatsächlich einfach unmöglich sind), da begann es mir schwer zu fallen, das Buch weiter zu lesen. Es ist nicht so, dass ich fantastische Geschichten nicht mag, ganz im Gegenteil, aber in dieser Geschichte passt die fantastische Komponente für mich nicht dazu.
Der Autor hebt auf einige Themen des Lebens ab, insbesondere auf die Umwelt, auf die Skrupellosigkeit derer, die nur ihren Profit im Kopf haben und wirklich glauben, dass es egal sei, was aus der Umwelt würde. Das gefällt mir gut, weil er dabei nicht den erhobenen Zeigefinger wählt, sondern eine Geschichte erzählt.
Allerdings verliert sich der Autor auch schon am Anfang sehr in Details, die später aus meiner Sicht überhaupt keine Bedeutung mehr haben, wie z.B. das Ziehen der Krampfadern bei Grace. Er widmet diesen Details ganze Kapitel (wenn z.T. auch sehr kurze), aber sie verwirren einerseits und andererseits empfinde ich sie auch als so nebensächlich, dass sie einfach nur das Tempo der Geschichte drosseln. Das Tempo ist ohnehin als sehr gemächlich zu betrachten. Natürlich passt die Langsamkeit zur Botschaft des Buches, die Welt mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten, aber andererseits lässt sie die Geschichte sehr schleppend erscheinen.
Fazit:
Aus meiner Sicht ist dieses Buch eine Hommage an die Langsamkeit. Es ist eine Geschichte, die erzählt, dass das Leben zu jeder Zeit einen Sinn hat, dass es gut ist, die Vergangenheit ruhen zu lassen und nach vorn zu schauen. All diese Aspekte gefallen mir sehr gut, mit ihrer Umsetzung tue ich mich allerdings schwer. Das Leben ist fantastisch - gar keine Frage - aber es ist aus meiner Sicht nicht übersinnlich und hier liegt für mich der Widerspruch, weshalb ich nicht gut mit dem Buch klarkomme. Einige Formulierungen sind großartig, aber die vielen, lang beschriebenen Details empfinde ich als störend und bremsend.