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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.10.2024

Ein Foto für die Ewigkeit

Die Erinnerungsfotografen
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Herr Hirasaka betreibt ein Fotostudio, aber eines, das besonders ist. Im Studio finden sich Menschen ein, die gestorben sind, dort verweilen sie eine Weile, bevor es weitergeht ins Jenseits. Während ihres ...

Herr Hirasaka betreibt ein Fotostudio, aber eines, das besonders ist. Im Studio finden sich Menschen ein, die gestorben sind, dort verweilen sie eine Weile, bevor es weitergeht ins Jenseits. Während ihres Aufenthalts dürfen sie sich für jedes Lebensjahr ein Foto aussuchen, ein einzelnes dürfen sie mit einer Kamera selbst schießen, während sie das Geschehene hautnah erleben. Herr Hirasaka nimmt jeden Besucher herzlich auf und erinnert ihn oder sie daran, was im Leben wichtig ist.

»Ich bin nur ein Wegbegleiter. Wenn die Leute plötzlich erfahren, dass sie bereits gestorben sind, brechen sie sogleich in Tränen aus oder sind ganz niedergeschmettert. Einige veranstalten dann ein ziemliches Trara. Meine Aufgabe ist es, den Schock zu mildern. Deshalb ist dieses Fotostudio so gestaltet, dass es der Welt der Lebenden weitgehend ähnelt.« (Seite 13)

Die in Tokio lebende Autorin Sanaka Hiiragi liebt unter anderem alte Fotoapparate und auch das Fotografieren selbst, da lag es wohl nahe, eine Geschichte niederzuschreiben, die sich darum dreht. Eine Prise Märchen, eine Dosis Lebensratgeber, unterschiedliche Schicksale sowie ein Fotograf, der geheimnisvoll tut und anscheinend selbst eine unbekannte Vergangenheit vorzuweisen hat; kann das funktionieren? Das kann und das tut es! Die Idee dahinter finde ich zauberhaft, wie schön wäre es doch, bevor man ganz geht, die Zeit zu haben, von jedem Tag des Lebens ein Bild aufbewahrt zu haben, das man sich ansehen kann. Im digitalen Zeitalter leider nicht mehr zeitgemäß, dennoch liegt ein gewisser Reiz darin, sich das vorzustellen.

Die einzelnen Erzählungen waren nicht sonderlich aufregend, aber interessant und unterhaltsam auf jeden Fall. Das eher leise Buch hat mich bestens unterhalten, mir eine schöne Lesezeit beschert und lässt mich mit einem Lächeln im Gesicht zurück. Nur besondere Bücher schaffen das. Lesenswert!

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Veröffentlicht am 01.10.2024

Home Sweet Home

Ein Ort für immer
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Als Carol den viel älteren Declan kennengelernt, gibts in der irischen Kleinstadt viel zu tuscheln: der Altersunterschied, der Umstand, dass Carol geschieden und die Lehrerin seiner Kinder ist, sowie natürlich ...

Als Carol den viel älteren Declan kennengelernt, gibts in der irischen Kleinstadt viel zu tuscheln: der Altersunterschied, der Umstand, dass Carol geschieden und die Lehrerin seiner Kinder ist, sowie natürlich die Tatsache, dass Declans Frau die Familie verlassen hat. Dennoch zieht Carol nach kurzer Zeit zu ihm und scheint glücklich zu sein. Als Declan erkrankt, verfrachten ihn seine Kinder in ein Pflegeheim und setzen Carol vor die Tür, um das Haus zu verkaufen. Moira kann nicht mitansehen, wie ihre Tochter leidet, und kauft das Haus, in dem Carol so viele Jahre mit Declan gewohnt hat. Weder sie noch Carol ahnen, welch düsteres Geheimnis das Haus verbirgt.

„Jetzt hätte Carol ihn gern nach seiner Beziehung zu seinen Kindern gefragt, aber es war wohl zu spät dafür. Declan war zu sehr damit beschäftigt, sich verloren zu gehen. Dass seine eigenen Kinder ihn ebenfalls aufgegeben zu haben schienen, war da sicher nicht hilfreich.“ (Seite 39)

Dieser Roman hat mich wunderbar unterhalten, der Mix aus Familienroman und Krimi mit einer Prise Drama sowie einem Hauch schwarzer Humor bescherte mir spannende Lesestunden und lässt mich zufrieden zurück. Carol und ihre Familie stehen zwar im Vordergrund, aber Graham Norton lässt mich auch tief ins Leben und die Gefühlswelt der anderen Beteiligten blicken. So erklärt sich rückblickend manch eine Situation und auch die Beweggründe für bestimmte Handlungen werden beleuchtet, ergeben aus einer anderen Sicht einen gänzlich anderen Sinn.

Die Geschichte war wendungsreich und konnte mich wiederholt überraschen. Ich war gespannt darauf, welche Lösung mir präsentiert wird und war mit dem Ende zufrieden. Gerne empfehle ich den Kleinstadtkrimi weiter.

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Veröffentlicht am 27.09.2024

Friedlicher Streit für den Frieden

Das Land, wo die Kanonen blühn
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»Jahrgang 1899
Wir haben die Frauen zu Bett gebracht,
als die Männer in Frankreich standen.
Wir hatten uns das viel schöner gedacht.
Wir waren Konfirmanden.
Dann holte man uns zum Militär,
bloß so als ...

»Jahrgang 1899
Wir haben die Frauen zu Bett gebracht,
als die Männer in Frankreich standen.
Wir hatten uns das viel schöner gedacht.
Wir waren Konfirmanden.
Dann holte man uns zum Militär,
bloß so als Kanonenfutter.
In der Schule wurden die Bänke leer,
zu Hause weinte die Mutter.«
(Seite 9, Auszug)

Zwei Weltkriege hat er miterlebt, seine Bücher wurden in seinem Beisein durch die Nationalsozialisten auf dem Berliner Opernplatz verbrannt, umso mehr hat Erich Kästner sich für Demokratie und Frieden eingesetzt, zahlreiche Texte und Gedichte verfasst. Dieses in vier Teile aufgeteilte Büchlein enthält Zitate, Gedichte, Erzählungen und Beobachtungen des mit zahlreichen Auszeichnungen geehrten Schriftstellers, der 1974 in München verstarb. Erschreckend dabei ist, dass diese Texte heute immer noch so aktuell sind. Sehr empfehlenswert in diesem Zusammenhang ist übrigens das Nachwort von dem Kästner-Kenner Sven Hanuschek, das ich äußerst interessant fand. Lesenswert!

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Veröffentlicht am 26.09.2024

Packend und düster

Bis in alle Endlichkeit
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Der Privatdetektiv Leland (Lee) Crowe findet auf dem Heimweg eine schöne junge Frau, die tot auf dem Dach eines Rolls-Royce liegt. Die Mutter der Toten beauftragt Crowe mit Ermittlungen, da Polizei und ...

Der Privatdetektiv Leland (Lee) Crowe findet auf dem Heimweg eine schöne junge Frau, die tot auf dem Dach eines Rolls-Royce liegt. Die Mutter der Toten beauftragt Crowe mit Ermittlungen, da Polizei und Gerichtsmedizin von einem Selbstmord ausgehen, die superreiche Olivia Gravesend jedoch glaubt an ein Verbrechen. Die Nachforschungen führen Crowe auf die Spur von Jemandem, der vor nichts zurückschreckt, um sein Geheimnis zu wahren.

„Falls Sie je einen Privatdetektiv anheuern, gebe ich Ihnen einen Rat: Bedenken Sie, ehe Sie sich über seine hohen Honorarsätze beschweren, dass das meiste Geld sofort für seine Betriebskosten draufgeht. Informanten nehmen nur Bargeld, und ein Detektiv - jedenfalls ein guter - hat seine Quellen überall. Die Kosten summieren sich in Windeseile und Bestechungsgelder lassen sich nicht von der Steuer absetzen.“ (Seite 77)

Mein zweites Buch des Autors entpuppte sich als ein Meisterwerk des Noir Krimis. Ein solcher zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass die Hauptfigur ein Außenseiter ist und Verbrecher oder Ermittler sein kann. Im vorliegenden Fall ist Crowe ein ehemaliger Anwalt, der aus persönlichen Gründen seine Anwaltszulassung verlor und mit mehr Glück als Verstand Privatermittler wurde. Er nimmt es mit dem Gesetz nicht immer so genau, allerdings hat er das Herz auf dem rechten Fleck und Prinzipien, denen er treu bleibt. Als bestes Beispiel kann ich hier Bücher von Raymond Chandler oder Georges Simenon nennen. Für Fans dieses Genre sollte das vorliegende Buch genau das richtige sein, aber auch für Lesende von spannenden und thematisch aktuellen Kriminalromanen ist dieses mehr als zu empfehlen.

Fast sofort lande ich im Geschehen, bereits das erste Kapitel fängt mich ein und bis zur letzten Seite lässt die Geschichte mich nicht mehr los. Ungerne lege ich das Buch aus der Hand, am liebsten würde ich Tag und Nacht lesen, so faszinierend finde ich es. Die Wendung, die die Story thematisch nimmt, habe ich hier nicht erwartet, was aber mehr damit zusammenhängt, dass es für mich ein bisschen Zukunftsmusik ist, ich mich aber gedanklich mit Crowe in der Vergangenheit befinde, wo es nicht mal Handys gibt, was dazu führt, dass ich immer wieder irritiert bin, wenn er seines zückt. So ergibt sich für mich ein fast surrealer Lesegenuss, stellenweise habe ich das Gefühl, an der Seite von Crowe zu sein und nach der Lösung zu suchen. Diese Atmosphäre trägt mich durch das Buch, lässt mich Situationen überstehen und brenzlige Momente überleben. Zusammen finden wir des Rätsels Lösung und gemeinsam kommen wir ans Ziel. Das Ende erfreut dann mein Leserherz, denn dieses sowie die Worte in der Danksagung lassen auf eine Fortsetzung schließen. Diese Hoffnung wird mir die Wartezeit versüßen. Ich freue mich drauf!

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Veröffentlicht am 20.09.2024

Freundinnen für immer

Malnata
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Italien im Jahre 1935, der Sommer ist heiß und Francesca verbringt die Tage damit, Maddalena zu beobachten, ein Mädchen, das barfuß und schmutzig mit zwei Jungs durch die Gegend läuft. Malnata wird sie ...

Italien im Jahre 1935, der Sommer ist heiß und Francesca verbringt die Tage damit, Maddalena zu beobachten, ein Mädchen, das barfuß und schmutzig mit zwei Jungs durch die Gegend läuft. Malnata wird sie genannt, was »Die Unheilbringende« heißt, der Kontakt mit ihr wird Francesca verboten, was diese nicht daran hindert, sich trotzdem mit diesem außergewöhnlichen Mädchen anzufreunden. Es ist eine Zeit, in der es klug ist, den Mund zu halten und bestimmte Dinge zu unterlassen. Ein Krieg steht bevor, Macht wird ausgenutzt und bald wird die Freundschaft der beiden Mädchen auf die Probe gestellt.

„»Ich habe es nicht mehr ausgehalten«, sagte sie. »Ich konnte mich nicht mehr verstellen. Das ist alles so falsch. Merkst du das denn nicht?«
»Was?«
»Der Krieg und dass wir den Arm in die Luft recken und sagen, was sie wollen, denken, was sie wollen. Dass wir all diese Regeln befolgen und brave Mädchen sind«, sie holte Luft. »Ich war es leid, immer nur zu wiederholen, was sie hören wollen. Ernesto sagt immer: >Worte sind keine Kleinigkeiten, Maddalena. Man darf sie nicht einfach gedankenlos dahinsagen. Dann werden sie gefährlich.< Und er hat recht. Aber sie können auch etwas bewirken. Meinst du nicht?«“ (Seite 155)

Ich war zusammen mit Francesca fasziniert von Maddalena, habe mit ihr Tage am Fluss verbracht, bin auf Diebestour gegangen, habe das Lügen für mich entdeckt, sie verleugnet und um Verzeihung gebeten. Ich habe beobachtet und zugehört, habe gehofft und gezweifelt, war Zeugin von Dramen, wohnte Tragödien bei und habe Übergriffe über mich ergehen lassen. Ich habe geschmunzelt und gelacht, habe geweint und war am Boden zerstört. Es war eine intensive Erfahrung, eine wunderbare Lesereise, die mich beglückt und das Buch am Ende hat zufrieden zuklappen lassen. Danke für diese Geschichte. Arrivederci, Malnata, Ciao!

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